"Ihre besten 15 Minuten"

Stilblüte

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Folgender Satz:

In einem Monat tue ich folgendes:
Sie müssen 15 Minuten Programm Ihrer Wahl aus verschiedenen Epochen vorbereiten, womit Sie glauben, sich am besten vorstellen zu können.
Gerade bin ich am überlegen, was ich da wohl spielen soll. 15 Minuten sind verdammt kurz, noch dazu wenn sie zwei Epochen enthalten sollen.

Ich dachte erst, ich spiele Jeux d'eau und die 2. Chopinballade. Da hab ich zwei Epochen, Langsames und Schnelles, Virtuosität und Lyrik.

Dann fiel mir die Toccata von Chaminade wieder ein und das, was sie "mitbringt":
Cécile Chaminade ist eine Komponistin (Rarität), die Musik ist unbekannt, aber hübsch (Rarität), kaum ein Pianist spielt Chaminade anstelle von Chopin, Schumann, Brahms, ich aber schon (Rarität).

Eigentlich sollte es ja egal sein, was man spielt, hauptsache, man spielt es gut. Tatsächlich ist es aber vermutlich so, dass unbekannte Sachen mehr hermachen, auch wenn sie objektiv etwa genauso gut gespielt werden wie etwas Bekanntes. Denn:
Bei "Gassenhauern" hat man die superguten Referenzaufnahmen bzw. eigene Vorstellungen im Kopf, legt daher die Messlatte allgemein sehr hoch und ist mit der Interpretation kritischer. Bei ungekannten Sachen fällt das alles weg, man ist unvoreingenommen und unbelastet - außerdem wird man ausnahmsweise mal zum Musikhören animiert und genießt vielleicht das Stück, so dass die Bewertung und Spielanalyse vielleicht erst an zweiter Stelle kommt.

Und außerdem ist es doch so, dass alle immer etwas "Besonderes" haben wollen - Alice Sara Ott spielt Barfuß und ist Halbasiate, Juja Wang spielt im Mini-Kleid, Nikolai Tokarev spielt viele Transkriptionen usw.
Wenn man nicht gerade einen außergewöhnlichen Namen oder ein mystisches Äußeres hat, sondern ein ganz langweiliges deutsches Erscheinungsbild ist, muss man sich vielleicht etwas anderes einfallen lassen?
Z.B. ein interessantes Spielprogramm zusammenstellen. Zum tausendsten Mal eine gute 1. Ballade sticht nicht heraus, aber so eine Chaminade fällt doch ins Auge und ins Ohr...? ("Das war doch die mit der Komponistin!")

(Schon irgendwie schade, dass solche Überlegungen überhaupt sein müssen - nebenbei ist die Toccata auch noch eine ganz wunderbare Klavierminiatur...!!! :floet:)

Ergänzen würde ich das ganze noch mit ein oder zwei bekannteren Stücken.
Ich würde mir erlauben, 1 bis 2 Minuten zu überziehen, zur Not soll man mich halt abbrechen --
In Frage kämen z.B. Jeux d'eau von Ravel, 2. Satz Pathétique von Beethoven, Chopin a-moll-Walzer op 34,2 (zwei davon); Variations sérieuses von Mendelssohn; 2. Chopin-Ballade.

Stellt euch vor, ihr wärt Teil einer Kommission, die aus mehreren Bewerbern den besten und interessantesten auswählen soll - was würdet ihr denken und mir jetzt empfehlen?
Der eine oder andere von euch saß sicher schonmal auf der anderen Seite eines Bewerbungsverfahrens, auch wenn da die Kriterien evtl. etwas anders waren :rolleyes:

lg Stilblüte
 
Also wenn schon "Nina Pantolowitsch", dann richtig. Das Überraschungsei wäre "Bach und Ligeti" und dabei ganz cool bleiben.
Naja, etwas Schickes würde ich mir schon anziehen, aber oben ohne müßte nicht sein ... Vielleicht soetwas, was ich schon immer mal tragen wollte -
Wenn Barfuß gewinnt, laß sie laufen - darüber kannst Du stehen.
Es ist Dein Höhepunkt.

herzlicher Gruß
Kulimanauke
 
Folgender Satz:
Ich würde mir erlauben, 1 bis 2 Minuten zu überziehen, zur Not soll man mich halt abbrechen --

Ich hab keine Ahnung von solchen Bewerbungsverfahren, aber ich hab schon viele berufliche Job-Interviews durchgeführt. Wenn ich da einem Bewerber sage "Bereiten sie einen 5-Minütigen Vortrag über Ihre Diplomarbeit vor", und er braucht dann 6 Minuten, so wird er zwar nicht von mir unterbrochen, aber es ist ein deutlich Malus. Wie gesagt, keine Ahnung, ob das bei der Musik anders ist...
 
Du wirst, um die zwei-Epochen-Bedingung zu erfüllen, also entweder Ravel oder Beethoven nehmen müssen. Dann nimm Ravel, Jeux d'eau spielt zwar jeder, aber die Pathetique spielt erst recht jeder (wenn wir jetzt schon von Referenzaufnahmen reden)... und vor allem den zweiten Satz? Zweite Sätze machen in der Regel nur zwischen ihren anderen Sätzen Spaß, wenn man sich als Zuhörer 'erholen' darf ;) Wieso dachtest du nicht an den dritten Satz, der ist doch auch nicht länger...?

Chaminade hört sich gut an, mach das doch. Ich sehe nichts, was dagegen sprechen könnte...
 
Bach und Ligeti scheidet aus - Bach, weil ich den zu schwierig finde, Ligeti, weil ich da kein Stück kann... :o)

@ Rebecca: Es muss nicht zwingend Ravel oder Beethoven sein, ich denke, da Chaminade erst 1944 gestorben ist, gilt sie schon nicht mehr ganz so zur Chopin-Riege.
Beethoven 2. Satz hätte ich nur gewählt, weil man mir öfter gesagt hat, der wäre sehr gut, und v.a. weil er ein Tempo-Kontrast zu den anderen Stücken wäre, die alle eher schnell (abgesehen vom Chopin-Walzer).

Danke schonmal für die Antworten!
 
Ah, ok.
Ich hätte jetzt nur noch vorzubringen, dass du dich ja eigentlich so darstellen solltest, wie du bist *g* das ist ja wohl von sich aus einzigartig genug. Und soweit ich weiß, bist du kein großer Fan von langsamen Sonatensätzen, hab ich recht? ;) Ich seh' gar nicht ein, warum du dich dann damit präsentieren solltest, ehrlich gesagt. Und ich denke, wenn du was auch immer musikalisch spielst, dann glaubt dir eh jeder, dass du auch langsame Sachen spielen kannst...

Ich würd sagen: Chaminade wegen den von dir genannten Gründen, Ravel weile einfach sauschön klingt und du den magst, und dann dritten Satz Beethoven, weil dir Wiener Klassik liegt.
 
ich befürworte auch Chaminade... :) Die Toccata bringt etwas positives rüber... selbst für jemanden, der sie zum ersten Mal hört (wobei ich mal bei den "Juroren" nicht davon ausgehe ;-))
Und zu Jeux d'eau brauche ich ja wohl nichts zu sagen... :D
LG Georg
 
Nach Rücksprache mit der obersten Instanz meiner Klavierausbildung ;) folgender Plan:
Ich spiele auf jeden Fall die Variations sérieuses von Mendelssohn, dazu wäre Chaminade cool - das Problem ist, dass die eigentlich deselben Epoche entstammen, zumindest klanglich. Deshalb werde ich es so machen, dass ich Mendelssohn, Chaminade und Ravel vorbereite - man soll die Stücke sowieso erst direkt beim Vorspiel ankündigen. Da werde ich dann sagen, dass ich gern Chaminade und nicht Ravel spielen würde, wenn sie aber gerne zwei unterschiedlichere Epochen hören möchten, spiele ich Ravel.
Ich bin damit zwar ein bisschen über der Länge - aber ich werde dann mit dem kürzeren Stück anfangen, und wenn sie auf genau 15 Minuten bestehen, können sie mich im Mendelssohn abbrechen.
Man weiß nie auf wen man trifft, was die Leute hören wollen - und ob die überhaupt eine Ahnung haben, wer Chaminade ist, ob sie unbekannte Musik interessiert und so weiter.
 
Das Überraschungsei wäre "Bach und Ligeti" und dabei ganz cool bleiben.

:D :D :D

Genau das habe ich vergangene Woche im Klassenabend in genau dieser Reihenfolge gespielt ;)
(wobei ich sagen muss, dass ich das beides echt heikel für eine Vorspielsituation fand... Es war quasi auch für mich ein Überraschungsei, welches aber zum Glück genießbar war an dem Abend...) Wenn man mich nach meinen besten 15 Minuten fragen würde, so würde ich in der Tat genau diese beiden Komponisten spielen.

Nun aber zu dir, liebes Blütchen,

auch wenn es anscheinend schon entschieden ist, wollte ich - da ich gerade eben erst den Faden entdeckt habe - trotzdem noch meinen Senf dazu geben: Ich finde sowohl Mendelssohn als auch Chaminade eine sehr gute Entscheidung! Chaminade aus den Gründen, die du schon genannt hast und aus dem Wissen heraus, dass du das Stück sehr magst und man dies sicher hören wird und Mendelssohn, weil ich den ja letztens von dir gehört habe und der wirklich richtig gut und sicher war! Das spielen zwar viele, aber vielleicht nicht so schön und nicht so sicher wie du.

Liebe Grüße und viel Spaß mit dem schönen Programm,
Partita
 
Meine besten 15 Minuten: Zum Klavier gehen, verbeugen, sich in sehr bedachter Weise auf den Flügelhocker setzen und 15 Minuten keine einzige Taste runter drücken. Dann wieder verbeugen. Eigentlich hieße das Stück ja 4,33 aber man kann es ja auch langsamer spielen... ;)


Blüte, dein Vorschlag erscheint mir sehr vernünftig! Mach es so. Ich wünsche dir viel Erfolg.

Gruß
pp
 

Jetzt musste ich glatt nochmal nachlesen und überlegen, was das gewesen ist, seitdem hatte ich so viel im Kopf, dass ich dieses Vorspiel da längst vergessen hatte. Es handelte sich um ein Stipendium, welches ich leider nicht bekommen habe ;) Ist aber nicht so extrem tragisch, dafür hat sich mir das Lebensglück von einer anderen pianistischen Seite offenbart :D
 
Jetzt musste ich glatt nochmal nachlesen und überlegen, was das gewesen ist, seitdem hatte ich so viel im Kopf, dass ich dieses Vorspiel da längst vergessen hatte. Es handelte sich um ein Stipendium, welches ich leider nicht bekommen habe ;) Ist aber nicht so extrem tragisch, dafür hat sich mir das Lebensglück von einer anderen pianistischen Seite offenbart :D
Zum Lebensglück von einer anderen pianistischen Seite (was immer das sein mag...) herzlichen Glückwunsch. Übrigens halte ich gerade die Entscheidung für das Chaminade-Stück für etwas sehr Schönes: Leider erreichen die wenigen präsenten Stücke durchgängig nicht annähernd die Popularität des Concertos op. 107, das bei Flötisten der höheren Jugend-musiziert-Altersgruppen und in Hochschul-Eignungsprüfungen sehr beliebt ist. Diese Komponistin schwamm nie im Fahrwasser des französischen Impressionismus, sondern hat sich ausgehend von romantischer Stilistik sehr individuell positioniert: In dieser Umgebung ist sie Gabriel Fauré stilistisch näher als etwa Claude Debussy...!
 
Nun ich kann in St. Petersburg studieren und bin hier gut umsorgt, das ist besser als dieses Stipendium :)
Ich habe mich dann übrigens doch gegen Chaminade entschieden nach langer Überlegung, da für die Bewerbung mehrere Epochen wichtig waren und Chaminade ja zeitlich genau genommen zur Romantik zählt, genauso wie Mendelssohn (hab ich als weiteres Stück gewählt). Zwar hört sicher sogar ein Laie, dass die Musik total unterschiedlich ist, aber mit Ravel war ich dann doch auf der "sichereren" Seite...
Ich plane aber, mich mittelfristig ein bisschen intensiver mit Madame C.C. auseinanderzusetzen, denn die Musik ist gut und selten gehört - und diese beiden Kriterien sind erfolgsversprechend. Zudem handelt es sich erfreulicherweise um eine Frau, das hat auch Seltenheitswert.
 
Nun ich kann in St. Petersburg studieren und bin hier gut umsorgt, das ist besser als dieses Stipendium :)
Liebe Stilblüte,
gut zu wissen, wozu man Dir also gratulieren kann. Viel Erfolg und alles Gute!

Ich plane aber, mich mittelfristig ein bisschen intensiver mit Madame C.C. auseinanderzusetzen, denn die Musik ist gut und selten gehört - und diese beiden Kriterien sind erfolgsversprechend.
Wie gesagt: Bis auf das bei Flötist(inn)en beliebte op.107 hat sich wenig im Repertoire behaupten können. Sicherlich spielen da auch stilistische Aspekte eine Rolle. Ihr kompositorisches Schaffen ist spätromantischen Strömungen zuzuordnen, zu denen man weitere französische Komponisten wie Chausson oder Fauré zählen könnte. Mit der Durchsetzung impressionistischer Stilistiken (Debussy, Ravel, Roussel, Schmitt), der französischen Orgelromantik (Tournemire, Vierne, Widor) und die neoklassisch beeinflusste Groupe des Six (Poulenc, Honegger, Milhaud u.a.) war die öffentliche Wahrnehmung vielfach auf anderes ausgerichtet.

Zudem handelt es sich erfreulicherweise um eine Frau, das hat auch Seltenheitswert.
In den letzten zwei Jahrhunderten haben sich zunehmend auch Frauen kompositorisch betätigt - und das traditionelle Missverhältnis zwischen den Geschlechtern hat an Ausprägung verloren. Wenn Du Dich für das kompositorische Schaffen von Frauen in Geschichte und Gegenwart interessierst, wirst Du im Kulturbetrieb und im Netz immer öfter fündig, z.B. hier: Archiv Frau und Musik

LG von Rheinkultur
 
Der Rest ist Schweigen...

Meine besten 15 Minuten: Zum Klavier gehen, verbeugen, sich in sehr bedachter Weise auf den Flügelhocker setzen und 15 Minuten keine einzige Taste runter drücken. Dann wieder verbeugen. Eigentlich hieße das Stück ja 4,33 aber man kann es ja auch langsamer spielen... ;)
Das ist doch das Stück, wo John Cage seine fünf Minuten hatte - manche haben die ja zwölfmal stündlich. Auf dem Notenblatt steht lediglich "I - tacet -; II - tacet -; III - tacet -". Wenn man so will: "Dona nobis tacet" in drei Sätzen. Um diese erkennbar voneinander unterscheiden zu können, pflegte Uraufführungsinterpret David Tudor zwischendurch die Tastaturabdeckung zu schließen und wieder zu öffnen:
John Cage - 4'33' by David Tudor. - YouTube
O-Ton des Komponisten: "Ich habe nichts zu sagen - und ich sage es." - nun gut, schon Sokrates wusste angeblich nur, dass er nichts wusste (und Peter Maffay hat einen Song daraus gemacht, der aber auf YouTube nicht zu finden ist).

Apropos Prüfung: Von einem Nebenfach-Prüfungskandidaten meiner damaligen Hochschule war in Insiderkreisen bekannt, dass er dem Klavierspiel nicht besonders zugetan war. Als "modernes" Stück hat er 4'33" angeboten, aber damit die Prüfungskommission nicht zu Begeisterungsstürmen hinreißen können. Leider habe ich nie erfahren, ob er die Prüfung bestanden hat...:D:D:D
 

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