Interpretation bei der Bachfamilie

Wie ist Musik der Bachsöhne zu interpretieren?

  • Barock

  • Klassisch

  • Mischform aus beidem


Das Ergebnis kann erst nach Abgabe einer Stimme betrachtet werden.
Eroico

Eroico

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Ich spiele im Moment Stücke vom zwei Mitgliedern der Bachfamilie (Eins von JS und eins von CPE) und jetzt würde es mich mal interessieren, wie ihr diese Stücke grundsätzlich interpretieren würdet. Vor allem bei den Bach Söhnen. Beim alten sagen ja die meisten blablabla kein Pedal hier keine Dynamik da u.s.w. (Ich will hiermit niemanden angreifen, wenn sich doch jemand auf den Schlips getreten fühlt ändere ich diesen Satz natürlich).

Die Bachsöhne hatten ja im Gegenteil zu ihrem Vater mehr mit dem Wunderschönen Instrument Namens Pianoforte zu tun, was man auch deutlich in der Musik erkennt.
Würde das für euch bedeuten, dass ihr deren Stücke eher so wie die restlichen Klassiskwerke interpretiert (Haydn, mozart und CO.) Oder seid ihr der Ansicht, dass die Interpretation Barock sein muss (Oder eine Mischung?).

Und wie steht ihr zu dieser Auffassung, dass man Bach ohne Pedal (oder höchstens ganz wenig), ohne viel Dynamik und ohne rubato oder ähnliches spielt? Letzteres kann ich noch voll und ganz nachvollziehen, aber das mit der Dynamik schon gar nicht...

P.s.: Falls irgendwas falsch geschrieben ist oder groß und Kleinschreibung falsch ist, bitte nicht Auftegen, die Autokorrektur ist Schuld...
 
Zuletzt bearbeitet:
Und wie steht ihr zu dieser Auffassung, dass man Bach ohne Pedal (oder höchstens ganz wenig), ohne viel Dynamik und ohne rubato oder ähnliches spielt? Letzteres kann ich noch voll und ganz nachvollziehen, aber das mit der Dynamik schon gar nicht...
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Hi Eroico,

also zumindest die Frage, "Bach ohne Pedal auf heutigen Klavieren / Flügeln?" wurde schon mehrfach aufgeworfen hier. Meistens schreibe ich dasselbe dazu, denn mindestens 4 berufene Münder ( Leimer, Gieseking ( Gedanken zu ner Suite im Buch, zu Lernzwecken, als auch Ausführungen allgemeiner Art zu Pedalisierung, Phrasierung und Dynamik im Buch ) , Petri + sein Schüler Libermann ) würden davon absehen. T. Carreno sowieso, auch sie hat einen kl. Leitfaden zur Pedalisierung verfasst, ob Bach vorkommt, weiß ich aber nicht genau, müsste ich gucken. Und selbst wenn nicht:

Die Begründung wäre wie folgt:

Man kann aus einem heutigen Klavier / Flügel kein Cembalo machen, wenn man Pedal bei Bach weglässt.

Und außerdem beschneidet man sich dann selbst um die vielen über die Jahre verbesserten Möglichkeiten heutiger Instrumente, denn man darf sie ja nicht anwenden.

EIn fauler Kompromiss käme dabei heraus.

Zu anderen Aspekten: Meines WIssens wandten sich die Bach-Söhne von der überkommenen Kompositionsweise des Papas ab, weshalb man sie sowieso nicht mehr unter gleichen Gesichtspunkten betrachten kann.

Ein Punkt allerdings, "rubato", würde ich instinktiv weglassen bei Bach, außerdem weitere romantische Sachen wie "asynchronen Anschlag", was ich mal bei einer Scarlatti-Sonate aus Spaß gemacht hatte, und derjenige, der meine Aufnahme bekam ( selbst Schüler von Libermann + Rosina Lhevinne ), meinte zu mir: "Olli, I dislike......" ;-);-);-)

ABer das wusste ich ja sowieso.

Also ich würd bei Bach und seinen Söhnen, bei Händel, Scarlatti, usw., alle Register ziehen, die die Flügel ( oder halt Klaviere ) von heute bieten.

Aber das ist nat. nur meine Einschätzung und nicht bindend. Ich hörte bestimmt auch schon Gefälliges von berühmten Leuten, die restriktiver, aber "kompromissiger" verfahren, insofern.

LG, Olli!!
 
Von Carl Philipp gibt es ja Anweiseungen aus erster Hand:
https://de.wikisource.org/wiki/Versuch_über_die_wahre_Art_das_Clavier_zu_spielen

Da steht eine ganze Menge drin. Und er sagt, er habe alles von Papa gelernt, also darf man das wohl im Großen und Ganzen auch da anwenden.

Ein paar Ideen in Kürze:

  • Rubato meint zu dieser Zeit etwas anderes als in der Romantik. Da wird eine Stimme gegenüber den anderen verschoben, weil sie "eilt" oder "schleppt". Alle anderen Stimmen spielen im Tempo. Das heißt natürlich nicht, dass man nicht in den entsprechenden stylus phantasticus Passagen nicht große Freiheiten hat.
  • Pedal: Unbedingt, wenn es nicht polyphone Strukturen verwischt. Ich bin kein Pianist, sondern Cembalist und habe das hier schon mehrmals gesagt: Jeder Cembalist nutzt an entsprechenden Stellen die Möglichkeit zum Überlegato, um dem Instrument ein Maximum an Klang abzuluchsen. Es wäre völlig irre, wo es am Klavier so einfach mit dem Pedal geht, darauf zu verzichten. Zuviel davon verunklart natürlich jede Musik.
  • Dynamik hatte man zumindest in gewissen Grenzen auf dem Clavichord, das JSB ja schätzte.
  • Asynchroner Anschlag ist auf dem Cembalo sehr üblich. Ich würde betonte Akkorde immer arpeggieren, schon alleine, damit im oberen Bereich, wo die Saiten sehr schnell verklingen, mehr Melodie übrig bleibt. Hör mal in eine gute Cembaloaufnahme rein, da ist selten etwas gleichzeitig angeschlagen. Ob man das jetzt am Klavier gewinnbringend genauso macht, ist natürlich eine andere Frage.
 
Hallo Eroico!
Aus dem ersten Absatz lese ich heraus, dass Du Bach gerne nicht ohne Pedal und Dynamik spielen möchtest, aber das doch die grundsätzliche Pflicht eines Pianisten ist...

Dazu möchte ich dir folgendes sagen:
Meine Klavierlehrerin war Traditionalistin, stolz auf ihren Bach, hat mir beigebracht, wie man ihn spielt, als ich dann keine Lehrerin mehr hatte, habe ich eben keinen Bach, Händel... gespielt, hatte einfach keine Lust auf den öden Kram.

Dann war ich vor vielen Jahren in einem Konzert von Perahia, er begann mit einer Händel Suite und ich war vom ersten Takt an wie hypnotisiert, habe mir Händel und Bach CDs von ihm besorgt und begann nachzudenken, dabei fiel mir ein, dass Komponisten sich immer für die Verbesserung von Instrumenten eingesetzt haben und habe beschlossen, alle Möglichkeiten moderner Klaviere auch für Barockmusik zu verwenden.

Habe kein schlechtes Gewissen, spiele schöne Melodien, genieße die Stücke so, wie sie Dir gefallen und kümmere Dich nicht um Leute, die angeblich genau wissen, wie man etwas spielt, wahrscheinlich wäre Bach uns neidisch ob der vielen Möglichkeiten, die uns ein modernes Instrument bietet.

Übrigens: Wahrscheinlich hat auch JS viel auf einem Klavier gespielt, aber damals wurde auch das als Cembalo bezeichnet, weil es noch keinen Namen für das Cristofori Instrument gab.

LG Thomas
 

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