Notenlesen - Wie man ein Stück anfängt

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backe

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Hi Kevin,
bin noch zu langsam im Notenlesen und kann nicht bestätigen, finde aber sehr interessant, was hier mal jemand schrieb:

Noten lesen bedeutet _nicht_, aus den schwarzen Punkten die Lage der zu drückenden Tasten abzuleiten und sich dann vom Klang überraschen zu lassen, sondern idealerweise - und so sollte man es lernen - interpretiert man die gelesene(n) Note(n) zunächst als Ton (und Klänge) und lässt danach diese Vorstellung durch das Spielen real werden.

Finde das interessant, so Noten zu lesen. Ich selbst habe das nicht so gelernt, kann es seit dem ich 10 bin. Ich habe auch Vorstellungen von einer Melodie, wenn ich sie auf dem Blatt sehe, doch wirklich greifbar ist sie für mich erst, wenn ich die Noten langsam spiele. Dann entwickelt sich ein Bild in mir, dass ich mir nach belieben forme. Ich verstehe nicht ganz, wieso man nicht so an einen Notentext heran gehen sollte. Das darf mir bitte jemand näher bringen!
 
Oben wird also gemeint (oder eher: die These aufgestellt), daß man die Musik zuerst im Kopf hören und sogar modulieren/gestalten soll, bevor man sie spielt. Und durch das Spielen läßt man den im Kopf geformten Klang real werden.

Mir persönlich scheint, daß man erst in einem fortgeschrittenen Stadium des eigenen Könnens so an gedruckte Noten oder das Spielen herangehen kann. Inwieweit es Sinn macht oder machen kann, kann ich mir nicht beantworten...
vielleicht wollte der Autor verhindern, daß man notenlesend nur an den Noten klebt und bis in alle Ewigkeit ohne echten Ausdruck und "Interpretation" spielt... daß man letzteres (Ausdruck und "Interpretation") auch ohne diese Herangehensweise erreichen kann, da bin ich mir ziemlich sicher.

Ich selbst hab es immer anders gemacht. Das Klangbild habe ich mir "frei haus" von einer Schallplattenaufnahme (damals) liefern lassen. Und danach bin ich erst an die Noten gegangen (und konnte Fehler in meinem Spiel, und auch die Richtigkeit meines Spiels dann sofort erkennen). So ein Vorgehen kann aber auch Nachteile haben. Ich grübele noch heute, ob ich dadurch auf eine bestimmte Art der Interpretation der Stücke geprägt worden bin, oder ob ich diese Interpretation immer noch aus eigenem Empfinden heraus als "schön" einordnen kann.
 
Au Backe, das geht mir jetzt verquer... ;)

"Noten lesen bedeutet _nicht_, aus den schwarzen Punkten die Lage der zu drückenden Tasten abzuleiten"

kommt von mir und ich habe im Faden "Klavierspielen nach Noten oder ohne"
https://www.clavio.de/forum/klavier...1903-klavierspielen-nach-noten-oder-ohne.html
auf einen mir wichtig erscheinenden aber leider oft vernachlässigten Aspekt beim Notenlernen hinweisen wollen und das im Beitrag
https://www.clavio.de/forum/177681-post30.html
nochmal erläutert, Stichwort: das Erkennen der Worte (= Klänge, ...).

Natürlich kann man ein Stück auch Note für Note lernen, genauso mache ich es, als immer-noch-Anfänger, leider. Und mit der Interpretation des Stückes hat das am Ende gar nichts zu tun, zumindest nicht zwangsläufig.

Aber vermutlich mit der Lerngeschwindigkeit und damit, ob man ein ehemals gekonntes Stück leicht wiederbeleben kann (Repertoire), evtl. auch, ob der Notentext genutzt werden kann, um Gedächtnisausfälle (das Alter!) zu kompensieren - noch ist mein Gedächtnis so gut (bzw. mein Notenlesen so langsam) das ich ein Stück auswendig kann, wenn's fertig ist, aber nicht 100% zuverlässig.

LG
Stuemperle
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Oben wird also gemeint (oder eher: die These aufgestellt), daß man die Musik zuerst im Kopf hören und sogar modulieren/gestalten soll, bevor man sie spielt. Und durch das Spielen läßt man den im Kopf geformten Klang real werden.

Mir persönlich scheint, daß man erst in einem fortgeschrittenen Stadium des eigenen Könnens so an gedruckte Noten oder das Spielen herangehen kann.

Nein, eigentlich sollte der Klavierunterricht von Anfang an so laufen.

Die ganzen großen Autoren zum Thema Klavierpädagogik und Klaviertechnik - Neuhaus, Martienssen, Gat und wie sie alle heißen - haben selbstverständlich immer als zentral betont, daß jegliche Aktivität am Instrument aus einer möglichst genauen Klangvorstellung heraus erfolgen muß, und zwar von der ersten Stunde an. Auch die sog. "russische Schule" hat dies als zentrale Voraussetzung.

Daß dies in der Mehrheit der Fälle aber nicht so ist, liegt zum Teil an mangelnder Qualität des Lehrpersonals, zum Teil daran, daß "irgendwie Stücke spielen können" Vorrang eingeräumt wird vor einer tragfähigen musikalischen Grundausbilung, zum Teil auch daran, daß Leute meinen, es gebe einen isoliert "mechanischen" Teil beim Klavierspiel, der unabhängig vom auditiven Teil trainiert werden könne/müsse.

Übrigens wäre derartig mechanisches Herangehen bei anderen Instrumenten undenkbar: Wer nicht das nächste zu spielende Intervall innerlich hören kann, wird auf z.B. Trompete oder Geige sofort die Rechnung in Form schiefer oder gar nicht klappender Töne bekommen. Dies ist de facto ein Nachteil des Klaviers.

LG,
Hasenbein
 
Nein, eigentlich sollte der Klavierunterricht von Anfang an so laufen.

Die ganzen großen Autoren zum Thema Klavierpädagogik und Klaviertechnik - Neuhaus, Martienssen, Gat und wie sie alle heißen - haben selbstverständlich immer als zentral betont, daß jegliche Aktivität am Instrument aus einer möglichst genauen Klangvorstellung heraus erfolgen muß, und zwar von der ersten Stunde an. Auch die sog. "russische Schule" hat dies als zentrale Voraussetzung.

Daß dies in der Mehrheit der Fälle aber nicht so ist, liegt zum Teil an mangelnder Qualität des Lehrpersonals, zum Teil daran, daß "irgendwie Stücke spielen können" Vorrang eingeräumt wird vor einer tragfähigen musikalischen Grundausbilung, zum Teil auch daran, daß Leute meinen, es gebe einen isoliert "mechanischen" Teil beim Klavierspiel, der unabhängig vom auditiven Teil trainiert werden könne/müsse.

Übrigens wäre derartig mechanisches Herangehen bei anderen Instrumenten undenkbar: Wer nicht das nächste zu spielende Intervall innerlich hören kann, wird auf z.B. Trompete oder Geige sofort die Rechnung in Form schiefer oder gar nicht klappender Töne bekommen. Dies ist de facto ein Nachteil des Klaviers.

LG,
Hasenbein

Hallo Hasenbein,

Mich würde schon interessieren, wie du das praktisch angehst. Wenn ich das, was du schreibst, richtig interpretiere, müsste das so ähnlich ablaufen, wie bei Bela Bartok. Sein Sohn beschreibt ja, dass er zunächst einmal viel singen musste, bevor der Unterricht dann tatsächlich auf dem Klavier erfolgte. Im Prinzip müsste dann jeder, der ein Instrument lernt, zunächst vom Blatt singen können, das würde aber auch bedeuten, dass ein Klavierschüler der bei Null beginnt, erst einmal, sagen wir 6 bis 12 Monate braucht, bis er diese Voraussetzungen erfüllt.

Ganz so kann das aber nicht ablaufen, denn ich nehme an, es werden sich nicht viele Klavierschüler finden, die sich auf so einen Deal einlassen würden.

Oder spielst du mit den Schülern nur Stücke, die sie kennen? Oder baust du den Unterricht zunächst gänzlich auf Tonleitern und Arpeggien auf? Diese Tonfolgen werden ja den meisten bekannt sein.

Also, wenn es dir nicht zu viel Mühe macht, würde ich mich über ein paar Worte zu deinem Unterrichtskonzept freuen.

LG, PP

PS: Könntest du von den oben zitierten Autoren einen für Anfänger empfehlen?
 
Die (offenbar einhellige) Lehrmeinung der Experten ist interessant (danke auch für Erweiterung meines Horizonts). Ich liege eher auf der Linie von PP. Was will ich denn, wenn ich beginne mit dem Klavierspielen lernen? Erst mal, dem Ding ein paar einfache Töne entlocken. Gleichmäßig, gleichlaut, etc. Dann wird es eine Melodie. Dann kommt Harmonik hinzu... ich persönlich habe immer soviel "Rechenleistung" in die technisch korrekte Spielweise des Stückes investieren müssen, daß für eine Interpretation (Modulierung, Gewichtung etc) da praktisch nichts übrigblieb, wenn ich mich recht erinnere. Und: ich wäre auch überfordert gewesen damals. Ich versuche das jetzt gerade aufzuarbeiten mit einigen Stückchen (Clementi Op. 36). Und: ich hätte wohl die Lust verloren, wenn man mich gezwungen hätte, das Stück technisch sauber zu lernen UND auch noch schön zu interpretieren. Dann komme ich ja gar nicht mehr voran, und man will ja bald wieder ein neues Stück lernen/hören.

...liegt zum Teil an mangelnder Qualität des Lehrpersonals, zum Teil daran, daß "irgendwie Stücke spielen können" Vorrang eingeräumt wird vor einer tragfähigen musikalischen Grundausbilung, zum Teil auch daran, daß Leute meinen, es gebe einen isoliert "mechanischen" Teil beim Klavierspiel, der unabhängig vom auditiven Teil trainiert werden könne/müsse.

Vielleicht muß man in einigen Ebenen unterscheiden: zwischen dem Durchschnitts-Schüler und dem hochbegabten Kind, das dann vielleicht eine andere Förderung erhalten sollte. Und dem Fortschritt, wo der einzelne gerade steht. Profanes Beispiel: wie soll ich einen langen Lauf schön modulieren, wenn ich ihn technisch nicht einmal im Griff habe? Das Hirn will interpretieren - die Software zur Ansteuerung der Finger ist aber noch unterentwickelt und unzureichend. Ich finde durchaus, daß es einen rein technischen Aspekt des Klavierspiels gibt. Allerdings: wieso einen Lauf nicht langsam und schön moduliert üben, um nach und nach die Technik zu verbessern? Der Gedanke kam mir erst gestern. Ich selbst gehe nicht nach der Experten-Lehrmeinung vor... aber eigentlich kann ich nicht mitreden, denn ich lerne im Moment keine neuen Stücke... und wie die alten "tonal" klingen, das weiß ich jetzt, und ich versuche ihnen Modulierungen zu geben... trotzdem ist die Krux die Technik...
Nach der oben beschriebenen Weise vorzugehen, wäre mir schlichtweg zu langweilig und anstrengend... wenn ich aufgrund dessen "niemals vorwärts kommen werde", so muß ich das für mich in Kauf nehmen :):)

Schöne Grüße! :)


Diese Parallele finde ich auch interessant:
... Ein Beispiel: ich habe Lesen noch buchstabenweise gelernt (danach wurde die Ganzwortmethode modern, k.A. wie's heute ist) und erinnere mich, viele Worte erst nach vollständigem Buchstabieren verstanden zu haben, z.B. A-u-t-o, aha, damit ist "Auto" gemeint! "Auto" war bis dahin nur eine gehörte Lautfolge für mich, eine Vorstellung vom Ding und das Muster einer Abfolge von Sprechbewegungen, die die Lautfolge "Auto" erzeugen. Kurz danach konnte ich dann den optischen Eindruck der Buchstabenfolge A-u-t-o als Wort "Auto" interpretieren und auch beim Schreiben denke ich schon lange nicht mehr daran, welche Buchstaben ich nacheinander zu schreiben habe: die Buchstaben sind irgendwo in einer Subroutine und im Bewußtsein nicht mehr nötig...
 
Hallo Hasenbein,

Mich würde schon interessieren, wie du das praktisch angehst.

Liebe PP und lieber hasenbein,

mich interessiert das auch, denn ich finde es die Herausbildung einer inneren Klangvorstellung einer der schwierigsten Aufgaben überhaupt. Es hört sich immer so schön an, aber wie setzt man so etwas methodisch um? Da kann man immer nur dazu lernen!

Beispiele aus meiner Praxis sind:

Ich beginne bei Kindern meistens ohne Noten und lege den Schwerpunkt auf die Schulung des Gehörs etc.. Die Kinder bekommen eine Vorstellung von Melodieverläufen, Intervallen, von hohen/tiefen Tönen ..... .

Mithilfe grafischer Notation lernen sie die Schreibweise von links nach rechts, von höheren und tieferen Tönen und von Melodie- und Klangverläufen kennen. Am allerwichtigsten finde ich nämlich, und das gilt auch für Erwachsene, musikalische Gestalten zu erkennen, d.h. in welchem Kontext eine Note steht. Das ist viel wichtiger, als eine Note absolut für sich lesen zu kennen, wobei man das zumindest ein wenig später auch können sollte. Aber die Note z.B. im Zusammenhang einer Phrase zu erkennen, ist für die Herausbilung einer Klangvorstellung immens wichtig - wie soll es sonst gehen.

Nachdem also die Kinder eine grobe Notation von Klangverläufen gelernt haben, geht es an die Feinarbeit mit unserem Notensystem. Sie schreiben die bisher nach Gehör gelernten Lieder auf, erfinden eigene Stückchen etc..

Wenn sie dann notierte Stücke spielen, versuchen sie vor dem Spielen Formabschnitte zu erkennen, zeichnen Melodieverläufe nach, erkennen Intervalle .............. .

Trotzdem dauert es und ist alles andere als einfach. Ich habe hier die Arbeit mit Kindern beschrieben, weil ich diese Grundlagen wichtig finde. Mit Erwachsenen arbeitet man natürlich anders. Kleine Improvisationen oder nach Gehör gespielte Lieder/Songs aufzuschreiben, ist aber auch hier nicht schlecht. Gut ist auch, sich mit Noten zu einem fremden Stück hinzusetzen und dieses Stück über Tonträger zu hören. Sehr überrascht sind die meisten, wenn sie merken, was sie alles aus einem für sie erst mal unübersichtlichen Notentext herauslesen/-hören können. Wenn man sich eben nicht auf einzelne Noten konzentriert, sondern auf Zusammenhänge, Gleiches/Ähnliches erkennt, auf Gestaltungszeichen (Dynamik ......) achtet und so Entwicklungen erkennt. Wenn man dann als Lehrer Teile daraus spielt, erkennen die Schüler oft, wo dieser Teil im Notentext steht.

Singen ist natürlich toll, lässt sich aber bei weitem nicht mit jedem durchsetzen. :p

Na ja, nur mal ein paar Anregungen.

Liebe Grüße

chiarina
 

Sorry, Dreiklang, da liegt ein Mißverständnis vor. Ich habe keine Linie, ich bin Anfänger und stecke noch in der "Meinungsbildungsphase" ;).

Es interessiert mich wirklich, wie Hasenbein etwas, was ich jetzt einmal als Ideal betrachte, in die Realität umsetzt.

Es nützt aber sicher die beste Interpretation im Kopf nichts, wenn die Finger diese nicht umsetzen können, also mit Klangvorstellung allein wird's nicht getan sein.

Die Frage, die sich mir stellt ist, ob die Klangvorstellung bereits beim Erstkontakt mit dem zu erarbeitenden Stück zwingend vorhanden sein muss, oder ob ich sie mir nicht genauso wie einen Fingersatz, bzw. die manuellen Probleme eines Stückes im Übeprozess erarbeiten kann.

LG, PP
 
Und: ich hätte wohl die Lust verloren, wenn man mich gezwungen hätte, das Stück technisch sauber zu lernen UND auch noch schön zu interpretieren. Dann komme ich ja gar nicht mehr voran, und man will ja bald wieder ein neues Stück lernen/hören.
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Profanes Beispiel: wie soll ich einen langen Lauf schön modulieren, wenn ich ihn technisch nicht einmal im Griff habe?
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Allerdings: wieso einen Lauf nicht langsam und schön moduliert üben, um nach und nach die Technik zu verbessern?
Schöne Grüße! :)

Lieber Dreiklang,

Technik ist doch ausschließlich dazu da, um die musikalische Aussage eines Stückes umsetzen zu können. Spielt man nicht deshalb Klavier? Und ist nicht deshalb der Versuch, von Anfang an die musikalische Aussage und den Klang des Stückes, was man spielt, zu verstehen, unabdingbar? Natürlich bringt es nichts, sich bei einer Passage, die man noch nicht beherrscht nur auf den musikalischen Ausdruck zu konzentrieren. Umgekehrt ist es auch falsch, sich erst nur auf die "technische" Beherrschung zu konzentrieren und danach auf die Musik. Technik und musikalische Gestaltung sind eigentlich das Gleiche, bedingen und durchdringen sich gegenseitig. Beides geht währen des Übens eine Symbiose ein, so entwickelt sich das Stück immer weiter.

Und natürlich entwickelt sich auch die innere Klangvorstellung und damit die eigene Interpretation während der Beschäftigung mit dem Stück immer weiter.

Liebe Grüße

chiarina
 
Danke für die Antworten.

Sicherlich kann man Parallelen ziehen zwischen Buchstabenfolgen, die einen Begriff ergeben, der wiederum Assoziationen trägt und Notenfolgen, die einen Dreiklang und ein Thema etc. bilden.

zum Teil auch daran, daß Leute meinen, es gebe einen isoliert "mechanischen" Teil beim Klavierspiel, der unabhängig vom auditiven Teil trainiert werden könne/müsse.

Ich habe gehört Czernys Etüden (Schule der Geläufigkeit?) haben nicht viel von Musik an sich und seien eher motorisches Training. Ist Czerny in der Hinsicht obsolet? Als Gegenteil wäre für mich vielleicht Schumanns Album für die Jugend. Holzweg?

Ich will noch mehr Meinungen!! :-)
 
Hallo Chiarina,

Danke für die Einblicke in die Praxis!

Wie hoch ist eigentlich bei deinen erwachsenen Schülern der Prozentsatz derer, die vom Blatt singen können?

Ich lehne diese Vorgangsweise nicht ab, nur scheint sie mir wirklich schwer umzusetzen zu sein. Was ich bisher von meiner KL mitbekommen habe, bin ich schon dahingehend eine Ausnahme, dass ich wirklich täglich übe - das scheint auch bei den Erwachsenen nicht üblich zu sein, obwohl sie selbst für ihren Unterricht aufkommen müssen. Diesen Erwachsenen dann auch noch klar zu machen, dass sie explizit Zeit in die Gehörbildung investieren sollen, scheint mir ein recht schwieriges Unterfangen.

Wenn ich bedenke, dass ich mein E-Piano eigentlich angeschafft habe, um mein Gehör zu bilden und mich etwas mit Musiktheorie zu beschäftigen! Das ursprüngliche Ziel ist nun doch etwas in den Hintergrund gerückt - vielleicht sollte ich ihm wieder mehr Raum und Zeit geben ;)

LG, PP
 

...bin ich schon dahingehend eine Ausnahme, dass ich wirklich täglich übe - das scheint auch bei den Erwachsenen nicht üblich zu sein...

Davor kann ich nur beschämt den Hut ziehen. Weiter so, ich finde so etwas toll, und die Erfolge werden sich bestimmt nicht lange bitten lassen...


Gut, daß Du geschrieben hast: "Meinungen", und nicht: "Antworten" oder gar: "Lösungen" :). Denn nach Lösungen auf diese Fragen dürfte man bereits seit 200 Jahren auf der Suche sein...

Lieber Dreiklang,

Technik ist doch ausschließlich dazu da, um die musikalische Aussage eines Stückes umsetzen zu können...

Hallo chiarina, danke für die Antwort, ich stimme mit allen Deinen Aussagen letztlich überein. Denke aber im Grunde nach wie vor, daß es beim Klavierspiel die beiden grundlegenden Bereiche Technik (Noten perfekt mechanisch umzusetzen), und andererseits Interpretation (die Fähigkeit, einem Stück Leben und Schönheit zu verleihen) gibt. Zwischen beiden gibt es öfters schon mal Ungleichgewichte. In beidem kann man Defizite haben. Zuviel Technik klingt nüchtern und flach(*), aber eine (subjektiv) unpassende Interpretation kann ein Stück auch (subjektiv) erheblich stören. Anzustreben ist eine perfekte Harmonie aus beidem, wie Du schon sagst, geradezu eine Verschmelzung von beidem... dann wird es wohl "Musik"...
Virtuosen haben dieses Ziel auf höchster Ebene erreicht... Stücke (auch solche mit höchstem technischem Abspruch) mit einer wunderbaren Interpretation zu verbinden.
Ich bin mir nicht sicher, ob die Kernfrage die wir zu beantworten suchen, nicht die ist: wie erreicht man denn dieses Ziel, am effektivsten...? Wie komme ich ihm schnellstmöglich näher?
Eines ist klar: man kann definitiv falsch an dieses Ziel herangehen. Man kann über Jahrzehnte hinweg falsch üben, ohne sein Potential entfalten zu können. Nur: wie macht man es "richtig"? Was ist der "Stein der Weisen"...?
Gibt es überhaupt einen? Ich denke, es gibt vielleicht zwei, drei Pfade, die Virtuosen gegangen sind... vielleicht von einem zum nächsten gewechselt, der eine mit dem einen, der andere mit dem anderen Pfad angefangen.... (off-topic Ende)

Auf eine Harmonie aus Technik und Interpretation in jeder Stufe des Lernens zu achten, bringt auf jeden Fall einen Vorteil: der Schüler kann in jeder Phase seiner Entwicklung "schön am Klavier vorspielen". Etwas, das gerne gesehen wird und als Erfolg bewertet wird. Er bewältigt technisch und interpretatorisch seine Stücke. (einen Beethoven mit Notenausfallrate von 30% herunterzuhämmern, selbst vielleicht mit gezielten schönen interpretatorischen Ansätzen darin, ist nicht "angesehen". Wohl auch zurecht.).
Ich merke gerade, daß ich wohl von mir auf andere schließen will. Mit einer schönen Kopf-Interpretation von Musik habe ich weniger Probleme, mir wird aber gerade klar, daß das ja nicht bei jedem so sein muß. Also muß auch Interpretation beim Klavierspiel-Lernen gezielt anregt und mit-entwickelt werden.
---
Noch etwas zum Wort "Interpretation": seit Rolf irgendwo geschrieben hat, daß dieses Wort erst ab "Konzertebene" eigentlich eine Berechtigung hat, will ich es schon gar nicht mehr verwenden. Aber "Spielweise" wäre mir zu untreffend...

*Edit*
(*) nicht ganz richtig: ein Defizit in der Technik würde bedeuten: man trifft nicht alle Noten beim Spielen, so wie die Notation es vorgibt. Ein "flaches Spiel" wäre zumeist ein Defizit in der Interpretation.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
als fan von chiarina und hasenbein:p habe ich vor einem halben Jahr damit begonnen, Noten und Klangvorstellung miteinander zu verbinden.

- Fünfer-Relation (Notenname/Notenbild/Taste/Klang/Muskelgedächtnis=Raumorientierung der Finger).
Übungen dazu, viele mental, bastle ich mir selbst.

Eine meiner selbstgebauten mentalen Übungen nenne ich einfach mal "reverse engineering"
Das geht so:

In meinem Kopf schwirren ständig Melodien oder Fragmente davon.
Diese versuche ich am Klavier nachzuspielen.
Bevor ich das tue, versuche ich die Noten als inneres Bild zu imaginieren. Phrasen und Intervalle werden dann greifbar.
Anfangs ist das "sehen" der Note/Phrase und das innere "hören" der Intervalle etwas schwerer als "nur" die richtigen Tasten zu treffen.
Zu inneren "stimmen" spiele ich mir immer einen Grund-Ton oder Quinte vor.

Das wäre dann mal eine andere Herangehensweise.

Lieber Gruß, NewOldie
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Es funktioniert doch überall im Leben nach dem selben Prinzip: Je genauer und ausgeprägter die geistige Vorstellung von etwas ist, desto näher ist man der Realisierung dessen. Was spricht also dagegen, das sonst so gut funktionierende Prinzip beim Klavier spielen anzuwenden.

Die Einwände, man könne vorher nicht wissen wie das klingen soll, könnte man darauf ausdehnen, wie könne man wissen, welche Taste gedrückt werden soll. Eben weil man das vorher nicht weiß, lernt man es.

Als Beispiel: Hänsel und Grätel von Heumann, 16 Takte, 9 Töne, 12 Klänge. Genau so wie ich lernen kann, für welches Strichmännchen welche Taste gedrückt wird, kann ich auch lernen wie das klingt. Wenn zwei Strichmännchen auf der selben Zeitachse liegen, ergibt das einen ganz anderen Klang, als wenn sie hintereinander liegen. Deshalb habe ich hier 12 Klänge (kennen) zu lernen.

Wenn ich als nächstes Lied, Jingle Bells (primer Level) von J. Pierpont, Arr:Gilbert DeBenedett nehme, kommen 2 Töne und 11 Klänge neu dazu. Die vorher gelernten kann ich mir teilweise schon ganz gut vorstellen und kann sie bei diesem Lied wiederholen und die Vorstellung festigen.

Ich finde es spannend, Klänge und Klangfolgen (kennen) zu lernen. Vor allem aber ist es interessant, wie verschieden es klingen kann, abhängig davon, wie man die Tasten drückt. Es wäre mir viel zu langweilig, nur zu lernen, die Tasten den jeweiligen Noten zuordnen.

Grüße
Thomas
 
Hi,

klar muss die Kette beim Klavierspielen so aussehen:

Noten lesen -> Klangvorstellung -> Ausführungs Planung -> Ausführung und dabei Vergleich (Feedback) mit der Klangvorstellung -> Reflektion (Kritik)

Wenn man die Klangvorstellung weglässt, dann ist das wie Malen nach Zahlen. ;-)

Aber zu ein paar Punkten von PianoPuppy:

Wie hoch ist eigentlich bei deinen erwachsenen Schülern der Prozentsatz derer, die vom Blatt singen können?

Ich lehne diese Vorgangsweise nicht ab, nur scheint sie mir wirklich schwer umzusetzen zu sein.
Vom Blatt singen können ist natürlich der Idealfall, aber nicht notwendig. Es ist mM auch ausreichend wenn man "nur" die Fähigkeit zu einer inneren Klangvorstellung entwickelt.

Was ich bisher von meiner KL mitbekommen habe, bin ich schon dahingehend eine Ausnahme, dass ich wirklich täglich übe - das scheint auch bei den Erwachsenen nicht üblich zu sein,

Wahnsinn, es gibt Leute, die wollen Klavierspielen lernen und üben nicht jeden Tag?

Gruß
 
Moin,
ich habe früher einfach viel Noten beim Hören mitgelesen und meine, das trainiert auch ganz gut. Vor allem Sinfonien habe ich dadurch auch weitaus mehr "durch"-gehört und konnte die einzelnen Stimmen viel besser verfolgen. Noten (bei Sinfonien Studienpartituren) kann man sich gut in der Bibliothek ausleihen.
Gruß Basilikum
 
klar muss die Kette beim Klavierspielen so aussehen:

Noten lesen -> Klangvorstellung -> Ausführungs Planung -> Ausführung und dabei Vergleich (Feedback) mit der Klangvorstellung -> Reflektion (Kritik)

Wenn man die Klangvorstellung weglässt, dann ist das wie Malen nach Zahlen. ;-)

Ganz so klar ist nun nicht!

Woher soll denn die Klangvorstellung kommen? ist die bei allen, die das Klavierspielen beginnen, schon vollumfänglich da??

Wer das Klavierspielen inklusive Notenlesen anfängt, steht vor einem ähnlich komplexen Problem, wie der abc-Schütze der ersten Grundschulklasse, der das Lesen und Schreiben lernen soll. Dieser erkennt weder sogleich aufgeschriebene Wörter und sieht sie als ganzes (so wie wir lesen), sondern muss sowohl die einzelnen Zeichen malen/schreiben lernen, als auch deren Aussprache nebst einiger Sonderregeln (man spricht Wiese ja nicht "w-i-e-s-e" aus, sondern "wiise" mit langem i)

Der Klangvorstellung entspricht in diesem Vergleich das sofortige Erkennen und Aussprechen eines komplizierten Fremdwortes wie z.B. Phänomenologie

Für das Notenlesen ist nicht primär relevant, wie irgendeine Note heisst (das ist das dreigestrichene fis etc), sondern wie der Unterschied zwischen zwei aufeinander folgenden Noten ist (Tonhöhenverlauf) - - wie Chiarina völlig richtig geschrieben hat, sind Noten zunächst aufgezeichnete Klangverläufe. Dabei genügt es, für 3 oder 4 aufeinander folgende Noten/Töne allein den ersten sicher als Taste zu bestimmen. Spielt man gleichzeitig zwei Töne und es folgt danach ein dritter, so gilt es, sich das ganz langsam und in Ruhe anzuhören.

Das sofortige Erkennen von den Notennamen und den Harmonien entwickelt sich peu a peu (in guten Teilen ganz von allein) - hilfreich ist dabei, dass man sich anfangs in einem recht engen Bereich (linsk wie rechts erst 5-Tonräume) sicher zu bewegen lernt und den Verlauf dieser Klangbewegung(en) in den Noten als Tonhöhenverlauf wahrnimmt. Nach und nach wird hierzu auch die rhythmische Exaktheit hinzukommen - - daran zu arbeiten (und zwr in ganz kleinen Schritten, d.h. nicht mehr als 4-8 Töne hintereinander) ist viel hilfreicher, als partout wie aus der Kanone geschossen die siebte Hilfslinie benennen zu können.

Man sollte sich nichts vormachen: die Klangvorstellung, welche selbstverständlich nötig ist, wird erst erworben! Einem Anfänger diese anzuraten ist, als würde der Schwimmlehrer einem Nichtschwimmer in der ersten Stunde sagen: hüpf ins tiefe Wasser und tauch ordentlich unter - ohne das kannst du nicht schwimmen lernen... ... ...
 
Noten lesen -> Klangvorstellung -> [...]

Aber zu ein paar Punkten von PianoPuppy:

Vom Blatt singen können ist natürlich der Idealfall, aber nicht notwendig. Es ist mM auch ausreichend wenn man "nur" die Fähigkeit zu einer inneren Klangvorstellung entwickelt.
Gruß

Hallo Bachopin,

Ich muss gestehen, das verstehe ich nicht. Wenn ich die Noten nicht vom Blatt singen kann, wie kann ich dann eine Klangvorstellung von diesen entwickeln??? Ich kann mir eine wahre Klangorgie vorstellen, aber was nützt es, wenn diese nicht mit dem übereinstimmt, was in den Noten steht? Ich könnte innerlich die "Boheme" abspielen lassen, aber was nützt mir das wenn ich ein Bachmenuett spielen will? :confused:

@Thomas: Willst du damit sagen, dass du jedes beliebige, dir unbekannte Stück vom Blatt singen kannst? Du spielst doch noch gar nicht lange, oder habe ich das falsch in Erinnerung?

@NewOldie: Dein reverse engineering gefällt mir! :D

LG, PP
 
Hi Rolf,

danke für deine Ergänzungen. ;-)

Klar (oh je, schon wieder ;-) ), die Klangvorstellung muss man auch erst lernen/entwicklen (wahrscheinlich hauptsächlich durch ausprobieren und zuhören).

Ich finde aber trotzdem, dass die obige Handlungskette möglichst früh beachtet werden sollte.

Gruß
 
Hi PianoPuppy,

Hallo Bachopin,

Ich muss gestehen, das verstehe ich nicht. Wenn ich die Noten nicht vom Blatt singen kann, wie kann ich dann eine Klangvorstellung von diesen entwickeln??? Ich kann mir eine wahre Klangorgie vorstellen, aber was nützt es, wenn diese nicht mit dem übereinstimmt, was in den Noten steht? Ich könnte innerlich die "Boheme" abspielen lassen, aber was nützt mir das wenn ich ein Bachmenuett spielen will? :confused:

Jetzt verstehe ich dich nicht. ;-)

Du kannst nicht nur in der Vorstellung Klavier spielen?
Und du kannst dir dabei nicht vorstellen wie das klingt/klingen könnte?

Also ich meinte das so:

Du schaust dir Noten an, z. B. die Folge c d e f g in 1/8.
Dann kann man sich vorstellen, wie man diese Notenfolge am Klavier spielt und man kann sich vorstellen wie das dann klingt/klingen würde.

Das ist die innerliche Klangvorstellung, ohne Singen.

Wenn ich dann ans Klavier gehe und das dann spiele, kann ich den gehörten Klang mit dem vergleichen was ich mir vorgestellt hatte, wie es klingen würde.

Natürlich kann auch das Vorgestellte falsch sein. Dann lerne ich, dass ich mir die Notenfolge vom Klang falsch vorgestellt hatte und versuche das zu verbessern. Dieser Vorgang findet ständig beim Üben/Lernen statt.

Ich behaupte mal, dass sich eigentlich bei jedem so ein Vorgang mehr oder minder ausgeprägt abspielt. Es kann nicht sein, dass man Klavier spielt ohne eine Vorstellung zu haben, was passieren wird (wie es klingt), wenn man eine Taste drückt.

Gruß
 

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