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Liebes Forum,
schon länger geht ein Gespenst um in meinem Kopf, welches ich in diesem Beitrag kurz skizzieren möchte:
Ich habe in letzter Zeit häufiger mit fertig ausgebildeten oder fast fertig ausgebildeten Musikern gesprochen, und der aktuelle Hochschul- und Musikbetrieb ist mir ja durchaus auch zumindest ansatzweise ein Begriff. Und irgendwie habe ich zunehmend das Gefühl, dass sich der aktuelle Musikbetrieb in der "klassischen Musik" irgendwie selbst ins Bein schneidet. Lasset mich kurz erklären was ich meine, indem ich zwei - wie ich finde eng verbundene -Problemkreise aufzähle, die mir so aufgefallen sind:
1.) Irgendwie scheint es (außer in der Kirchenmusik) keinen wirklichen "subventionierten und unterstützten" "musikalischen Mittelbau" zu geben. Als fertig-ausgebildeter Musiker hat man entweder die Möglichkeit an Hochschulen zu Unterrichten (die Stellen werden jedoch immer rarer), erfolgreich konzertierend als Solist oder Kammermusiker aufzutreten oder eine der raren Orchesterstellen zu erhalten. Gelingt einem dies nicht, muss man schlecht bezahlt an Musikschulen arbeiten, Privatunterricht geben, oder "selbst irgendwie kreativ sein und sich ein Standbein suchen". Einen gesunden, staatlich geförderten "kulturellen Mittelbau" sehe ich in der klassischen Musik leider nicht.
2.) Mir scheint es weiter so, dass der aktuell vorherrschende "klassische" Konzert- und Musikbetrieb, bzw. das was die Öffentlichkeit hauptsächlich als diesen wahrnimmt, wenig mit dem zu tun hat, was Musik eigentlich für uns Interpreten bedeutet. Die Diskrepanz finde ich hier wirklich erschreckend. Ein jeder Musiker macht ja Musik, weil (abgesehen davon, dass er es irgendwie "machen muss",) es ihm unheimlich viel Spaß macht, es ihm viel gibt (intellektuell wie emotional), weil Zusammenspiel mit anderen Menschen Spaß macht, weil es irgendwie auch vereint, eine "ganz andere Welt" eröffnet, gleichzeitig eine Verbindung zur Vergangenheit schafft, voller interessanter historischer Querbeziehungen ist, usw. usf. Auch wenn nicht jeder Musiker all diese Punkte vereint, habe ich den Eindruck, dass "das Publikum" in den meisten Fällen garnicht die Chance hat diese ganzen Aspekte von Musik zu erleben. Und es deswegen meines Erachtens auch nicht verwunderlich ist, dass das Publikum meist auf bestimmte Bevölkerungskreise beschränkt bleibt und aktuell der Markt für viele Musiker und Musikerinnen einfach nicht gegeben ist.
Ich frage mich, ob man nicht diese beiden Punkte irgendwie "lösen kann", indem man den Konzertbetrieb dahingehend überdenkt, dass man neben den "großen Konzerthäusern und den großen Plattenfirmen und allgemein der großen Musikindustrie", eine aktivere, kreativere "klassische Kleinkunstszene" entstehen lässt. Es muss doch prinzipiell möglich sein Konzertformate im intimeren Rahmen anzubieten, welche die unter 2.) aufgezählten Punkte kreativ und ehrlich vermitteln können, aber dabei nicht irgendwie peinlich aufgesetzt wirken (wie so unsinniger Cross-Over Kram).
Ich habe z.B. bei unserem Skrjabin Gesprächskonzert bemerkt, auch wenn das Publikum wohl auch aufgrund der Außentemperatur von unter -15 Grad nicht so zahlreich erschien, dass dieses doch unkonventionellere Konzertformat, in welchem alle teilnehmenden Vortragenden eine ehrliche Begeisterung vermittelten und weitere Aspekte der Musik beleuchteten, wirklich nachhaltig begeistert hat. Ein weiteres Beispiel: Ein guter Freund von mir war mit dem Musikprojekt "Musiker ohne Grenzen" in Equador und zeigte mir ein Video, wie er mit einem nicht sonderlich guten Chor aus Einheimischen ein Madrigal aus der Renaissance gespielt hat. Die Leute waren offensichtlich so voller Eifer dabei und auch berührt, weil ihnen diese Beschäftigung vermitteln konnte, was diese Musik eigentlich auch ausmachen kann.
Was meint ihr dazu? Welche Formate könntet ihr euch vorstellen? Wie könnte man noch einen "musikalischen Mittelbau" schaffen bzw. erweitern? Oder seht ihr diese Probleme garnicht? Seht ihr noch mehr Probleme?
Alles Liebe,
Daniel
schon länger geht ein Gespenst um in meinem Kopf, welches ich in diesem Beitrag kurz skizzieren möchte:
Ich habe in letzter Zeit häufiger mit fertig ausgebildeten oder fast fertig ausgebildeten Musikern gesprochen, und der aktuelle Hochschul- und Musikbetrieb ist mir ja durchaus auch zumindest ansatzweise ein Begriff. Und irgendwie habe ich zunehmend das Gefühl, dass sich der aktuelle Musikbetrieb in der "klassischen Musik" irgendwie selbst ins Bein schneidet. Lasset mich kurz erklären was ich meine, indem ich zwei - wie ich finde eng verbundene -Problemkreise aufzähle, die mir so aufgefallen sind:
1.) Irgendwie scheint es (außer in der Kirchenmusik) keinen wirklichen "subventionierten und unterstützten" "musikalischen Mittelbau" zu geben. Als fertig-ausgebildeter Musiker hat man entweder die Möglichkeit an Hochschulen zu Unterrichten (die Stellen werden jedoch immer rarer), erfolgreich konzertierend als Solist oder Kammermusiker aufzutreten oder eine der raren Orchesterstellen zu erhalten. Gelingt einem dies nicht, muss man schlecht bezahlt an Musikschulen arbeiten, Privatunterricht geben, oder "selbst irgendwie kreativ sein und sich ein Standbein suchen". Einen gesunden, staatlich geförderten "kulturellen Mittelbau" sehe ich in der klassischen Musik leider nicht.
2.) Mir scheint es weiter so, dass der aktuell vorherrschende "klassische" Konzert- und Musikbetrieb, bzw. das was die Öffentlichkeit hauptsächlich als diesen wahrnimmt, wenig mit dem zu tun hat, was Musik eigentlich für uns Interpreten bedeutet. Die Diskrepanz finde ich hier wirklich erschreckend. Ein jeder Musiker macht ja Musik, weil (abgesehen davon, dass er es irgendwie "machen muss",) es ihm unheimlich viel Spaß macht, es ihm viel gibt (intellektuell wie emotional), weil Zusammenspiel mit anderen Menschen Spaß macht, weil es irgendwie auch vereint, eine "ganz andere Welt" eröffnet, gleichzeitig eine Verbindung zur Vergangenheit schafft, voller interessanter historischer Querbeziehungen ist, usw. usf. Auch wenn nicht jeder Musiker all diese Punkte vereint, habe ich den Eindruck, dass "das Publikum" in den meisten Fällen garnicht die Chance hat diese ganzen Aspekte von Musik zu erleben. Und es deswegen meines Erachtens auch nicht verwunderlich ist, dass das Publikum meist auf bestimmte Bevölkerungskreise beschränkt bleibt und aktuell der Markt für viele Musiker und Musikerinnen einfach nicht gegeben ist.
Ich frage mich, ob man nicht diese beiden Punkte irgendwie "lösen kann", indem man den Konzertbetrieb dahingehend überdenkt, dass man neben den "großen Konzerthäusern und den großen Plattenfirmen und allgemein der großen Musikindustrie", eine aktivere, kreativere "klassische Kleinkunstszene" entstehen lässt. Es muss doch prinzipiell möglich sein Konzertformate im intimeren Rahmen anzubieten, welche die unter 2.) aufgezählten Punkte kreativ und ehrlich vermitteln können, aber dabei nicht irgendwie peinlich aufgesetzt wirken (wie so unsinniger Cross-Over Kram).
Ich habe z.B. bei unserem Skrjabin Gesprächskonzert bemerkt, auch wenn das Publikum wohl auch aufgrund der Außentemperatur von unter -15 Grad nicht so zahlreich erschien, dass dieses doch unkonventionellere Konzertformat, in welchem alle teilnehmenden Vortragenden eine ehrliche Begeisterung vermittelten und weitere Aspekte der Musik beleuchteten, wirklich nachhaltig begeistert hat. Ein weiteres Beispiel: Ein guter Freund von mir war mit dem Musikprojekt "Musiker ohne Grenzen" in Equador und zeigte mir ein Video, wie er mit einem nicht sonderlich guten Chor aus Einheimischen ein Madrigal aus der Renaissance gespielt hat. Die Leute waren offensichtlich so voller Eifer dabei und auch berührt, weil ihnen diese Beschäftigung vermitteln konnte, was diese Musik eigentlich auch ausmachen kann.
Was meint ihr dazu? Welche Formate könntet ihr euch vorstellen? Wie könnte man noch einen "musikalischen Mittelbau" schaffen bzw. erweitern? Oder seht ihr diese Probleme garnicht? Seht ihr noch mehr Probleme?
Alles Liebe,
Daniel