es-Moll oder es-moll?

Marlene

Marlene

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Angenommen, ich übe gerade Moll-Tonleitern und möchte eine bestimmte benennen, z.B. es-moll. Wird es wirklich so geschrieben oder ist "es-Moll die richtige Schreibweise?
 
es-Moll
Es-Dur

Der vordere Buchstabe (bzw. die vorderen 1-3 Buchstaben) werden klein oder groß geschrieben, je nachdem ob es Dur oder Moll ist. Der hintere Begriff wird immer groß geschrieben.
In der Praxis gibt es da oft ein Kuddelmuddel und die Leute schreiben, wie sie wollen. Aber so ist es korrekt.
 
es-Moll
Es-Dur

Der vordere Buchstabe (bzw. die vorderen 1-3 Buchstaben) werden klein oder groß geschrieben, je nachdem ob es Dur oder Moll ist. Der hintere Begriff wird immer groß geschrieben.
In der Praxis gibt es da oft ein Kuddelmuddel und die Leute schreiben, wie sie wollen. Aber so ist es korrekt.

Allerdings hat sich diese Duden-Norm nicht allgemein durchgesetzt. Die MGG etwa schreibt Es-Dur, aber d-moll. Eigentlich sind beide Schreibkonventionen redundant, denn die Groß- vs. Kleinschreibung der Tonart gibt ja ikonisch den charakteristischen Unterschied zwischen großer und kleiner Terz bei Dur bzw. moll wieder, also könnte man gleich wie die Anglosachsen sich auf »Es« vs. »d« beschränken.
 
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Ich habe im Musik-LK gelernt: Dur groß, moll klein.

Also: c-moll und C-Dur

In der freien Wildbahn scheint es total durcheinander verwendet zu werden.
 
In der Praxis gibt es da oft ein Kuddelmuddel und die Leute schreiben, wie sie wollen.
So ist es: https://de.wikipedia.org/wiki/Tonart#Schreibweisen

Inzwischen üblich: Tonartbuchstabe(n) in Dur groß bzw. in Moll klein, dann Bindestrich, dahinter das Tongeschlecht "Dur" oder "Moll" immer groß. Allerdings schätze ich auch die Lemacher/Schroeder-Schreibweise, also Tonartbuchstabe(n) und Tongeschlecht gleichermaßen entweder groß (Dur) oder klein (moll) zu schreiben.

Am liebsten schreibe ich also "Ess-Dur" und "trink-moll".
Prost und Zum Vollsein!

LG von Rheinkultur
 
Das denke ich nicht, denn mit "Es" ist meines Wissens ein Akkord in Es-Dur gemeint und mit "es" der Ton/die Taste (in Dur).

Solche Bezeichnungen werden ja nie kontextfrei verwendet, und wenn jemand, was meiner Erfahrung nach gar nicht so unüblich ist, etwa von einer Sonate in d schreibt, gibt es eine derartige Ambiguität nicht.
 
Das denke ich nicht, denn mit "Es" ist meines Wissens ein Akkord in Es-Dur gemeint und mit "es" der Ton/die Taste (in Dur).
Nicht unbedingt, da es gute Gründe dafür gibt, die jeweilige Oktavlage zu berücksichtigen: http://www.musikzeit.de/theorie/tonhoehe.php

Leider habe ich die mir aus der Studienzeit in Erinnerung gebliebene Karikatur nirgendwo im Netz gefunden: Ein Geiger bittet seinen am Flügel sitzenden Duopartner um "ein A". Dieser reicht grinsend einen Zettel weiter, auf dem der Buchstabe A geschrieben steht... . Ein beliebter gespielter Witzzzz für Kammermusiker!

LG von Rheinkultur
 
also könnte man gleich wie die Anglosachsen sich auf »Es« vs. »d« beschränken.

Allerdings schätze ich auch die Lemacher/Schroeder-Schreibweise, also Tonartbuchstabe(n) und Tongeschlecht gleichermaßen entweder groß (Dur) oder klein (moll) zu schreiben.
Vermutlich ist die Kommunikation zwischen auch international tätigen Musikern die einfachste, wenn alles, was mit Dur zu tun hat, groß geschrieben wird und alles mit Moll eben klein. Allerdings sind andere Kommunikationsprobleme im Zusammenspiel meist nicht ganz so einfach zu lösen - die Unterscheidung zwischen Groß- und Kleinschreibung scheint ein typisch deutsches Sprachphänomen zu sein.

LG von Rheinkultur
 
die Unterscheidung zwischen Groß- und Kleinschreibung scheint ein typisch deutsches Sprachphänomen zu sein.

So ist es, und sie ist dann mit weitergehenden, im Prinzip hier unlösbaren Fragen verbunden: Substantive schreibt man im Deutschen groß, Adjektive schreibt man klein. Nun, was ist eine Verbindung wie »Es Dur« oder »d moll«? Wenn man versucht, diese Frage im Rahmen der herkömmlichen Wortartkategorien zu lösen, muß man sich entscheiden, was man als Substantiv und was als Adjektiv, d.h. als Modifikator des Substantivs, ansehen will: schränkt »d« die Menge all dessen, was unter »Moll« fällt, auf eine Unterart ein? Dann ist »Moll« eine Art Substantiv und die Schreibung »d-Moll« folgerichtig; man müßte dann aber konsequenterweise auch »es-Dur« erwarten. Oder bezeichnet »moll« die distinktive Eigenschaft in Opposition zu »dur«? Dann ist es konsequent »A dur« und »B moll« zu schreiben, wie es mein altes Brockhaus-Musiklexikon übrigens tut. Oder ist »d moll« einfach eine Zusammenrückung, die nur aus Gründen der Klarheit nicht univerbiert ist (»dmoll«)? Wenn man dieser Auffassung ist, ist man die Wortartenfrage los und kann, wie meine alte MGG, konsequent das Ikonizitätsprinzip anwenden und »Es Dur« vs. »d moll« schreiben. Sprachwissenschaftlich gesehen ist die MGG-Lösung die widerspruchsfreie; die Duden-Lösung ist eigentlich ein systemwidriger Kompromiß zwischen Wortartklassifkation (das Tongeschlecht gilt als Substantiv) und Ikonizitätsprinzip (»Es« steht ikonisch für die große Terz).
 
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Solche Bezeichnungen werden ja nie kontextfrei verwendet, und wenn jemand, was meiner Erfahrung nach gar nicht so unüblich ist, etwa von einer Sonate in d schreibt, gibt es eine derartige Ambiguität nicht.
Was dann auch keine Tonart angibt, sondern einen Zentralton, um den herum das Werk konzipiert wird - was dem Komponisten harmonisch mehr Freiheiten läßt als bei einer Tonartangabe: im Grunde beliebige Dissonanzhäufungen, die durch den Zentraltonbezug "verkraftbar" bleiben (findet sich häufiger in neobarocken/neoklassizistischen Werken, z.B. bei Hindemith).
 
Was dann auch keine Tonart angibt, sondern einen Zentralton, um den herum das Werk konzipiert wird - was dem Komponisten harmonisch mehr Freiheiten läßt als bei einer Tonartangabe: im Grunde beliebige Dissonanzhäufungen, die durch den Zentraltonbezug "verkraftbar" bleiben (findet sich häufiger in neobarocken/neoklassizistischen Werken, z.B. bei Hindemith).
Recht weit verbreitet in der fortgeschrittenen ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, um sich von Literatur ohne Bezug auf einen Zentralton ausdrücklich abzugrenzen:


Die größeren harmonischen Freiheiten beruhen darauf, dass eine Festlegung auf ein bestimmtes Tongeschlecht nicht erforderlich ist. Das Tonmaterial kann sich auf feste oder veränderliche modale Skalen unterschiedlichster Art beziehen oder auch selbst das nicht, solange eben eine Bindung an den ausdrücklich genannten Zentralton erkennbar bleibt.

LG von Rheinkultur
 
Das Tonmaterial kann sich auf feste oder veränderliche modale Skalen unterschiedlichster Art beziehen oder auch selbst das nicht, solange eben eine Bindung an den ausdrücklich genannten Zentralton erkennbar bleibt.
Wie schwierig es ist, völlig bindungsfrei zu komponieren, zeigt die - dem eigenen Anspruch nach - tonartfreie Musik, vorsätzlich bei Alban Berg (Mordszene aus dem "Wozzeck" als Invention über den Ton h), aber auch generell: Vieles bei Berg, Schönberg u.v.a., läßt sich auf (wechselnde) Zentraltöne oder sogar tonale Zentren beziehen.
 
Wie schwierig es ist, völlig bindungsfrei zu komponieren, zeigt die - dem eigenen Anspruch nach - tonartfreie Musik, vorsätzlich bei Alban Berg
Alban Berg wollte das vermutlich gar nicht so haben. In seinem Violinkonzert enthält bereits die zugrunde gelegte Zwölftonreihe die vier im Quintabstand gestimmten Grundtöne der Violinsaiten und fügt dazwischen noch diverse Dur- und Mollterzen. Dazu kommen die Fremdzitate des Bach-Chorals und des Kärntener Ländlers, die eine Traditionsbindung nachdrücklich betonen. Und Schönberg schrieb im amerikanischen Exil etliche Stücke mit tonalem Bezug:







LG von Rheinkultur
 
Bingo! Allerdings sind die von Dir genannten Schönberg-Stücke neotonal. Interessanter sind in dem Zusammenhang panchromatische (=zwölftönig organisierte Stücke) wie das Klavierkonzert op.42, das hörbar tonale Zentren hat, oder die Ode op.41, deren Zentralton Es sich auf Beethovens 3.Symphonie bezieht.

Berg hat wohl immer den Schwebezustand zwischen Tonalität und Atonalität gesucht. Zentraltönigkeit gibt es häufiger bei ihm, z.B. in den Altenberg-Liedern, oder tonale Inseln in einem freitonalen Umfeld, z.B. Maries Gebets- und Märchenszene oder das d-Moll-Orchesterzwischenspiel aus dem "Wozzeck".

Das Violinkonzert ist schon ein Extremfall. Aber auch dort gibt es - zu Beginn des zweiten Teils - hochdissonante Abschnitte ohne tonales Zentrum, nach denen mir der Bach-Choral in seiner Originalharmonisierung etwas fremd vorkommt - was von Berg vielleicht beabsichtigt war?
 
Und um das Maß voll zu machen: In einigen späten Werken bei Anton Webern sind die zwölf Reihentöne abschnittsweise fixiert, d.h. sie haben eine feste Registerlage (zum Beispiel in der Symphonie op.21) - auch eine Art Tonalitätsersatz? Es trägt auf jeden Fall sehr zur Durchhörbarkeit der Musik bei. Die Symphonie op.21 war für mich das Erweckungserlebnis schlechthin.
 
Berg hat wohl immer den Schwebezustand zwischen Tonalität und Atonalität gesucht.
In der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts waren bei vielen Komponisten solche Schwebezustände ein allgegenwärtiger Bestandteil ihrer Kompositionsästhetik - vielleicht deshalb, weil in der seriellen Musik ein Höchstmaß an Abstraktion der kompositorischen Sprache und auf der aleatorischen Ebene ein Höchstmaß an Austauschbarkeit erreicht war? Da waren Extrempunkte erreicht, von denen ausgehend es nicht mehr weiterging.

Als einen typischen Vertreter einer solchen Positionierung würde ich György Ligeti nennen - und eine andere Möglichkeit wären das Aufgreifen von Zitaten und deren Verfremdung, für die Komponisten wie Bernd Alois Zimmermann oder Luciano Berio stehen mögen. Wenn man so will: Tonalität, die tonal ist, obwohl sie gar nicht tonal sein kann... .

LG von Rheinkultur
 
Interessant ist in dieser Hinsicht auch der zweite Satz der Klaviervariationen von Webern: jede Zweiergruppe aus Einzeltönen bzw. Akkorden bildet eine exakte Symmetrie zum Zentralton a'. Für mich ist das ein klarer Ersatz für die Tonalität; ganz besonders, weil man diesen Zentralton auch hörend wahrnimmt und das a' außerdem die am häufigsten vorkommende Note in diesem Satz ist.
 
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