Hallo Sushi!
Hab mich zuhause hingesetzt und mir gedacht: Kann doch nicht so schwer sein, und ich habe, trotz meines nicht so schlechtem Klassikskills NICHTS hingekriegt.
Diesen Moment habe ich vor vielen Jahren genau so auch erlebt und ich kann mich sehr gut daran erinnern.
Für mich selbst muss ich rückblickend zugeben: Als sicherlich auch etwas arroganter Spross aus dem eher bildungs(klein)bürgerlichen Milieu dachte ich nach Jahren klassischen Klavierunterrichts immer: Hej, mit einer soliden klassischen Ausbildung werde ich doch ein bisschen Jazz locker aus dem Ärmel schütteln können. Denn guter Jazz (zumindest der vor dem Free Jazz) klingt genau danach: total lässig, cool, unangestrengt und aus dem Ärmel. ABER: Trugschluss!!! Und das hat folgenden Grund: "Was ist Jazz schon, wenn nicht einfach eine andere Musiksprache?!" (Horace Silver). Also doch ganz einfach? Nein, denn wenn man den Klang einer fremde Sprache mag, kann man noch lange nicht einfach drauflosreden, auch wenn man mehrere andere Sprachen gut beherrscht. Denn es gilt Handwerkszeug (Vokabeln und Grammatik) zu erlernen, Srachpraxis zu erwerben. Und das braucht Zeit. Aber ist nicht Freiheit und Improvisation das charakteristische am Jazz? Ja, ABER: Es gibt dafür Regeln und die sind zwar deutlich lockerer als in der Klassischen Klaviermusik, aber man muss sie trotzdem erstmal erlernen. In den 60ern wurden vielen Jazzern auch diese Regeln zu eng, deshalb entstand damals der Free Jazz.
Ich habe keine Ahnung von Jazz; Deswegen simple Frage: Wie lerne ich das?
Um beim Vergleich mit dem Spracherwerb zu bleiben: Lerne erstmal ein paar alltagstaugliche Vokabeln und versuche damit einfache kurze Sätze zu bilden.
Davon, erstmal ein Gedicht auswendig zu lernen (sprich: Eine notierte Jazznummer einzuüben) würde ich Dir abraten, denn dass nicht jeder Ton in Stein gemeißelt ist, gehört ja gerade zum großen Reiz dieser Musik.
Also (meine Empfehlung): Fange mit der Jazz-Form an, die eh zu den wichtigsten Grundbausteinen dieser Musik gehört: Spiele Blues! Das Jazz-Blues-Schema (nicht Boogie-Blues, das wird Dir zu sehr nach Western-Musik klingen) ist relativ einfach und Du wirst damit schnell Spass haben. Es besteht aus Dur- und Moll-Akkorden mit kleiner Septime:
C-Dur 7 / F-Dur 7 / C-Dur 7 / C-Dur 7
F-Dur 7 / F-Dur 7 / C-Dur 7 / A-Dur 7
D-Moll 7 / G-Dur 7 / C-Dur 7 - A-Dur 7 / D-Moll 7 - G-Dur 7
(das wird immer wieder von vorne gespielt)
Der "/" bedeutet hier einen Taktstrich, in den letzten beiden Takten kommen je 2 Akkorde vor (einer auf 1 und 2, der zweite auf 3 und 4).
Das ist die harmonische Basis. Für Melodie bzw. Improvisation in der rechten Hand kannst kannst Du erstmal folgende Tonleitern verwenden
Die Blues-Tonleiter: C - Es - F - Fis - G - A - B - H (klingt bluesig bzw. funky)
Die Cur-Pentatonik: C - D - E - G - A , Es und Gis, kann man auch noch dazu nehmen (klingt etwas "braver" bzw. lyrisch.
Eigentlich bräuchtest Du 3 Hände: Eine unten für die Basslinie, eine in der Mitte für die Akkorde und eine oben für Melodie/Impro. Die Hauptschwierigkeit beim Solo-Jazz-Piano liegt genau hier: Wie verteile ich 3 Komponenten auf 2 Hände?
Spiele erstmal die Akkorde links mit dem Grundton unten und rechts die Melodie/Impro.
Das ist jetzt nur eine von vielen Möglichkeiten, die ersten Jazz-Schritte zu wagen.
Ausreichend um ein bisschen rumzuprobieren und einen Eindruck zu bekommen.
Ich hoffe, sie hat Nutzwert für Dich. Probiers aus, und habe Geduld!
Wenn Du tiefer einsteigen willst, solltest Du natürlich Unterricht bei einem Jazz-kundigen Lehrer nehmen
oder mit einem Lehrbuch arbeiten (z.B. "Das Jazz-Piano-Buch" von Marc Levine)
Ich habe die letzten 4 Jahre ziemlich viel und ausschließlich Jazz gespielt und geübt und habe jetzt so langsam das Gefühl auf dem richtigen Weg zu sein. Aber Spaß gemacht hat es von Anfang an.
