Experiment - Toccata von C. Chaminade

Stilblüte

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Heute Abend habe ich die Toccata in c moll von Cécile Chaminade aufgenommen.
Es hat damit folgendes auf sich:

Vor ein paar Wochen begegnete mir durch Zufall diese Komponistin bzw. die Toccata, ich fand sie reizvoll (habe sie in "videos" verlinkt), hab das aber wieder vergessen.
Am Dienstag bin ich irgendwie wieder daran erinnert worden, ich habe das Stück wieder gehört und war plötzlich, nun da ich es etwas besser kannte, total begeistert und wie besessen davon. Ich habe es ziemlich oft angehört und der Ohrwurm hat mich mehrere Nächte am (Ein)Schlafen gehindert.
Ich wollte nun mal testen, in wie kurzer Zeit ich das Stück üben kann; das Interessante (für mich) ist, dass ich ausnahmsweise recht genau weiß, wie lange ich wann und wofür geübt habe.
Da ich ja öfter gefragt werde, wie lange ich übe, wie lang ich für Stücke brauche usw. dachte ich, ich teile diese Erfahrung mit euch.

Mittwoch nachmittag:
Ich beginne das Stück zu üben. In ca. 4 Stunden erarbeite ich es so weit, dass ich es ungefähr von vorne bis hinten durchspielen kann (inklusive Fingersatz).

Donnerstag:
Vormittags übe ich 3 Stunden, nachmittags nochmal 2. In dieser Zeit lerne ich das Stück auswendig und verfeinere es.
Vormittags lerne ich das Stück systematisch von hinten nach vorne auswendig, in dem ich mich jeweils einzelnen Abschnitten widme, die ich übe, bis ich sie kann, während ich immer wieder auch die bereits gelernten, anschließenden Abschnitte wiederhole. Nachmittags werden Schwachstellen ausgebessert, Erinnerungslücken behoben, alles vertieft usw.
Abends bzw. nachts beschäftige ich mich nochmal kurz mit dem Stück und spiele es ca. 3 mal durch (teils mit Noten, teils ohne)

Freitag:
Ich kann das Stück bereits auswendig und feile noch daran herum, auch immer wieder mit Blick in die Noten. So übe ich ca. 1,5 Stunden.
Anschließend übe ich anderes oder spiele gar nicht Klavier, während ich aber immer wieder zur Toccata zurückkehre und sie durchspiele.
--- Am späten Nachmittag hatte ich Klavierunterricht und habe das Stück dort vorgespielt. Später am Abend habe ich es dann aufgenommen.

Toccata in c-moll von Cécile Chaminade

Kaum nötig zu erwähnen, dass dies keine fertige Interpretation ist. Das ist weniger zum Anhören und Schönfinden gedacht, eher als eine Art "Bestandsaufnahme". Sie übersteuert leicht und die Aufnahmebedingungen waren nicht optimal (ich habe nicht den Flügel geöffnet, der Raum war recht klein, das Micro nicht optimal positioniert usw.).


Insgesamt hat es mich also ca. 11 Stunden innerhalb von 3 Tagen gekostet, das Stück soweit zu erlernen, wie es auf der Aufnahme hörbar ist.
Was ich dabei wieder festgestellt habe ist, dass das Gehirn Zeit braucht, um allein zu arbeiten.
Nach den 4 Stunden am 1. Tag war mir klar, dass ich nicht effektiv würde weiterarbeiten können, bevor ich nicht geschlafen habe, und auch nach dem Auswendiglernen am 2. Tag war Schlaf unbedingt von Nöten, um Sicherheit zu erlangen.
Nützlich sind aber auch schon zeitliche Unterbrechungen innerhalb eines Tages, wie die 3 + 2 Stunden Üben an Tag 2 bzw. das "immer wieder kurz durchspielen" an Tag 3.
 
Auf die vertiefte Version bin ich schon einmal gespannt.
Da der Ohrwurm sich bei dir eingenistet hat,wirst du sicher noch ein Weilchen damit beschäftigt sein und (das Allerwichtigste) Freude an dem Stück haben.

Schmiede das Eisen ,solange es noch heiß ist.
 
Oh Mann, Stilblüte!

Das machst Du in knapp drei Tagen?:-o
Was mich noch interessieren würde:
Ein auf diese Weise erarbeitetes Stück - wie lange behältst Du es?
Ist es eine Woche später ohne ein weiteres mal gespielt zu haben auch noch präsent?
...und nach einem Monat?
...und wenn nicht - genügt ein einmaliges durchspielen um alles wieder so zu können?
Gibts dafür auch einen Rekord :D
Fragen über Fragen...

LG
Michael
 
Bist Du sicher dass es drei Tage und nicht drei Monate waren;)
Wir sollten mal einen Wochenend-Workshop machen:)
LG
Geli
 
Respekt, Stilblüte! 8)

Das Stück hat hat einige sehr schöne harmonische Wendungen. Ich habe es mir jetzt ein paarmal angehört und kann deine Begeisterung gut verstehen. :)

Grüße von
Fips
 
Bist Du sicher dass es drei Tage und nicht drei Monate waren;)
Wir sollten mal einen Wochenend-Workshop machen:)
LG
Geli

Ich gehe davon aus, dass deine Bemerkung superwitzig sein sollte ??

Mir gefällt das Stück auch so gut, dass ich dafür sorge, dass es bekannter wird-
In meinem Bekanntenkreis werde ich da genug offene Ohren finden.

Danke an Stilblüte für das Entdecken, Einstudieren und Hochladen.

Gruss Klavigen
 
Hallo Stilblüte,

sehr interessantes Stück. Ich kann nachvollziehen, dass es Dich gepackt hat.

Für mich sehr beeindruckend, dass Du dieses in solch kurzer Zeit zum Besten bringst.
Was ich mich daher frage: Wie lange spielst Du schon Klavier und machst Du das quasi hauptberuflich?
Die Tatsache, ein solches Stück, was technisch auch durchaus anspruchsvoll ist, in so kurzer Zeit einzuüben, deutet für mich auf ein hohes Maß an Spielerfahrung und Können hin.

Oder auf ein Wunder"kind". Oder beides? :D

Meinen Respekt hast Du jedenfalls. Ich versuche mich grad an Clair de Lune, werde es aber aller Voraussicht nach nicht in 3 Tagen schaffen... :D

Viele Grüße,
Ragtimer
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
@ klaviermacher:
Ich vergesse das Stück wohl nicht schneller, als andere Stücke auch - ich habe eher ganz im Gegenteil den Eindruck, ich hätte es im Moment noch etwas "bewusster" in den Fingern als andere Stücke, für die ich mir mehr Zeit lasse.
Ich weiß nicht, ob ich unbedingt ausprobieren will, das Stück jetzt einen Monat nicht zu spielen und dann wieder zu spielen, denn dafür ists doch zu schön und es macht zu viel Spaß, es zu spielen (durchaus im motorischen Aspekt, es fühlt sich einfach gut an. Ähnlich wie bei Bach).
Ich hab es jetzt aber anderthalb Tage nicht gespielt bis jetzt grad eben und mein Gedächtnis hat kaum eingebüßt - eher war alles noch ein bisschen selbstverständlicher und mit weniger Denken verbunden.

@ chopinfan:
Mit deiner Beschreibung hast du es so halb getroffen.
Dinge, die vorher mühevoll und in kurzer Zeit zu bewerkstelligen unmöglich erschienen, gehen plötzlich relativ leicht von der Hand. Man tut sich z.B. mit dem Entziffern der Noten oder mit komplizierten Läufen auf einmal sehr leicht, hat das Gefühl, das Gehirn sei "geölt".
Bei aller Bescheidenheit würde ich nicht unbedingt sagen, dass ich das für mich geltend machen würde - diese Toccata war keine große technische Herausforderung für mich. Und auch bei anderen, technisch anspruchsvolleren Stücken ist es nicht so, dass ich sie nur dann bewerkstelligen kann, wenn ich sie gerade besonders schön finde. Ich würde das eher umgedreht sehen - wenn man von etwas begeistert ist, hat man eine positivere Einstellung, größere Motivation, mehr Spaß, ärgert sich nicht so schnell, hat das Ziel vor Augen und gibt nicht so schnell auf. Dieses kontinuierliche, geradlinige Vorwärtsgehen ist dem Üben förderlich und erweckt den Eindruck, es ginge leichter und schneller. Man darf aber Ursache und Wirkung nicht verewchseln.
Ich glaube, ich arbeite auch sonst relativ schnell. Ich hab mich natürlich gefreut, dass ich das Stück so schnell konnte, aber völlig überraschend war das nicht. Ich hab auch andere Stücke schon in recht kurzer Zeit eingeübt.
Erzwingen kann man diesen Mechanismus nicht.
Auch das sehe ich nicht ganz so, obwohl "erzwingen" etwas negativ und verzweifelt klingt. Und natürlich kommt diese "Besessenheit" für ein Stück von allein und verschwindet auch von allein, man kann sich ja auch nicht absichtlich verlieben.
Allerdings ist es bei mir doch so, dass sich ein (unterschiedlich stark ausgeprägter) Elan für beinahe jedes Stück entwickelt, das ich übe. Das kommt nicht immer sofort, nicht immer vor dem Übebeginn, nicht selten lerne ich ein Stück dann erst wirklich schätzen, wenn ich es gespielt habe oder während ich es übe (und mich intensiv damit auseinandersetze). Wäre das nicht so, könnte ich nie so viel üben, wie ich es tue. Und käme mir ein Stück unter, das ich wirklich total grauenhaft finde und auch nach längerem Üben noch abstoßend fände, würde ich es nicht weiterüben.

Ich denke, dass Klavierspieler, die nicht ganz so viel üben wie Berufsmusiker oder Musikstudenten einen größeren Unterschied zwischen einer solchen Besessenheit und dem normalen Üben empfinden, weil sie es nicht so gewöhnt sind, dran zu bleiben und möglicherweise sowieso grundsätzlich weniger üben.
An einem auf diese Weise leichtfüßig entstandenen Werk kann/muss man anschließend weiter feilen und arbeiten. Letzteres ist dann oft ungleich mühevoller, da man dann oft nicht mehr durch den beschriebenen Schaffensprozess in einem Rutsch "durchgetragen" wird.
Kann ich nicht unbedingt behaupten.
Meine Besessenheit hat sich, nachdem ich das Stück konnte, auf ein angenehmes Maß reduziert. Je besser ich es konnte, desto schwächer wurde der Ohrwurm und desto mehr konnte ich es ertragen, nicht weiterzuüben. Ich finde das Stück immer noch super und spiele es gern. Und ich übe auch gern daran weiter.
Natürlich kann es mal passieren, dass man voller Elan etwas übt und nach dem ersten "Durchgang" mal eine Pause davon braucht und gern etwas anderes übt, das kenne ich schon auch. Ging mir jetzt mit einer Beethovensonate so, die zunächst durch eine Chopinballade abgelöst wurde, welche widerum von dieser Toccata abgelöst wurde - aber deshalb übe ich die anderen Stücke trotzdem bald weiter. Mal eine Woche Pause zwischendurch schadet nicht.

Hast du eine Aufnahme der Rachmaninovetüde? Würde mich interessieren!

@ Ragtimer:
Ich spiele seit meinem fünften Lebensjahr Klavier, bin jetzt 20 und studiere es seit einem Jahr an einer Musikhochschule als Hauptfach.
Als Wunderkind hat mich noch keiner bezeichnet und ich war auch ganz sicher keines. Richtig zu üben angefangen hab ich erst so mit 15, 16 Jahren. Da konnte ich zwar "schon spielen", aber wirklich aufwärts ging es erst danach. Und Kind bin ich eh keines mehr :p :D
 
Ihr seht, ich hatte heute meinen Aufnahmetag -

Hab nun auch nochmal die Toccata aufgenommen inklusive Video.
So sieht das also nach ein paar Monaten mit einer Mischung aus Liegenlassen, Üben und Vorspielen aus ;)

http://www.youtube.com/watch?v=OFAkC5LXcv0
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Aus gut wird sehr gut. Gefällt mir sehr!

Was mir jedoch ein wenig auffällt: Wenn auf der 1 im Takt (wie ganz am Anfang) die Sechzehntelphrasen unterbrochen werden durch einen etwas hervortretenden Akkord, dann verlängerst du diesen oft über den Notenwert hinaus. Das ist mir schon ganz am Anfang aber auch bei 0:29 ff aufgefallen. Vielleicht machst du es absichtlich, für mich hat das Stück aber nen ziemlichen Drive, der dadurch ein wenig ausm Takt gebracht wird.

Die Audiospur ist in Ordnung, die Videospur haut aber irgendwie nicht hin. :rolleyes:

Alles Liebe
 

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