Jos van Immerseel Beethoven op. 13

  • Ersteller des Themas Tarrasch
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wird der mittlere Satz aus op.13 zu langsam gespielt (was nicht selten geschieht), geht das Taktmaß flöten

Das ist absolut richtig - ein Puls in Achteln wäre grausam. Trotzdem gibt es eine Variationsbreite an "richtigem" Tempo. Mir gefällt am besten Zimerman's Tempo. Ein eindeutiger Viertelpuls in einem Adagio, das im Thema nicht hektisch oder unruhig wirkt. Natürlich ist es schwerer, das Thema langsamer zu spielen, weil die Melodietöne schneller verklingen und das erfoderliche Legato eine Menge an Anschlagskultur und innerer Klangvorstellung braucht.

Schlicht und erhaben, in sich ruhend, so sollte meiner Meinung nach das Thema klingen.

Liebe Grüße

chiarina
 
Hallo chiarina,

sicherlich ist das Tempo, sofern keine Metronomzahl bekannt ist mit einer gewissen interpretatorischen Breite versehen und stellt somit jeden Interpreten vor eine ungeheuer schwere Wahl. Ferner ist es freilich auch logisch, aus der Bezeichnung "Adagio cantabile" eine innere Ruhe abzuleiten. Allerding unterlagen diese Tempobezeichnungen in der Vergangenheit verschiedenen Anwendungen, bzw. auch einem Wandel in der Anwendung, sodass deren Verwendung im Endeffekt doch härter ist als gedacht. Wie sonst ist es zu erklären, dass der Meister van in seiner 7. Sinfonie den 2. Satz mit "Allegretto" titulierte oder den 2. der 9. mit molto vivace, auch gibt es einige Sonaten (Hab jetzt keine zur Hand, meine aber das bei Mozart ml gesehen zu haben...) in denen das Tempo zwischen "Molto Allegro" und "Allegro assai" wechselt, was ist nun schneller, was ist langsamer?

Blöderweise ist es so, dass aus diesen ungenauen Tempobezeichnungen der richtige Rahmen an Tempo aus dem musikalischen Fluss und dem Gefühl des Interpreten zu folgen hat, weshalb ich keine Meinung zu ruhigem, villeicht gar langsamen spiel widerlegen kann. Ich lehne sie lediglich ab (für mich), da sich meines Erachtens nach aus dem musikalischen Material auch eine gewisse, wie ich finde nicht zu unterschätzende Tragik ergibt, die wohl auch ein schnelleres, wohl gar schrofferes Spiel fordert. Oder soll gar nur der Anschein von Ruhe erwecket werden? - Ein Gefühl das mir sehr oft bei Beethoven kommt, dieser bitter-süße halb-Sieg, der in jeder noch so frohen oder ruhigen Situation einen faden oder melancholischen Beigeschmack zu erzeugen scheint.

Zum op. 13 -Versuch einer Kurzanalyse-

1. Grave: Dieses beinahe schleppende Tempo zu beginn klingt nach Depression und Verzweiflung, wird aber jäh unterbrochen turch träumerische Themen, die selbst wieder im Abgrund zu münden scheinen. Es folgt das "Allegro die molto e con brio", also ein gehobenes Tempo und mit Feuer. Da ist mir Zimerman fas zu leichtfüßig. Es klingt eigentlich nach Verwirrung oder gar Hektik gepaart mit schönen Erinnerungen. Wieder folgt das Grave im Wechsel mit dem con brio... usw. (soll genügen). Eigentlich fast wie die 9te, der erste Satz scheint das Werk schon nahe an den Abgund zu treiben.
Hier wird also meines Erachtens eine Depression gespielt.

2. Adagio cantabile: An sich die "Ruhe nach dem Sturm". Erinnert entfernt an op 132 (Heiliger Dankgesang). Die Depression ist (so gut wie) überwunden. Aber wer ist nach einer Depression schon völlig entspannt und in vollkommener innerer Ruhe? Im Werk dargestellt durch (vergleichsweise) hämmernde Bassthemen. Das Beharren auf der Begleitstimme (16tel) in der rechten Hand erzeugt eine eher erzwungene Ruhe, frei nach dem Motto: "Zwinge dich zur Ruhe auf das die Depression nicht wiederkehre!"

3. Rondo Hier bleibe ich ganz kurz: "Man lebt noch aber man hat es nicht leicht!" - Momente der Ruhe und andächtiger Freude sind selten und werden bald (vom Ritornell) unterbrochen, ja zerstört...

Das ist wie gesagt nur ein Versuch andere Gedanken wären gern gesehen.

Beethovens Werke erzählen meistens eine Geschichte und sind sehr selten "nur" Musik. Diese Geschichten sehe ich überwiegend bei Beethoven, seltender bei Mozart und so gut wie nie bei Haydn. Aber eben diese Geschichten sind bei Beethoven so intensiv, dass es meines Erachtens nach ohne große Mühe möglich sein sollte von den anliegenden Sätzen auf die Ausführung des beachteten Satzes zu schließen. Anhand meiner Ansichten auf den ersten Satz und den schweren 3. wehre ich mich gegen ein zu ruhiges oder gar zu glattes Spiel des 2. Satzes. Eben hier mag ich die nicht komplette Schlüssigkeit oder besser die nicht ganz runde Form die Immerseel zu Taae legt. Dieses zwangahfte -ahhhr, es ist selten aber mir fehlen die korrekten Worte....

Oje, jetzt hab ich mich in geistigen Ergüssen noch und nöcher ergeben, ich hör lieber auf, sonst werd´ ich selbst noch Deprssiv... :D
 
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Ein sehr schöner Artikel, der die Probleme mit dem Tempo gut zu lösen versucht.

Am meisten frage ich mich immer, wie das Finale der 9ten Beethovensinfonie korrekt ist, Toscanini oder Furtwängler? Ich meine klar, es beginnt mit Prstissimo (halbe=132) wird unterbrochem durch ein Maestoso (viertel=60) (Furtwängler und viele andere der alten Meister sind bedeutend langsamer, wobei ich jetzt gar nicht weiß was Toscanini hier gemacht hat, mir ist 60 recht, Karajan kann ich nicht mehr hören, viel zu langsam) und endet mit einem Prestissimo (???). Da steht dann keine Taktzahl. Ist das nun zum "Abschuss" freigegeben, ala Furtwängler, oder ist das so schnell wie das erste Prestissimo (Toscanini, Immerseel,...)? Beides hat seinen Reitz, wobei das langsamere erst weniger befriedigend wirkt, aber nur kurz, dann wirds gut ^^.

Ähnlich das "Alla marcia", nach der Tempobezeichnung ist es recht "langsam", eben ein Marschschritt, da klingt der Tenor mit der "Türkenmusik" klasse, aber das Freudenthema im selben Tempo ist fast (!) etwas langsam. Damit das wieder passt unterstellt man einen Druckfehler. Dann ist das Freudenthem richtig schnell und kling klasse, aber der Tenor....... Das ist dan nicht mehr "Alla marcia".
Viele rubatieren einfach (Karajan, Furtwängler Thielemann), was ich für unerträglich halte...

Fragen über Fragen, aber keine Antworten....
 
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sicherlich ist das Tempo, sofern keine Metronomzahl bekannt ist mit einer gewissen interpretatorischen Breite versehen und stellt somit jeden Interpreten vor eine ungeheuer schwere Wahl. Ferner ist es freilich auch logisch, aus der Bezeichnung "Adagio cantabile" eine innere Ruhe abzuleiten. Allerding unterlagen diese Tempobezeichnungen in der Vergangenheit verschiedenen Anwendungen, bzw. auch einem Wandel in der Anwendung, sodass deren Verwendung im Endeffekt doch härter ist als gedacht. Wie sonst ist es zu erklären, dass der Meister van in seiner 7. Sinfonie den 2. Satz mit "Allegretto" titulierte oder den 2. der 9. mit molto vivace, auch gibt es einige Sonaten (Hab jetzt keine zur Hand, meine aber das bei Mozart ml gesehen zu haben...) in denen das Tempo zwischen "Molto Allegro" und "Allegro assai" wechselt, was ist nun schneller, was ist langsamer?
Was die Vortragsbezeichnungen angeht, beinhalten sie ja tatsächlich viel mehr als nur eine Tempoangabe. Daher wäre es sogar plausibel "Molto Allegro" und "Allegro assai" genau gleich schnell zu spielen und Charakter und Klangfarben zu variieren. Damit komme ich zu meinem Hauptproblem bei van Immerseels Interpretation: Sein Adagio ist vieles, aber nicht cantabile. (Ich kenne allerdings auch einiges von seiner Arbeit mit Anima Aeterna, das wirklich musikalisch gelungen ist und man so erstmal nachmachen muß.)
 
...und entwickelt eine ziemlich wunderliche Idee über die Zahlen nebst Tempobezeichnungen, die auf den Metronomen stehen...

Interessant wäre eine Fotografie eines Maelzel Metronoms aus dieser Zeit.

Ich besitze ein altes Maelzel-Metronom, dessen Modell noch ziemlich verbreitet ist. Auf
diesem Metronom befindet sich neben den Ziffern eine Skala von Tempobezeichnungen Largo,
Larghetto, Adagio, Andante usw. die niemand beachtet und die auf neueren Modellen
tatsächlich geändert worden ist, weil sie ausgesprochen unsinnig aussieht. Aber sie hat für die
vorliegende Frage die Bedeutung eines wichtigen Zeugen, denn sie dürfte ebenso alt sein wie
Maelzels Erfindung und stammt vermutlich von ihm selbst. Auf dieser Maelzelschen Skala
geht „Adagio“ von 100 zu 126. Was soll das heißen? Wir würden das Allegro nennen.
„Allegro“ aber geht von 132 bis 184, sieht also aus wie ein Prestissimo oder Vivacissimo nach
unserer Vorstellung.
 
Interessant wäre eine Fotografie eines Maelzel Metronoms aus dieser Zeit.
es gibt genügend Literatur über Beethovens Metronom - nein, wunderlich ist Gals Idee, man müsse anstelle des Taktmaßes die Bewegung der Begleitung am Metronom und dessen Tempoangaben orientieren: 1. war dergleichen nie üblich (bestenfalls ausnahmsweise, z.B. 16tel zählen an einer Stelle in op.106) 2. müsste man dann das allegro con brio mit Achtel = ca. 200 spielen... au weia :D;):D
 
Interessant wäre eine Fotografie eines Maelzel Metronoms aus dieser Zeit.

364px-Metronome_Ma%C3%ABlzel_1.jpg
(mal aus Wikipedia Metronom )
 
Danke für das Bild; aber leider kann man nicht erkennen, was da draufsteht. Doch bei Wikipedia.

Ich besitze ein altes Maelzel-Metronom, dessen Modell noch ziemlich verbreitet ist. Auf
diesem Metronom befindet sich neben den Ziffern eine Skala von Tempobezeichnungen Largo,
Larghetto, Adagio, Andante usw. die niemand beachtet und die auf neueren Modellen
tatsächlich geändert worden ist, weil sie ausgesprochen unsinnig aussieht. Aber sie hat für die
vorliegende Frage die Bedeutung eines wichtigen Zeugen, denn sie dürfte ebenso alt sein wie
Maelzels Erfindung und stammt vermutlich von ihm selbst. Auf dieser Maelzelschen Skala
geht „Adagio“ von 100 zu 126. Was soll das heißen? Wir würden das Allegro nennen.
„Allegro“ aber geht von 132 bis 184, sieht also aus wie ein Prestissimo oder Vivacissimo nach
unserer Vorstellung. Die Sache läßt jedenfalls an Seltsamkeit nichts zu wünschen übrig.

Hab es mit obigen Text verglichen. Das Bild scheint also kein altes Metronom darzustellen.
 

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