Falsches lernen durch Piano App

Erheiternd ist es, immer wieder Leute zu sehen, die tiefgläubig werden, sobald sie das Wort "App" hören.

Eine App kann alles und mir wird jetzt zusehens klarer, dass ich die letzten Jahrzehnte vor meiner ersten App auf dem intellektuellen Niveau eines Höhlenmenschen verbracht habe. Anstatt mich durch die Schule plus den erbärmlichen Klavierunterricht zu quälen, würde ich, hätte es damals schon Apps gegeben, heute sechs oder sieben Sprachen beherrschen und dazu noch zehn Instrumente spielen.

Muss jetzt schnell auf meine App gucken, ob ich Hunger habe. Die Kühlschrank-App vermeldet ein aktuelles Depot von 20000 Kalorien, die Hälfte davon in Bier - genug für die Woche. Da zieh' ich mir noch schnell die Lost-Penny-App 'rein - morgen kommt Besuch, da muss ich das Stück können.

Oder mindestens die ersten vier Takte. Dann mach' ich auf jeden Fall vor Freude eine Facebook-Gruppe auf.

CW
 
Apps suggerieren auch eine rund um die Uhr, variable, unerschöpfliche, individuelle Selbstwirksamkeit. In Wirklichkeit sind sie das Gegenteil, entmündigen und unverselbstständigen sie die Menschen, beschränken das Denken auf die Aktivierung der App und die Emotionen auf Emoticons.
 
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Und was noch viel schlimmer ist: Musik wird unter dem Deckmantel "jeder kann es, ganz easy, Spaß, Notenlesen ist alles (2,3 Akkorde noch -> läuft, kostet nicht viel" völlig seinem Zweck entrissen als Kommunikationsmittel als Sprachmittel zu dienen. Etwas was man instrumentalisiert um sich Ausdruck zu verleihen. Es ist ohnehin schon schlimm genug, dass es "nur Förmchen" (Nachkriegsliteratur) gibt. Aber Apps sind nochmal viel schlimmer und begraben die Musik. (Zumindest des Sinns den ich in ihr sehe.) (Aber das macht ja Valentia L. ebenso.)

Ich hatte mal versucht mit einer App tschechisch zu lernen. Das ist wie Gehirn amputieren und mit Exoskelett in einer vollkommen sterilen Welt "rum - topfschlagen" , in der einem alle 2 Sekunen: "Fein, hast du prima gemacht" , "bist ne mords Kartoffel, du hast auf den "Klicke auf den LVL2 Knopf um ins Lvl2 zu kommen" (Hinweis: du hast keine andere Möglichkeit zu klicken, also streng dich an)" kreischende Smileys entgegen springen.

Ich bin lvl "sau hoch" und kann NICHTS! Warum denn auch? Ich lerne ja nur für diese beschissenen Smileys...

Kein sexy Aupair Mädchen dem man gefallen will, keine spannende tschechiche Sendung die man verstehen will, kein irgend ein Anreiz. Und nein! Ich wedel mir keinen von der Palme weil ich Hallo und Tschüss, Prost und Bier sagen kann!

Aber das sehen Appler sicherlich anders. Sie können das Prost und Hallo und solche wichtigen Dinge mitteilen, ihren künstlichen Intelligenzen die sie rund um die Uhr bemuttern.

Ich hab mir ein ein Tschechich Buch aus der DDR von "vor der Wende" (haha) gekauft. Ich stehe auf Schülbücher aus den 70ern ;) Leider steht da überall "bitte orientieren sie sich an ihren russisch Kenntnissen" ...

Also ich bin nach wie vor auf der Suche nach einem tschechischen Brieffreund.

Die Tragweite dessen, was die derzeitige App- "Revolution" vernichtet, ist unermesslich mMn.

Mit jedem stolz - brust-geschwelltem.... "hallo? ich hab doch eine Stimm app" stirbt ein weiterer Höhrer in der Welt der ohnehin vollkommen tauben.

Kommt doch!
 
Apps suggerieren auch eine rund um die Uhr, variable, unerschöpfliche, individuelle Selbstwirksamkeit. In Wirklichkeit sind sie das Gegenteil, entmündigen und unverselbstständigen sie die Menschen, beschränken das Denken auf die Aktivierung der App und die Emotionen auf Emoticons.


Die armen, unschuldigen Apps. Das sind doch einfach nur Programme, geschaffen um unser Leben angenehmer zu machen. Vergleichbar mit Werkzeugen. Aber so, wie der Kauf eines Taschenrechners den Besitzer nicht zum Mathematiker macht und Besitz einer Kettensäge nicht zum Waldarbeiter befähigt, kann auch eine kleine, süße App keine Wunder wirken. Bzw., genau wie der Taschnrechner, kann sie auch kontraproduktiv beim Erlangen neuer Fähigkeiten sein.

Und im Baumarkt gibt es genau wie im App Store eine ganze Menge Quark, den wirklich niemand braucht, aber eben auch sinnvolle Dinge.

LG, Hekse
 
Ok, hier noch die Meinung meiner Kinder, die sowohl die App als auch KL kennen:
"Beim KL lernt man schon mehr. Aber die App motiviert mehr."

Also ganz so fortschrittskritisch würde ich es auch nicht sehen, ich finde, dass man mit Apps vieles auch gut lernen kann. Ich habe zB so eine Rhythmustraining-App, die hilft mir schon. Ich finde auch, dass Apps das Lernen besser und transparenter strukturieren als ein KL, wo immer wieder neue Inhalte so von Stunde zu Stunde bisweilen spontan auf einen "herabschweben" und man nicht unbedingt sieht, was das große Konzept dahinter ist, was als nächstes kommt, das Zwischenziel ist etc...
Also grundsätzlich fände ich es schon cool, wenn KL zB. auch Apps einbeziehen würden. Also eher eine Ergänzung als eine Alternative.

Im Grunde denke ich, dass sowieso niemand, der ernsthaft Klavier spielen will, dauerhaft auf der App-Stufe stehen bleiben wird, dafür sind die Inhalte bis jetzt viel zu begrenzt. Das bleibt ja alles sehr anfängerhaft.
Vielleicht besteht die Gefahr hier eher darin, dass viele sich dann mit diesem Niveau begnügen, weil sie nie erlebt haben, was Klavier spielen eigentlich sein könnte?
 
@Pianobaum, den thread gibt s jetzt seit nov19. Hast Du denn jetzt n Lehrer ? Oder hören sich Deine Aufnahmen jetzt besser an, auch ohne?
 
Apps suggerieren, dass man etwas Bestimmtes ganz easy und ohne großen Aufwand machen kann, darauf wollte @Gefallener wohl hinaus. Es ist wie, „Malen nach Zahlen“, eine Illusion von Kunst. Sicherlich können Menschen, die ein Basiswissen und -können als Werkzeug haben, aus Apps mehr schöpfen als ganz Unbedarfte, die noch nicht wissen, wie und welche Lernstrategien einen weiterbringen.
 
Ich bin davon überzeugt, dass ein musikalisch begabter Mensch mit Beharrlichkeit ein Instrument auf vielerlei Weise lernen kann. Vielleicht auch per App – aber was ich von diesen Apps gesehen und gehört habe, verjagen viele einen musikalischen Menschen eben wegen mangelnder Musikalität.

Das Problem von weniger musikalisch begabten Menschen ist, dass sie oft ihre eigene Minderbegabung nicht erkennen können und damit ihr Spiel und ihren Fortschritt überschätzen. Allein deshalb brauchen sie einen musikalisch begabten Menschen, der sie abholt, wo sie stehen und ihnen auf ihrem Lernpfad weiterhilft. Eine*n gute*n Klavierlehrer*in zum Beispiel. Eine App kann das die nächsten 50 Jahre (noch) nicht.
 
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Mit Apps habe ich keine Probleme. Hier eine Parkplatz-App meiner Firma, da ÖNV Apps, Lese- und Bücher Apps. Die Freunde-App, die meiner Frau und mir hilft, uns gegenseitig in einer Stadt zu orten und zu treffen. Die SMS-App. Die Kontakte. Der Browser. Und und... Ach ja, telefonieren kann man ja auch mit so einem Smartphone. Lauter kleine Helferlein.
Bei Musik bin ich eher konservativ eingestellt, ebenso wie bei der App „Gehirnchirurgie lernen“.
 
Hat schon mal jemand die Piano Marvel App ausprobiert? Insbesondere in Verbindung mit einem akustischen Klavier-
 
Gibt es solche apps auch für andere Instrumente?
 

.... meine Tochter spielt Gitarre, kann aber ihre Gitarre nicht per Gehör stimmen, weil sie immer so eine app benutzt...
 
Moin!

- Der Mensch lernt durch Feedbackschleife.
- Wenn man allerdings nicht in der Lage ist, sein Spielen zu bewerten, dann kann die Feedbackschleife nicht funktionieren.
- Der Lehrer kann bewerten, deswegen kann er die Feedbackschleife schließen und die Stellen identifizieren, wo sich der Einsatz am ehesten lohnt und Wege zeigen, wie man die Lücke schließt. Unterschiedliche Schüler benötigen unterschiedliche Methoden.
- Eine App kann all dies nicht.
Eigentlich ist das so einfach!

Grüße
Häretiker
 
Ich hatte mal versucht mit einer App tschechisch zu lernen. Das ist wie Gehirn amputieren und mit Exoskelett in einer vollkommen sterilen Welt "rum - topfschlagen" , in der einem alle 2 Sekunen: "Fein, hast du prima gemacht" , "bist ne mords Kartoffel, du hast auf den "Klicke auf den LVL2 Knopf um ins Lvl2 zu kommen" (Hinweis: du hast keine andere Möglichkeit zu klicken, also streng dich an)" kreischende Smileys entgegen springen.
Tja, es braucht halt schon Hirn, die richtige app zu finden. Gerade beim Sprachenlernen sind gute apps super. Und sie sind durch immer Verfügbarkeit und individuelles Zugeschnittensein eben gerade für den disziplinierten Lerner super. Die guten apps kontrollieren auch die Ausprache und Hörverständnis ist nicht zu toppen (jeder von der alten Sorte hier hat wahrscheinlich schon mal einen VHS Kurs gemacht und weiß, wie die einen ausgebremst werden, und die anderen garnicht mitkommen....)
Gleiches gilt für musik apps, es gibt sinnvolle zum Stimmen etwa (ersetzt mindestens die Stimmgabel) , zum Hörenlernen, zum Notenlernen und Musiktheorielernen. Allerdings beim Instrumentlernen sind da eher Videokurse zu empfehlen, wobei auch hier wieder der Lerner selbst in der Verantwortung steht, das Richtige zu erkennen und umzusetzen.
Global gesehen sind apps und youtube zoom und co. ein Segen, denn mit relativ einfachen Tablets internet und Englisch (-Kursen) steht dem Interessierten alles an Bildung und Wissen offen. Deswegen sollte Entwicklungshilfe vor allem in Elektrifizierung (sei sie noch so simpel) und Mobilfunk bis ins letzte Dörfchen der Welt setzen. Genug Kluge gibt es immer in jeder Gesellschaft, um als Motoren andere mitzuziehen.
 
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Kann es sein, dass du die Klaviermusik falsch definierst? Es geht beim Klavierspiel mitnichten darum eine Melodie mit rechts zu spielen und links ein paar passende Akkorde anzuschlagen. Klavierspiel ist ein mehrstimmiges Stück mit auch mehreren Stimmen in einer Hand zum Klingen zu bringen.


View: https://youtu.be/3BZseuH0-0I

Klar lernt man das nicht mit einer App für 89 Euro. Ich kann mich täuschen vermute aber das die meisten Klavierlehrer bei dem Stück an Ihre Grenzen kommen.
Wenn Du das jemanden beibringen kannst, der mit Mitte 50 mit Klavierspielen anfängt, dann hast Du meinen tiefsten Respekt, nur der Glaube fehlt mir.
Für meinen Anspruch genügt es, wenn ich etwas klimper, was sich in meinen Ohren schön anhört. Gefühl bring ich mit meiner Art es zu spielen hinein. Was Musikwissenschaftler dazu meinen interessiert mich nicht die Bohne. Ich will ja kein Geld damit verdienen.
 
Ich frage mich, wie lange eigentlich Klavierschüler, die die Piano-Apps so feiern, bei dieser Art des „Unterrichts“ bleiben. Ich kann mir kaum vorstellen, dass man über Jahre hinweg ohne Lehrer, ohne (zwischen-)menschliches Feedback dabei bleibt.
Ich habe eine App, die nennt sich SmartChord, da kann ich mir alle möglichen Sachen fürs Griffbrett anzeigen lassen. Ich habe einen Gitarrenlehrer, der meinen Anschlag kontrolliert und korrigiert, damit man auch die hohen Saiten gut hören kann, was gegenüber vom Schallloch stärker auffällt als aus der Spielerposition.

Musikmachen ist Kommunikation und nicht Computerspielen. Das hat sich mir erst jenseits der Tasten wirklich erschlossen.
 

View: https://youtu.be/n9UrT3Cnw9E


Hier ist der Unterschied: YouTube feiert einen Sohn, der 10 Jahre braucht, um heimlich "Summertime" zu lernen, um seinen Vater zu überraschen... :021:vermutlich hatte er eine App...

Mit Klavierlehrer hätte er es in einem Jahr gekonnt. Und noch viele weitere Stücke...

Ich finde ja, alle KL sollten dieses Video als Werbespot nutzen... :003:

Das kann ich fast vom Blatt spielen. Aber nicht am Klavier. Dafür mußte der zehn Jahre üben? :lol:
 

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