Noten mit Fingersätzen oder lieber ohne?

  • Ersteller des Themas Hans Borjes
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Ich verwende typischerweise Notenausgaben


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Hans Borjes

Hans Borjes

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18. Mai 2008
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Mich ärgern mal wieder die Fingersätze, die der Verlag in meine Noten gedruckt hat. Obwohl ich die Henle-Ausgaben eigentlich mag, ist das schon fast ein Grund, mal nach anderen Ausgaben zu suchen. Oder lieber doch nicht?
 
Sehr gutes Thema! Mich stören die FIngersätze in gedruckten Noten auch extrem. Aber nur selten hat man das Glück, Noten ohne Fingersatz zu finden. Ich habe deshalb Option 2 gewähl.
Allerdings gebe ich zu, daß ich von gedruckten Fingersätzen schon oft zu extrem ungeschickten Fingersätzen verleitet wurde, einfach weil eine Zahl bei der Note stand. Es ist garnicht so einfach, sich davon nicht beeinflussen zu lassen.
 
Ich habe ebenfalls Option 2 gewählt. Bei Henle habe ich gerade mal nachgeschaut, dass es zumindest bei J.S.Bach nahezu alle Ausgaben auch ohne Fingersätze gibt. Bei anderen Komponisten gibt es ja durchaus auch Fingersätze der Komponisten, die dann natürlich interessant sind. Auch sind Fingersätze von Pianisten, die die Werke auch eingespielt haben, wahrscheinlich als Ideenanregung gar nicht so schlecht (bei Henle: Andras Schiff bei Bach WTK, Murray Perahia bei einigen Beethoven Sonaten. Bei Peters gibt es meiner Erinnerung nach eine Ausgabe der Beethoven Sonaten von Claudio Arrau).
 
Ich habe Option 3 gewählt. Mir sind Notenausgaben mit Fingersätzen ganz recht, z.B. die Henle Urtext Ausgaben. Aber ich habe keine Scheu, die Fingersätze durchzustreichen und meine eigenen darüberzuschreiben. Ich nehme sie einfach als Vorschlag, von dem ich beim Herausfinden des besten Fingersatzes ausgehe, lasse mich aber davon nicht einengen. Manchmal komme ich durch die Vorschläge sogar auf Fingersätze, die mir so nicht unmittelbar eingefallen wären.

Grüße von
Fips
 
Manche Fingersätze sind einfach nur unglaublich, anderer wiederum sehr hilfreich, da kann man keine allgemeingültige Aussage treffen. Gräßlich finde ich Fingersätze, in denen penetrant darauf geachtet wird, jede Tonwiederholung mit wechselnden Fingern zu spielen und solche, die sich nicht darum kümmern, gleiche Stellen mit gleichen Fingersätzen zu versehen. Wo Töne in hohem Tempo mehrfach wiederholt werden, ist es für viele leichter, mehrere Finger abzuwechseln aber in simplen Tonfolgen wie z.B. CDEF-FGAH kommt schnell ein weiterere Wechsel dazu, der ansonsten unnötig wäre und die ganze Sache kompliziert. Noch schlimmer finde ich es aber, wenn vom Setzer neue Bögen mit dem Salzstreuer verteilt werden und sich ein Fingersatz auch noch danach richtet. Dann wird nämlich die Musik gründlich entstellt. Sehr störend finde ich auch, wenn notiert wird, mit welchem Finger ein Wechsel vorbereitet wird, anstatt den Wechsel selbst zu notieren.

Ich achte übrigens beim Notenkauf kaum auf Fingersätze. Mir kommt es auf gute Lesbarkeit an und im übrigen vertraue ich darauf, daß Henle, Petersen und so weiter sich bemühen, authentischen Notentext zu liefern. Und wenn ich es eilig habe, kaufe ich eben das, was gerade im Laden vorrätig ist. Zur guten Lesbarkeit gehört natürlich auch, daß nicht zu viel Fingersatz zwischen den Noten steht.

Beim ersten Durchspielen vom Blatt merkt man ja schnell, ob einem ein Fingersatz liegt oder nicht. Únd dann geht es mir so wie Haydnspaß, ich lese nämlich den Fingersatz mit. Was falsch ist, muß ich also korrigieren, was dazu führt, daß ich ohne Bleistift und Radiergummi nicht vom Blatt spielen kann.
 
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Option 3 - mir sind Fingersätze lieber, auch wenn ich sie eventuell ignoriere oder umbastle. meistens geben sie gute Ideen.
 
Option 3: Grundsätzlich versuche ich mal die vorgeschlagenen Fingersätze. Wenn sie nicht passen, dann verwende ich einen, der mir liegt. Allerdings bin ich schon draufgekommen, dass die meisten empfohlenen Fingersätze aus Notenheften guter Verlage ohnedies die besseren sind, weil sie auf die natürliche Anschlagstärke der einzelnen Finger abgestimmt sind und sich dadurch oft Dynamik und Artikulation fast von selbst ergeben.
 
Ich habe die angegebenen Fingersätze eigentl ganz gern, weil die Fingersatzfindung für bspw einen Sonatensatz oder schlimmer eine Fuge eine ordentliche Arbeit ist.

Solange man die angegebenen Fingersätze nur als Vorschlag sieht und nicht als empfehlenswert, funktioniert das auch.

Eine Prof meinte mal zu mir, die Fingersätze in den Noten seien nur für die Amateure.

lg marcus
 
Ich habe die angegebenen Fingersätze eigentl ganz gern, weil die Fingersatzfindung für bspw einen Sonatensatz oder schlimmer eine Fuge eine ordentliche Arbeit ist.

Solange man die angegebenen Fingersätze nur als Vorschlag sieht und nicht als empfehlenswert, funktioniert das auch.

Eine Prof meinte mal zu mir, die Fingersätze in den Noten seien nur für die Amateure.

lg marcus

Zum ersten Punkt ein klares ja. Man spart sich einfach viel Zeit und ändert nur die Sachen, die man möchte
Und natürlich sind Fingersätze immer nur Vorschläge.

Der letzte Satz völliger Schwachsinn. Fingersätze haben nichts mit Amateure zu tun. Warum werden denn auch die schwierigsten Stücke von Fachleuten durchgespielt und mit Fingersätzen bestückt??? Langeweile???
Nein, weil es immer schön ist eine andere Meinung zu den Fingern zu haben als die Eigene. Und ich gehöre zu den Leuten, die immer wieder dankbar darüber sind.
 
@all: Danke, dass ihr mich "verteidigt", aber ich sehe Gerbels Äußerung nicht problematisch :)

Der letzte Satz völliger Schwachsinn. Fingersätze haben nichts mit Amateure zu tun. Warum werden denn auch die schwierigsten Stücke von Fachleuten durchgespielt und mit Fingersätzen bestückt??? Langeweile???
Nein, weil es immer schön ist eine andere Meinung zu den Fingern zu haben als die Eigene. Und ich gehöre zu den Leuten, die immer wieder dankbar darüber sind.
Ich glaube, die Essenz der von mir zitierten Meinung hast du nicht ganz erfasst.
Was eigentl dahinter steckt ist: Man muss bei allen Fingersätzen prüfen, welcher der beste ist. Insofern nimmt einem der vorgegebene Fingersatz im Grunde keine Arbeit ab. Man muss ihn sowieso auf Schwachstellen und Alternativen überprüfen.
Daraus kann man nun je nach Naturell entweder ableiten, dass die angebenen Fingersätze nutzlos sind, oder dass sie zwar Anregung bieten, aber mehr auch nicht (und ein Profi wird auf diese Anregungen eher verzichten können).

In der Hoffnung jetzt nicht noch mehr explosive Meinung verbreitet zu haben

marcus
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

Daraus kann man nun je nach Naturell entweder ableiten, dass die angebenen Fingersätze nutzlos sind, oder dass sie zwar Anregung bieten, aber mehr auch nicht (und ein Profi wird auf diese Anregungen eher verzichten können).

hallo,

die Profis zu allen Zeiten waren froh, wenn für ungewöhnliche (neuartige) Stellen praktikable Fingersätze angegeben waren.

ein schönes Beispiel ist die von Liszt selber besorgte erste Druckfassung seiner Transkription der fantastischen Sinfonie von Berlioz: er hat dort für die problematischsten Stellen seine innovativen Fingersätze mitgeteilt - später habe solche Bewegungsmuster dann natürlich Schule gemacht. In diesem Sinne muss man Godowski dankbar sein, dass er für seine Chopinetüden-Bearbeitungen seine Fingersätze mitgedruckt hat.

wenn bei halsbrecherischen Stellen ein oder mehrere Fingersätze mitgeteilt sind, so halte ich das für sehr anregend und bereichernd - freilich bedeutet dass nicht, dass man sich sklavisch an eine der mitgelieferten Möglichkeiten halten muss.

was ich bedauere, sind oft unnötige Fingersätze (z.B. bei sehr leichten Stellen) und manche zu "schulbuchartigen" Fingersätze (z.B. die Vorschläge der Herausgeber für die Praller und Mordente in den Inventionen)

insgesamt lehne ich mitgedruckte Fingersätze nicht ab - wunderbar sind Cortots viele Fingersatzalternativen und -varianten für die Chopinetüden

Gruß, Rolf
 
wenn bei halsbrecherischen Stellen ein oder mehrere Fingersätze mitgeteilt sind, so halte ich das für sehr anregend und bereichernd - freilich bedeutet dass nicht, dass man sich sklavisch an eine der mitgelieferten Möglichkeiten halten muss.

was ich bedauere, sind oft unnötige Fingersätze (z.B. bei sehr leichten Stellen) und manche zu "schulbuchartigen" Fingersätze (z.B. die Vorschläge der Herausgeber für die Praller und Mordente in den Inventionen)
Da du als Beispiele eine unheimlich schwierige Liszt-Transkription und die horrenden Godowsky Bearbeitungen der Chopin Etüden anführst, fühle ich mich eigentl in meiner Ansicht bestätigt.

Ich war jedenfalls davon ausgegangen, dass wir hier von Werken wie Mozart Sonaten, Beethoven Bagatellen oder ähnliches ausgehen.
Bei enorm heiklen Passagen, die ungewöhnliche Lösungen provozieren, ist man natürlich für jeden Hinweis dankbar. :)

lg marcus
 
Ich war jedenfalls davon ausgegangen, dass wir hier von Werken wie Mozart Sonaten, Beethoven Bagatellen oder ähnliches ausgehen.

hallo,

je nachdem, wo man sich manuell befindet, gibt es auch dort (in Relation gedacht) "halsbrecherische" oder widerborstige Stellen - und wenn da ein Fingersatzvorschlag vorliegt, dann kann das oft hilfreich sein.

übrigens würde ich einige Chopinetüden dem hinzufügen, was Du genannt hast - und dort sind dann die vielen Cortot-Alternativen (und Übungen) sehr hilfreich!

ich hänge mal unten ein Notenbeispiel an, wo ich den Fingersatz für störend halte (Beethoven op.79 - und die ist technisch nicht schwierig) - solche Fingersätze halte ich für wenig hilfreich, denn erstens ist dieser hier unnötig unbequem, zweitens besteht dir Gefahr, dass man glaubt, man müsse das so machen --- wenn ich mir vorstelle, jemand übt das so und muss sich das dann wieder mühsam abgewöhnen... sowas ist ärgerlich.

ich glaube aber, dass man guten Unterricht haben kann und von dort mit sinnvollen Notenausgaben und halt zusätzlich hinein geschriebenen Fingersätzen versorgt werden kann (u.a. auch dafür ist der Unterricht ja da)

Gruß, Rolf
 

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  • Schmetterlingsetüde a la Beethoven.jpg
    Schmetterlingsetüde a la Beethoven.jpg
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Ich habe mir gerade mal die entsprechende Stelle von Beethovens op. 79 in meiner Henle-Ausgabe angesehen. Auch dort sind diese ersten Takte recht viel (aber anders als in Rolfs Beispiel) beziffert, später nimmt die Druckerschwärze deutlich ab.
Rolf hat das Problem angesprochen, dass angegebene Fingersätze manchmal merkwürdige Vorbildfunktionen entwickeln kann. Ich ertappe mich oft dabei, von den angegebenen Fingersätzen zu starten, um nach viel Gesuche ein völlig andere Lösung zu finden.
Bemerkenswert finde ich, dass bei den früheren Czerny/Griepenkerl/Roitzsch Ausgaben der Bach'schen Klavierwerke bei Ed. Peters viele Fingersätze zu finden sind, während die Ausgaben der Bach'schen Orgelwerke von Griepenkerl/Roitzsch/Keller im gleichen Verlag keine Finger- (und Fuss)sätze aufweisen. Da hieß es dann bei meinem ersten Orgellehrer: Hier ist meine Ausgabe, schreib Dir mal die Fingersätze ab, das sind die originalen von Karl Straube. Gemäß dem Motto, er hat sie von seinem Lehrer, und der direkt von Straube. Das nennt man dann wohl Tradition bewahren.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Was mich an den gedruckten Fingersätzen in meinen Noten zu nerven beginnt, ist, daß ich sie nicht konsequent durchstreiche, wenn ich sie nicht benutze.

Das führt dann nach einer Weile dazu, daß ich nicht mehr weiß, ob die Beschriftung mein Fingersatz ist. Insofern wäre es ja fast schlauer, alle Fingersätze selbst reinzuschreiben.

Ich muß wohl mal ne Notenausgabe ohne Fingersätze probieren. Was wäre denn die Alternative zu Henle, wenn man Urtext ohne Fingersätze haben möchte?
 
Die Henle-Ausgaben kannste aber nicht gut drucken, die sind im Original etwas größer als DIN-A4. Aus gutem Grund :D
 
In der neuesten Ausgabe von PianoNews gibt es zum Thema "Fingersätze in Urtextausgaben" einen lesenswerten Aufsatz des Hammerflügel-Spezialisten Malcolm Bilson. Seine These: Viele der Herausgeber-Fingersätze konterkarieren die Absichten des Komponisten, weil sie Artikulationen verschleiern und Bindungen erzeugen, wo der Komponist keine babsichtigt hat etc. Gedruckte Fingersätze suggerieren eine Sicherheit und Objektivität, die tatsächlich aber gar nicht vorliegt.

Da stellt sich natürlich die Frage, was sich die Verlage dabei denken. Betrifft diese Aussage sämtliche Verlage oder geht es dabei um "Billigproduktionen"? Man sollte doch eigentlich davon ausgehen dürfen, daß Verlage, die offensichtlich sorgfältig den Urtext recherchieren und dazu sogar zusätzliche Anmerkungen im Internet veröffentlichen, keine unsinnigen Fingersätze ungeprüft übernehmen. Aber das Notenbeispiel von Rolf spricht ja Bände! Apropos Bände, ich habe die Sonaten von Beethoven von Henle in zwei Bänden und gleich mal nachgesehen: Mit dem Fingersatz dort könnte ich mich auch nicht anfreunden aber immerhin ist weniger als ein Drittel der Noten ausgeziffert. Der Fingersatz ist übrigens von Conrad Hansen, falls das jemandem etwas sagt und er hat anderswo in dieser Sammlung zum Teil recht brauchbare Lösungen angeboten.

Ich finde übrigens, daß man beim Niveau von Beethovens Sonaten angekommen grundsätzlich selbst in der Lage sein sollte, Fingersätze zu bestimmen. Und dann ist es allerdings sehr schade, wenn man mit irrwitzigen Ideen konfrontiert wird, deren Sinn einfach nicht mehr zu erkennen ist. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Ich glaube nicht, daß man bei diesem Niveau auf Hinweise des Lehrers verzichten sollte, ich glaube sogar, daß selbst gestandene Konzertpianisten gelegentlich nicht den für sie optimalen Fingersatz verwenden.

PS: Die Idee, Noten einzuscannen statt sie zu kopieren, ist nicht schlecht! Ich habe übrigens bislang alles auf DIN-A4 Format bekommen, wenn auch manchmal eine Taktbegrenzung oder die Seitenzahl fehlt. Laut Aussage meines Copyshops fluche ich übrigens wesentlich weniger beim Kopieren und bin auch schneller als andere :D
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich finde übrigens, daß man beim Niveau von Beethovens Sonaten angekommen grundsätzlich selbst in der Lage sein sollte, Fingersätze zu bestimmen.
Ich bin zwar erst bei den ersten beiden Seiten der leichten Sonate von Beethoven, aber trotzdem schonmal danke...
Da stellt sich natürlich die Frage, was sich die Verlage dabei denken. Betrifft diese Aussage sämtliche Verlage oder geht es dabei um "Billigproduktionen"? Man sollte doch eigentlich davon ausgehen dürfen, daß Verlage, die offensichtlich sorgfältig den Urtext recherchieren und dazu sogar zusätzliche Anmerkungen im Internet veröffentlichen, keine unsinnigen Fingersätze ungeprüft übernehmen.
Die Frage stelle ich mir auch. Es trifft ganz sicher nicht nur Billigproduktionen, auch in den Noten mit dem tadellosen Schriftbild und dem robusten blauen Einband, der dafür sorgt, daß die Seiten nach dem Umblättern nicht wieder zurückfallen (Ihr wißt schon, von welchem Verlag :D) finden sich neben guten Anregungen immer wieder Fingersätze, die meine KL (ähm, unsere, Mephi :cool:) gerne als akademisch bezeichnet. Sie sagt, so etwas konstruieren Theoretiker, die einem bestimmten Regelwerk folgen und offensichtlich nicht so viel Spielpraxis haben. Ein Konzertpianist würde solche Stelle anders greifen, weil die praktischen Vorteile überwiegen und er nicht auf Lehrbuchfingersätze angewiesen ist.
 

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