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Mein Verständnis von mir als Klavierlehrerin
Es ist hier immer wieder Thema, welche Aufgaben und welche Rolle ein Klavierlehrer innehat und übernimmt, bzw. übernehmen sollte. Natürlich entwickelt jeder mit der Zeit seine eigene Vorstellung und auch Identität vom und mit dem Lehrerdasein; meine persönliche wollte ich hier einmal mit euch teilen. Sie ist entstanden über viele Jahre, in denen ich Unterricht erhalten und dann selbst erteilt habe, und ich versuche darin das zu vereinen, was mir als Musikerin am meisten gebracht hat, bzw. wovon ich den Eindruck habe, dass es meine Schüler am besten weiterbringt. Natürlich entwickelt sie sich auch stetig weiter, wenn ich neue Erfahrungen mache und älter werde.
Wer schonmal den einen oder anderen Beitrag von mir gelesen oder Unterricht bekommen hat, weiß, dass ich immer wieder in Bildern oder Metaphern spreche, um Dinge anschaulich werden zu lassen. So auch jetzt: Vielleicht musstet ihr in der Schule im Kunstunterricht mal eine Bildbeschreibung anfertigen (bei uns wurde das immer als Strafarbeit angedroht). Ich habe mich lange gefragt, wozu die gut sein soll, denn man kann doch das Bild mit einem Blick erfassen! Dann schenkte mir jemand einen Abreiß-Kunstkalender mit kurzen Erklärungen auf der Rückseite, und ich stellte fest, das ich fast nie alle Details, Färbungen oder Deutungen selbst gesehen hatte, sondern die Bildbeschreibung durchaus ihren Sinn erfüllte: Sie machte mich auf bestimmte Inhalte aufmerksam.
Exakt so sehe ich auch den Klavierunterricht, vor allem den für Erwachsene und Fortgeschrittene: Ich helfe dabei, das "Bild", also das Musikstück zu sehen bzw. zu verstehen, seinen Sinn zu erfassen, zu entschlüsseln - und außerdem im nächsten Schritt die richtigen pianistischen Mittel (=Technik) zu finden und zu entwickeln, um diese Erkenntnisse auch hörbar zu machen. Dazu gehört neben dem Manuellen auch, zwischen innerem und äußeren Hören zu differenzieren, also wahrzunehmen, ob die Idee, die man ausdrücken möchte, schon für den Hörer zu verstehen ist.
Ich kann das deshalb, weil ich schon Jahrzehnte damit zugebracht habe, Musik zu verstehen, und weil andere Lehrer es mir jahrzehntelang beigebracht haben Hauptsächlich habe ich also einen großen Erfahrungsvorsprung, vielleicht auch eine Denkweise, die zum Erfassen von Musikstücken gut geeignet ist. Außerdem habe ich meinen Körper und die dazugehörigen Bewegungen so fein erspüren gelernt und so differenziert ausprobiert, dass ich sofort weiß, wie das eine durch das andere realisiert werden kann. Ich weiß auch, wie ich Körper & Hirn dazu bringe, sich neue Musik und neue Bewegungen möglichst effizient und schnell anzueignen und zu merken (= zu üben), und ich kenne die wichtigsten Züge der Grammatik, aus der Musik besteht (= Musiktheorie). Das alles kann ich meinen Schülern erklären, zeigen und vormachen, sie dazu anleiten und auch durch entsprechende suggestive Fragestellungen an die Schwelle der Erkenntnis führen.
Wie fein, differenziert und tief dieses Verständnis eines Musikstückes ist, verändert sich über die Jahre und Jahrzehnte, die man mit dem Musizieren zubringt. Am Anfang malt ein Kind nur "Kopffüßler" - später kann es (vielleicht) realistische Porträts malen. So mag es am Anfang des Klavierunterrichts vielleicht nur um den Unterschied zwischen Staccato & Legao, Piano& Forte, Halbschluss & Ganzschluss gehen, später kann man minutenlang über feinste Nuancen diskutieren. Mit jedem Schritt, den man in der Musik geht, kann man auch eigene Entscheidungen treffen. Da geht es um die Freiheiten, die einem eine Komposition im Rahmen ihrer festgelegten Parameter lässt. Über diese Freiheiten kann man dann entscheiden nach Vermutung und Gewissen (was hat der Komponist wohl eher gemeint? Was passt besser zum Stück?) oder auch nach persönlichem Geschmack. Die Aufforderung eines Lehrers "probier mal aus, was dir gefällt" ist nett, sollte aber zumindest in der Mehrheit der Fälle auf informierten Boden fallen, sonst artet sie in Beliebigkeit aus (auch das ist hin und wieder OK, vor allem wenn es um das Ausprobieren von bestimmten Wirkungen oder musikalischen Parametern geht).
Ich schreibe demnächst noch mehr zu den Rahmenbedingungen des Unterrichts und zum Zwischenmenschlichen zwischen Lehrer und Schüler, über das ich noch kein Wort verloren habe und das natürlich trotzdem enorm wichtig ist. Was ich oben geschrieben habe, funktioniert auf jedem Spielniveau und mit jedem Alter, wenn man es so abstrakt betrachtet. Die Inhalte und Methoden sind natürlich völlig verschieden, aber das übergeordnete Ziel ist immer gleich: Musik entschlüsseln und zugänglich machen. Das schafft übrigens auch Ehrgeiz, Freude und Motivation, denn damit beantwortet sich die Sinnfrage.
Bis demnächst
Eure Stilblüte
Es ist hier immer wieder Thema, welche Aufgaben und welche Rolle ein Klavierlehrer innehat und übernimmt, bzw. übernehmen sollte. Natürlich entwickelt jeder mit der Zeit seine eigene Vorstellung und auch Identität vom und mit dem Lehrerdasein; meine persönliche wollte ich hier einmal mit euch teilen. Sie ist entstanden über viele Jahre, in denen ich Unterricht erhalten und dann selbst erteilt habe, und ich versuche darin das zu vereinen, was mir als Musikerin am meisten gebracht hat, bzw. wovon ich den Eindruck habe, dass es meine Schüler am besten weiterbringt. Natürlich entwickelt sie sich auch stetig weiter, wenn ich neue Erfahrungen mache und älter werde.
Wer schonmal den einen oder anderen Beitrag von mir gelesen oder Unterricht bekommen hat, weiß, dass ich immer wieder in Bildern oder Metaphern spreche, um Dinge anschaulich werden zu lassen. So auch jetzt: Vielleicht musstet ihr in der Schule im Kunstunterricht mal eine Bildbeschreibung anfertigen (bei uns wurde das immer als Strafarbeit angedroht). Ich habe mich lange gefragt, wozu die gut sein soll, denn man kann doch das Bild mit einem Blick erfassen! Dann schenkte mir jemand einen Abreiß-Kunstkalender mit kurzen Erklärungen auf der Rückseite, und ich stellte fest, das ich fast nie alle Details, Färbungen oder Deutungen selbst gesehen hatte, sondern die Bildbeschreibung durchaus ihren Sinn erfüllte: Sie machte mich auf bestimmte Inhalte aufmerksam.
Exakt so sehe ich auch den Klavierunterricht, vor allem den für Erwachsene und Fortgeschrittene: Ich helfe dabei, das "Bild", also das Musikstück zu sehen bzw. zu verstehen, seinen Sinn zu erfassen, zu entschlüsseln - und außerdem im nächsten Schritt die richtigen pianistischen Mittel (=Technik) zu finden und zu entwickeln, um diese Erkenntnisse auch hörbar zu machen. Dazu gehört neben dem Manuellen auch, zwischen innerem und äußeren Hören zu differenzieren, also wahrzunehmen, ob die Idee, die man ausdrücken möchte, schon für den Hörer zu verstehen ist.
Ich kann das deshalb, weil ich schon Jahrzehnte damit zugebracht habe, Musik zu verstehen, und weil andere Lehrer es mir jahrzehntelang beigebracht haben Hauptsächlich habe ich also einen großen Erfahrungsvorsprung, vielleicht auch eine Denkweise, die zum Erfassen von Musikstücken gut geeignet ist. Außerdem habe ich meinen Körper und die dazugehörigen Bewegungen so fein erspüren gelernt und so differenziert ausprobiert, dass ich sofort weiß, wie das eine durch das andere realisiert werden kann. Ich weiß auch, wie ich Körper & Hirn dazu bringe, sich neue Musik und neue Bewegungen möglichst effizient und schnell anzueignen und zu merken (= zu üben), und ich kenne die wichtigsten Züge der Grammatik, aus der Musik besteht (= Musiktheorie). Das alles kann ich meinen Schülern erklären, zeigen und vormachen, sie dazu anleiten und auch durch entsprechende suggestive Fragestellungen an die Schwelle der Erkenntnis führen.
Wie fein, differenziert und tief dieses Verständnis eines Musikstückes ist, verändert sich über die Jahre und Jahrzehnte, die man mit dem Musizieren zubringt. Am Anfang malt ein Kind nur "Kopffüßler" - später kann es (vielleicht) realistische Porträts malen. So mag es am Anfang des Klavierunterrichts vielleicht nur um den Unterschied zwischen Staccato & Legao, Piano& Forte, Halbschluss & Ganzschluss gehen, später kann man minutenlang über feinste Nuancen diskutieren. Mit jedem Schritt, den man in der Musik geht, kann man auch eigene Entscheidungen treffen. Da geht es um die Freiheiten, die einem eine Komposition im Rahmen ihrer festgelegten Parameter lässt. Über diese Freiheiten kann man dann entscheiden nach Vermutung und Gewissen (was hat der Komponist wohl eher gemeint? Was passt besser zum Stück?) oder auch nach persönlichem Geschmack. Die Aufforderung eines Lehrers "probier mal aus, was dir gefällt" ist nett, sollte aber zumindest in der Mehrheit der Fälle auf informierten Boden fallen, sonst artet sie in Beliebigkeit aus (auch das ist hin und wieder OK, vor allem wenn es um das Ausprobieren von bestimmten Wirkungen oder musikalischen Parametern geht).
Ich schreibe demnächst noch mehr zu den Rahmenbedingungen des Unterrichts und zum Zwischenmenschlichen zwischen Lehrer und Schüler, über das ich noch kein Wort verloren habe und das natürlich trotzdem enorm wichtig ist. Was ich oben geschrieben habe, funktioniert auf jedem Spielniveau und mit jedem Alter, wenn man es so abstrakt betrachtet. Die Inhalte und Methoden sind natürlich völlig verschieden, aber das übergeordnete Ziel ist immer gleich: Musik entschlüsseln und zugänglich machen. Das schafft übrigens auch Ehrgeiz, Freude und Motivation, denn damit beantwortet sich die Sinnfrage.
Bis demnächst
Eure Stilblüte