Mein Lehrer erklärt mir ganz viel mit Klangbeispielen, aber das geht an mir total vorbei. Ich bin mitunter froh wenn ich bemerke, auf welchen Unterschied der hinaus will. Im schlimmsten Fall bemerke ich nicht mal einen Unterschied zwischen den Beispielen. Ist das eine gängige Methode, die nur für mich nicht passt, oder gibt es generell bessere Wege?
Liebe beo,
erklären nützt oft wenig - man muss es tun und erleben. Kannst du Intervalle und Tonleitern hören und transponieren?
Tonleitern und Intervalle sind aus meiner Sicht der Grundstein, bevor man überhaupt mit Akkorden anfängt. Hast du das schon gemacht und wie seid ihr dann vorgegangen? Kannst du singen oder summen? Erst sollte man hören, dann im nächsten Schritt reflektieren und Strukturen erleben!
Fang mal mit einer simplen Durtonleiter an. Gern von c. Spiele, singe oder summe die C-Dur-Tonleiter rauf und runter, erst gleichzeitig, dann singe/summe sie allein. Klappt das? Wenn nicht, summe einfach den Anfang von "Alle meine Entchen" bis "schwimm" (also c,d,e,f,g,a) und ergänze die nächsten zwei Töne (h,c).
Jetzt kannst du über den Aufbau einer solchen Tonleiter nachdenken: aha, sie besteht im Wesentlichen aus Ganztonschritten, aber an zwei Stellen befinden sich Halbtonschritte. Wo? Aha, bei 3-4 und 7-8.
Und weiter: Was ist der Grundton dieser C-Dur-Tonleiter, bei welchem Ton fühle ich mich irgendwie geerdet, zu Hause? Aha, beim C. C ist also der Grundton.
Bei welchem Ton der Tonleiter habe ich das Gefühl, der will irgendwo hin und hat eine große Strebewirkung? Spiel noch mal langsam alle Töne und hör gut hin. Welcher Ton hat die meiste Spannung? Richtig, das h. Es leitet zum c, zum Grundton und heißt deshalb Leitton. Der Leitton will also immer nach Hause und es sich gemütlich machen. Das Prinzip von Leitton-Grundton ist das von Spannung-Entspannung.
Jetzt hast du das Wesen einer Durtonleiter schon ganz gut verstanden. Und nun transponierst du munter von allen Tönen in deiner Stimmlage aus, am liebsten immer erst singen/summen. Selbst wenn du falsch singst, erhöhst du deine Aufmerksamkeit. Keine Angst vor falschen Tönen! :D Immer erst summen, dann spielen. Dich fragen, wo sind die Halbtonschritte, was sind Grund- bzw. Leitton. Die Spannung des Leittons körperlich und emotional wahrnehmen, vielleicht mal drauf stehen bleiben und die Auflösung/Entspannung zum Grundton verweigern.
Dann könntest du sogar den Dur-Dreiklang anschließen, der aus dem 1.,3.,5. Ton dieser Tonleiter besteht. Erst summen/singen, dann spielen. Ist übrigens der Anfang von Hopp, hopp, hopp, diesem Kinderlied aus alten Zeiten. Transponieren, also von allen möglichen anderen Tönen spielen. Dann analysieren: wie ist denn solch ein Durdreiklang aufgebaut: aha, eine große Terz (zwei Ganztonschritte) am Anfang, dann eine kleine Terz, die beiden Außentöne ergeben eine Quinte.
Du kannst aber auch mit den Intervallen nach der Tonleiter anfangen - für mich die bessere Reihenfolge.
Erst die Intervalle der Durtonleiter nehmen, singen, spielen, hören, transponieren, Liedanfänge nehmen. Dann schauen, welcher Abstand das ist.
Hier habe ich mehr dazu geschrieben.
Harmonielehre muss immer in Verbindung mit Gehörbildung und dem eigenen Spiel (Stücken) erfolgen. Es ist wichtig, das, was man lernen will, zunächst auditiv/hörend wahrzunehmen und dann zu analysieren/reflektieren. Sehr, sehr wichtig ist, bei Verständnisproblemen von vorn anzufangen bzw. rauszukriegen, wo es hakt. Oft denkt der Lehrer, das müsste sie doch wissen, das haben wir ja schon dann und dann gemacht, aber es ist eben nicht mehr da. Ohne Fundament kein Hausbau. :)
Ich meine also, dass dein Problem nur mit mangelnder Übung zu tun hat, liebe beo, und nicht mit irgendwelchen körperlichen Defiziten deinerseits. Und dass vielleicht nicht auf vorhandenem Wissen und Erfahrung aufgebaut wird. Da muss man sehr strukturiert vorgehen! Man kann beim Kuchenbacken auch nicht mitten drin anfangen. :D
Das Allerwichtigste: du solltest deinem Lehrer alles erklären und nicht er dir.
Liebe Grüße
chiarina
P.S.: Musik bildet (u.a.) das Leben in all seinen Farben und Zuständen ab und die Harmonien zueinander bilden die Spannungen zwischen Menschen ab. Ich nehme mal an, dass du beim Musizieren und Musik hören etwas empfindest. Und deshalb kann Theorie nicht tot sein - sie ist die reine Praxis! Ich sehe das Problem hier als Problem der Vermittlung. :)