Eine traurige Entwicklung

Ein Beispiel der Ausübenden Jazzer mit Publicity: Woody Allen, Wynton Marsalis und Jeff Goldblum kommen von ganz oben. Satchmo und viele andere schwarze Musiker von ganz unten. Bei der Hörerschaft in den Klubs verhält es sich ähnlich. Je nach Konzert trifft man dort auch ehemalige Schullehrer, Mitschüler oder leitende Angestellte, Vertriebsmitarbeiter ortsansässiger Firmen etc.etc. neben interessierten jüngeren Schülern (die noch über eine musikalische Grundausbildung verfügen) oder auch mal ein verirrter Hein Blöd.
Und in Deutschland ist das auch so? Bei den Jazz Konzerten, wo ich in letzter Zeit war, waren eher gebildete Leute
 
95% aller Leute halten Jazz entweder für beklopptes Gedudel oder alte Negermusik.
 
Das Fadenthema hat mich nun doch neugierig gemacht.

In BaWü war es so so, dass Musik in der Primarschule mit dem Bildungsplan 2004-2016 quasi verschwunden ist bzw. in das Fach mit den interessanten und faszinierenden ;-)Titel "MeNuK" (= Mensch, Natur und Kultur) integriert wurde.

Was man dann da zu machen hatte, stand im damaligen Bildungsplan (ab Seite 95).



Danach kehrte Musik als Fach erfreulicherweise wieder in die Grundschule zurück, im Studium als mögliches 3. Fach in Konkurrenz mit einigen anderen. (Deutsch und Mathe müssen immer vertieft oder in Grundbildung belegt werden. Das ist nachvollziehbar.)
Auch als Erweiterungsfach kann man es belegen, merkwürdigerweise nur in Kombi mit Kunst.
Fortbildungen gibt es natürlich auch.

Die persönliche Erfahrung ( mit den eigenen Kindern, Nichten und Neffen) war:
Man kann Glück oder Pech haben. Da gab/gibt es unglaublich engagierte Leute, die Musicals mit den Grundschulkindern oder andere Events auf die Beine stellen (sogar als Projekt zusammen mit der Lernforschung - ich glaube, an der Uni Ulm war das - habe ich das mitbekommen). Es sind natürlich immer die Kolleginnen und Kollegen, die - aus welchen Gründen auch immer - ein Affinität zur Musik haben.

Haben die Kinder Pech, ist eben keine Lehrkraft an der Grundschule, die sich interessiert und mit Engagement einbringt.
 
95% aller Leute halten Jazz entweder für beklopptes Gedudel oder alte Negermusik.

Laut einer Studie halten es 48% der US-Amerikaner für möglich, dass Kakao von braunen Kühen stammt. 7% dagegen sind fest davon überzeugt, dass es so ist. Xavier Naidoo glaubt an eine flache Erde. Viele Leute glauben, wenn ein Flugzeug abstürzt, muss die StuKa-Sirene erklingen. Viele Leute halten mein Sopransaxophon für eine Metallklarinette, die Bassklarinette jedoch für ein Holzsaxophon.

Bildung hilft!

Grüße
Häretiker
 
Theodor W. Adorno hat sich zwar nicht über den Mangel an Musiklehrern Gedanken gemacht, jedoch über den Verfall des Hörens. Besonders in dem Essay "Über den Fetischcharakter in der Musik und die Regression des Hörens". Ich kann den Text gern Interessierten schicken, macht irgendwie auf euch aufmerksam :)

Er beginnt mit:
"Klagen über den Verfall des musikalischen Geschmacks sind kaum jünger als die zwiespältige Erfahrung, welche die Menschheit auf der Schwelle zum historischen Zeitalter machte: daß Musik zugleich die unvermittelte Kundgabe des Triebes und die Instanz zu dessen Sänftigung darstellt."
 
Theodor W. Adorno hat sich zwar nicht über den Mangel an Musiklehrern Gedanken gemacht, jedoch über den Verfall des Hörens. Besonders in dem Essay "Über den Fetischcharakter in der Musik und die Regression des Hörens". Ich kann den Text gern Interessierten schicken, macht irgendwie auf euch aufmerksam :)

Er beginnt mit:
"Klagen über den Verfall des musikalischen Geschmacks sind kaum jünger als die zwiespältige Erfahrung, welche die Menschheit auf der Schwelle zum historischen Zeitalter machte: daß Musik zugleich die unvermittelte Kundgabe des Triebes und die Instanz zu dessen Sänftigung darstellt."

Ich gebe zu, einfach mal aus dem Zusammenhang zitiert:

"... Man muß viel freie Zeit und wenig Freiheit haben, um sich zum Jazzexperten auszubilden ..."
Uns selbst dann:
" ... vergleicht man die Sachkenntnis eines Jazzexperten mit der eines Toscaniniverehrers, so ist jener die-sem weit überlegen ..."

Ja, Adorno und Jazz, ein steter Quell der Erheiterung. ;-)

Grüße
Häretiker
 
Das Problem bei Adorno ist, dass er die klassische Kunstmusik als die eine gültige Musik betrachtet und alles, was nicht klassische Kunstmusik ist, als minderwertig verdammt. Damit ist er nicht weit entfernt von jenen, die z.B. den Rhythm & Blues der 1950er-Jahre als „primitive Tanzmusik“ oder gar als „Negermusik“ bezeichnet haben. Für Adorno war Musik eine rein geistige Angelegenheit, in der körperlich betonte Musikstile wie eben Tanzmusik der Jugend gewissermaßen Teufelszeug sind. Adorno lehnt im Zusammenhang mit Musik die menschliche Eigenschaft
ab.
 
Ich gebe zu, einfach mal aus dem Zusammenhang zitiert:

"... Man muß viel freie Zeit und wenig Freiheit haben, um sich zum Jazzexperten auszubilden ..."
Uns selbst dann:
" ... vergleicht man die Sachkenntnis eines Jazzexperten mit der eines Toscaniniverehrers, so ist jener die-sem weit überlegen ..."

Ja, Adorno und Jazz, ein steter Quell der Erheiterung. ;-)

Grüße
Häretiker
Ich war kurz davor mir Mühe zu geben, um den Zusammenhang darzustellen. Aber zum Glück ist mir noch eingefallen, dass du dich selbst aktiv dagegen gewehrt hast, zu verstehen, was Adorno meint. Zitate aus dem Kontext zu reißen macht die Erheiterung natürlich leicht, wo vielleicht ein anderes Gefühl vorherrschen sollte.
 
Das Problem bei Adorno ist, dass er die klassische Kunstmusik als die eine gültige Musik betrachtet und alles, was nicht klassische Kunstmusik ist, als minderwertig verdammt. Damit ist er nicht weit entfernt von jenen, die z.B. den Rhythm & Blues der 1950er-Jahre als „primitive Tanzmusik“ oder gar als „Negermusik“ bezeichnet haben. Für Adorno war Musik eine rein geistige Angelegenheit, in der körperlich betonte Musikstile wie eben Tanzmusik der Jugend gewissermaßen Teufelszeug sind. Adorno lehnt im Zusammenhang mit Musik die menschliche Eigenschaft

ab.
Es ist für ihn kein Teufelszeug, er schreibt, der falsche Schein des revolutionären/emanzipatorischen Charakters dieser Musik hält die Menschen davon ab, sich tatsächlich zu emanzipieren. Also eher, man solle jeden befähigen "ernsthafte Musik" verstehen zu lernen, und nicht die Ungebildeten ohne Aufklärung lassen.
Das (*vermeintliche) Ausleben des Triebs (*beim Tanzen) gaukelt Freiheit dort vor, wo sie nicht ist, sondern man eigentlich im Rhythmus stampft.
 
Die Frage die sich mir stellt - ist Musikunterricht an der Schule zwingend?

Es ist zum einen kein versetzungsrelevantes Fach und vorwiegend geht es ja auch um Musikgeschichtliches so wie das Analysieren von Werken.

Sangesfreudige kommen im Musikunterricht eh zu kurz, aber da gibt es die kostenlosen Möglichkeiten in Chören und Gesangsvereinen mitzuwirken.

Wenn ich noch an die 5.Klasse zurückdenke - Meistersinger wurd da behandelt - für so Kleinjugendliche die eher für ABBA, Stones usw. zu begeistern waren, schon eine etwas unverdauliche Kost.

Ich denke, Musikunterricht an den Schulen sollte fakultativ angeboten werden, ebenso wie Kunsterziehung.

Wenn Schüler für so etwas nicht zu begeistern sind, ist ein solcher Unterricht für die Katz.
 

Aber zum Glück ist mir noch eingefallen, dass du dich selbst aktiv dagegen gewehrt hast, zu verstehen, was Adorno meint.

Grundsätzlich verstehe ich ihn, habe aber kein Verständnis dafür. :-)

Zitate aus dem Kontext zu reißen macht die Erheiterung natürlich leicht, wo vielleicht ein anderes Gefühl vorherrschen sollte.

Welches Gefühl erwartet Du: Erbauung, Ehrfurcht, ...?

Immerhin habe ich explizit(!) darauf hingewisen, dass ich aus dem Zusammenhang zitiert habe. Du darfst aber gerne den fehlenden Kontext ergänzen, wenn Du magst.

Grüße
Häretiker
 
Es ist zum einen kein versetzungsrelevantes Fach und vorwiegend geht es ja auch um Musikgeschichtliches so wie das Analysieren von Werken.

Ob es versetzungsrelevant ist, hängt wohl - wie fast immer! - vom Bundesland ab.

Sangesfreudige kommen im Musikunterricht eh zu kurz, aber da gibt es die kostenlosen Möglichkeiten in Chören und Gesangsvereinen mitzuwirken.

Da hatte unsere Schule einen Schulchor, Samstag 5. Stunde (regulär war samstags nach der vierten Schulen Unterrichtsende). Mit dem Bonus, dass konstruktive Teilnahme natürlich ein Bonus war, wenn der Musik-Note verteilt wurde.

Wenn ich noch an die 5.Klasse zurückdenke - Meistersinger wurd da behandelt - für so Kleinjugendliche die eher für ABBA, Stones usw. zu begeistern waren, schon eine etwas unverdauliche Kost.

Bei uns erst in der ausgehenden Mittelstufe oder Oberstufe. Inklusive Opernbesuch.

Wenn Schüler für so etwas nicht zu begeistern sind, ist ein solcher Unterricht für die Katz.

Das trifft für Sport ebenfalls zu. Böse Zungen behaupten, für Geschichte oder Physik gilt das ebenfalls. Man kann den Führer ertränken, aber das Pferd ist am Trog, oder so ähnlich.

Grüße
Häretiker
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Frage die sich mir stellt - ist Musikunterricht an der Schule zwingend?

Es ist zum einen kein versetzungsrelevantes Fach und vorwiegend geht es ja auch um Musikgeschichtliches so wie das Analysieren von Werken.
Dann müsste man auch Kunst (wie Du auch unten schreibst) und Sport streichen. Alle 3 Fächer sind nicht versetzungsrelevant bzw. es zählt das beste Fach der drei. (So ist es zumindest in BaWü; "KuMuTu"-Erlass. Dass man in allen drei Fächern eine 5 hat, ist sehr unwahrscheinlich.)
Würde Sport gestrichen, gäbe es sicher einen empörten lauten Aufschrei im Land.
Sangesfreudige kommen im Musikunterricht eh zu kurz, aber da gibt es die kostenlosen Möglichkeiten in Chören und Gesangsvereinen mitzuwirken.
Naja, das kommt aber auf den Unterricht an. Da gibt es große Unterschiede. Und selbst der von mir zitierte (unsägliche) Bildungsplan in BaWü von 2004-2016 nennt verbindliche Lieder für die Klassen 1/2 und 3/4.
Wenn ich noch an die 5.Klasse zurückdenke - Meistersinger wurd da behandelt - für so Kleinjugendliche die eher für ABBA, Stones usw. zu begeistern waren, schon eine etwas unverdauliche Kost.
Uff, die Meistersinger in Klasse 5? Als Klassiker kenne ich die "Zauberflöte" und den "Freischütz" als Einstieg in die Welt der Oper, und das so ab KLasse 7.
Ich bin keine Musikdidakterin, aber spontan aus dem hohlen Bauch heraus finde ich das eine bessere Wahl.
Ich denke, Musikunterricht an den Schulen sollte fakultativ angeboten werden, ebenso wie Kunsterziehung.

Wenn Schüler für so etwas nicht zu begeistern sind, ist ein solcher Unterricht für die Katz.
Das wird freilich bei allen Schulfächern so sein.

Ich denke, es geht auch um eine Begegnung mit Facetten unserer Welt, die nicht zwingend in jedem Elternhaus angeboten werden.
Ich war ganz dankbar für meinen Kunstunterricht, obwohl ich praktisch nicht sonderlich begabt bin.
 
Ich denke, Musikunterricht an den Schulen sollte fakultativ angeboten werden, ebenso wie Kunsterziehung.
Ganz klares Nein! Denn die Schule ist für viele Kinder und Jugendliche der einzige Ort, an dem sie die Chance haben, mit Musik in Berührung zu kommen. Das Gleiche gilt für den Schulsport und für Kunst. Musikunterricht läuft heutzutage zum allergrößten Teil mit Musikpraxis ab, Theorie gibt es nur, wenn sie dem praktischen Musikmachen dient, nicht als Selbstzweck. Musikunterricht soll in erster Linie nicht gute Musiker herausbilden, sondern Kindern die Erfahrung ermöglichen, sich auf eine einzigartige Weise mit der Welt auseinanderzusetzen und sich auf unvergleichliche Weise auszudrücken. Außerdem soll Musikunterricht Lust auf mehr machen, z.B. auf privaten Instrumentalunterricht und privates Besuchen von Konzerten. Fakultativ ist Musikunterricht ab Jahrgang 9 vorgesehen. Davor ist er ein unverzichtbarer Bestandteil der Allgemeinbildung.
 

Ein Nachtrag: Das ist der aktuelle Bildungsplan für KLassen 5/6 in BaWü

3.1.1 Musik gestalten und erleben​

Die Schülerinnen und Schüler können vokal und instrumental im Klassenverband gemeinsam musizieren. Sie üben zielgerichtet Lieder und Musikstücke und präsentieren ihre Ergebnisse. Sie können sich über Hörerlebnisse sprachlich äußern. Die Schülerinnen und Schüler können Musik in Bewegung umsetzen und in Zusammenhang mit Bild, Szene oder Text gestalten. Darüber hinaus können sie Musik im schulischen Leben einsetzen.
Die Schülerinnen und Schüler können
(1)
Lieder unterschiedlicher Stile und Kulturen singen und gestalten: Volkslieder, Kanons, Popsongs, Bewegungslieder, Sprechstücke

(Quelle: http://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/LS/BP2016BW/ALLG/GYM/MUS/IK/5-6/01)

Singen wird bis einschließlich Klasse 10 explizit genannt.

Gut, was von einem solchen umfangreichen Plan dann umgesetzt wird, steht auf einem anderen Blatt.
Aber ich vermute, Singen in der Unterstufe fällt weniger unter den Tisch als z. B. Pentatonik.
 
Das (*vermeintliche) Ausleben des Triebs (*beim Tanzen) gaukelt Freiheit dort vor, wo sie nicht ist, sondern man eigentlich im Rhythmus stampft.
Das kann man so sehen, aber Tanz und Rhythmus hat ja noch ganz andere Funktionen, z.B. ganz einfach Lebensfreude. Das blendet Adorno aus. In der aktuellen Musikdidaktik gelten Adornos Ansichten als veraltet. Er forderte z.B. als Gegner ganzheitlicher Musikerfahrung auch, dass sich Schüler im Musikunterricht nicht musizierend betätigen sollen, sondern Musik nur hören sollten (auf dem Weg zum "mündigen Hörer" als dem höchsten Ziel der Musikdidaktik). Die heutige Musikdidaktik verfolgt ganz andere Ziele (s. Beitrag Nr. 35).
 
Naja, bei Sport sähe ich es jetzt noch etwas anders, es dient der körperlichen Ertüchtigung und der Gesunderhaltung des Schülers
Ja, schon, aber was ist mit der mentalen/psychischen Gesundheit? Warum singen Erwachsene in einem Chor? Warum machen so viele Mal- und Töpferkurse? Warum spielen sie in einer Band, lernen evtl. ein Instrument neu?

So, ich tue mir jetzt mal was Gutes und gehe üben. :001:
 
Im Musikunterricht wurde un eine Bandbreite an verschiedener Musik vorgeführt. Im Musikunterricht habe ich zum ersten mal Charlie Parker, Saga, Penderecki, Herbie Hancock, Pat Metheny, Mahler, ... gehört. Das war auch das Credo meines Musiklehrers: Hört auch alles mal an! Es gibt da ganz viel zu entdecken!

Eigentlich leben wir jetzt in dem Zeitalter, in dem (fast) jeder vom Wohnzimmersessel aus in alle Musik der Welt reinschnuppern könnte. So einfach war es noch nie in der Weltgeschichte. Machen aber die wenigsten.

Grüße
Häretiker
 

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