Meiner Meinung nach ist Konzentration eine Übungssache. Natürlich muß man sich darüber im klaren sein, worauf man sich konzentrieren will und den absoluten Vorsatz haben, das auch zu tun. Dann ergeben sich automatisch kleine Warnschilder, wenn man abschweift, à la "hier spielt die Musik", denen man dann so gut wie möglich folgen muß. Dazu gehört natürlich auch, daß man diese Warnschilder überhaupt bemerkt bzw. bemerken will (Motivation).
Außerdem muß man lernen, seine eigene Konzentrationsfähigkeit einzuschätzen. Eine Frage meines Klavierlehrers, die er neuerdings seinen jüngeren Schülern gerne stellt, lautet "Wieviele Takte kannst du fehlerfrei spielen?". Die Antwort hängt natürlich sowohl von der Konzentrationsfähigkeit wie auch von der Sicherheit des Stückes ab. Aber es ist eine gute Selbstkontrolle. Und die Konzentrationsfähigkeit (oder eher die Ausdauer darin) hängt natürlich auch davon ab, wie fit man gerade ist. Die Antwort können übrigens selbst Achtjährige ziemlich treffsicher geben.
Auf jeden Fall kann man sich täglich ein paar kleine Aufgaben stellen, um die Konzentration zu üben. Zum Beispiel die ersten 16 Takte eines Stückes fehlerfrei zu spielen, und die Anforderungen langsam steigern. Das kann man auch ein bischen inszenieren, indem man erstmal vom Klavier aufsteht, sich dann entscheidet, die Aufgabe zu lösen, sich wieder hinsetzt, den Anfang in Erinnerung ruft und erst dann losspielt.
Ich halte es auch für wichtig, sich klarzumachen, daß alles andere solange warten kann, bis eine Aufgabe gelöst ist. Wenn ich zum Beispiel nach der Arbeit nach hause kommen, will ich vielleicht duschen, was essen, möglicherweise noch einkaufen, Emails abrufen, ein bischen im Internet surfen und natürlich Klavier spielen. Klavierspielen und Einkaufen muß bis 20:00 Uhr gemacht werden, der Rest kann irgendwann passieren und darf zur Not auch mal ausfallen. Wenn die Zeit knapp ist, würde ich wohl zuerst einkaufen und dann bis 20:00 Uhr Klavier spielen. Aber wenn ich dabei die ganze Zeit daran denken müßte, daß ich noch einen wichtigen Anruf zu erledigen habe, hätte ich immer noch keine Ruhe. Dann müßte ich mir endweder sagen, daß es reicht, den Anruf nach dem Klavier zu machen oder halt vorher. Sowas kann auch für ganz kleine Dinge wichtig werden, wie z.B. einen Stift in die Schublade zu legen oder das Fenster zu öffnen.
Wenn man also dem, was man gerade macht, die höchste Priorität einräumt, kann man sich meiner Meinung nach am besten konzentrieren. Das gilt auch bei Auftritten, wo sich das Lampenfieber immer wieder in den Vordergrund drängen will. Wenn man sich dann darum kümmert, das zu bekämpfen, hat man eigentlich schon verloren, denn die eigentliche Aufgabe lautet ja "spielen".