Kann man sowas in der Kirche spielen? - und wenn nicht, was dann? :D

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20. Aug. 2012
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Hallo zusammen,

ich bin zufälligerweise auf folgendes Video auf Youtube gestoßen und wollte Fragen, ob ihr es für angemessen haltet, so etwas in der Hl. Messe oder einer anderen liturgischen "Veranstaltung" in einer Kirche zu spielen:

AACHEN FELIX AUGER ENTREE ERIC DALEST - YouTube

Ich finde, das klingt eher nach Jahrmarkt als nach Kirche..:D

Aber, da stellt sich ja eine generelle Frage: Welche Stücke besitzen die nötige Würde, liturgisch Verwendung zu finden? Woran orientiert ihr Euch? Was spielt ihr? Gibt es auch No-Goes, auch, wenn alle es hören wollen, oder kommt es nur auf den Geschmack der Leute an?

Was meint ihr?

Herzliche Grüße

Euer Lisztomanie
 
Hallo Marco,
ich glaube, dieses Stück im Video passt nicht zu kirchl. Veranstaltungen.
Die Aufmerksamkeit wird mehr auf das Stück gelenkt, statt auf Andacht etc.
Ok, obwohl ich auch ab und zu den ein oder anderen Walzer spiele ... :D

Liebe Grüße
Dein Jonas
P.S.: Wie heißt denn das Stück? Das muss ich mir für die nächste Messe ähhh ... für die nächste Angelegenheit :D
P.P.S.: Zu welcher Kirche gehörte die Orgel?
 
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Ziemlich ... unorthodox. :D

Ist halt die Frage, ob die Aufnahme wirklich im Rahmen eines Gottesdienstes stattfand - und falls ja, welche Hörgewohnheiten die dazugehörige Rezipientengruppe hat. Wenn jemand z. B. zu einer Trauung oder Taufe sich genau so was wünscht - à la bonne heure. *schulterzuck* De gustibus non disputandum.

Einer Kirchenorgel solche Töne zu entlocken, finde ich legitim.
 
Das hier ist noch kirmesartiger:

Martin Monter: Toccatoona

Das hat der Freund meiner Schwester im Schulgottesdienst vor den Sommerferien gespielt. Ich fand's gut.

Gruß, Mick.
 
Aber, da stellt sich ja eine generelle Frage: Welche Stücke besitzen die nötige Würde, liturgisch Verwendung zu finden? Woran orientiert ihr Euch? Was spielt ihr? Gibt es auch No-Goes, auch, wenn alle es hören wollen, oder kommt es nur auf den Geschmack der Leute an?

Was meint ihr?

Herzliche Grüße

Euer Lisztomanie

Mein Wort zum Sonntag ;):

Ich finde, das zweite Vatikanische Konzil hat zur Kirchenmusik recht brauchbare Anforderungen aufgestellt: Zum einen sieht es als Ziel der Kirchenmusik "die Ehre Gottes und die Heiligung (an anderer Stelle auch: Erbauung) der Gläubigen". Kirchenmusik sei "um so heiliger (…), je enger sie mit der liturgischen Handlung verbunden ist, sei es, dass sie das Gebet inniger zum Ausdruck bringt oder die Einmütigkeit fördert (…)"

Außerdem "billigt die Kirche alle Formen wahrer Kunst, welche die erforderlichen Eigenschaften besitzen" (Alles nachzulesen in der Liturgiekonstitution des Konzils)

Ich finde, das gibt eine ganz gute Orientierung: wichtig scheint mir zu sein, auf Qualität zu achten. Dabei dürfen aber die Bedürfnisse der Menschen (einschließlich des Organisten;)) nicht vernachlässigt werden. Gerade bei Gottesdiensten, in denen es wesentlich auch um Beziehungen zwischen Menschen geht, z.B. Hochzeiten oder Trauergottesdiensten, sollte meiner Meinung nach die Erbauung der Gläubigen sogar besonders stark gewichtet werden. D.h. gerade bei diesen Gottesdiensten sollte man - wenn der Wunsch besteht - auch mal etwas spielen dürfen, was sonst vielleicht eher als unpassend (oder sogar liturgisch falsch) bewertet würde. Das Gegengewicht hierzu bildet die Anforderung an die Qualität der Musik und die Vereinbarkeit mit der kirchlichen Lehre. Z.B. wäre eine Grenze zu ziehen, wenn sich das Brautpaar den "Holzmichl" oder "Highway to Hell" wünscht, weil es sich zu dieser Musik kennengelernt hat.:D

Auch auf die Hörgewohnheiten der Gemeinde wird es ankommen. Wenn die Gemeinde von Dir üblicherweise nur Bach-Präludien und Fugen zu hören bekommt, würde sie sich vielleicht verschaukelt vorkommen, wenn Du plötzlich das von Dir verlinkte Stück spielen würdest.

Das vorliegende Stück halte ich - im richtigen Kontext - auch für den Gottesdienst geeignet. Vielleicht eher nicht an Palmsonntag, aber vielleicht zum Auszug bei einer Erstkommunion-Feier? Das würde den Kindern vielleicht besonders gut gefallen. Generell spricht (auch im Zusammenhang mit der o.g. Erbauung der Menschen) ja nichts dagegen, wenn im Gottesdienst auch mal gute Laune verbreitet wird.
 
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Aber, da stellt sich ja eine generelle Frage: Welche Stücke besitzen die nötige Würde, liturgisch Verwendung zu finden?

Jeder Organist hat wohl schon einmal die Erfarhung gemacht, daß er bei dieser Frage nicht völlig frei ist, sondern das letzte Wort der Pfarrer (kath.) oder der Kirchenvorstand (ev.) hat. Und die sind nicht selten von schmerzhaft strikter Observanz. Die klassische Rhetorik kennt übrigens für diese Frage die Kategorie des aptum, der Situationsangemessenheit, die den Konsens aller Beteiligter voraussetzt. Bereitschaft zur Konsensbildung muß man mitbringen, dann darf man sie auch von den kirchlichen Instanzen erwarten. Lassen die sie allerdings vermissen, bleibt nur, sich zwischen Resignation oder Magengeschwür zu entscheiden.
 
Hallo,

erstmal "Danke" für die vielen, wirklich sehr interessanten und lesenswerten Antworten!

Natürlich darf der Gottesdienst den Menschen Freude bereiten und er sollte auch auf die Bedürfnisse der Gläubigen, die ihn feiern, abgemessen sein, aber: Ein Gottesdienst bleibt immer noch ein Dienst an Gott. Es gibt unglaublich viele Stücke, die es zu singen, zu spielen und zu hören unglaubliche Freude macht. Das Repertoire reicht von der Renaissance bis zur heutigen Zeit, da wird sich sicher für jeden etwas zu seinen Bedürfnissen passendes finden. Aber es gibt ein paar Dinge, die gehen meiner Meinung nach einfach nicht, zum Beispiel Brautmessen, wo man das "Ave Maria" zum Credo singt, oder irgendeinen kitschigen Popsong zur Elevation. Bekannte von uns waren vor einiger Zeit auf einer Konfirmation in der Nachbarstadt: Da gab es "Fluch der Karibik" zum Auszug. Und auf einer Hochzeit mal den "Weißen Hai" zum Einzug. Das geht ja mal gar nicht...:D Man kann doch stattdessen auch einfach "Schlager" wie die französischen Orgelsinfonien oder die großen Bach-Werke spielen. Irgendwie muss sich doch die Musik im liturgisch wertvollen Gottesdienst doch vom Alltagsgeülärre, das die Leute sonst so hören, abheben. :D

Das verstehen aber viele Leute gar nicht: "Bei welcher Kirche gibt es die coolsten chilligsten Gottesdienste?" - diese Frage habe ich letztens noch in einem Forum gelesen! :O

Dazu kann ich nur sagen: Schaumburger Jugendchor - Viele verachten die edele Musik - YouTube :D

Herzliche Grüße

Euer Lisztomanie

P.S.: Da gab es doch diesen Spruch: "Die Fuge ist das Stück, bei dem die Stimmen sukzessiv hinzukommen und die Leute sukzessiv rausgehen!" :D Wohl wahr...
 
Das hier ist noch kirmesartiger:

Martin Monter: Toccatoona

Das hat der Freund meiner Schwester im Schulgottesdienst vor den Sommerferien gespielt. Ich fand's gut.

Gruß, Mick.

Nichts gegen Dich, Deinen Geschmack, den Organisten oder sonst wen auch immer, aber:

Ich lache mich gerade schlapp, weil ich mir vorstelle, wie der Pfarrer und die Ministranten bei DEM Stück in die Kirche einziehen. Vermutlich haben sie getanzt und das Weihrauchfass rhythmisch im Takt durch die Luft geschleudert..:D Und eskortiert wurden sie von einer Horde Cheerleaderinnen...:D

Das Stück ist sicherlich ganz hübsch und man kann es sich auch lustig anhören - aber in einer Messe???

Herzliche Grüße

Dein Marco

P.S.: Sowas kann aber auch ganz lustig sein: http://www.youtube.com/watch?v=qmjJcvvwKHQ :D

oder etwas gediegener, aber genauso amüsant: http://www.youtube.com/watch?v=AHzToIaqGhE

- Sehr lustig, wie die sich bei diesem Tanz immer umdrehen und dann so pseudo-überrascht angucken..:D
 
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lotusblume:

ICH LIEBE DICH! :D

Genauso habe ich mir das vorgestellt, nur nicht dieses Video gefunden. :D

Jetzt krieg ich mich aber gar nicht mehr ein..:D

Aber ein ganz herzliches Danke schön für diesen Link!

Herzliche Grüße

Dein Marco
 
Es war keine Messe, nur ein ökumenischer Schulgottesdienst. Der (evangelische) Pfarrer gestaltet das ohnehin immer recht unterhaltsam, deshalb fand ich das Stück nicht schlecht.

In einem katholischen Hochamt mit Ministranten, Weihrauch und großem Geländespiel mag das unpassend sein, aber in Bayern sieht man das vermutlich immer noch etwas lockerer als in Paderborn. Zum Auszug gespielt, ist das doch eine schöne Ouvertüre zum anschließenden Weißwurst- / Weißbierfrühstück. :D:D

Gruß, Mick.
 
"Highway to Hell" oder auch nur "Der weiße Hai" als Grundaussage für eine Hochzeit ist ... ja, eine Aussage. *lach*

Was machen wir, wenn sich zwei Herzblutkommunisten die "Internationale" wünschen?
 

Es war keine Messe, nur ein ökumenischer Schulgottesdienst. Der (evangelische) Pfarrer gestaltet das ohnehin immer recht unterhaltsam, deshalb fand ich das Stück nicht schlecht.

In einem katholischen Hochamt mit Ministranten, Weihrauch und großem Geländespiel mag das unpassend sein, aber in Bayern sieht man das vermutlich immer noch etwas lockerer als in Paderborn. Zum Auszug gespielt, ist das doch eine schöne Ouvertüre zum anschließenden Weißwurst- / Weißbierfrühstück.

Gruß, Mick.

Da sind sich Bayern und Paderborn aber sehr ähnlich..:D Den der Katholizismus ist hier auch so weit verbreitet, das er Bestandteil des normalen Lebens geworden ist. Du musst nur mal zum Libori-Fest hier her kommen: Da geht man auch von der Messe auf die Kirmes und trinkt sich einen... Nicht unbedingt Weißbier, aber vom Grund her ist das hier ähnlich...:D

Und übrigens: Euer Erzbischof und Kardinal war früher Weihbischof unter unserem Erzbischof und Kardinal..:D Und der mag unsere schöne Stadt... Ich habe sogar ein Autogramm von einer Privataudienz bei ihm - in meinen Chornoten.

Herzliche Grüße

Dein Marco

P.S.: Sind Katholiken nicht allgemein recht lebenslustig..:D Was Du meinst, ist vielleicht die lutherische Orthodoxie...^^
 
P.S.: Sind Katholiken nicht allgemein recht lebenslustig..:D Was Du meinst, ist vielleicht die lutherische Orthodoxie...^^

Naja, die gibt es natürlich ebenso wie katholischerseits die Anhänger von tridentinischer Messe samt Mundkommunikation. Und das andere Extrem sind (waren) eveanglischerseits Erscheinungen wie DIE GROBEN POPEN geben sich die Ehre!. Solche Extreme mußt Du aber bei Deiner Frage nach der Angemessenheit außer Acht lassen. Das Problem der Grenzziehung scheint mir doch ziemlich delikat. Man denke nur daran, daß die Reformation ungeniert "populäre" Melodien und Kontrafakturen verwendet hat, oder daran, daß man noch vor wenigen Jahren nichts dabei fand, wenn der lokale "Krieger- und Militärverein" in der Kirche "Helm ab zum Gebet" plärrte und "Ich hatt' einen Kameraden" tuten ließ. Vorstellungen von Angemessenheit sind wie viele Wertvorstellungen einem Wandel unterworfen. Aber Du hast sicher recht: die aktuellen Entwicklungen bringen die Frage wieder auf den Tisch. Und die Diskussion fällt sicher leichter, wo Musik sich in einen ziemlich rigiden rituellen Rahmen fügen muß wie in der kath. Messe, als dort, wo das nicht der Fall ist, wie bei den Kirchen der Feformation.
 
Man kann aber auch Anhänger der tridentinischen Messe und der Mundkommunion sein, ohne gleich extremistisch oder ultra-reaktionär zu sein. Ich zum Beispiel mag die lateinische Messe sehr und bin auch von der Libori-Pontifikalvesper, die nach dem usus antiquor mit 5 Psalmen und ganz auf Latein gefeiert wird, sehr fasziniert. Eine tridentinische Messe habe ich zwar (soweit ich weiß^^) noch nicht besucht - obwohl, es gibt bei uns so eine "Elendenbruderschaft", da geht es schon ziemlich vorkonziliar zu..:D -, aber ich glaube, manchmal fände ich auch das schön. So lange man auch offen für Anderes ist und seinen Standpunkt nicht als unumstößlich und einzig richtig anderen aufzwingt ist das doch nicht schlimm..:D Ich mag die normale Messe nämlich auch sehr und würde mich durchaus zu den Lebenslustigen zählen...:D

Herzliche Grüße

Dein Marco
 
Natürlich darf der Gottesdienst den Menschen Freude bereiten und er sollte auch auf die Bedürfnisse der Gläubigen, die ihn feiern, abgemessen sein, aber: Ein Gottesdienst bleibt immer noch ein Dienst an Gott. Es gibt unglaublich viele Stücke, die es zu singen, zu spielen und zu hören unglaubliche Freude macht. Das Repertoire reicht von der Renaissance bis zur heutigen Zeit, da wird sich sicher für jeden etwas zu seinen Bedürfnissen passendes finden. Aber es gibt ein paar Dinge, die gehen meiner Meinung nach einfach nicht, zum Beispiel Brautmessen, wo man das "Ave Maria" zum Credo singt, oder irgendeinen kitschigen Popsong zur Elevation. Bekannte von uns waren vor einiger Zeit auf einer Konfirmation in der Nachbarstadt: Da gab es "Fluch der Karibik" zum Auszug. Und auf einer Hochzeit mal den "Weißen Hai" zum Einzug. Das geht ja mal gar nicht...:D Man kann doch stattdessen auch einfach "Schlager" wie die französischen Orgelsinfonien oder die großen Bach-Werke spielen. Irgendwie muss sich doch die Musik im liturgisch wertvollen Gottesdienst doch vom Alltagsgeülärre, das die Leute sonst so hören, abheben. :D

Volle Zustimmung! Deshalb hatte ich in meinem Post auch das Kriterium der Qualität hervorgehoben. Und ich finde es absolut richtig, die Bestimmung der Kirchenmusik zur Ehre Gottes nicht zu vernachlässigen. Bei dem Stück, das der Auslöser dieses Fadens war, sehe ich dahingehend aber keine Probleme. Ich halte es für fröhlich, vielleicht stellenweise sogar lustig, aber nicht für albern oder seicht.

Bedenkenswert finde ich den Aspekt, den auch sla019 angedeutet hat, dass es schon immer Wechselwirkungen zwischen "weltlicher" und Kirchenmusik gegeben hat. Warum sollte also Musik, die viele im Alltag schätzen, und die sie zu bewegen vermag, nicht auch im Gottesdienst erklingen? Natürlich immer unter der Voraussetzung der inhaltlichen Angemessenheit. "Fluch der Karibik" und "Weißer Hai" finde ich natürlich auch indiskutabel. Aber in den erwähnten Grenzen sollte man kompromissbereit sein.

Übrigens habe ich bei Brautpaaren auch schon die Erfahrung gemacht, dass sie, wenn ich ihnen einen Bach, Buxtehude o.ä. vorgespielt habe, ganz angetan waren und dann doch lieber das anstelle von "Treulich geführt" haben wollten.
 
Was ist denn mit liturgischen Fehlplatzierungen dennoch theologisch, liturgisch und musikalisch wertvoller Musik: Also wenn jemand zum Beispiel will, dass zum Sanctus das Te Deum von Charpentier gesungen wird. Findet ihr das akzetapel oder ist das auch ein No-Go? Ich finde, das geht auch nicht, denn: Die lieben Damen und Herren Gläubigen haben mit dem Sacrosanctum Concilium ihre so heiß geliebte paticipatio actuosa zugestanden bekommen. Wenn wir jetzt - im Jubiläumsjahr! - wieder anfangen, dass die Gemeinde oder der Chor irgendetwas singt, was völlig ohne Belang ist, und der Priester zeitgleich am Altar sein Sanctus auf Latein betet, dann ist das ein Rückfall in die vorkonziliarische Klerikerliturgie.

Kant würde sich im Grabe umdrehen:

Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines andern zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht aus Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. 'Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!' ist also der Wahlspruch der Aufklärung.

Herzliche Grüße

Euer Lisztomanie
 
Vorstellungen von Angemessenheit sind wie viele Wertvorstellungen einem Wandel unterworfen.

Geistliche und weltliche Musik haben ein paar Jahrhunderte gebraucht,
um sich auseinanderzuentwickeln*. Weltliche Musik des Mittelalters (soweit überliefert)
und der Renaissance, also Chansons und Tanzsätze, bauten auf demselben Material auf
wie die Sakralmusik; das Zeugs wurde einfach nur schneller gespielt und gesungen.
Weltliche Chansons als cantus firmus für eine Messe oder Motette waren nicht nur
unanstößig, sondern fielen überhaupt nicht auf (man stelle sich das heute vor:
so etwas wie "99 Luftballons" als cantus firmus für eine Meßvertonung).
Satztechnisch hat sich in der weltlichen Musik nur schon früher das Prinzip von
führender Melodie in der Oberstimme plus akkordischer Begleitung durchgesetzt.

In der Musik des Generalbaßzeitalters beginnen Sakral- und Profanmusik,
sich auseinanderzuentwickeln; aber noch immer übernimmt die Sakralmusik
Tonfälle der weltlichen Musik, in der sogenannten klassischen Musik sogar
aus Oper und Symphonie - man denke nur an Mozarts oder Haydns Orchestermessen.

In der Romantik hat sich der endgültige Bruch vollzogen. Paradoxerweise übernahm
eher die weltliche Musik einen "religioso"-Tonfall, als daß Kirchenmusikkomponisten
imstande gewesen wären, Satztechniken des stile antico mit der Alterationsharmonik
zu verbinden (Schubert, Liszt, Bruckner, Reger sind die großen Ausnahmen).
Daran hat sich in der Moderne nichts geändert - Strawinsky, Messiaen, Zimmermann,
Blarr sind Ausnahmen.

Bei der Verwendung weltlicher Musik im liturgischen Rahmen fallen Widersprüche
auf: Der langsame Satz aus einer Triosonate gilt als unanstößig, weil er 'irgendwie sakral'
klingt, obwohl die Musik - als Tafelmusik oder zu sonstigen Vergnügungen am Hof -
in ganz weltlichem Zusammenhang stand. Das liegt wohl an der historischen Distanz;
alles 'Barocke' klingt heute irgendwie sakral, genauso wie das äolische Moll.
Gegenüber allzu weltlichen Melodien im Gottesdienst regt sich Widerstand (natürlich
nicht in der Sacro-Pop-Fraktion oder bei der Heilsarmee), den ich allerdings
nachvollziehen kann, weil man als Gottesdienstbesucher das Bedürfnis nach einer
Trennung von Sakral- und Profansphäre hat, die sich auch akustisch bemerkbar macht.

HG, Gomez


*Man sieht, ich bin ein Anhänger der vorkonziliaren Orthographie

.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Übrigens habe ich bei Brautpaaren auch schon die Erfahrung gemacht, dass sie, wenn ich ihnen einen Bach, Buxtehude o.ä. vorgespielt habe, ganz angetan waren und dann doch lieber das anstelle von "Treulich geführt" haben wollten.

Dafür ein ganz dickes LIKE. Lohengrin in der Kirche geht gar nicht. Ist außerdem wirklich kein gutes Omen. Dann lieber "Highway to Hell", das ist ehrlicher.
 

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