Eine traurige Entwicklung

Man stelle sich einen Besuch beim Optiker vor. Man sitzt am Phoropter* und der Optiker fragt ständig sowas wie "ist -2 Dioptrien mit einem Astigmatismusausgleich von +0,75 in 34° besser, oder -2,75 Dioptrien ohne Astigmatismusausgleich?".
Stattdessen fragt man einfach "ist das erste oder das zweite besser?".

Wenn man sich als Lehrer wundert, wieso der Schüler nicht dur und moll auseinanderhalten kann, hat man den falschen Beruf. Die Aufgabe ist nicht nur , bereits vorhandenes Wissen abzufragen, sondern neues Wissen erfahrbar zu machen.

*ein Gerät mit dem man die empfundene Sehstärke herausfinden kann
 
Hegel wie Adorno lehnen die Beschäftigung mit einer subjektiven Ästhetik grundsätzlich ab, da sie nicht logisch erfassbar und analysierbar ist.
Eher nein als ja: Was soll subjektive Ästhetik sein?
Dass Adorno etwas ablehnt, weil es nicht logisch analysierbar ist, ist falsch. Seine ganze Erkenntniskritik zielt darauf, nicht davon auszugehen, dass das "Logische", das Identifizierbare, das Ganze ist. Es bleibt ein nicht zu bestimmender nicht-identischer Rest an den Dingen, der nicht von Verstandeskategorien wegsortiert werden kann, und diesen ertragen zu können ist das "Ziel" einer ausgebildeten, aufgeklärten Persönlichkeit/psychischen Struktur.
Richtig ist eher, dass Adorno und Hegel Verfechter einer "Werkästhetik" sind, d.h. der Sinn, Wahrheitsgehalt liegt in den Werken selbst und kommt nicht von außen hinzu. Dass es keine Kunst ohne ihre Rezeption gibt gehört natürlich dazu.

Mag ja sein, dass ich da irgendwas nicht weiß und der Adorno in Wirklichkeit ein kleiner Schlingel war, der gerne seinen Eumel in süße Girls reinhielt und gerne mal abdancte - aber mir erscheint der ganze Mensch Adorno so was von seinem Körper entfremdet und freudlos, dass es einen nicht wundert, dass er solche Theorien vertrat.
Mit Psychologisierungen macht man es sich immer einfach und falsch. Selbst wenn seine psychische Verfassung Anlass seiner Schriften ist, sagt das etwas über ihren Wahrheitsgehalt aus? (Anders: Auch der Paranoiker kann verfolgt werden)
Adorno wehrt sich dagegen, seine persönlichen Vorlieben in der Öffentlichkeit zu diskutieren, weil er natürlich auch "Blödsinn" hört, aber vor allem, weil es nicht relevant für eine Debatte über Kunst ist.

Ich habe diesen Artikel dazu gefunden:
Letztendlich ist auch der eigene Gemütszustand entscheidend und wie wir basierend auf persönlichen Erfahrungen Musik registrieren – zusammengefasst, Musik wird subjektiv wahrgenommen.
Die persönlichen Erfahrungen sind aber gar nicht so persönlich, wir haben sehr viel gemeinsame Erfahrungen gemacht, weil wir in der selben Welt aufgewachsen sind und unsere Umgebung teilen. Und auch wenn selbst Gehör sich historisch entwickelt hat und zusätzlich die eigene Sozialisation eine Rolle spielt, so kann man doch von gemeinsamen Erfahrungen ausgehen, weshalb auch ähnliche Erfahrungen an Kunst gemacht werden können.

__________

Man mag immer gern seinen persönlichen Geschmack verteidigen und Gründe suchen, warum Kritik daran falsch ist. Aber wenn man wirklich den Anspruch der Kunst ernst nimmt und nach Wahrheit sucht, oder dem Aufscheinen des "Noch-nicht-seins" von wünschenswerten Zuständen, die man in der Kunst nach Adorno findet, dann ist persönlicher Geschmack vollkommen irrelevant. Zudem man wirklich bedenken sollte, inwiefern dieser persönliche Geschmack gar nicht so persönlich ist, sondern das Ergebnis davon, dass man von Geburt an kulturindustriellen Produkten ausgeliefert ist, die keine Kunst sondern nur noch Waren sind, die an den Mann gebracht werden sollen.

Zum dem anderen Text und Jazz später mehr :)
 
Eher nein als ja: Was soll subjektive Ästhetik sein?
Dass Adorno etwas ablehnt, weil es nicht logisch analysierbar ist, ist falsch. Seine ganze Erkenntniskritik zielt darauf, nicht davon auszugehen, dass das "Logische", das Identifizierbare, das Ganze ist. Es bleibt ein nicht zu bestimmender nicht-identischer Rest an den Dingen, der nicht von Verstandeskategorien wegsortiert werden kann, und diesen ertragen zu können ist das "Ziel" einer ausgebildeten, aufgeklärten Persönlichkeit/psychischen Struktur.
Richtig ist eher, dass Adorno und Hegel Verfechter einer "Werkästhetik" sind, d.h. der Sinn, Wahrheitsgehalt liegt in den Werken selbst und kommt nicht von außen hinzu. Dass es keine Kunst ohne ihre Rezeption gibt gehört natürlich dazu.
In seiner ''Einführung in die Musiksoziologie'' nimmt er diesbezüglich in der von mir dargelegten Weise klar Stellung und verwendet auch diesen Begriff und schließt sich explizit Hegel an, soweit ich mich erinnere, kann das aber jetzt nicht belegen, da ich keine Lust habe, ewig nach dem Zitat zu suchen. Gelesen habe ich das als Student in einem dieser Suhrkamp-TB, die sich vielleicht noch in Kartons auf dem Dachboden befinden, da sie nach dem Lesen derart knitterig sind, dass sie im Regal nach subjektiven ästhetischen und vielleicht auch objektiven Ansprüchen nicht mehr akzeptabel sind - Taschenbücher sind nach dem Lesen einfach hässlich. (Ich vermute, es steht irgendwo in den einleitenden Abschnitten. Der Titel ist übrigens sehr empfehlenswert und ohne weitere Vorbildung gut verständlich.)
 
@SchönesWetter
In der Einleitung zur Musiksoziologie hat die "PDF-durchsuchen" Funktion tatsächlich nicht die Kombination "subjektive Ästhetik" gefunden, dafür in der Ästhetischen Theorie:
"Der Kunstbegriff, auf den der Positivismus hinaus möchte, konvergiert mit dem der Kulturindustrie, die tatsächlich ihre Produkte als die Reizsysteme organisiert, welche die subjektive Projektionstheorie für Kunst unterschiebt. Hegels Argument gegen die subjektive, auf die Empfindung der Rezipierenden gegründete Ästhetik war deren Zufälligkeit. Bei dieser ist es nicht geblieben. Das subjektive Wirkungsmoment wird von der Kulturindustrie kalkuliert, nach statistischem Durchschnittswert zum allgemeinen Gesetz. Es ist objektiver Geist geworden. Das jedoch schwächt jene Kritik Hegels nicht ab. Denn die Allgemeinheit gegenwärtigen Stils ist das negativ Unmittelbare, die Liquidation jeglichen Wahrheitsanspruchs der Sache ebenso wie der permanente Betrug an den Rezipierenden durch die implizite Versicherung, um ihretwillen sei da, wodurch ihnen bloß das Geld wieder abgenommen wird, das die konzentrierte ökonomische Macht ihnen zuschießt. Das lenkt erst recht die Ästhetik – und auch die Soziologie, soweit sie als eine vorgeblicher Kommunikationen der subjektiven Ästhetik Zutreiberdienste leistet – auf die Objektivität des Kunstwerks."
Merci!
Trotzdem bleibt mein Punkt mit dem "logisch Analysierbaren", den nehme ich erst gegen Belege zurück :D
 
Ästhetische Theorie - das war einer der anderen Adorno-Titel, den ich damals gelesen habe. Ich habe hier noch ''Noten zur Literatur'' und ''Philosophie der neuen Musik'' ungelesen gefunden. Das Papier ist bereits vergilbt ( :lol: ). Man braucht zwei Leben, um das alles durchzuarbeiten. Diese zwei Titel stehen auch nicht in meiner'' Bucket List''. Wenn es so etwas wie sprachliche Virtuosität gibt, dann u.a. bei Adorno.
Den Ausdruck ''logisch analysierbar'' verwendet er nicht, sondern drückt es anders aus. Im Satzzusammenhang mit der Subjektivität verwendet er die Begriffe ähnlich wie ''dunkle Abgründe menschlicher Gefühlswelten''. Wenn du pdf-mäßig die Werke vorliegen hast, könntest du nach ''dunkle Abgründe'', ''dunklen Abründen'' oder ''dunkle'' suchen. Vielleicht findest du so den von mir gemeinten Satz.
 
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Eher nein als ja: Was soll subjektive Ästhetik sein?
Dass Adorno etwas ablehnt, weil es nicht logisch analysierbar ist, ist falsch. Seine ganze Erkenntniskritik zielt darauf, nicht davon auszugehen, dass das "Logische", das Identifizierbare, das Ganze ist. Es bleibt ein nicht zu bestimmender nicht-identischer Rest an den Dingen, der nicht von Verstandeskategorien wegsortiert werden kann, und diesen ertragen zu können ist das "Ziel" einer ausgebildeten, aufgeklärten Persönlichkeit/psychischen Struktur.
Richtig ist eher, dass Adorno und Hegel Verfechter einer "Werkästhetik" sind, d.h. der Sinn, Wahrheitsgehalt liegt in den Werken selbst und kommt nicht von außen hinzu. Dass es keine Kunst ohne ihre Rezeption gibt gehört natürlich dazu.


Mit Psychologisierungen macht man es sich immer einfach und falsch. Selbst wenn seine psychische Verfassung Anlass seiner Schriften ist, sagt das etwas über ihren Wahrheitsgehalt aus? (Anders: Auch der Paranoiker kann verfolgt werden)
Adorno wehrt sich dagegen, seine persönlichen Vorlieben in der Öffentlichkeit zu diskutieren, weil er natürlich auch "Blödsinn" hört, aber vor allem, weil es nicht relevant für eine Debatte über Kunst ist.


Die persönlichen Erfahrungen sind aber gar nicht so persönlich, wir haben sehr viel gemeinsame Erfahrungen gemacht, weil wir in der selben Welt aufgewachsen sind und unsere Umgebung teilen. Und auch wenn selbst Gehör sich historisch entwickelt hat und zusätzlich die eigene Sozialisation eine Rolle spielt, so kann man doch von gemeinsamen Erfahrungen ausgehen, weshalb auch ähnliche Erfahrungen an Kunst gemacht werden können.

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Man mag immer gern seinen persönlichen Geschmack verteidigen und Gründe suchen, warum Kritik daran falsch ist. Aber wenn man wirklich den Anspruch der Kunst ernst nimmt und nach Wahrheit sucht, oder dem Aufscheinen des "Noch-nicht-seins" von wünschenswerten Zuständen, die man in der Kunst nach Adorno findet, dann ist persönlicher Geschmack vollkommen irrelevant. Zudem man wirklich bedenken sollte, inwiefern dieser persönliche Geschmack gar nicht so persönlich ist, sondern das Ergebnis davon, dass man von Geburt an kulturindustriellen Produkten ausgeliefert ist, die keine Kunst sondern nur noch Waren sind, die an den Mann gebracht werden sollen.

Zum dem anderen Text und Jazz später mehr :)
Meine Anmerkung bezog sich auf Henrys Meinung, dass Musikunterricht an Schulen nicht so wichtig sei.
Ich bin anderer Meinung und diese bezieht sich auf folgenden Abschnitt des von mir verlinkten Artikels.


-Jedoch liegen Ergebnisse vor, die positive Auswirkungen musikalischer Aktivitäten bei Schülern im emotionalen und sozialen Bereich aufzeigen, auch in Verbindung mit Motivations- und Leistungssteigerungen. Große Aufmerksamkeit erlangte in diesem Zusammenhang das durch den Dokumentarfilm „Rhythm is it“ bekannt gewordene Bildungsprojekt, in dem 250 Hauptschüler unter Leitung von Sir Simon Rattle ein von den Berliner Philharmo- nikern gespieltes Ballett probten und aufführten. Dabei war es offensichtlich gelungen, zunächst wenig motivierte Kinder und Jugendliche zu Disziplin und erstaunlichen Leis- tungen zu bringen. Ähnliche Projekte im Rahmen von Anstrengungen zur Gewaltprä- vention an Schulen erscheinen ebenfalls erfolgversprechend.-
 
"Richtig ist eher, dass Adorno und Hegel Verfechter einer "Werkästhetik" sind, d.h. der Sinn, Wahrheitsgehalt liegt in den Werken selbst und kommt nicht von außen hinzu. Dass es keine Kunst ohne ihre Rezeption gibt gehört natürlich dazu."

Was soll das für ein "Wahrheitsgehalt" sein? Wie ist dieser Begriff definiert? Mein Geschwurbel-Sensor schlägt aus.
 
Was soll das für ein "Wahrheitsgehalt" sein? Wie ist dieser Begriff definiert? Mein Geschwurbel-Sensor schlägt aus.
Bei Forderung nach "Definitionen" für philosophisch anspruchsvolle Begriffe schlägt mein Geschwurbel-Sensor aus ;)

Zu Wahrheit in der Kunst wird niemand eine Definition geben können, aber es wurde viel (wissenschaftlich!) darüber geschrieben. Wenn es dich tatsächlich interessiert sind die Vorlesungen zur Ästhetik von Hegel und dann anspruchsvoller Adornos Ästhetische Theorie spannend. Es ist ein ganzes "Forschungsfeld", um das sich natürlich gestritten wird.

Vielleicht ganz kurz: Kunst bezieht sich auf Gesellschaft und stellt etwas dar. Jedes Werk hat einen Inhalt, Sinn und das Werk darf dann erst Kunst heißen, wenn etwas Neues verhandelt wird und daran eine Erfahrung gemacht werden kann, die auf eine Lücke, ein noch-nicht der Gesellschaft hinweist. Sie kann auch sich selbst reflektieren, es muss bloß irgendwas dort passieren, eben keine Beliebigkeit.

Vielleicht auch noch zu @Klein wild Vögelein
Ich weiß, dass es nicht dein Hauptpunkt war, aber danach ging es hier ja um Subjektivität der musikalischen Erfahrung oder so (auch von @Häretiker), deshalb wollte ich den Punkt machen: Wahrheit in Abgrenzung zu subjektiver Empfindung
 
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Bei Forderung nach "Definitionen" für philosophisch anspruchsvolle Begriffe schlägt mein Geschwurbel-Sensor aus ;)

Zu Wahrheit in der Kunst wird niemand eine Definition geben können, aber es wurde viel (wissenschaftlich!) darüber geschrieben.
Über einen undefinierbaren Begriff kann man nicht wissenschaftlich arbeiten. Wohl aber kann man so tun als ob ;-)
 
Über einen undefinierbaren Begriff kann man nicht wissenschaftlich arbeiten. Wohl aber kann man so tun als ob ;-)
Folgendes gilt für jede Definition, der Analytiker sagt:
Wahrheit ist nichts anderes, als dass etwas mit den Tatsachen übereinstimmt.
Nun: Was sind denn Tatsachen? Was heißt übereinstimmen?

Oder: Eine Stute ist nichts anderes als ein weibliches Pferd.
Was heißt "ist" oder "ist nicht"? Was heißt "sein"???

Und herzlich willkommen erst am Anfang aller Philosophie.
Ich komme auch aus der Naturwissenschaft und hätte es mal formuliert wie du @schmickus, aber ich konnte meinen Fehler einsehen.
Und Wissenschaft, die ihre Voraussetzungen nicht reflektiert, ist keine, deshalb Schwurbelei.
 
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