Erstes Vorspiel...

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Johnny1900

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20. Jan. 2013
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Hallo Leute,

Ich weiß zum Thema gibts schon einige gesammelte Themen, die ich auch angelesen habe, aber ich dachte vielleicht habt ihr speziell für meinen Fall noch ein paar Tipps. Ich wäre sehr dankbar :)

Ich spiele schon seit einigen Jahren Klavier, habe aber noch nie bei einem "offiziellen" Vorspiel mitgemacht. Übermorgen ist es das erste Mal soweit und ich mache mir gewisse Sorgen.
Ich spiele "In Your Quiet Place" (Keith Jarrett) und Chopins Nocturne in Es-Dur ("verjazzt", inspiriert von Eugen Cicero). Die Stücke spiele ich schon lange und beherrsche sie im Schlaf, vorwärts, rückwärts..."rausfliegen" werde ich bestimmt nicht, zumal ich etwas Raum für Improvisation lasse.

Sorgen macht mir etwas anderes: Schon wenn ich vor Freunden/Familie vorspiele, zittern mir regelmäßig stark die Hände und sogar der Pedalfuß, was das saubere Spielen dann eher schwierig macht. Oft fange ich sogar entspannt an und das Zittern fängt erst später an, wenn ich mit denken anfange... was natürlich nicht unbemerkt bleibt und mir sehr unangenehm ist. Dabei meine ich im Kopf eigentlich locker an die Sache rann zu gehen. So auch dieses Mal. Aber mein Körper scheint eben sehr stark zu reagieren. Ein großer Vorteil des Vorspiels ist, dass es bei einem neuen Klavierlehrer ist und mich im Publikum keine Sau kennen wird :P Deshalb will ichs auch versuchen...

Dennoch, hätte der ein oder andere noch Tipps für mich, wie ich mich auf das Vorspiel mental vorbereiten könnte? Oder wie ich da "üben" könnte? Spielen üben muss ich eigentlich ja nicht mehr...
 
Ganz im Ernst: Trink einen doppelten Schnaps 20 Min.vorher.
Bei meinem ersten öffentlichen Auftritt mit 9 Jahren (Bass in einer Kapelle) ... hat mir meine Oma einen doppelten Klosterfraumelissengeist (heute weiss ich das der 60 % hatte) gegeben ... lief wie geschmiert und Alkoholiker bin ich trotzdem nicht geworden.

Alles Gute!

Hyp
 
Kamera, Mikro und ohne zu schummeln und inkl. Verspieler hier einstellen. Das machst Du so oft, bis es Dir nichts mehr ausmacht.
https://www.clavio.de/threads/vorspielen-und-aufnehmen-workshop.17109/

Daran ist etwas Wahres. Leider etwas spaet, aber schaffe daheim die Konzertatmosphaere. Verbeuge Dich vor dem imaginaeren Publikum, schalte das Aufnahmegeraet ein, spiele und hoere es Dir hinterher kritisch an.
Auszerdem finde ich es wichtig, sich zu vergegenwaertigen, dasz dem Publikum die Person des Auffuehrenden eigentlich egal ist. Das Publikum freut sich ueber schoene Musik und gute Unterhaltung. Ob nun Du spielst oder jemand anderer, ist eigentlich nicht so wichtig. Wichtig ist aber, warum Du spielst und weshalb Du ausgerechnet diese Stuecke spielst. Vergegenwaertige Dir, was die Stuecke Dir sagen, warum Du sie besonders findest und weshalb Du sie spielst. Du hast eine Aufgabe, die eben keine selbstdarstellerische ist. Wenn Du fuer jemanden kochst, willst Du ihn ernaehren, wenn Du jemandem etwas schenkst, willst Du eine Freude machen. Beim Musizieren ist es aehnlich. Aber wem zittern schon die Knie, wenn er ein Geschenk ueberreicht? Da mueszte es sich schon um eine ganz besondere Situation handeln. Konzentriere Dich also auf Deine Aufgabe, nicht Dein Befinden.
Viele Gruesze und gutes Gelingen wuenscht
Jannis
 
Sorgen macht mir etwas anderes: Schon wenn ich vor Freunden/Familie vorspiele, zittern mir regelmäßig stark die Hände und sogar der Pedalfuß, was das saubere Spielen dann eher schwierig macht. Oft fange ich sogar entspannt an und das Zittern fängt erst später an, wenn ich mit denken anfange... was natürlich nicht unbemerkt bleibt und mir sehr unangenehm ist.
Erfahrungswert aus der Gastronomie: Werden Tabletts mit zitternden Händen befördert, sind die Möglichkeiten, allerhand zu verschütten, nicht eben klein. Was tut die betreffende Servicekraft also? Sie konzentriert ihre Aufmerksamkeit zuallerletzt auf ihre Hände und das damit gehaltene Tablett - alles andere ist wichtiger. Wenn der Gast und der Weg dorthin im Blickfeld sind, hat es sich schnell ausgezittert.

Tritt man das erste Mal als Dirigent mit einem Stab vor das Orchester, kann das bebende und zitternde Stöckchen die Musiker geradezu verrückt machen. Also schaut man vorrangig auf die Ensemblemitglieder, nachrangig in die Noten und niemals auf die Hände - idealerweise hat der gut vorbereitete Ensembleleiter die Noten im Kopf und nicht den Kopf in den Noten. Kein Problem, diese Vorgabe auf den Spielapparat eines Pianisten zu übertragen.

Viel Erfolg und frohes Schaffen!

LG von Rheinkultur
 
Wie wärs mit der paradoxen Intention:

kurzer Auszug aus Wikipedia:
Eine paradoxe Intention ist eine von Viktor Frankl entwickelte psychotherapeutische Methode, in dem der Klient dazu angeleitet wird, eine neurotische Verhaltensweise mit dem Ziel ihrer Überwindung absichtlich auszuüben. Mittels dieser Technik lässt sich nach Frankl der Teufelskreis der Erwartungsangst, also der Angst vor der Angst durchbrechen. [1] [2] Viele Autoren sehen die paradoxe Intention als spezifische Technik der sogenannten paradoxen Intervention. [3] [4] [5]


Frankl illustriert die Methode unter anderem an einem Beratungsgespräch mit einer Studentin, die äußerst nervös bei ihm erscheint. Diese fordert er, entgegen normaler Gewohnheit, auf, dass sie sich anstrengen möge, noch nervöser zu sein. Die Studentin kommt dem nach und nach nochmaliger Aufforderung sich noch stärker anzustrengen, um noch nervöser zu werden, muss die Studentin lachen und ihre Nervosität ist dahin.[6]


Laut Frankl funktioniert das auch z. B. beim Erröten oder Hände zittern. Ich habs allerdings noch nie konkret vorher ausprobiert... ;-)

Entspannungstechniken helfen mir auch ganz gut, oder auch die Hände zwischen 2 Stücken kurz auf die Knie legen und tief durchatmen... Das hat mich das letzte Mal gerettet. Blöderweiße kam ich erst nach dem 2. Stück auf die Idee, weswegen ich die ersten beiden Stücke etwas "verzittert" habe.
 
Danke für die vielen Antworten!
Meine Taktik sieht jetzt wie folgt aus: Auf den Groove konzentrieren und Spaß haben! Technik, sauberes Spiel etc. sind mal zweitrangig.

Kamera, Mikro und ohne zu schummeln und inkl. Verspieler hier einstellen. Das machst Du so oft, bis es Dir nichts mehr ausmacht.
https://www.clavio.de/threads/vorspielen-und-aufnehmen-workshop.17109/

Hab ich gemacht! Die Smartphone-Qualität erspar ich euch aber lieber ;)

Ganz im Ernst: Trink einen doppelten Schnaps 20 Min.vorher.

Ich trink grad eig grad kein Alkohol, das änder ich dann morgen glaube eher nicht :P
Ich hab früher übrigens schon festgestellt dass ich schon nach geringen Mengen Alkohol nicht mehr gescheit spielen kann, geht das nur mir so?

Tritt man das erste Mal als Dirigent mit einem Stab vor das Orchester, kann das bebende und zitternde Stöckchen die Musiker geradezu verrückt machen. Also schaut man vorrangig auf die Ensemblemitglieder, nachrangig in die Noten und niemals auf die Hände

Ich spiel ohnehin alles auswendig, also in die Noten schauen hat sich erübrigt. Aber nicht auf die Hände, das wird glaube eher schwer?

Laut Frankl funktioniert das auch z. B. beim Erröten oder Hände zittern. Ich habs allerdings noch nie konkret vorher ausprobiert... ;-)

Ich probier mal noch mit heftig zitternden Händen zu spielen, mal sehen ;)
 
Ich hab früher übrigens schon festgestellt dass ich schon nach geringen Mengen Alkohol nicht mehr gescheit spielen kann, geht das nur mir so?

Nach geringen Mengen Alkohol spiele ich gelöster, d.h. es fällt mir leichter Emotionen im Spiel zu zeigen und ich mache mir weniger Gedanken darum, was ein Zuhörer über mein Spiel denkt. Die klassische enthemmende Wirkung von Alkohol.

Mit steigender Dosis lässt die Konzentrationfähigkeit nach, anspruchsvolle Stücke sind dann nicht mehr möglich, aber auch längeres Üben nicht. Außerdem setzt auch nach geringen Mengen bei mir nach einer Weile eine bleierne Müdigkeit ein, wenn die Abbauprodukte vom Alkohol im Körper sind.

Man sollte das Thema Alkohol aber auch nicht verharmlosen, denn es gibt genügend Profimusiker, die ohne Alkohol oder andere Drogen keine Konzerte mehr spielen können.

Ich probier mal noch mit heftig zitternden Händen zu spielen, mal sehen ;)
Es gibt natürlich Methoden, mit der man Nervösität bekämpfen kann. Sie brauchen aber alle Übung und meine persönlich Erfahrung ist, dass sie alle mehr versprechen als sie halten. Was wirklich hilft, ist Routine. Bei meinem ersten Vorspiel haben meine Hände gezittert, waren eiskalt und ich hatte das Gefühl irgendwelche unkontrollierbare Klumpen am Ende meiner Arme zu haben. Beim zweiten Mal war es schon viel besser.
 
Zuletzt bearbeitet:
Kurzer Nachbericht:
Es lief eigentlich gut, ich hab beide Stücke halbwegs sicher über die Bühne gekriegt.
Aber mir haben v.a. beim zweiten Stück wieder heftig die Hände und der Pedalfuß gezittert. Ich wusste ja dass das kommen kann, deshalb hab ich mich davon nicht all zu sehr aus der Ruhe bringen lassen. Überhaupt war ich eigentlich nicht sehr aufgeregt, auch bis kurz vor meinem Vorspiel nicht. Kurz davor vielleicht leichtes Herzklopfen etc. aber alles im Rahmen, im Prinzip recht entspannt. Aber dann eben wieder das Zittern während dem Vorspielen...
Ich denke das bekomme ich wirklich nur durch Erfahrung weg, also vorspielen, vorspielen, vorspielen. Wobei mir da etwas die Gelegenheiten fehlen, habt ihr Ideen wo man noch so in lockerer Runde vorspielen kann?
 
Kurzer Nachbericht:
Es lief eigentlich gut, ich hab beide Stücke halbwegs sicher über die Bühne gekriegt.
Aber mir haben v.a. beim zweiten Stück wieder heftig die Hände und der Pedalfuß gezittert. Ich wusste ja dass das kommen kann, deshalb hab ich mich davon nicht all zu sehr aus der Ruhe bringen lassen. Überhaupt war ich eigentlich nicht sehr aufgeregt, auch bis kurz vor meinem Vorspiel nicht. Kurz davor vielleicht leichtes Herzklopfen etc. aber alles im Rahmen, im Prinzip recht entspannt. Aber dann eben wieder das Zittern während dem Vorspielen...
Ich denke das bekomme ich wirklich nur durch Erfahrung weg, also vorspielen, vorspielen, vorspielen. Wobei mir da etwas die Gelegenheiten fehlen, habt ihr Ideen wo man noch so in lockerer Runde vorspielen kann?
versuch doch mal, Dich selbst beim Spielen mit der Kamera aufzunehmen. Das kommt einem Vorspiel vor Publikum schon recht nahe. Geht mir jedenfalls so.
 
Stell Dir vor, du müßtest in der Carnegie Hall auftreten, die bis auf den letzten Platz ausverkauft ist. Man erwartet zwei Werke von Dir: 1.) Der Mond ist aufgegangen, 2.) Hänschen klein, ging allein. Eine schlichte Volksliedbegleitung würde reichen. Würden da Deine Hände und Füße auch zittern? Wenn "Nein", dann scheint es also doch eher etwas mit der Pianistik als mit der Psyche ursächlich zu tun zu haben, die Psyche reagiert dann nur. Konsequenz: man hört vor Aufführungen leicht zu früh auf zu üben, und spielt nur noch. Nimm Phrase für Phrase, spiele sie auswendig, spiele sie extrem langsam, steiger das Tempo bis zur doppelten Lichtgeschwindigkeit, rhythmisiere die Wendungen, wähle andere Fingersätze, fang bei jedem beliebigen Ton oder Klang an. Wiederhole die Phrase, wenn es nötig ist, 200mal, ohne mit der Wimper zu zucken. Verfahre, wie beim Einstudieren: stell die Phrase in den Kontext, übe die Übergänge, etc. Meine nur nie, das Stück "ja zu können". Besser man sagt sich, man könne es nicht wirklich....Das Vorspielen wirkt wie ein Röntgengerät, dass die verborgenen Schwächen des Gerüsts deutlich macht. Daher sind Selbstaufnahmen und Probevorspiele in der Tat eine große Hilfe bei der Vorbereitung.
 
Zuletzt bearbeitet:

Mir hilft es immer mich selbst aufnehmen und das ich mir vorstelle das ich nicht schön spiele um den Leuten zu gefallen sondern weil ich möchte das die Musik schön klingt. Meistens bekomme ich das Hände zittern dann ganz gut in Griff. Aber letztes Vorspiel hab ich einmal einen total Aussetzer und dafür war der 2 Anlauf fast fehlerfrei. Nimm dich auf das hilft auf jeden Fall.
 
Zum Aufnehmen: Mit Kamera habe ich es ja schon getestet, leider stellt sich bei mir bisher nicht die Anspannung wie bei einem Konzert ein. Aber ich habe sowieso vor demnächst mal ein paar Aufnahmen zu machen und evtl auch hier rein zu stellen. Das habe ich noch nie gemacht, vielleicht hats ja doch einen Effekt - einen Lerneffekt mit Sicherheit.

Stell Dir vor, du müßtest in der Carnegie Hall auftreten, die bis auf den letzten Platz ausverkauft ist. Man erwartet zwei Werke von Dir: 1.) Der Mond ist aufgegangen, 2.) Hänschen klein, ging allein. Eine schlichte Volksliedbegleitung würde reichen. Würden da Deine Hände und Füße auch zittern?

Ja, da bin ich mir recht sicher.
Ich habe früher Stücke Stumpf auswendig gelernt, ohne sie wirklich zu verstehen. Konsequenz: Ich bin, auch zu Hause, oft rausgeflogen und wusste überhaupt nicht mehr wo vorne und hinten ist.
Ich habe mich in der Folge mehr mit Musiktheorie und auch improvisiertem Klavierspiel befasst. Ich spiele eigentlich fast nichts mehr so wie es da steht, sondern habe immer die Harmonien etc. im Kopf und die Melodie im Ohr. Seit dem ist rausfliegen für mich kein Thema mehr. Ich kann ohne Probleme in jedem Takt einsetzen, extrem langsam spielen etc, und habe auch beim Vorspiel keine Sorge gehabt rauszufliegen. Ich stelle zwar durchaus fest dass bei Stücken die ich schon länger spiele und besser beherrsche, die Aufregung entsprechend geringer ist, aber das ist ein anderes Thema. Da weiß ich ja wo ich ansetzen muss...
Unabhängig davon fängt bei manchem Publikum das große Zittern auch bei einfachen Stücken an. Und mit diesem Problem habe ich mich bisher noch wenig beschäftigt und bin deshalb etwas ratlos...
 
Danke für den Bericht!

Ich war noch nicht oft in in einer konzertartigen Vorspielsituation. Nächste Woche wird es wieder so weit sein. Es macht für mich einen Unterschied, ob ich mich im privaten Kreis mal ans Klavier setze und etwas vorspiele oder ob dieser Auftrittsaspekt dazu kommt, ich also auf eine Art von Bühne hinaus muss. Nervös bin ich auch im privaten Kreis, die zitternden Hände kenne ich nur von der Auftrittssituation.

Was mir bei diesen paar Auftritten aufgefallen ist: ich brauche eine Zeit, bis ich wirklich auch geistig angekommen bin. Klingt jetzt vielleicht esoterisch, aber es war am Anfang immer ein bisschen eine außerkörperliche Erfahrung: Ich beobachte mich quasi selbst, wie ich da hocke und mich irgenwie ferngesteuert durch die Takte zittere. Dieses Gefühl hat sich dann im Laufe des Spiels gelöst.

Meine Strategie für nächste Woche wird sein, mir mehr Zeit zu lassen, auch geistig am Klavier anzukommen, also da wirklich mal eine Viertelminute dazusitzen und mich an die Umgebung gewöhnen und mich dann auf das geile Gefühl zu konzentrieren, auf einem tollen Konzertflügel in angenehmer Akustik zu spielen.

Liebe Grüße
Gernot
 

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