Kleiderordnung auf der Bühne

Hm, fishi, eins meiner denkwürdigsten Konzerterlebnisse war ein Abend mit B. B. King in einem wunderbaren Art-Deco-Theater in L. A. Die eingeborenen kamen im feinsten Outfit - die Damen (Mädels?) im Kleinen Schwarzen und die Herren durchaus auch im Smoking. Zu einer Blues Session, also definitiv nix mit Klassik. Die Kleiderordnung war definitiv erlesener als z. B. in der Berliner Philharmonie.

Wunderbares Beispiel! Eben weil es nicht "normal" war, war es eine große Respektsbezeugung vor dem Künstler. DAS nenne ich eine EHRLICHE Garderobe!!!!

UNd gleich @Stilblüte, zu Ihrem klugen und durchdachten Post: Genau darum beraubt man sich, wenn man in Normen und Konventionen denkt. Weshalb verkleidet man sich bei einer Bewerbung? Das ist doch - eine Lüge! Es sei denn, man ist immer so gewandet.

Heirat nach Schema F? Würde ich nie mehr tun! So ein Nonsens!

Beerdigung: Gedeckt - ja. Schwarz als Muss - ist längst passée. Wenn ich meine Trauer visualisieren will - mit Schwarz - gerne.

Also Blüte; Deine Argumente überzeugen mich schon, aber es bleibt dabei: Kleidung nach Norm ist Lüge, Mimikry (schreibt man das so?), Täuschung. Kleidung nach Gefühl, nach Stimmung, nach Absicht (Respekt!) ist ehrlich.
 
Sehr gute Frage, meinst Du mich als Besucher?

Vorweg: Natürlich ist Absicht ehrlich: Ich möchte z.B. Respekt bezeugen. Ist natürlich unehrlich, wenn meine Absicht ist, zu "blenden".
 
Ja fisherman, das sehe ich auch so.
Bei meinem ersten Klavierabend hatte ich eine Hose und Bluse an, weil ich kein Kleid anziehen wollte.
Natürlich soll man sich und anderen nichts überstülpen. Aber das sind jetzt zwei ganz verschiedene Dinge. Die meisten Leute finden ja Gefallen daran, verschiedene Kleidungsstile in verschiedenen Situationen anzuwenden, mal feiner, mal legerer.
Wenn jemand sich in allem anderen als Schlabberloock unwohl fühlt, soll er halt so spielen.

Wir haben einen Klavierstudenten mit sehr langen Dreadlocks, kaputten Jeans und so weiter. Ich habe mich nicht getraut zu fragen, ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass der so wahnsinnig viele Konzerte spielt.
 
mit sehr langen Dreadlocks, kaputten Jeans und so weiter. Ich habe mich nicht getraut zu fragen, ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass der so wahnsinnig viele Konzerte spielt.
Na, dann pass mal auf, der machts am Ende noch wie der Geigenfuzzi. Ich denke, die wirkliche Prämisse heißt: Sauber. Wohlriechend. Ästhetisch.
 
Sehr gute Frage, meinst Du mich als Besucher?

Vorweg: Natürlich ist Absicht ehrlich: Ich möchte z.B. Respekt bezeugen. Ist natürlich unehrlich, wenn meine Absicht ist, zu "blenden".

Hi fisherman,

Ich meinte eher als Veranstalter. Die offizielle Absicht des Konzertes lautet in diesem Falle Geld sammeln (natürlich kann ein Spieler auch andere persönliche Absichten haben, z.B. spielt einer vielleicht nur deshalb mit, weil er vor einem wohlwollenden Publikum vorspielen möchte). Ich unterstelle also erstmal, dass man sich auch erhofft, dass nicht nur Teilnehmer des Treffens zum Konzert kommen sondern auch Leute aus der Kirchengemeinde, und dass die Leute mehr spenden als die üblichen 5 Euro Scheine.
Auch gehe ich davon aus, dass erwartet wird, dass alle Teilnehmer des Clavio-Treffens zum Konzert kommen (und nicht etwa nur zum gemeinsamen Pizza-Essen o.ä.), so gesehen ist Dein Job eigentlich, mitzuhelfen, dass die Leute geblendet werden.
 
Ich kann nur für mich sprechen, aber ich finde, die erfüllt er nicht. Aber wir sind ja schon im OT vom OT.
 
Der weltberühmte, wichtige und sympathische Geigenvirtuose Nigel Kennedy hatte noch vor dem ebenfalls wichtigen und berühmten Geigenvirtuosen David Garrett mit Kritik zu kämpfen, weil er sich bzgl. Kleidung nicht an die Normen halten wollte. In seinem Buch, der super Autobiographie "Spielen ist alles" beschreibt er die Situation der "Kleidung" usw. seinerzeit, und diese Zeit war, als er "die Bühne betrat", noch etwas anders gestrickt als heute: Strenger. Zumindest was die Kleidung, Haarschnitt usw. von Musikern auf der Klassischen Musikbühne betraf.

Ich hatte irgendwo schonmal was zitiert von ihm. Heute nur ein kurzes Zitat:

Zitat von Nigel Kennedy:
[...]Die Erwartung, wir müssten, nur weil wir meist Werke verstorbener Komponisten spielen, immer noch so aussehen, als würden wir sie gerade zu Grabe tragen, ist doch absurd. [...] Führen wir uns doch mal die Situation in der modernen Musikszene vor Augen. Wir nehmen, sagen wir mal, einen Teenie; wie sähe seine Erstaufmachung, der erste Schritt zum Rockstar, aus ? Einfaches weißes T-Shirt, abgerissene Jeans, ausgelatschte Turnschuhe und die richtige schwarze Lederjacke, nicht wahr ? Letztere müsste kurz sein, damit der Arsch richtig zur Geltung kommt und die Beine lang aussehen, dazu das Haar zerzaust, das Gesicht nicht zu glatt. Weiter: Er sollte - muss aber durchaus nicht - ein Instrument spielen oder, besser noch, singen. Wenn's nicht anders geht, kann er sich auch an einer Bassgitarre, die man praktisch nicht hört, oder einem Synthesizer festhalten, denn er braucht ja wohl einen Grund, um überhaupt auf der Bühne zu stehen..[...]

Kennedy trug keine ungepflegten Sachen, für seinen Kurzhaarschnitt begründet er, dass lange Haare total unpraktisch sind fürs Geigespielen, aber labbriges, Zerfetztes, das mag er auch nicht. Was er aber am allerwenigsten mag, sind Kleidungs-Traditionen und Konventionen für klass. Musiker auf Bühnen. DAHER trug er z.B. beim Beethoven-Violin-Konzert mit Klaus Tennstedt legere und angenehme, saubere Sachen, sah aber nicht wie der herkömmliche Geiger in Frack, Fliege, weißem Hemd , Stehkragen, usw. aus. Er sah so aus, dass er sich von diesem Einerlei ABHOB, und für ihn - er beschreibt auch seine erste "Ausstattung" für 25 Pfund, war ANGENEHMES TRAGEN / GEFÜHL mit am wichtigsten.

LG, Olli
 

Mein erster Lehrer machte regelmäßig Hauskonzerte. Wer in Jeans kam, der wurde sofort nach Hause geschickt. Das habe ich bei ihm gelernt, ebenso das Verhalten auf der Bühne, verbeugen etc.
 
Mein erster Lehrer machte regelmäßig Hauskonzerte. Wer in Jeans kam, der wurde sofort nach Hause geschickt.

Hi Pianojayjay,

Das ist mir wiederum zu spießig. Es ist ja nicht so, dass die Musik durch Jeans schlecht wird - ich selber spiele Konzerte ab und an auch in Jeans.

Wenn ein erwachsener Amateur in einem Kirchenbenefizkonzert in T-Shirt und Jeans auftritt, ist es aber unpassend. Selbst 'meine' jugendliche Musikgruppe der Kirchengemeinde zieht sich "ordentlich" an (mindestens Hemd statt T-Shirt), wenn sie bei Kirchenereignissen auftritt (das wollen die Jugendlichen von sich aus so).
 
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Sie waren recht konservativ aber wir wussten es.
 
Was ich geschrieben habe:

- bedenkt (= denkt daran = benutzt euer Gehirn)
das ist das Praktische am gemeinen Bildungsbürger. Er glaubt, wenn er sich an dumpfe Kleiderkonventionen hält, hat er schwer nachgedacht. Weitere Denkarbeit kann er sich somit ersparen. Den Ausdruck "Klassikgrufties" nehme ich fürderhin in meinen Wortschatz auf. Danke dafür fisherman.

Als ich noch Scherge in Chor und Orchester war, hat mich die Kleiderfrage immer bestens amüsiert. Einer fragte, was man denn zum Konzert anziehen solle... allgemeines Gemurmel, Abwägen, Verwerfen und dann hatte einer den Gedankenblitz: "wie wär's in schwarz". Jo, ich war immer schwer beeindruckt von der Kreativität der "hochgebildeten" Klassikgrufties. Allerdings, das muß man fairerweise dazusagen: es gab auch immer Ausreißer, die partout stets aus der Reihe tanzten. Die schlugen schwarz-weiß vor.
 
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Konventionen sind nicht per se schlecht - sie schaffen visuellen Konsens und erzeugen somit eine Aura der Gemeinsamkeit. Das ist sinnvoll in Bereichen, wo das Leben "bestimmt" wird, also in Wirtschaft und Politik z.B.. Umgekehrt grenzen sie natürlich den aus, der sich Ihnen verweigert. Die Klassikgrufties ;-) mit Ihrem Schrei nach respektvoller, festlicher, angemessener Kleidung sind somit nicht anders als die Kids auf den Schulhöfen, die diejenigen mobben, die die falschen Sneakers tragen. Nur: Das sind halt noch Teenies ...
Der besagte Geigenlehrer ist keinen Deut besser als der Türsteher an der Disko.

Ziemlich hoch, das Durchschnittsalter hier, oder? 80+???
 
Die offizielle Absicht des Konzertes lautet in diesem Falle Geld sammeln (natürlich kann ein Spieler auch andere persönliche Absichten haben, z.B. spielt einer vielleicht nur deshalb mit, weil er vor einem wohlwollenden Publikum vorspielen möchte). Ich unterstelle also erstmal, dass man sich auch erhofft, dass nicht nur Teilnehmer des Treffens zum Konzert kommen sondern auch Leute aus der Kirchengemeinde, und dass die Leute mehr spenden als die üblichen 5 Euro Scheine.
Auch gehe ich davon aus, dass erwartet wird, dass alle Teilnehmer des Clavio-Treffens zum Konzert kommen (und nicht etwa nur zum gemeinsamen Pizza-Essen o.ä.), so gesehen ist Dein Job eigentlich, mitzuhelfen, dass die Leute geblendet werden.

Völlig falsch. Ehrlichkeit und Authentizität begeistern die Menschen.
Übertragen aufs Konzert würde ich daher folgende Situation zeichnen: Schauts her Leute, da ist ein Gemeindehaus, das hat sich einen Flügel gegönnt. Der ist dafür da, dass junge Menschen andere Menschen mit Musik erfreuen. Und diese Künstler tun das mit Freude, völlig unprätentios und so dass man berührt wird. Seid so nett und honoriert das großzügig. Mit toller Musik und NORMALER Kleidung ist diese Botschaft wesentlich glaubwürdiger als mit elitärem Getue.

Just my 5 Cents
 
Und diese Künstler tun das mit Freude, völlig unprätentios und so dass man berührt wird. Seid so nett und honoriert das großzügig. Mit toller Musik und NORMALER Kleidung ist diese Botschaft wesentlich glaubwürdiger als mit elitärem Getue.

Das sind aber Amateure und keine Künstler, und ob die Musik so toll ist, das ist eben die Frage. Ehrlicherweise müsste man sagen: danke, dass Ihr gekommen seid, um uns zuzuhören.

Deine Botschaft wäre passend, wenn die jungen Menschen, die den Flügel letztendlich nutzen werden, ihrerseits was organisieren, als eine Art Selbsthilfe - da wäre normale Kleidung passend.
 

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