Konzentration beim Spielen

G

gubu

Guest
Dass man unkonzentriert schlechter spielt als konzentriert ist eine Binsenweisheit. ABER wie schafft man es, die volle Konzentration auf das Klavierspiel zu lenken, insbesondere in "Stresssituationen" (neues Stück, Unterricht, Vorspiel, "Umschalten" von Alltag auf Klavier....). Ich merke bei mir, dass ich (z.T. deutlich) unter dem bleibe, was ich kann, wenn es mir nicht gelingt , die volle Konzentration auf das Klavierspiel zu lenken, die "Steuerung durch den Kopf" nicht optimal funktioniert....

Für nichts im Leben gibt es Patentrezepte, doch welche Erfahrungen habt ihr da gesammelt, welche Tricks und Kniffe helfen euch??
 
Hi,

die Konzentrations-Fähigkeit wird hauptsächlich durch Aufmerksamkeits-Steuerung/Ziele und die Motivation (Anteilnahme) bewirkt.

Du musst also versuchen beides zu optimieren.

Beispiele zu
Aufmerksamkeits-Steuerung/Ziele:

  • ich höre jetzt auf den Klang
  • ich beobachte meine Bewegungen
  • wie fühle ich mich, meine Arme, Finger, etc..
  • ...

Die Aufmerksamkeits-Ziele kann/sollte man auch während dem Spielen wechseln (Methode der wechselnde Aufmerksamkeit). Das vermeidet mentale Ermüdung.

Motivation:

  • ich finde das super, dass ich jetzt vorspielen darf. ;-)
  • das Stück ist klasse, und ich versuche die Intentionen des Komponisten zu vermitteln
  • ich zeige jetzt allen, dass mir das Stück gefällt
  • ...

Gruß
 
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Meiner Meinung nach ist Konzentration eine Übungssache. Natürlich muß man sich darüber im klaren sein, worauf man sich konzentrieren will und den absoluten Vorsatz haben, das auch zu tun. Dann ergeben sich automatisch kleine Warnschilder, wenn man abschweift, à la "hier spielt die Musik", denen man dann so gut wie möglich folgen muß. Dazu gehört natürlich auch, daß man diese Warnschilder überhaupt bemerkt bzw. bemerken will (Motivation).

Außerdem muß man lernen, seine eigene Konzentrationsfähigkeit einzuschätzen. Eine Frage meines Klavierlehrers, die er neuerdings seinen jüngeren Schülern gerne stellt, lautet "Wieviele Takte kannst du fehlerfrei spielen?". Die Antwort hängt natürlich sowohl von der Konzentrationsfähigkeit wie auch von der Sicherheit des Stückes ab. Aber es ist eine gute Selbstkontrolle. Und die Konzentrationsfähigkeit (oder eher die Ausdauer darin) hängt natürlich auch davon ab, wie fit man gerade ist. Die Antwort können übrigens selbst Achtjährige ziemlich treffsicher geben.

Auf jeden Fall kann man sich täglich ein paar kleine Aufgaben stellen, um die Konzentration zu üben. Zum Beispiel die ersten 16 Takte eines Stückes fehlerfrei zu spielen, und die Anforderungen langsam steigern. Das kann man auch ein bischen inszenieren, indem man erstmal vom Klavier aufsteht, sich dann entscheidet, die Aufgabe zu lösen, sich wieder hinsetzt, den Anfang in Erinnerung ruft und erst dann losspielt.

Ich halte es auch für wichtig, sich klarzumachen, daß alles andere solange warten kann, bis eine Aufgabe gelöst ist. Wenn ich zum Beispiel nach der Arbeit nach hause kommen, will ich vielleicht duschen, was essen, möglicherweise noch einkaufen, Emails abrufen, ein bischen im Internet surfen und natürlich Klavier spielen. Klavierspielen und Einkaufen muß bis 20:00 Uhr gemacht werden, der Rest kann irgendwann passieren und darf zur Not auch mal ausfallen. Wenn die Zeit knapp ist, würde ich wohl zuerst einkaufen und dann bis 20:00 Uhr Klavier spielen. Aber wenn ich dabei die ganze Zeit daran denken müßte, daß ich noch einen wichtigen Anruf zu erledigen habe, hätte ich immer noch keine Ruhe. Dann müßte ich mir endweder sagen, daß es reicht, den Anruf nach dem Klavier zu machen oder halt vorher. Sowas kann auch für ganz kleine Dinge wichtig werden, wie z.B. einen Stift in die Schublade zu legen oder das Fenster zu öffnen.

Wenn man also dem, was man gerade macht, die höchste Priorität einräumt, kann man sich meiner Meinung nach am besten konzentrieren. Das gilt auch bei Auftritten, wo sich das Lampenfieber immer wieder in den Vordergrund drängen will. Wenn man sich dann darum kümmert, das zu bekämpfen, hat man eigentlich schon verloren, denn die eigentliche Aufgabe lautet ja "spielen".
 
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die Konzentrations-Fähigkeit wird hauptsächlich durch Aufmerksamkeits-Steuerung/Ziele und die Motivation (Anteilnahme) bewirkt.

Tolle Zusammenfassung, worauf es dabei ankommt, und gute Beispiele, um daran zu arbeiten, danke dafür!
Die Methode der rotierenden Aufmerksamkeit finde ich auch sehr gut!

In Ergänzung zu dem, was Guendola geschrieben hat, was ich auch alles genauso sehe, ist der Tip, sich sowohl öfter aufzunehmen als auch sich Ziele zu setzen, vor anderen Leuten zu spielen. Beides trainiert die Konzentrationsfähigkeit ungemein, finde ich. Und führt letztlich dazu, weniger Fehler zu machen. Der Tip mit der Registrierung der Anzahl fehlerfrei gespielter Takte ist aber auch klasse!
 
Hallo!

Also ans Aufnehmen kann man sich auch und schnell gewöhnen. Bei mir geht es so nach dem Motto: "Murks, das nehm ich halt nochmal auf." Wenn ich merke, dass ich wirklich unkonzentriert bin, weil z.B. müde oder gestresst, verkürze ich meine Übestunde. Es ist dann oft sinnvoller, sich vielleicht ne halbe Stunde gut zu konzentrieren, als sich eine Stunde oder länger rumzuquälen. Dann sinkt ja auch die Befriedigung, die man nach erfolgreichem Üben verspürt, was sich langfristig auch auf die Motivation negativ auswirken kann.

Lieber mehrmals täglich kurz und konzentriert als einmal lang und nachlässig.

LG,
Babs
 
Ich habe kürzlich an einem Dispokinesis-Seminar teilgenommen, das war sehr gut!
Es geht um vielerlei:
Einerseits um die innere Haltung, um die physiologische Sitzhaltung, um die Vorbereitung aufs Klavierspielen.......
Ich verlinke mal:

http://www.dispokinesis.com/
 
Hi violapiano,

danke für den Link, das hört sich sehr interessant an.

Kannst du mal bitte für alle etwas von den Geheimnissen der Dispokinesis und des SDMP (Stereotyp Dominant Motor Pattern, ich liebe Abkürzungen ;-) ) weitervermitteln. Du bist ja jetzt Fachfrau.

Vielleicht in einem extra Thread.

Gruß
 
Ich finde es unheimlich wichtig in dem Moment alle nicht-musikalischen Gedanken soweit wie möglich zu verdrängen. Ganz besonders alles in der Richtung "das muss jetzt klappen" oder "ohje, wenn ich jetzt nicht gut spiele". Mir hilft dabei immer der Gedanke, dass niemand was ernsthaft gegen mein Klavierspiel sagen kann/wird, wenn ich mit ganzem Herzen spiele (und das rüberkommt).

Soweit meine Erfahrung

lg marcus
 
Hi violapiano,

hab mal auf der Dispokinesis Seite rumgestöbert.

Muss ich mir jetzt zuerst das "Dispo-Kissen" kaufen? :D

Aber ansonsten, bin sehr interessiert (siehe mein Post weiter oben).

Gruß
 

Mir hilft dabei immer der Gedanke, dass niemand was ernsthaft gegen mein Klavierspiel sagen kann/wird, wenn ich mit ganzem Herzen spiele (und das rüberkommt).

Das finde ich schon mal ganz gut. Ansonsten hilft es mir, mich auf die "Aussage" der Musik zu konzentrieren und nicht auf die technische Ausführung dieser Aussage. Es ist so, wie Guendola neulich mal schrieb: wenn man vorspielt, sollte man etwas zu sagen haben. Ich versuche mir immer bewusst zu sein, dass ich anderen Menschen wirklich etwas sagen will (nicht etwas sagen sollte, etwas sagen muss...) und mich beim Vorspielen dann darum kümmere, den "Inhalt/Gehalt" der Musik möglichst gut auszudrücken. Es braucht natürlich Vertrauen in die technische Umsetzung, das sollte sich durch die Vorbereitung ja entwickelt haben.

Grüße von
Fips
 
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Bachopin, ja, Du musst es kaufen, es macht was aus.:p

Ich hab mir eins bestellt:p Kann ich zum Streichen auch gebrauchen. Ich denke, es ist eine gute Investition.

LG
violapiano

Über Dispokinesis zu berichten, das traue ich mir noch nicht so richtig zu. Hab ja erst ein Seminar besucht, das reicht nicht fürs Fachfrau sein.

Wir haben besprochen:
Guter, sicherem Stand,
Die Sitzhaltung, die es erlaubt, in einer Grundspannung zu sitzen, so dass man direkt startklar ist und die Arme ein "gutes Widerlager" im Rumpf finden,
Trotz Pedalbedienung, die den Kontakt zum Boden nicht unbedingt positiv beeinflusst.
Dann darüber, mit welcher inneren postiven Haltung man ans Klavier gehen kann, wie man erzielen kann, den Klang für einen Saal zu spielen, sozusagen "in die Ferne zu projizieren" (das sind meine Worte)
Desweiteren speziell klaviertechnisch, wie man bestimmte Schwierigkeiten bewältigt wie Sprünge in der linken Hand, Oktavenläufe rechts und links.
Die Umsetzung der Gedanken aus der Disponinesis in Sachen Klavierspielen.

Ich kann es eig. nur jedem empfehlen, es ist einfach nur gut. Alle Verspannungen haben sich bei mir aufgelöst durch die angepasste Technik.
Es ist ein ganzheitliche Betrachtung, es geht nicht nur um Klavierspielen, sondern der ganze Mensch kommt vor mit all seinen Eigenheiten, die sich beim Spielen auswirken.

Natürlich ist alles ein Prozess, nicht von jetzt auf gleich sind alle Probleme behoben. Aber das Gute daran ist, dass alles Berücksichtigung findet, was gerade wichtig ist.
 
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Ich habe ausgerechnet heute noch ein Dokument gefunden, das ebenfalls die "Ganzheitlichkeit" beim Klavierspielen beschreibt: http://www.mpiwg-berlin.mpg.de/Preprints/P366.PDF. Fängt auf Seite 33 an und führt zu Elisabeth Caland, die mit der Krankengeschichte einer Pianistin eingeführt wird... steht eigentlich alles drin, was erzähle ich hier. Die Erkenntnisse sind natürlich veraltet aber der Faden läßt sich anscheinend bis heute verfolgen.

Fips7, wenn man wirklich etwas zu sagen hat, dürften die größten Konzentrationsprobleme sich in Luft auflösen. Die Probleme nehmen aber wieder zu, wenn man merkt, daß einem zugehört wird. Ich hoffe, ich hatte das nicht in diesem Thread geschrieben ;)
 
Hallo zusammen,

ich würde jetzt hier noch einmal an der Stelle einhaken, die aus meiner Sicht (und meinen aktuellen Erfahrungen) eine große Rolle spielt, nämlich Stress und emotionale "Desorientierung" als Hindernis in der Konzentration. Das ist jedenfalls bei mir ein Problem, den Kopf frei zu bekommen und mich auf das Spielen zu konzentrieren. Diese ganze Story ist aber eine sehr komplexe, da ist der Job, Familie, persönliche Befindlichkeiten und das Üben wird nach 10 Minuten abgebrochen. Weil so viel im Kopf herum geht, dass es zu konzentriertem Spiel erst gar nicht kommen kann.

Genau so erinnere ich mich aber auch an Abende, wo ich eher zufällig auf die Uhr schaute und feststellte, dass ich schon bald zwei Stunden an den Tasten saß und die Welt um mich herum entschwunden war. Und es war kein anderes Klavier und auch die gleiche Bank. Demnach wären Haltung und Psysiologie nur ein Teil des Problems.

Wenn da mal jemand eine perfekte Lösung hätte ... ;)

Rainer
 

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