Es reicht! Es reicht wirklich!

Zwischen soundsovielen Vertretungskandidaten wählen können die wenigsten - mancherorts wird alles auf die Orgelbank gelassen, was nicht bei Drei auf den Bäumen und irgendwie wenigstens manualiter zum Orgelspiel befähigt ist.

Es scheint mancherorts ein von Verzweiflung geprägter Mangel an Vertretungen zu herrschen.

Eine liebe Nachbarin versucht hartnäckig, mich zu Vertretungsdiensten zu rekrutieren. Ich habe ihr ausdrücklich erklärt, dass ich mich als inkompetent einstufe. Antwort: Das sei doch gar nicht wichtig! Zum Üben dürfe ich selbstverständlich in die Kirche (sie liegt in Rufweite entfernt). Auch weiß sie um meine Konfessionslosigkeit.

These: Derjenige, der sich blamiert, ist der Mensch an dem lauten Instrument. Der macht sich nackig, tut also alles in seiner Kraft Stehende, um die Blamage zu vermeiden. Eher übt er sich vorher einen Wolf, als dass er vor versammelter Nachbarschaft eine schlechte Leistung abliefert. Also ist das, was "hinten rauskommt" und vom Publikum registriert wird, zwangsläufig immer noch halbwegs ordentlich. Solange nix passiert, ist alles gut. Ein evtl. weit unterdurchschnittliches Endresultat geht nicht mit der Gemeindeleitung heim, sondern nur mit dem Organisten. Daher die "Coolness" der Gemeindeleitungen. Orgelspiel sch***? Ja, der Organist, gell, der kann´s halt nicht wirklich, aber es ist doch schön, dass er´s macht... und eine Miene christlicher Barmherzigkeit wird aufgesetzt.
 
These: Derjenige, der sich blamiert, ist der Mensch an dem lauten Instrument. Der macht sich nackig, tut also alles in seiner Kraft Stehende, um die Blamage zu vermeiden. Eher übt er sich vorher einen Wolf, als dass er vor versammelter Nachbarschaft eine schlechte Leistung abliefert. Also ist das, was "hinten rauskommt" und vom Publikum registriert wird, zwangsläufig immer noch halbwegs ordentlich. Solange nix passiert, ist alles gut. Ein evtl. weit unterdurchschnittliches Endresultat geht nicht mit der Gemeindeleitung heim, sondern nur mit dem Organisten. Daher die "Coolness" der Gemeindeleitungen. Orgelspiel sch***? Ja, der Organist, gell, der kann´s halt nicht wirklich, aber es ist doch schön, dass er´s macht... und eine Miene christlicher Barmherzigkeit wird aufgesetzt.
:cry2:
So sieht es wohl aus.
Kein Wunder, dass es mich niemals dazu trieb, einen Aushilfsdienst für meine Mutter zu übernehmen. Ich habe es immer bewundert, dass sie alles ohne zu üben spielen konnte. Auch irgendwelche Kunstlieder bei Hochzeiten, die ihr die Sänger auf den Notenständer knallten.
Ich hätte hingegen sicherlich sogar die Gemeindelieder üben müssen, nur um mich dann trotzdem zu blamieren. :party:
 
Es ist alles eine Frage der Routine ....

Es gibt aber mittlerweile auch eine 3-stimmige Ausgabe des Stammteiles vom Gotteslob ("Gotteslob-light"). Auch im EKB (Evangelischen Kirchengesangsbuch) ist die 2. Strophe stets in der 3-stimmigen Version harmonisiert.

Johannes
 
Nein, ich bin nicht der "Johannes B. Kerner".
 
Ich spiele zwar nicht Orgel und will es auch gar nicht, aber trotzdem finde ich es spannend hier zu lesen.
Ich kenne so einen Organisten den man, zum Begleiten, alles aufs Pult knallen kann, und der spielt. Er hält seine Fähigkeiten für sehr begrenzt, und an eine Bach Fuge wagt er sich nicht heran. Daher fand ich, das was ich hier gelesen habe, erst einmal verwirrend. Aber ich weiss, dass er oft nicht das spielt was in den Noten steht. Was er nach eigener Aussage gut kann, ist mit einem Blick, die Hauptlinie und die Harmonie zu erfassen um daraus etwas zu machen.
Ich finde es absolut faszinierend, welche unterschiedlichen Fähigkeiten ein Musiker haben und brauchen kann, und das Menschen deren Fähigkeiten als Musiker ich nur bewundern kann, trotzdem noch nicht alles können, was andere, vielleicht sogar weniger gute Musiker, können, weil es einfach total unterschiedliche Fähigkeiten sind.
 
Eine Bach-Fuge wiederzugeben erfordert ganz Anforderungen als die Begleitung eines Chorals:

Eine FUGE ist polyphon und die Musikalität in jeder Stimme wiederzugeben, ist daher eine besondere Herausforderung. Auch ist das Tempo der einzelnen Stimmen einer Fuge wesentlich höher (meist 1/8 und 1/16-Noten).

Bei der Choralbegleitung reicht es meistens, die Harmonie als Ganzes zu erfassen. Schließlich ist der Satz ja homophon (vereinfacht ausgedrückt: akkordisch). Der Pedalsatz ist meist bloß in 1/4-Noten notiert, also nicht so eine besonders große Herausforderung im Vergleich zu einer Fuge. Bei der Fuge ist auch die Pedalstimme (nebst den anderen Stimmen) polyphon zu betrachten und meist in einem wesentlich schnelleren Tempo als bei der Choralbegleitung zu spielen.

Improvisationstalent, mit einem Blick eine Hauptlinie und deren Harmonie zu erfassen, hat mE auch nicht viel mit der Wiedergabe einer Bach-Fuge gemein.

Johannes
 
Ja, so ungefähr habe ich mir das auch gedacht. Aber beides sind Fähigkeiten die ich bewundere, und die für mich wahrscheinlich nie erreichbar sind. Trotzdem, ich gewiss irgendwann brauchbar Musik machen werde. Mich fasziniert das.
 

Choralbegleitung hat auch ganz andere Anforderungen als die Wiedergabe einer Fuge:

Die Herausforderung in der Choralbegleitung besteht weniger darin, die Noten richtig wiederzugeben, als sich auf den jeweiligen Gemeindegesang in puncto Tempo einzustellen, diesen zu führen und die unterschiedlichen Textierungen der Liedstrophen musikalisch durch leichtes Absetzen der Töne herauszuarbeiten und wiederzugeben. Hier ist viel Routine und eine ausreichende Kenntnis der Choralsätze gefragt, so nicht gerade ad-hoc harmonisiert wird.

Eine Fuge/Präludium müsste ich mir schon extra einüben, bei der Choralbegleitung habe ich ausreichend Routine, um das auch fast im Stehgreif zu machen.

Johannes
 
Der dortige Organist, (C-Musiker ohne Festanstellung, der seit 20 Jahren seinen Lebensunterhalt mit dem Orgelspielen verdiehnt) bekommt die Lieder 5 min vor dem GD zugesteckt, spielt diese auch ganz passabel, allerdings ohne Pedal vom Blatt... :-(

Wie ist das möglich, dass ein C-Kirchenmusiker, der seit 20 Jahren seine Lebensanstellung mit dem Orgelspielen verdient, nicht einmal Choralsätze, die er 5min vor dem GD erhält, mit Pedal spielen kann?

Diese Fragestellung soll jetzt nicht überheblich klingen, aber von Routine im Orgelspiel zeugt das aber nicht. Insbesondere dann erst recht nicht, wenn das seine Hauptprofession sein soll.

Johannes
 
Verstehe ich jetzt nicht ganz! Warum sollte der Gesang nach kurzer Zeit stehen bleiben? Ich bleibe dabei ja auch nicht mit meiner Begleitung stehen?

Johannes
HelmutHeinchen hat wohl das "einzustellen" mißverstanden. Er geht davon aus, daß der Organist versucht, das Tempo während des Begleitens "anzupassen", wodurch der Gesang zwangsläufig immer langsamer wird.

Die wahre Kunst besteht darin, von Anfang an ein Tempo zu wählen, bei dem die Gemeinde gut mitsingen kann, ohne zu schleppen. Das verstehe ich zumindest unter "Tempo einstellen".
 
Ob ich gleich von Anfang an das richtig Tempo für die Führung Gemeindegesanges hängt zu einem wesentlich Teil davon ab, wie gut ich die Gemeinde kenne. In meiner Heimatpfarre ist das kein Problem.

Bin ich aber aushilfsweise irgendwo in einer anderen Gemeinde tätig, dann findet ein vorsichtiges Sondieren statt, bis dass das ideale Begleittempo gefunden ist.

Johannes
 
Ah ich weiß nicht...sondieren? Wirklich? Ich bin das Tempo. So unterschiedlich kann es ja gar nicht sein. Jedes Lied hat ein natürliches Tempo, das es zu treffen gilt. Und im Zweifelsfall entscheide ich. Da muss dann die Gemeinde mit. Das Tempo gibt es ja in der Intonation vorher zu hören.

Grüße
Axel
 
Das Liedtempo hängt zu einem wesentlichen Teil davon ab, wie flexibel eine Gemeinde ist: Habe ich zB einen Zelebranten, der laut und langsam in das Mikrophon singt, bin ich als Organist ziemlich chancenlos, was das Tempo betrifft. Das habe ich in meiner Jugendzeit erlebt.

Dennoch werden die gleichen Lieder in verschiedenen Gemeinden mit unterschiedlichem Tempo gesungen. Das Singtempo der Gemeinde hängt von verschiedenen Faktoren wie:
- bisherige Liedbegleitung durch Organisten
- Liedtempo des Zelebranten (vor allem, wenn er in ein Mikro singt)
- dominierende Sänger in der Gemeinde etc.

Bin ich ständiger Organist in einer Gemeinde, kann ich die Gemeinde langsam an ein schnelleres Gesangtempo heranführen. Bin ich aber nur vertretungsausweise bzw. aushilfsweise in einer Gemeinde als Organist tätig, kann ich in puncto Tempo nur wenig (vorerst) ändern.

Johannes
 
Singende Zelebranten können in der Tat tödlich sein. Das bekommen die dann allerdings von mir auch gesagt, wenn es gar nicht geht. Ansonten kann noch völlig schiefgehen: Laute und schleppende Gemeinde bei viel zu schwacher Orgel/Harmonium. Da ist dann bei schlechtem Instrumentarium nichts zu holen. In allen anderen Fällen denke ich, es ist eine Frage des Geschicks, ob die Gemeinde mitzieht. Da gibt es nun etliche Tricks, die Leute "auf Spur" zu halten.

Grüße
Axel
 

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