Ich sehe das natürlich ein, wenn du sagst, dass mehrere Stunden Üben am Tag den Laufapparat sehr wohl fit halten.
Was man da spielt, klappt ja auch großteils wunderbar, alles ist bestens.
Aber man stößt eben immer wieder auf Stellen, die nicht funktionieren, und sie klappen doch deshalb nicht, weil man sie noch nie richtig gespielt hat. Sei es aus mangelndem Verständnis oder mangelndem Training. Banal ausgedrückt:
Man kann jeden Tag drei Stunden innigst den Flohwalzer üben, deshalb schafft man nach einem Monat trotzdem noch keine Mozartsonate.
Um die spiele zu können fehlt es an pianistischem Können in allen Bereichen.
Doch auch dem technischen, oder?
Ist es beim Klavierspielen denn nicht so, dass man, wie ein Bläser die Gesichtsmuskeln, gewisse Körperpartien "mechanisch" kräftigen und formen muss?
Oder wäre es möglich, dass ein Mensch, der noch nie Klavier gespielt hat, mit seinen Händen alles spielen kann, was er will, wenn man ihm das Gehirn von Horowitz einsetzen würde...?
Nein, das könnte er sicher nicht, weil er ja noch nicht genügend Klavier gespielt hat- ich glaube aber, dass du !!! mit dem Gehirn von Horowitz sofort eine phantastische Pianistin wärest.
Ja, da fällt mir ein: Ältere Menschen stellen doch eine zunehmende Steifheit in ihren Fingern fest, die Pianisten oft durch das Üben nicht haben, weil ihre Finger fit bleiben.
Da kann doch nicht nur an der Vorstellung liegen...
naja, dem körperlichen Verfall ist man irgendwann ausgeliefert, auch Horowitz wurde schwächer, was aber auch seinen Geist betraf- Er war in hohem Alter schon etwas verwirrt. Und wie du richtig sagst, haben diese Steifheit Pianisten nicht, weil sie genug spielen und im Training sind. Sicher hast du noch einige Jährchen mit diesem Problem weniger zu kämpfen - ;)
Ich hoffe, ich nerve dich nicht, aber ich habe noch immer nicht die große Erkenntnis erlangt, was diese ganze Vorstellungs-Geschichte angeht... Aber ich möchte es begreifen.
Keinesfalls, ich verstehe dich sehr gut, denn ich hab das in ähnlicher Form auch durchgemacht. Zum Üben des Sängers noch eine Bemerkung. Es unterscheidet sich insofern vom Klavierüben, weil da ja erst das Instrument gebaut werden muss- es ist zwar als Rohform dar, muss aber bearbeitet werden. Der Flügel ist bereits ausreichend perfekt - Der Bläser übt meines wissens keine Trockenübungen- ich habe mehrere Semester Querflöte studiert, da ich vorher Schulmusik studiert habe und da eben auch Gesang - Den Ansatz usw. habe ich immer mit dem Instrument geübt. Allerdings sind die Übeweisen tatsächlich anders, weil auf die Intonation viel Aufmerksamkeit gelegt werden muss.
du willst diese Vorstellungs-Geschichte begreifen? Das ist ein Prozess ständigen Nachdenkens und Lernens. Da schaukelt sich immer gegenseitig etwas hoch. Durch ständiges Üben wächst die innere Vorstellungskraft, die dann wieder bessere Technik erlaubt. Stell dir einen guten Dirigenten vor. Der hört im voraus alles. Natürlich hat er die gesamte Partitur studiert, aber im Idealfall hört er wirklich jede Stimme ganz genau in allen details. Seine Vorstellung vom KLang und dem, was ihm das Orchester liefert löst nun einen ständigen Dialog aus. Wenn du das Klavier bedienst, musst du immer genau wissen, ob der Klang, der rauskommt, der ist, den du auch wirklich wolltest. Ein anderes Moment ist das der Entwicklung der richtigen Vorstellung. Denn es kann auch sein, dass dein bisheriges Wissen über das Stück einfach mangelhaft ist oder Lücken hat. Das bedingt die ständige kreative Suche nach dem richtigen Klang. Und dann noch die Fähigkeiten, ob man beurteilen kann, ob es auch der Klang ist, den man wollte. Das ist das eigentliche Üben.
Vor allem, weil es unterschiedliche Ansichten gibt.
Meine Lehrerin meinte z.B. auf die Frage hin, wie ich das Handgelenk in einen Triller einbauen sollte, sie würde ihn hauptsächlich aus den Fingern spielen; andere vertreten die Meinung, dass man die Finger fixieren und das Handgelenk schütteln sollte...
Mit Verlaub, ich halte beide ansichten für ausgemachten Käse- tut mir leid für den krassen Ausdruck, aber so sehe ich das. Finger werden niemals beim Spiel fixiert, sondern sind total locker und nur angespannt für einen äusserst kurzen Moment, wenn sie Tastenkontakt haben. Und hast du sie wirklich gefragt, wie du das Handgelenk in einen Triller einbauen sollst? du hast vergessen sie zu fragen, wie du den Ellbogen und die Schultern in den Triller auch einbauen solltest. Es gibt natürlich soviele unterschiedliche Triller, vom kleinsten und langsamsten bis zum donnergrollen im Bass. Je nachdem werden da unterschiedliche Körperpartien herangezogen. Doch selbst das kleinste harmloseste Trillerchen wir bereits so gespielt, dass sich der Unterarm leicht mitbewegt. Tust du das nicht, ist der Spielapparat gestört.
lieben Gruß