Müssen Technikübungen wirklich sein?

übrgens gibt es von Leopold Godowski ebenfalls sehr interessante Basisübungen.

Hallo Rolf,

das interessiert mich, weil ich leider diese Übungen nicht kenne. Sind die ähnlich wie Brahms und Liszt? Was ist charakteristisch für sie?

Liebe Grüße

chiarina

@ musicus: eine bestimmte Zeitangabe für Technikübungen gibt es nicht, deswegen der ganze Wirrwarr mit unterschiedlichen Empfehlungen. Was für den einen gut ist, kann für den anderen schädlich sein. Beim Lernen geht es eben immer sehr unterschiedlich zu, wie man schon in der Schule sieht. Finde einfach selbst heraus, was für dich gut ist! Konsens kann m.E. nur sein: wenn man in einem Stück technische Probleme hat, muss man was tun und zwar so viel, dass es besser wird, am besten ganz verschwindet. Wieviel das ist, ist individuell.

Und auch, wenn sich in der Klavierpädagogik viel getan hat, sind die Fähigkeiten, die man zum Klavierspielen braucht, immer noch die gleichen wie früher.
 
Moin!

Das Frustrierende an den meisten mir bekannten technischen Übungsstücken:
daß es sich da in den seltensten Fällen um ernstzunehmende Musik handelt.
Im Gegenteil - musikalisch beleidigt solche Musik die Intelligenz des Spielenden,
von seinem Schönheitsempfinden ganz zu schweigen.

Technische Übungen rangieren auf dem Niveau von Vokabel- und Grammatikpaukerei
beim Erlernen einer Fremdsprache. Wer nicht gerade "schmerzfrei" und im Schneckentempo
nach dem Gehirnwäsche-Prinzip eine Sprache erlernen will (à la Inlingua-Schule), ist gut beraten,
sich über die Systematik im Aufbau einer fremden Sprache Klarheit zu verschaffen -
dazu gehört eine gewisse Leidensbereitschaft, für die man rasch belohnt wird.

Aber niemand wird auf die Idee kommen, Grammatik-Übersichten und Vokabelkärtchen
für Belletristik zu halten, an der man sich erfreuen will - das veranschaulicht den Unterschied
zwischen musikpädagogischer und ernstzunehmender Musik. Doch technische Übungen treten oft
als Schaf im Wolfspelz auf: im Gewand eines Musikstücks, das den Spielenden auch musikalisch
zu belohnen verspricht - eine glatte Lüge. Ich glaube, daß der weitverbreitete Abwehrreflex
gegenüber solchen Übungen nichts mit den technischen Schwierigkeiten zu tun hat.
Man rebelliert vielmehr gegen die Abwesenheit von musikalischem Sinn.

Solange es keine Übungen gibt, die dem Klavierschüler auch als Komposition einleuchten,
ist es besser, sich an Rolfs Erfahrung zu halten:

fundamentale Abläufe (Skalen, Akkordbrechungen, manche Doppelgriffe)
lernt man implizit an Klavierstücken

Gruß, Gomez
 
Gomez, ich stimme Dir grundsätzlich zu.

Aber Chiarina hat auch recht, wenn sie sagt, daß an bestimmten Punkten mal eine eingestreute Technik-Übung sehr sinnvoll sein kann.

Wenn man's mit Sprachenlernen vergleichen will: Dummes Pauken ist in der Tat abzulehnen - man sollte den Sinn der Sprache verstehen lernen und sie einfach sprechen. Aber manchmal ist z.B. ein Wort sehr schwer auszusprechen - dann ist es ja schon sinnvoll, an dieser Aussprache herumzufeilen, wobei evtl. auch geguckt werden muß: Wie wird dieser Laut überhaupt in Mund- und Rachenraum gebildet? etc.

Genauso z.B. mit Tonleitern und Arpeggien - die sollte man auf jeden Fall in allen Tonarten als abrufbereite Muster parat haben!

Und das mit dem fehlenden musikalischen Sinn ist prinzipiell schon richtig - nur kann es häufig eine Aufgabe von Schüler und Lehrer sein, herauszufinden, wie man etwas, das zunächst sinnfrei erscheint, mit Sinn und Musikalität füllt. Dies kann z.B. (gerade bei Tonleitern- und Arpeggienspiel) durch improvisierenden Umgang mit dem Material geschehen! Ist sowieso besser, als z.B. zu sagen: "O.K., zum nächsten Mal F-Dur mit beiden Händen über 4 Oktaven in Parallel- und Gegenbewegung". Hier haben wir aber immer noch bei vielen "Klassik"-Lehrern eine pädagogische Lücke, da man sich an Improvisieren "nicht herantraut" oder es sogar ablehnt.

LG,
Hasenbein
 
Diese Übungen sind für mich Übungen, die man vor allem am Anfang, mal abgesehen von Tonleiter und Arpeggien, auch von Teilen des Akkordspiels, macht.

Ich habe mir mal erlaubt, die von mir in deinen Aussagen lokalisierten Basisübungen hervorzuheben. Daneben nanntest du noch Lockerungs-/Handgelenksübungen und Unabhängigkeitsschulung. Zu letzterem nanntest du Bartok als gute Übungsmöglichkeit. Daraus spiele ich auch (aktuell noch bei Kinder 1-2), Bach sollte da allerdings auch gut geeinget sein, oder? (bin da derzeit an den Inventionen)

Zu den sonstigen von dir genannten Basics mache ich auch jeden Tag Teile...
Mensch Chiarina, du könntest meine KL sein...;)

Ob diese Vorgehensweise nun sinnvoll ist? Ich weiß es trotzdem nicht...:confused:


Hallo Musicus,
nimm mir meine gelegentlich scherzhaften Bemerkungen gerade zu technischen Angelegenheiten nicht übel - sehr oft wird dieser Aspekt des Klavierspiels mit halbgaren pseudopsycholog. Überlegungen verteufelt.

Rolf, ich als Rheinländer mag deine humorische Art sehr, war nur etwas verwirrt, weil ich es so empfand, dass du von den von dir angesprochenen Übungen von Brahms und Liszt sehr überzeugt zu sein scheinst und im letzten Satz auf einmal diese wieder zur Disposition gestellt hast...
Ich werde die Übungen mal mit meinem KL thematisieren. Wobei ich ein wenig Bammel davor habe, dass er es so deuten könnte, ich würde seine Methode in Zweifel ziehen oder gar mir selbst anmaßen darüber zu befinden was sinnvoll ist und was nicht...

Egal, ich werde einfach sagen der Rolf wars...:D
 
Moin!

Das Frustrierende an den meisten mir bekannten technischen Übungsstücken:
daß es sich da in den seltensten Fällen um ernstzunehmende Musik handelt.
Im Gegenteil - musikalisch beleidigt solche Musik die Intelligenz des Spielenden,
von seinem Schönheitsempfinden ganz zu schweigen.

Technische Übungen rangieren auf dem Niveau von Vokabel- und Grammatikpaukerei
beim Erlernen einer Fremdsprache. Wer nicht gerade "schmerzfrei" und im Schneckentempo
nach dem Gehirnwäsche-Prinzip eine Sprache erlernen will (à la Inlingua-Schule), ist gut beraten,
sich über die Systematik im Aufbau einer fremden Sprache Klarheit zu verschaffen -
dazu gehört eine gewisse Leidensbereitschaft, für die man rasch belohnt wird.

Aber niemand wird auf die Idee kommen, Grammatik-Übersichten und Vokabelkärtchen
für Belletristik zu halten, an der man sich erfreuen will - das veranschaulicht den Unterschied
zwischen musikpädagogischer und ernstzunehmender Musik. Doch technische Übungen treten oft
als Schaf im Wolfspelz auf: im Gewand eines Musikstücks, das den Spielenden auch musikalisch
zu belohnen verspricht - eine glatte Lüge. Ich glaube, daß der weitverbreitete Abwehrreflex
gegenüber solchen Übungen nichts mit den technischen Schwierigkeiten zu tun hat.
Man rebelliert vielmehr gegen die Abwesenheit von musikalischem Sinn.

Solange es keine Übungen gibt, die dem Klavierschüler auch als Komposition einleuchten,
ist es besser, sich an Rolfs Erfahrung zu halten:

Zitat von rolf

fundamentale Abläufe (Skalen, Akkordbrechungen, manche Doppelgriffe)
lernt man implizit an Klavierstücken


Gruß, Gomez

Gomez, du bringst es auf den Punkt und ich vermute einfach mal ein allgemeines Kopfnicken dazu.

Einzelne Wörter oder Grammatikstruturen machen in einer Sprache ja auch nur im Kontext Sinn.
Selbst die Betonungen einzelner Worte können sich von Satz zu Satz ändern
(Man denke nur an die zusammengeholperten Sätzen von Sprachcomputern).

Wenn du offensichtlich kein Freund von isolierten technischen Übungen bist, darf ich dann fragen, ob du denn deinen Weg auch ohne solche Übungen beschritten hast oder vielleicht nur rückwirkend für dich sagen würdest, dass solche Übungen überflüssig gewesen sind?

Ein Einblick in den individuellen Erfahrungschatz des eigenen Weges in der pianistischen Entwicklung würde mich bei euch erfahrenen Klavierspielern doch sehr interessieren, bzw. wäre dem Thema auch sicher sehr dienlich...
 
Wenn man's mit Sprachenlernen vergleichen will: Dummes Pauken ist in der Tat abzulehnen - man sollte den Sinn der Sprache verstehen lernen und sie einfach sprechen. Aber manchmal ist z.B. ein Wort sehr schwer auszusprechen - dann ist es ja schon sinnvoll, an dieser Aussprache herumzufeilen, wobei evtl. auch geguckt werden muß: Wie wird dieser Laut überhaupt in Mund- und Rachenraum gebildet? etc.

Isolierst du dann aber nicht wiederum anwendungsbezogen (=impliziertes Erlernen der Technik in der Praxis)?
Ich habe z.B. die Erfahrung in Sprachen gemacht, dass, je mehr ich mich durch Grammatikübungen und Vokabel lernen gepaukt habe, desto gehemmter wurde ich in der natürlichen Anwendung der Sprache.
Am leichtesten ging es dann von der Hand wenn ich in dem Land die Sprache einfach angewandt habe und meine Fehler im Nachgang dann vielleicht nochmal in einer ruhigen Minute aufgearbeitet habe...

Genauso z.B. mit Tonleitern und Arpeggien - die sollte man auf jeden Fall in allen Tonarten als abrufbereite Muster parat haben!

...

improvisierenden Umgang mit dem Material geschehen! Ist sowieso besser, als z.B. zu sagen: "O.K., zum nächsten Mal F-Dur mit beiden Händen über 4 Oktaven in Parallel- und Gegenbewegung". Hier haben wir aber immer noch bei vielen "Klassik"-Lehrern eine pädagogische Lücke, da man sich an Improvisieren "nicht herantraut" oder es sogar ablehnt.

Ist aber die Improvisation nicht nochmal ein ganz eigenes Feld? Denn da kenne ich es von der Gitarre, dass Improvisation letztlich auch nur durch eine gute Vorbereitung möglich ist und letztlich vor allem das unterschiedliche Zusammenfügen von Patterns ist, dies aber möglichst schnell, d.h. im musikalischen Fluss erfolgen muss.
Prima Vista erfordert da ja vielleicht noch ähnliche Fertigkeiten...?!?

Aber wirds dadurch auch unabdingbar für das sonstige, weiter Feld des Klavierspiels?

Grüße
Musicus
 
Hallo Musicus,

Bach ist natürlich absolut super, keine Frage :) .

Deine Vorgehensweise hört sich doch absolut super an, da kannst du nichts falsch machen. Gibt es denn ein Problem oder einen Wunsch von dir? Möchtest du schneller vorankommen? Oder bist du mit irgendwas unzufrieden? Vielleicht wird es dir klarer, wenn du überlegst, warum du diese Frage hier gestellt hast.

Vielleicht habe ich aber gerade auch absoluten Quatsch geredet, ich habe nur aufgrund deiner Frage ( Zitat Musicus: "Ob diese Vorgehensweise nun sinnvoll ist? Ich weiß es trotzdem nicht..." ) irgendwie das Gefühl, noch nicht auf den Punkt gekommen zu sein.

Wenn's an den Haaren herbeigezogen ist, sag's ruhig :p :p !

Liebe Grüße

chiarina
 
Deine Vorgehensweise hört sich doch absolut super an, da kannst du nichts falsch machen. Gibt es denn ein Problem oder einen Wunsch von dir? Möchtest du schneller vorankommen? Oder bist du mit irgendwas unzufrieden? Vielleicht wird es dir klarer, wenn du überlegst, warum du diese Frage hier gestellt hast.

Vom Ich-möchte-gerne-schneller-vorankommen-Virus sind glaube ich so manche Klavierspieler erkrankt, ich sicher auch, mal mehr, mal weniger ;)

Der Grund meiner Frage hat sich nach meinem Eingangspost nicht geändert. Dass ich ein ähnliches Programm habe, wie es manch andere Klavierlernende auch hat, weiß ich. Auch ist es natürlich schön, die Vorgehensweise von einer erfahrenen Klavierpädagogin wie dir bestätigt zu bekommen, keine Frage.

Meine Überlegungen ergeben sich einfach nur aus den sehr konträren Lagern und Ansichten so manch anderer, die Teile davon sogar als kontraproduktiv oder zumindest Zeitverschwendung erachten und ein vermehrtes bis vollständiges impliziertes Lernen aus Klavierstücken als den "richtigen" Weg erachten.

Ob es Letzteren gibt, ist wohl fraglich. Interessant ist doch der Austausch, warum manche den einen oder anderen Weg für sinnvoller erachten oder sogar aufgrund diverser Erfahrungswerte belegen können.

Darum geht es mir, sowie den Versuch, Schnittmengen der verschiedenen Lager zu finden, wenn man sich denn vielleicht noch nicht in eine der beiden extremeren Richtungen begeben möchte.

Ich denke doch, ein regelmäßiges Hinterfragen des eigenen Tuns findet auf allen Ebenen, vom Anfänger bis zum Konzertpianist statt, oder liege ich da falsch?

Grüße
Musicus
 
Als ich vor einem Jahr mit dem Klavierspielen begann, tat ich dies mit echter Vorfreude auf technische Übungen, oder das das, was ich dafür hielt.
Sehr zu meiner Unzufriedenheit wurden meine Ambitionen jedoch von allen meiner bisherigen Lehrer kategorisch abgelehnt.

Ich habe es dann eben heimlich getan.:D
Aus sportlichen Motiven. Hanon 1 in mehreren Tonarten etc.
Ich habe mir Bücher gekauft wie "Keyboard Fitness", "Piano Workout in 30 days" oder Schaums unsägliche "Fingerkraft".

Heute verstehe ich meine Lehrer. Oft sind die Übungen das Papier nicht wert.
Selbst der ehrenwerte Hanon lässt sich ohne Substanzverlust von 144 auf 2 übersichtliche DIN A4 Seiten reduzieren.
3 von den 60 Hanon-Übungen tuns für mich wohl auch.

Notenlesen und Technik lerne ich am lebenden Objekt, also exakt an der Musik die ich spielen möchte. Punkt.

Da mir isolierte kurze Übungen wegen des schnellen Erfolgserlebnisses trotzdem riesigen Spaß machen, habe ich mich mit meinem Lehrer darauf geeinigt,

a.) die Inventionen von Bach als sakrosankte Übungen zu nutzen.

b.) zu jedem Stück, welches ich spiele, erarbeiteten wir zusammen zugeschnittene technische Übung(en).

Gruß, NewOldie
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

Ob es Letzteren gibt, ist wohl fraglich. Interessant ist doch der Austausch, warum manche den einen oder anderen Weg für sinnvoller erachten oder sogar aufgrund diverser Erfahrungswerte belegen können.

Darum geht es mir, sowie den Versuch, Schnittmengen der verschiedenen Lager zu finden, wenn man sich denn vielleicht noch nicht in eine der beiden extremeren Richtungen begeben möchte.

Ich denke doch, ein regelmäßiges Hinterfragen des eigenen Tuns findet auf allen Ebenen, vom Anfänger bis zum Konzertpianist statt, oder liege ich da falsch?


Lieber Musicus,

aber absolut!!! :) Ich hoffe auch bloß, dass meine Überlegungen nicht als Kritik aufgenommen wurden. So war es ganz und gar nicht gemeint!!! Im Gegenteil finde ich dieses Thema sehr wichtig und ich denke, es stellt sich jedem immer wieder aufs Neue. Auch Klavierlehrern :p !

Wenn du ganz zufrieden bist mit deinem technischen Stand, ist doch alles wunderbar. Wenn du was Neues ausprobieren willst, könntest du vielleicht schon mal nach vorne schauen und überlegen, was du in einem Jahr spielen willst. Vielleicht ein klitzekleines Sonätchen von Beethoven oder eine seiner Bagatellen oder das Rondo C-Dur? Dann könnte man schauen, was da für Fähigkeiten benötigt werden und die schon mal vorausschauend üben.

Aber es dauert auch eben seine Zeit, bis man eine gewisse Technik erreicht hat, die es einem ermöglicht, die gewollten musikalischen Dinge umzusetzen. Ich weiß, wovon ich rede. :)

Ich habe in meinem Leben übrigens relativ wenig technische Übungen gemacht, weil die mir zu langweilig waren. Ich musste bei einem Prof. mal mit Hanon beginnen und ihm in einer Woche die ersten 25 auswendig vorspielen.............. . Ich habe fast einen Drehwurm gekriegt, alles klang nur noch gleich und da bin ich in Streik getreten.

Störrische Chiarina! :D

Ich habe Teile aus Brahms, Liszt, Czerny (40 tägliche Übungen) und ein paar Cortot-Übungen gemacht im Studium und Tonleitern und Arpeggien. Sehr viel besser fand ich aber Chopin-Etüden!

Vor dem Studium habe ich Cramer-Etüden und ebenfalls Chopin-Etüden gespielt, sonst nur Tonleitern und Arpeggien. Also ziemlich wenig. Ach so, doch : Schule der Geläufigkeit von Czerny. Und kiloweise Bach. Aus mir ist ja trotzdem halbwegs was geworden - also muss man jetzt nicht bis in alle Ewigkeit technischen Kram spielen. Das kann sehr einseitig sein.

Liebe Grüße

chiarina
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Muss... muss... muss... was muss der Mensch... essen, schlafen, pinkeln... wenn er Lust hat kauft er sich ein Klavier. Wenn er Lust hat spielt er drauf. Fünf Töne hintereinander ergeben (ab C) aufwärts die ersten 5 Töne einer Tonleiter. Bah, igitt, pfui... eine Tonleiter!! Also, entweder ich spiele diese 5 Töne sofort perfekt oder ich kriege einen Föhn. Üben? Nein danke. Und wenn die 5 Töne ungleichmäßig kommen: egal, ich mache auf keinen Fall runde Finger oder übe an diesen 5 Tönen irgendeine Technik. Das muss doch wohl nicht sein!!!

Hallo?!?!

Wer 5 Töne schön spielen will muss diese üben! Kommen sie nicht glatt, gleichmäßig, mit richtigen Akzenten, dann muss man eben die dazugehörige Technik erlernen! Ob man dazu einen Hanon oder einen Mozarttext nimmt... es bleiben unterm Strich die gleichen 5 Töne.

Manchmal nehme ich sehr gerne reine Technikübungen her. Der Grund: da gibt es keine Musik. Die Musik, sei es ein Rhythmus oder eine Melodie, verführt dazu, zu schnell zu spielen. Man kann die Melodie vielleicht schon singen, hat sie im Kopf, aber die Mechanik schafft es noch nicht sie umzusetzen. Mental zerrt also der musikalische Wille am Spielapperat, der sich flugs irgend welche Formen der (ungenauen) Umsetzung zurecht legt.

Eine Schülerin sollte zB nur den jeweils ersten Ton eines Stückes spielen (beide Hände beginnen mit beiden 5. Fingern). Thema: Rechts laut, links leise! Was macht die Gute? Sie spielt immer weiter... also habe ich sie gestoppt, denn der Anfang war mitnichten rechts laut links leise... lange Rede, kurzer Sinn: sie hat es nicht geschafft. Die Hände liefen immer "weg" und wollten das Stück spielen. Mal sehen, irgend wann muss das mal "geübt" werden. Dafür gibt es eine Technik, wie man da hin kommen kann. Wenn man Klavier lernen will, sollte man diese Technik erlernen.

Aber, man muss ja nicht...

Manchmal denke ich, das Schönste daran, eine Sache zu erlernen ist nicht, diese nachher zu können sondern diese auf dem Weg dahin zu üben! Denn JEDER Ton muss technisch erlernt und verbessert werden! Später geschehen diese Verbesserungen natürlich auf einem völlig anderen Niveau!
Warum Barenboim daher gemeint hat, dass er nie "geübt" habe ist dieser Sachverhalt, dass JEDER Ton und JEDES Tun an sich schon "Übung" ist. Das ist so selbstverständlich wie das Atmen. Atmen tut man ja auch nicht "extra"... also bewusst.

In diesem Sinne...
 
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Wenn ich mich richtig entsinne, hatte ich mitgeteilt, dass die "technischen Übungen" von Liszt sowie die "51 Übungen" von Brahms nicht hirn- und emotionslos abgeklimpert werden sollen. Geschieht das dennoch, so können weder Brahms noch liszt was dafür...

Übungen dieser Art werden erst dann "gymnastisch", wenn man sie begriffen hat - und das bedeutet zunächst: wenn man sie (d.h. ihre Intervallschritte) hören und verstehen und dazu fühlen kann. Erst wenn das gewährleistet ist, kann eine Temposteigerung wirklich sinnvoll sein.

Es mag auf den ersten Blick bescheuert erscheinen, chromatische Fünftongruppen (a la Brahms: c-#c-d-#d-e / #c-d-#d-e-f usw jeweils mit 1-2-3-4-5 auf und ab, ja links natürlich umgekehrt) zu spielen, aber es gibt hierbei dennoch mehr als genug wahrzunehmen (hören und fühlen, letzteres speziell mit den Fingern, die sich den engen Tastenlagen anpassen müssen, aber dennoch immer einen qualitativ gleichwertigen Klang produzieren sollen) - danach werden die Tonbewegungen je nach Richtung cresc. und dim. gespielt (aufwärts cresc., abwärts dim. )

Tatsächlich schult eine solche Übung das musikalische Wahrnehmen!

Und ausgehend von den motorischen bzw. grifftechnischen Mustern von Brahms und Liszt kann man auch Übungen für Anfänger konstruieren: es ist erstens lehrreich und zweitens für die Orientierung sinnvoll, z.B. drei Ganztonschritte zu spielen (c-d-e), und das mit den Fingern 2-3-4, und da dann einen Halbon höher zu wiederholen (also des-es-f, dito 2-3-4) und so immer weiter - - man hört, dass zwei Ganztonschritte eine große Terz ergeben, man hört dazu als Kontrast die kleine Terz (c-d-e-cis-dis-eis), und man schreitet das Tastengelände sämtlicher Ganztonschritte ab. Dasselbe können dann die Finger 1-2-3 und auch 3-4-5 machen.
...und wenn man den eigenen morotischen sowie taktilen Grips testen will, dann spielt man das simultan gespiegelt:
r.H. c-d-e-cis-dis-f-d-e-fis usw.
l.H. e-d-c-dis-cis-h-d-c-b usw.
Achtung: hierbei soll zunächst eine Hand klingend, die andere tonlos spielen.

Mit Verstand praktiziert sind Übungen auf jeder Niveaustufe durchaus hilfreich - - und genau darum geht: um eine Art Hilfestellung: solche Übungen reduzieren natürlich das musikalische Material - das hat für das Lernen speziell der Bewegungs- und Griffmuster den Vorteil, dass man nicht von zu viel Ambition und Expression abgelenkt wird. Denn ambitioniert und expressiv spielen wird man erst dann, wenn man über die nötigen Mittel dafür verfügt.

Nun sind allerdings Übungen nicht jedermanns Sache - - wie schon gesagt, ginge es auch ohne die genannten, denn wo man verständigen Unterricht hat, da werden die nötigen Übungen aus den Stücken herausextrahiert. Was ist der Unterschied? Die Brahms- und Lisztübungen stellen ein recht allgemeines motorisch-taktiles Kompendium dar, extrahierte Übungen aus irgendwelchen Stücken stellen spezielle Übungen für diese Stücke dar. Nützlich ist beides.

...ja ehrlich gesagt: wenn man eine knifflige Stelle aus irgendeinem Stück isoliert übt, so ist das prinzipiell auch nichts anderes, als eine Fingerübung ;)

falsch ist der Irrglaube, dass man irgendwelche 100-1000 Fingerübungen bzw. technischen Studien gymnastisch betreiben müsse, um dadurch die technischen Grundlagen des Klavierspiels zu erhalten - - solcher Unsinn hat den Wert oder Unwert einer übertreibenden Werbekampagne

falsch ist ebenso, sinnvollen Übungen (ich hab ein paar genannt) jeglichen musikalischen Wert abzusprechen - sie haben einen (s.o.)

und noch falscher ist es, solche Übungen geistlos durchzurasseln

und am falschesten ist es, zu sagen es ginge absolut nicht ohne alle Übungen oder umgekehrt.

Ich hoffe, es ist mir gelungen, ein paar beliebte Vorurteile zu entkräften.
 
Obwohl wir manchmal verschiedener Meinung zu sein scheinen kann ich dir hier nur rückhaltlos zustimmen.

Allerdings sind die Übungen von Brahms und Liszt schon ein anderes Kaliber als die meist genannten Hanon und ähnliche Übungen.

Der Schüler braucht für die Brahmsübungen immer einen guten Lehrer, der dann auch auf die Stücke verweisen kann, in denen diese Anwendung finden.
Auch Kämmerling hat selbst bei fortgeschrittenen Schülern immer wieder überprüft, ob diese Basis Übungen wirklich pianistisch gehen und rügte selbst die kleinste Ungenauigkeit im Ablauf.

Es zeigte sich nämlich sogar in Meisterkursen, dass aktive Mitglieder diese von dir genannte Übung:

c,cis,d,dis,e mit 12345. Finger und das dann chromatisch weiter transportiert nicht immer mit der erforderlichen Genauigkeit darstellen konnten. Hier wusste er schnell zu zeigen oder zu benennen, was der Grund für die Unregelmässigkeiten waren.

Solche technischen Übungen, intelligent ausgeführt, sind immer von Vorteil.
 
Wenn du was Neues ausprobieren willst, könntest du vielleicht schon mal nach vorne schauen und überlegen, was du in einem Jahr spielen willst. Vielleicht ein klitzekleines Sonätchen von Beethoven oder eine seiner Bagatellen oder das Rondo C-Dur? Dann könnte man schauen, was da für Fähigkeiten benötigt werden und die schon mal vorausschauend üben.

Hallo Chiarina,

das finde ich in der Tat eine kluge und sinnvolle Vorgehensweise!

Wir haben denke ich ja schon den Konsens erreicht, dass man eigentlich bei jedem Stück die Problemstellen extrahiert und faktisch als "technische Übung" mit besonderen Augenmerk hernimmt.

Wenn man sich also, wie du schreibst, im klaren darüber ist was für Stücke man in einem absehbaren Zeithorizont spielen möchte, dann kann man die wichtigsten technischen Anforderungen aus diesen Stücken bereits Vorlauf als Extrakt üben.

Ich habe in meinem Leben übrigens relativ wenig technische Übungen gemacht, weil die mir zu langweilig waren. Ich musste bei einem Prof. mal mit Hanon beginnen und ihm in einer Woche die ersten 25 auswendig vorspielen.............. . Ich habe fast einen Drehwurm gekriegt, alles klang nur noch gleich und da bin ich in Streik getreten.

vielen Dank Chiarina, dass du uns ein wenig Einblick gegeben hast in deinen Werdegang. Ich finde das superspannend und bin nicht minder verblüfft darüber, dass selbst an Universitäten derartige Übungen angetroffen werden können...

Ich habe Teile aus Brahms, Liszt, Czerny (40 tägliche Übungen) und ein paar Cortot-Übungen gemacht im Studium und Tonleitern und Arpeggien. Sehr viel besser fand ich aber Chopin-Etüden!

Die Übungen von Brahms und Liszt scheinen also aufgrund ihrer mehrfachen Empfehlung (auch in anderen Threads) offenkundig eine bessere Alternative zu Hanon, Czerny & Co. zu sein.



Ich glaube auch hierzu kann eine Einigung festgestellt werden, dass Bach ein hervorrgagendes Substitut zu so manchen techischen Übungen ist, oder?!
 
Tatsächlich schult eine solche Übung das musikalische Wahrnehmen!

Ein interessanter Ansatz und Denkanstoß!
Offensichtlich sollte man also den fehlenden musikalischen Gesamtkontext nicht verwechseln mit den musikalischen Aspekten denen diese Übungen innewohnen, vor allem im taktilen, motorischen Bereich...
Allerdings auch hier wieder wohl im besonderen Maße wieder die Brahms- und Liszt-Übungen betreffend, wenn ich dich da richtig verstanden habe.

Danke Rolf!

Grüße
Musicus
 
Mich erinnert diese Diskussion an die kleinen Jungs, die davon träumen Fußball zu spielen wie ihre Idole, auch brav in den Fußballverein gehen, aber keine Lust haben, das Training zu absolvieren, sondern spielen wollen. Aber selbst hier heißt es für die Profis immer wieder "Basics üben": Ballbeherrschung, Reaktionsfähigkeit, Kondition ...

In anderen Sportarten sind "Aufwärmübungen" unbedingtes Muß - nicht zum Aufwärmen, sondern um sich "überlebensnotwendige" Bewegungsabläufe immer wieder zu vergegenwärtigen. Wie oft habe ich erlebt, daß die Cracks Schläger schwingend auf den Badmintoncourt tänzeln und mit rasanten Schmetterbällen und Hechtsprüngen ihr Spiel beginnen. Und oft genug durfte ich schon mit ansehen, wie man sie nach einer Viertelstunde vom Platz tragen mußte, weil die Kreuzbänder gerissen oder der Fuß verstaucht war. Wer sein Verletzungsrisiko minimieren will, tut gut daran, immer wieder ausgiebigst seine Schritt- und Sprungtechnik zu automatisieren, damit man sich beim Spielen auf das Gewinnen konzentrieren kann.

Beim Klavierspielen ist das Verletzungsrisiko glücklicherweise gering (die Chance zu gewinnen leider ebenso). Aber auch hier erscheint es mir sinnvoll, daß die Basics abrufbereit sind, daß man nicht bei jeder Tonleiter, bei jedem Arpeggio überlegen muß, wie man von einer Oktave in die nächste kommt. Wer sich durch den Notentext buchstabieren muß, hat keine Muße, auf eine entspannte Handhaltung zu achten. Für all solche Dinge sind "Fingerübungen" sicherlich sinnvoll. Ob der Profi für seine Basics Hanon-Fingerübungen benötigt, möchte ich bezweifeln. (Daß überhaupt jemand Hanon braucht - zumindest in der gedruckten Form - ebenfalls.)

Wie schon Rolf sagte: Es geht sicherlich auch anders.

In diesem Sinne: Fröhliches Klimpern! Es lebe der Dilettantismus!

Ojott
 
To make a long story short:

technische Übungen müssen nicht sein, werden aber denjenigen der sie richtig ausführt durchaus weiter bringen.

:p
 

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