Impressionistische Improvisation nach Mompou

Zufallsgesteuerte Musik gab es schon viel früher - z.B. bei Kirnberger (Der allezeit fertige Polonoisen- und Menuettencomponist) oder bei Mozart (Anleitung Walzer mit zwei Würfeln zu componieren ohne musikalisch zu seyn noch von der Composition etwas zu verstehen). Da kommen durchaus anhörbare Stücke heraus - wir haben im Musikunterricht mal einige zusammengewürfelt und dann gespielt.

Gruß, Mick
 
Das stimmt, ja... allerdings ist mal mehr, mal weniger "Mensch" bei diesem "Zufall" dann dabei. Generell gesprochen, sind der "Zufall" oder "zufällige Ereignisse" keine guten Ratgeber. Beim Spielen macht sich das als Unsauberkeit bemerkbar, und beim Komponieren... naja... die großen Meisterwerke entstanden auf jeden Fall anders (und der größte restliche Teil guter Musik wohl sicher auch :D;))
 
Zufallsgesteuerte Musik gab es schon viel früher - z.B. bei Kirnberger (Der allezeit fertige Polonoisen- und Menuettencomponist) oder bei Mozart (Anleitung Walzer mit zwei Würfeln zu componieren ohne musikalisch zu seyn noch von der Composition etwas zu verstehen)

Oder wenn man einer Legende glauben schenken mag, auch bei Scarlatti. Sofern das Herumstreunen eines Stubentigers auf einer Klaviatur als Zufall bezeichnet werden kann.




LG,

Daniel

P.S. Ich glaube allerdings nicht an diese Legende...
 
Beim Spielen macht sich das als Unsauberkeit bemerkbar, und beim Komponieren...

Beim Komponieren kann es sein, daß einem der Zufall manchmal hilft (wer hat noch nicht auf der Klaviatur irgendwie wahllos herumgeklimpert - und dann etwas gefunden, das man in einer Komposition verwenden könnte?)

Allerdings ist es der Mensch mit seinem Musikgefühl, und keine Maschine, welcher am Ende entscheidet, was schön ist, wie eine Komposition letztlich ausschaut, und so weiter...
 
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Guten Abend, Zoel!

Ich schließe mich den freundlichen Kritiken meiner Vorredner an,
mit der Einschränkung, daß sich die Nr. 1 der "Musica callada"
nicht als Grundlage für eine solche Improvisation eignet:
Sie ist gerade in ihrer Schlichtheit so anrührend - im Verzicht
auf die vielen Noten, mit denen Du aufwartest.

Deine Improvisation wird immer besser, je mehr Du Dich
von der Vorlage trennst, wobei Deine Harmonik tatsächlich
sehr Mompou-artig ist. Gratulation!

HG, Gomez
 
Vielen Dank, Gomez!

daß sich die Nr. 1 der "Musica callada"
nicht als Grundlage für eine solche Improvisation eignet:
Sie ist gerade in ihrer Schlichtheit so anrührend - im Verzicht
auf die vielen Noten, mit denen Du aufwartest.
Da hast du natürlich völlig recht! Ich denke aber, dass Mompou nichts dagegen gehabt hätte, seine Motive auch als Material für Improvisationen zu verwenden. Damit will ich natürlich der aufs Wesentliche verknappten Tonsprache und Schönheit seiner Musik nichts entgegensetzen, und ich kann jedem, dem meine Improvisation gefällt, nur empfehlen, sich auch das Stück von Mompou anzuhören, von dem die Improvisation ihren Ausgang nahm:
Mompou - Musica Callada - YouTube
Viele Grüße
Zoel
 
Mompous Musik ist bereits improvisatorisch.

Nicht nur im Gesamtgestus und Aufbau, sondern die Stücke sind gewissermassen tatsächlich aufgeschriebene und etwas “ausgefeilte“ Improvisationen (wie auch so manche Stücke Chopins, Bachs Chromatische Fantasie etc.)
 
Da haben mal wieder zwei sich widersprechende Leute auf einmal recht ;)
Ich stelle mal eine etwas provokante These auf, die ich aber durchaus verteidigen kann:
Die Grenzen zwischen Komposition und Improvisation sind weniger starr, als man oft denkt. Komponieren ist eine Form der Improvisation (auch wenn es nur im Kopf stattfindet), und Improvisation hat eben auch Elemente des Komponierens in sich. Die niedergeschriebene Partitur erzeugt nur den Anschein des Endgültigen, und die Einmaligkeit der Improvisation auf der anderen Seite nur den Anschein von Unabgeschlossenheit und Willkür.
Es ist ein Kennzeichen "Neuer Musik", dass sie uns das bewusst macht.
 
Aber nur dem alten Witz entsprechend: Ein Impromptu
ist ein Stück, an dem so lange herumgefeilt wurde,
bis es sich wie eine flüchtig hingeworfene Skizze anhört.

Das KANN so sein; im Fall der Mompou-Stücke und vieler anderer ist das nicht so. Die großen Komponisten bis ins 19. Jahrhundert (und auch einige danach, z.B. Mompou) waren meist großartige Improvisatoren, und die mussten tatsächlich nur das Improvisierte niederschreiben und es an ein paar Stellen ein wenig in Form bringen.

Die Stücke der Komponisten sind so und so großartig; da braucht es keine künstliche Überhöhung wie z.B. dadurch, daß man behauptet, in Wirklichkeit hätten sie aufwendig dran rumgefeilt.

Lange Zeit war das Improvisieren gerade für Pianisten der Normalfall; erst u.a. Beethovens Komponierpraxis brachte dahingehend eine Wende, daß man begann, "hartes Arbeiten" und "langwieriges Feilen und Umarbeiten" als den wünschenswerten und "besonders hochstehenden" Komponiermodus anzusehen.
 
Die großen Komponisten bis ins 19. Jahrhundert (und auch einige danach, z.B. Mompou) waren meist großartige Improvisatoren, und die mussten tatsächlich nur das Improvisierte niederschreiben und es an ein paar Stellen ein wenig in Form bringen.

Anton Bruckner war als Organist ein genialer Improvisator - hat er seine Sinfonien improvisiert?
wie improvisierten jene Komponisten, die sich fürs Klavier kaum interessiert hatten? Berlioz, Wagner?
wie kommt es, dass mancherlei Sonate, Konzert, Streichquartett so ganz und gar nicht den Eindruck erweckt, flugs improvisatorisch zur Welt gekommen zu sein?
wie kommt es, dass allerlei Arbeitsskizzen von Kompositionen überliefert sind und mit Interesse betrachtet werden?
(die Frage, warum die Romantiker am bewußt fragmentarischen, skizzenfaften feilten, stelle ich lieber nicht)
hat Schumann seine C-Dur Fantasie - welch´ ein verräterischer Titel - improvisiert und dann schwupps nur geschwinde ein bissel in Form gebracht?

vielleicht sollte das improvisieren nicht überbewertet, sondern angemessen eingeschätzt werden: eine erlernbare Fähigkeit, die zum komponieren nützlich werden kann, es aber nicht ersetzt
 

Sagen wir mal so: Es gibt eine große Schnittmenge.
Die Herangehensweise, die gedankliche Arbeit,
sich etwas Musikalisches vorzustellen, ist identisch.
Komponist und Improvisationskünstler haben eine Tonsatzidee im Kopf,
bestimmte Harmoniefolgen, Stimmenverläufe, deren Kombination etc.

Dann trennen sich die Wege. Der Improvisationskünstler arbeitet ad hoc
mit dem Material: Satzmustern und Spielideen, die er verinnerlicht hat,
und variiert es - aus seiner momentanen Stimmung und Spiellaune heraus.
Wenn er öffentlich improvisiert, greift er vielleicht auch eine Stimmung auf,
die ihm aus dem Publikum entgegendringt.

Der Komponist betrachtet sein Material, im Geiste oder auf dem Notenpapier,
leitet daraus neue Gestalten ab (thematisch, intervallisch, harmonisch),
die er zueinander nach dem Prinzip der Fortsetzungslogik in Beziehung setzt
(und auch deren Verweigerung, also das bewußte Komponieren in Brüchen,
hat ihre eigene Logik), und strukturiert damit größere Formen.

All das kann ein Improvisationskünstler übrigens auch - aber nur bis
zu einem gewissen Grad; dem menschlichen Gehirn sind da immer noch
Grenzen gesetzt. J.S.Bach konnte wohl in höchstem Maße strukturierte Musik
improvisieren.

Meine Darstellung der beiden unterschiedlichen Arbeitsweisen enthält
keine Wertung; ich halte Komposition und Improvisation für zwei Annäherungen
an ein und dieselbe Sache. Bei vielen Improvisationen (zum Beispiel bei pppetc's)
bedauere ich nur, daß sie nach dem Verklingen nicht greifbar, sondern nur
im Gedächtnis bleiben.

Für Mompous konzentrierte Arbeitsweise gilt Brahms' schöner Ausspruch
vom Weglassen der Noten als der eigentlichen kompositorischen Arbeit.

.
 
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Die großen Komponisten bis ins 19. Jahrhundert (und auch einige danach, z.B. Mompou) waren meist großartige Improvisatoren, und die mussten tatsächlich nur das Improvisierte niederschreiben und es an ein paar Stellen ein wenig in Form bringen.

Ist ja irgenwie auch logisch, weil aufschreiben damals (außer Konzerte geben) die einzige Möglichkeit war, ihre Musik zu verbreiten und für die Nachwelt zu konservieren. Ich bin überzeugt, dass es viel viel weniger Notenmaterial aus dieser Zeit gäbe, wenn damals schon höherwertige Aufnahmetechniken verfügbar und verbreitet gewesen wären.

Wie geil wäre das auch, wenn man sich z.B. Chopins improvisierte Darbietungen auf CD kaufen könnte?! Dann müssten wir uns aber vielleicht auch selbst hinsetzen um die Nocturnes, Baladen und Etüden zu transkribieren, weil der Meister sich dachte: Ist ja digital aufgenommen, warum soll ich das jetzt noch aufschreiben? Wer mich imitieren möchte, soll sich dafür gefälligst anstrengen...
 
Das KANN so sein; im Fall der Mompou-Stücke und vieler anderer ist das nicht so. Die großen Komponisten bis ins 19. Jahrhundert (und auch einige danach, z.B. Mompou) waren meist großartige Improvisatoren, und die mussten tatsächlich nur das Improvisierte niederschreiben und es an ein paar Stellen ein wenig in Form bringen.

Die Stücke der Komponisten sind so und so großartig; da braucht es keine künstliche Überhöhung wie z.B. dadurch, daß man behauptet, in Wirklichkeit hätten sie aufwendig dran rumgefeilt.

Lange Zeit war das Improvisieren gerade für Pianisten der Normalfall; erst u.a. Beethovens Komponierpraxis brachte dahingehend eine Wende, daß man begann, "hartes Arbeiten" und "langwieriges Feilen und Umarbeiten" als den wünschenswerten und "besonders hochstehenden" Komponiermodus anzusehen.
Das finde ich sehr interessant! Hast du hier evtl. (besonders bezüglich Mompous) eine (biographische oder sonstige) Quellenangabe?
 
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Wir stehen meistens vor der Tradition wie vor einem riesigen Granitblock, und trauen uns kaum noch "Ah" oder "Oh" angesichts von soviel "Vollkommenheit" zu sagen, geschweige denn, etwas Neues zu wagen...
Zum Beweis dafür, dass das nicht immer so war, hier eine erstaunliche Aussage von Heinz-Klaus Metzger:
"Der Zürcher Musikwissenschafter Kurt von Fischer hat mich einmal auf eine Konzertkritik von Johann Gottlieb Neefe hingewiesen, Beethovens Bonner Lehrer. Im ausgehenden 18. Jahrhundert hörte Neefe in Bonn ein sonderbares Konzert, über das er nicht ohne Befremden in der Zeitung berichtete. In diesem Konzert wurden nämlich Werke von Komponisten aufgeführt, die bereits verstorben waren. Neefe ringt sich sogar dazu durch, das Experiment interessant zu finden - er gebraucht die Bezeichnung «Experiment». Aber sein Bericht schliesst dann doch mit dem Ausdruck der Hoffnung, dass sich Konzerte dieser Art nicht durchsetzen mögen. Nun, sie haben sich durchgesetzt, und genau darin liegt der Bruch mit der Tradition, der dazu führt, dass wir heute alles verspätet kennen lernen."
Aus: «Wir sind eine verschwundene Minderheit»: Ein Gespräch mit den Musikpublizisten Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn - Nachrichten - NZZ.ch
 
Der Vorteil beim Komponieren ist, dass durch die "Auslagerung"
von Gedankenprozessen (in die Notenschrift) deutlich komplexere
Strukturen erzeugt und "Fehler" eliminiert werden können.

!!!

dass es sich in der Aufarbeitung einiger tausend (zugegebenermaßen
genialen) Partituren aus der Zeit von ca. 1700-1900 größtenteils erschöpft:
Fast völlige Gleichförmigkeit auf den Konzertprogrammen

Warum läßt Du den Zeitraum von 1900 bis 2000 aus?

Schon wär's vorbei mit der Gleichförmigkeit im Konzertsaal...
 
Hallo, Zoel

schade, daß Du Deine Antwort


um genau den Textteil verkürzt hast, auf den ich antworten möchte.

Ich sage jetzt ganz allgemein (explizit nicht auf Dich bezogen)
daß mir das Ressentiment gegenüber notierter Musik unbegreiflich ist.

Seine Ursprünge hat das Ressentiment in der Wandervogel-Bewegung,
deren Vertreter in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg mit Volkslied, Klampfe
und Blockflöte gegen die überfeinerte bürgerliche Kultur zu Felde zogen;
sekundiert von anderen lebensreformerischen Bewegungen, aus denen
der Überdruß an der eigenen Individualität sprach: die Sehnsucht nach
Ursprünglichkeit und nach Geborgenheit in einem neuen Kollektiv.
Es ist für uns Nachgeborene leicht, darüber zu spötteln. In dieser Bewegung
steckte eine zu Beginn ernstzunehmende Kritik - an einem his heute
unveränderten gesellschaftlichen Zustand: ungleiche Verteilung der irdischen
Güter, Selbstversklavung der Lohnabhängigen, Arbeitsteilung, Entfremdung,
Verdinglichung. Die inhärente Kritik an den lebensreformerischen
Bewegungen lautet: Man kann sich als Bestandteil einer solchen Kultur,
(als Erb- und Milieugeschädigter) nicht einfach die Ursprünglichkeit
verordnen - als bedürfte es nur eines Entschlusses, um wieder der
ganzheitliche vorzivilisierte Mensch zu sein, der ohnehin ein Phantom ist.
Und von Geborgenheit im Kollektiv redet nach der Vereinnahmung
dieser lebensreformerischen Bewegungen durch die Nationalsozialisten
ohnehin niemand mehr.

Nur unter hippieesken Vorzeichen lebt(e) etwas von dem
antizivilisatorischen Affekt weiter, natürlich mit denselben unreflektierten
Widersprüchen wie gerade beschrieben - und mit demselben Ressentiment
gegenüber der sogenannten "bürgerlichen Hochkultur": Wieder wird
Ursprünglichkeit gegen Überfeinerung ausgespielt, Volkstümlichkeit gegen Hermetik,
im konkreten Fall: die gute, mündlich tradierte, in jeder Coverversion
erneuerte Musik gegen die böse, schriftlich fixierte und deshalb sterile Musik.

Ich halte es für unsinnig, einen am Lagerfeuer geklampften Song,
den im Jazzlokal improvisierten Blues oder auch Deine Mompou-Paraphrase
gegen notierte Musik auszuspielen. Man bewegt sich da - zumindest was
die Verfahrensweisen betrifft - in zwei unterschiedlichen Welten.
Es muß sich ja niemand auf sie einlassen, aber man sollte akzeptieren,
daß komponierte Musik einen Grad an Differenzierung sucht, der auf dem Wege
der Improvisation nicht erreichbar ist: in einer für größere Zeiträume
disponierten, nicht durch Episodenreihung strukturierten Musik,
in der Kombination mehrerer Stimmen, unterschiedlicher Schallquellen
(=Klangfarben) etc.

Als Beispiel eine 800 Jahre alte, Pérotin zugeschriebene Komposition -
eines der frühen Zeugnisse abendländischer Mehrstimmigkeit:

Viderunt omnes

Aus diesem Differenzierungswillen hat sich Musik ergeben, die von ihren Schöpfern
nicht mehr gespielt werden konnte - so wie sich umgekehrt Musiker ausbilden ließen,
nicht um komponieren, sondern um solche Musik spielen zu können: also wieder
ein Fall von Arbeitsteilung. Notierte Musik ist nicht anstößiger als ein Roman,
der ja auch von der speziellen Ausgestaltung eines Stoffes lebt, nicht von dem
womöglich uralten, mündlich tradierten Stoff selbst.

HG, Gomez

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Lieber Gomez,
vielen Dank für deine Stellungnahme! Ich hatte meine Ausführungen nur gelöscht, weil sowieso niemand darauf reagierte.
Ich kann deine Kritik am Ressentiment gegen notierte Musik nachvollziehen, und ich glaube auch, dass du mir nicht unterstellst, ich würde dieses Ressentiment teilen.
Nur soviel:
- Was du "Ursprünglichkeit" nennst, würde ich eher "Primitivität" nennen. Echte Ursprünglichkeit ist ein immer wieder zu erreichendes, auch über Vermittlungen zu erzielendes, zu erarbeitendes Geschenk ("vermittelte Unmittelbarkeit").
- Jede Partitur ist tot, solange sie nicht von Musikern oder Lesern zum Leben erweckt wird. Sie kann zu einem "Resultatverlies" (Benn im Gedicht "Staatsbibliothek") verkommen.
- Die Neue Musik hat Mischformen von Improvisation und notierter Musik gefunden. Dem gehört die Zukunft, und nicht dem Entweder-Oder.
- Vielleicht haben viele Missverständnisse auch ihren Grund darin, dass ich mein Verständnis von Neuer Musik, und der m. E. unumkehrbaren Verwandlung, die durch sie stattgefunden hat, nicht richtig ausführen konnte. Das würde auch viel Raum beanspruchen, und vermutlich ist hier nicht der richtige Ort dafür.
Viele Grüße
Zoel
 

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