es-Moll oder es-moll?

Und um das Maß voll zu machen: In einigen späten Werken bei Anton Webern sind die zwölf Reihentöne abschnittsweise fixiert, d.h. sie haben eine feste Registerlage (zum Beispiel in der Symphonie op.21) - auch eine Art Tonalitätsersatz?
So recht dran glauben mag ich nicht. Beim späten Webern sehe ich eher Ansätze, neben der Tonhöhe auch andere Parameter reihentechnisch zu organisieren. Diesen Weg sind andere Komponisten wie Pierre Boulez weitergegangen - Webern hatte aufgrund seines plötzlichen Todes durch fremde Hand dazu keine Möglichkeit.

LG von Rheinkultur
 
Beim späten Webern sehe ich eher Ansätze, neben der Tonhöhe auch andere Parameter reihentechnisch zu organisieren.
Das eine widerspricht dem andern nicht - und es unterscheidet Webern von den Serialisten der nachfolgenden Generation, die ein ziemlich wüstes Durcheinander als Klangeindruck bevorzugt haben. Die einzige Ausnahme findet man bei Karel Goeyvaerts, dem Erst-Serialisten, der Weberns nüchternem Klangbild gefolgt ist.
 
Interessant ist in dieser Hinsicht auch der zweite Satz der Klaviervariationen von Webern: jede Zweiergruppe aus Einzeltönen bzw. Akkorden bildet eine exakte Symmetrie zum Zentralton a'. Für mich ist das ein klarer Ersatz für die Tonalität; ganz besonders, weil man diesen Zentralton auch hörend wahrnimmt und das a' außerdem die am häufigsten vorkommende Note in diesem Satz ist.
Der Zentralton ist damit eine Symmetrieachse - ein Tonalitätsersatz? Möglicherweise ja und nein: Tonalität definiert sich traditionell auf horizontaler Ebene, indem Töne und Akkorde in ihrer Abfolge funktional auf ein bestimmtes Zentrum bezogen sind. Eine Symmetrieachse hingegen ist ein Bezugspunkt auf vertikaler Ebene. Also eher im positiven Sinne ein Ordnungsprinzip als im negativen Sinne ein Ersatz für eine fehlende tonale Bindung. Gerade aufgrund des durchsichtigen Satzbildes ist das unmittelbar wiederholte a' zwar sehr präsent - allerdings relativiert Webern diese Präsenz, indem dieser Ton leiser als die anderen zu spielen ist.

LG von Rheinkultur
 
Naja, wenn Einigkeit darüber besteht, daß Zentraltönigkeit à la Strawinsky (Sérénade in A) als Mittel zur Überwindung der Funktionstonalität dient und zugleich ein Tonalitätsersatz ist, ganz wichtig übrigens auch bei Bartók (Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta), warum sollte das für ein nontonales Umfeld nicht mehr gelten?

Der von tonaler Hörerfahrung gebeutelte Abendländer lechzt ja förmlich nach dem Vertrauten im Unvertrauten und hört sich tonale Zusammenhänge selbst dort zurecht, wo sie nicht intendiert sind. Die Registerfixierung wird bewußt als Hörkrücke eingesetzt, wobei Weberns Ziel immer die Faßlichkeit der musikalischen Ereignisse ist - deren Nachvollziehbarkeit.
 
es unterscheidet Webern von den Serialisten der nachfolgenden Generation, die ein ziemlich wüstes Durcheinander als Klangeindruck bevorzugt haben. Die einzige Ausnahme findet man bei Karel Goeyvaerts, dem Erst-Serialisten, der Weberns nüchternem Klangbild gefolgt ist.
Teils, teils - bei Boulez oder Barraqué gab es beispielsweise dieses aktionsintensive Klangbild, während Goeyvaerts eher im Zuge der vier Messiaen-Etüden in der Tat durchsichtige Sonoritäten bevorzugte. Auch der Messiaen-Schüler Stockhausen setzte zunächst bei frühen Arbeiten ("Kreuzspiel", "Formel") auf ein fast schon karges Satzbild.

LG von Rheinkultur
 
Endozentrisches Determinativkompositum?
Determinatum = Tongeschlecht = Dur, Moll (Subst., ergo Großschreibung)
Determinans = As, as (ikonisch, mal groß, mal klein)

Also, ich will mich hier nicht mit Abschweifungen unbeliebt machen, aber dazu will ich nun doch ein paar Zeilen loswerden:

1. Historisch gesehen ist die Frage zunächst völlig klar: »mollis« und »durus« sind in mittellateinischen Texten Adjektive und modifizieren die Tonhöhenangabe (»b durum«, »b molle«). Bei der Übernahme ins Mittelhochdt. wurden diese Ausdrücke bereits univerbiert; Grimm bietet den Beleg

bêdûre und ouch bêmolle
wart nie baz bedœnet.


Das sind, in Deinen Worten, endozentrische Komposita, allerdings solche des lat.-roman. "Barbarossa" -- Typs (mit »barba« als Nukleus / Determinatum und »rossa« als Modifikator / Determinans) und eben nicht eines des german. »Rotbart« - Typs, den Du für »b Moll« ansetzt. Solche historischen Überlegungen dürften hinter der Brockhaus-Rieman-Schreibung "A dur" / "B moll" stehen.

2. Aber dabei muß es ja keineswegs bleiben, denn »Dur« und »Moll« durchlaufen eine Bedeutungsextension von der Bezeichnung eines Tons auf der Skala zur Bezeichnung des Tonartengeschlechts, und damit einher geht offenbar ihre Substantivierung, wie die Möglichkeit von Ausdrücken wie »ein Stück in Moll« (Typ: »Frau in Gold«) zeigt. Die vormaligen Adjektive, relational und daher mit Kongruenzaffixen ausgestattet, werden zu absoluten Ausdrücken (typisch für Substantive). Das widerspiegeln die Groß- und die Getrenntschreibung.

3. Was sind die konstruktionellen Folgen dieser Extension?

a. eine eindeutige Funktionsverteilung Modifikatum / Modifikator gibt es nicht mehr; die Substantivierung der vormaligen Adjektive (Verlust der relationsmarkierenden Kongruenz) macht jedes der beiden »Wörter« referenzfähig (»Sonate in B« / »Sonate in Moll«).

b. Jedes der beiden kann also prinzipiell beide Funktionen übernehmen. Das Resultat ist ein Typ von Apposition wie lat. »fluvius Rhenus«, wo es ebenso ist.

c. Das gilt aber nur mit einer Einschränkung. Die Bewahrung und Fixierung der alten Wortstellung (A Dur vs. *Dur A, dagegen fluvius Rhenus vs. Rhenus fluvius) begünstigt die Interpretation von »A« bzw. »B« als Nukleus der Apposition und damit die von "dur" bzw. "moll" als Appositum, spricht Modifikator, denn in dt. Appositionen des Typs »Genosse Honecker« ist das Vorderglied Nukleus und das Hinterglied Appositum (weil nur das Vorderglied die syntaktischen Marker der Gesamtkonstruktion tragen kann: »die mitreißenden Reden des GenosseN Honecker«, nicht: HoneckerS). Grammatisch gesehen haben wir hier also wohl eine Analogiebildung zu einer endozentrischen Appositivkonstruktion mit "A" etc. als Nukleus (Determinatum) und "moll" als Modifikator (Determinans). Aus sprachwiss. Sicht wäre also die Schreibung "A Dur" / " B Moll" adäquat.

4. Aber Sprachverwender scheren sich um solche Dinge nun einmal nicht, und die Unterscheidung »Dur« (groß) vs. »moll« (klein) ist nicht nur ikonisch, sondern auch okönomisch. Und deswegen finde ich persönlich die Lösung der MGG »A Dur« vs. »b moll« am gelungensten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Henle Verlag schreibt a-moll und C-dur auf seine Hefte. Die sollten ja Bescheid wissen...Wirklich verwirrend.
 
E flat minor?
E Flat Minor?
E-flat-minor?
E-Flat-Minor?
E b min?
Ebmin?
........

To be continued......

Solange ich nur dieses Problem habe, geht's mir eigentlich noch ganz gut.

CW
 

Wenn ich mal zwischenrein fragen darf: Ist es ein Unterschied ob ich z.B. sage das Stück ist in a-moll oder C-Dur? Die Stücke sind ja immer in 1 Tonart angegeben. Warum ist denn ein Stück z.B. gerade in C-Dur und warum nicht a-Moll? Das Vorzeichen ist ja das selbe .... ich bin verwirrt :denken:
 
Die Stücke sind ja immer in 1 Tonart angegeben. Warum ist denn ein Stück z.B. gerade in C-Dur und warum nicht a-Moll? Das Vorzeichen ist ja das selbe .... ich bin verwirrt :denken:

Wenn z.B. häufig ein gis auftaucht, spricht das für a-Moll. Ansonsten hilft oft auch ein Blick auf die letzte Note/Akkord, diese ist häufig die Tonika (bzw. darauf aufgebauter Akkord) der entsprechenden Tonleiter. Ich höre meist auch den Unterschied zwischen Dur und Moll ;-)
 
Es ist u. A. deswegen nicht dasselbe, weil das eine Stück in Moll, das andere aber in Dur steht. Die Schichtung der Halb- und Ganztonschritte innerhalb einer Moll- und innerhalb einer Durtonleiter ist anders und das macht ihren Klang aus.

Zudem hat das Mollstück die Basis "a" - Tonika - und das andere die Basis "C".

A-moll und C- Dur sind etwas völlig Unterschiedliches, auch wenn es Paralleltonarten mit zunächst den gleichen Tönen sind.

CW
 
Es ist u. A. deswegen nicht dasselbe, weil das eine Stück in Moll, das andere aber in Dur steht. Die Schichtung der Halb- und Ganztonschritte innerhalb einer Moll- und innerhalb einer Durtonleiter ist anders und das macht ihren Klang aus.

Zudem hat das Mollstück die Basis "a" - Tonika - und das andere die Basis "C".

A-moll und C- Dur sind etwas völlig Unterschiedliches, auch wenn es Paralleltonarten mit zunächst den gleichen Tönen sind.

CW

ahhh ok. Das heisst Dur hat ja immer an 3. und 7. Stelle einen Halbton und bei Moll sind die dann an anderer Stelle (bei Moll an 2. und 5. Stelle???) kann man das so einfach ausdrücken?
 
Zunächst kann man das so ausdrücken, ja. Der auffallenste Unterschied ist die Terz. Eine A-moll-Terz klingt ganz anders als eine A-Dur-Terz. Eine Mollterz klingt weich und eine Durterz klingt hart.

CW
 
ja, stimmt. hab es auf dem klavier gerade mal versucht! Danke! :super:

jetzt versteh ich auch warum ein Akkord in dur oder moll ist :idee: je nachdem ob vor der Terz Halb- oder GAnzton ist oder?
 
Ist dann C-Dur-Akkord: C-E-G
und c-moll: C-es-g?
 
Einen Akkord kann man nur dann als Moll- oder Durakkord identifizieren, wenn er eine Terz enthält. Enthält er keine Terz, kann man in Bezug auf Moll oder Dur über ihn nichts aussagen. Enthält er aber eine kleine Terz, ist es ein Mollakkord. Enthält er eine große Terz, ist es ein Durakkord.

CW
 

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