Drill Drill und nochmals Drill

Eine interessante Diskussion. Um noch einmal auf die Frage zurückzukommen, wie körperliche Gewalt einzuschätzen ist: Man hätte natürlich gerne eine klare Abgrenzung vom Typ "körperliche Gewalt ist schlimm und gehört verboten, und andere Formen der Bestrafung sind ok". Aber man übersieht dabei, dass einerseits Schläge von den Betroffenen selbst, wie hier im Forum auch deutlich wurde, nicht unbedingt als Erniedrigung wahrgenommen werden, und dass andererseits andere Formen der Bestrafung viel perfider sein können als körperliche Gewalt. Es ist ja kein Zufall, dass die Pfarrerstochter in "Das weiße Band" gerade dann das Bewusstsein verliert, wenn der Vater seine Psychospielchen mit ihr treibt, und nicht bei der körperlichen Züchtigung. Ich halte es schon für realistisch, dass die völlige Selbstentfremdung eher dann erfolgt, wenn diese Psychoebene ins Spiel kommt. Das heißt nicht, dass ich Schläge gutheiße; dass sie verboten sind, finde ich richtig. Aber es ist unrealistisch, zu meinen, dass man mit diesem Verbot schon alles Böse aus der Welt oder zumindest aus der Kindererziehung geschafft hat.
 
Daß es verboten ist, bei Rot über die Ampel zu gehen, verhindert nicht, daß immer wieder Leute doch rübergehen. Und auch nicht, daß vereinzelt dadurch Unfälle passieren.

Und selbstverständlich ist es eigentlich richtig, wenn ein vernünftiger, intelligenter Mensch denkt: "Leute, es ist 2 Uhr nachts, weit und breit kein Auto, ich geh jetzt trotz Rot rüber!" Es ist sogar eigentlich bescheuert, in so einem Fall an der Ampel stehenzubleiben und brav zu warten.

Dennoch hätte es verheerende Folgen, wenn man das Bei-Rot-über-die-Ampel-gehen erlauben würde (also die Ampelphasen zu "Empfehlungen" machen würde).

Chaotischer Verkehr und stark ansteigende Unfallzahlen sowie dauerndes Gefluche und Geschimpfe wären die Folge. Ginge nicht.

Das liegt daran, daß jeder geneigt ist, zu denken: "Naja, eigentlich ist die Regel (bei Rot nicht gehen, Kind nicht prügeln usw.) ja gut und vernünftig, aber in diesem Fall bin ich berechtigt, eine Ausnahme zu machen." Entweder einfach aus ehrlicher, "unschuldiger" Überzeugung, oder aus quasi "kriminellen" Motiven heraus.

Und das führt dazu, daß die "Ausnahmen", die sich jeder herausnimmt, sehr schnell ausufern. Das Zusammenleben der Menschen wird dann empfindlichst gestört.

Wir erleben die Schädlichkeit des "Och, ich mach mal ne Ausnahme"-Denkens schon im täglichen Berufsleben: Wenn z.B. die Musikschulleitung sagt, daß jeder bis zum 1.2. einen bestimmten Zettel beim Sekretariat abgeben soll, verschnarchen das garantiert eine ganze Reihe von Leuten und denken: "Was soll's, ist schon nicht so schlimm, wenn ich ausnahmsweise ein bißchen spät dran bin und erinnert werden muß". Falsch! Genau das führt, weil es eben immer mehrere verschnarchen und genauso drüber denken, zu ärgerlichen Störungen im Betriebsablauf. Da so was dann bei fast jeder Angelegenheit vorkommt, summiert sich das zu einem "Chaos-Laden", dessen ganze Organisation nicht rund läuft - nur wegen (scheinbaren) "Ausnahmen".

Deswegen ist Strenge beim Verlangen der Einhaltung von Regeln stets sehr wichtig als Grundelement menschlichen Zusammenlebens und Zusammenwirkens.

LG,
Hasenbein
 
Wir erleben die Schädlichkeit des "Och, ich mach mal ne Ausnahme"-Denkens schon im täglichen Berufsleben: Wenn z.B. die Musikschulleitung sagt, daß jeder bis zum 1.2. einen bestimmten Zettel beim Sekretariat abgeben soll, verschnarchen das garantiert eine ganze Reihe von Leuten und denken: "Was soll's, ist schon nicht so schlimm, wenn ich ausnahmsweise ein bißchen spät dran bin und erinnert werden muß". Falsch! Genau das führt, weil es eben immer mehrere verschnarchen und genauso drüber denken, zu ärgerlichen Störungen im Betriebsablauf. Da so was dann bei fast jeder Angelegenheit vorkommt, summiert sich das zu einem "Chaos-Laden", dessen ganze Organisation nicht rund läuft - nur wegen (scheinbaren) "Ausnahmen".
Diese an sich richtige Feststellung bedarf in Einzelfällen der Modifikation. Aus eigenen beruflichen Erfahrungen heraus bringe ich gerne das Beispiel von Gesangvereinen und Chören. Letztere stellen die Beschäftigung mit künstlerischen Inhalten in den Vordergrund - da bringen die meisten Mitglieder von sich aus eine gewisse Bereitschaft zur Chordisziplin mit. Bei Gesangvereinen steht hingegen der Aspekt der Geselligkeit im Vordergrund: Da kommt und geht so mancher, wie es ihm beliebt. Maßregelungen und Ermahnungen zu diszipliniertem Verhalten werden kaltschnäuzig mit der Weigerung beantwortet, irgendetwas zu tun, wozu man eben keine Lust hat. Ist ja schließlich Freizeit und Hobby - da hat man Rechte, aber keine Pflichten. Der Chorleiter bekommt Geld für den Job und ist Profi - über die Bezahlung hinaus hat er also nur Pflichten und keine Rechte. Der soll sich glücklich schätzen, dass einem von Zeit zu Zeit danach ist, mal wieder zum Singen zu gehen.

Das wäre ja auch kein Problem, wenn es sich um einen Singkreis irgendwo im Altersheim handeln würde, der nicht öffentlich auftritt. Da kann man es sich leisten, wie bei einer Stammtischrunde hinzugehen oder fortzubleiben. Wenn der Verein allerdings öffentlich auftritt und der Chorleiter die Truppe podiumsfähig machen soll, muss man schon in die Trickkiste greifen. Da hilft gegen Unpünktlichkeit schon, einfach die Akteure vor Auftritten eine halbe Stunde früher zum Einsingen zu bestellen. Wenn man dieses für 17.00 bis 17.45 Uhr einplant, setzt man den Termin auf 16.30 Uhr an, damit der letzte Mohikaner kurz vor 17.00 Uhr angetrödelt kommt. Es ist mir klar, dass solche Dinge mit (semi-)professionellen Musikern und auch ambitionierten Amateuren verlässlicher ablaufen. Aber der Trend ist unübersehbar: Unambitionierte Traditionsvereine haben gerade aufgrund ihrer geringen Leistungsbereitschaft so ausgeprägte Probleme mit Überalterung und ausbleibendem Nachwuchs. Die meist über sechzigjährigen Mitglieder sind von einem Zeitgeist geprägt worden, der sich mittlerweile gewandelt hat: Früher ging man zum Gesangverein, weil sonst im Dorf nix los war. Heute gibt es andere Möglichkeiten, die Freizeit herumzubringen - gerade auf dem "passiven" Sektor. In den leistungsbereiten Chor hingegen geht man, wenn es einem vorrangig um gutes Singen geht. Diese Entwicklung wird in den nächsten Jahren dazu führen, dass die nicht mehr entwicklungsfähigen Traditionsvereine verschwinden dürften - und mit Neugründungen innovativ strukturierter Vokalensembles wird künftig trotzdem nicht weniger, sondern eher wieder mehr gesungen werden. Das hat naturgemäß Auswirkungen auf die Disziplin im Ensemble - das Arbeiten könnte künftig für den Chorleiter interessanter und künstlerisch befriedigender werden.

Im Instrumentalbereich beobachten viele Verbandskollegen ähnliche Entwicklungen...!

LG von Rheinkultur
 
angenommen, da bestünde ein Unterrichtsvertrag über 6 oder 12 Monate... nach drei Wochen will das Kind aber nicht mehr, und Mutti muss vertragsgemäß 5 oder gar 11 Monate Gebühren entrichten...
wie sieht es dann mit der logischen Konsequenz aus?
...oder wählt man vorab (in weiser Voraussicht?) eine Unterrichtsokkasion, welche jederzeit kündbar ist? ...und wie reagieren Vernunft und logische Konsequenz, wenn der Nachwuchs aus pubertärer Bockigkeit (nicht aus geistiger Unzulänglichkeit) etc. in der Schule versagt, wo man nicht "kündigen nach Belieben" kann?

Ich ignoriere das Mutti jetzt mal, für mich ist das herablassend und verletztend, und gehe trotzdem darauf ein.

Ein halbes Jahr ist in Bezug darauf ein Instrument oder einen Sport zu erlernen ungefähr eine Millisekunde. Das weißt du als Profi doch sicher am besten.

Meine Mittlere wollte irgendwann auf einmal nicht mehr zu ihren bis dahin geliebten Ballettstunden gehen. In erster Linie ging es dabei um eine Auflehnung gegen mich.
Auch sie konnte mit ihren noch nicht einmal 5 Jahren sehr gut erfassen, dass der Vertrag noch ein halbes Jahr läuft und dass ich von ihr erwarte, dass sie so lange noch zum Unterricht geht. Ich habe ihr dann auch aufgetragen, mit ihrer Ballettlehrerin darüber zu sprechen, dass sie keine Lust mehr hat und aufhören möchte.
Kurz danach hatte sich das Problem erledigt.
Wenn sie allerdings wirklich keine Lust mehr hätte, würde ich sie nach ablauf der Kündigungsfrist selbstverständlich abmelden.
Es geht nicht darum jedem Impuls einer 4-jährigen nachzugehen. Das hat auch in meinen Augen nicht mit Drill zu tun.
 
Ich ignoriere das Mutti jetzt mal, für mich ist das herablassend und verletztend, und gehe trotzdem darauf ein.

Ein halbes Jahr ist in Bezug darauf ein Instrument oder einen Sport zu erlernen ungefähr eine Millisekunde. Das weißt du als Profi doch sicher am besten.

Meine Mittlere wollte irgendwann auf einmal nicht mehr zu ihren bis dahin geliebten Ballettstunden gehen. In erster Linie ging es dabei um eine Auflehnung gegen mich.
Auch sie konnte mit ihren noch nicht einmal 5 Jahren sehr gut erfassen, dass der Vertrag noch ein halbes Jahr läuft und dass ich von ihr erwarte, dass sie so lange noch zum Unterricht geht. Ich habe ihr dann auch aufgetragen, mit ihrer Ballettlehrerin darüber zu sprechen, dass sie keine Lust mehr hat und aufhören möchte.
Kurz danach hatte sich das Problem erledigt.
Wenn sie allerdings wirklich keine Lust mehr hätte, würde ich sie nach ablauf der Kündigungsfrist selbstverständlich abmelden.
Es geht nicht darum jedem Impuls einer 4-jährigen nachzugehen. Das hat auch in meinen Augen nicht mit Drill zu tun.
ich hab deine Antwort - danke! - vollständig zitiert und unterstrichen, was mir daran ganz besonders gefällt --- versteh mich nicht falsch: ich stimme dir zu!

...und das mit Mutti: immer langsam, denn die meisten Kinder sagen doch Mutti, Mami, Mom usw. ;):) ok?
 
Ich ignoriere das Mutti jetzt mal, für mich ist das herablassend und verletztend...
Ich komme da nicht mehr mit, fühl mich bissel wie ein grünes Männchen. Erst wird Disziplin und Drill negiert, jetzt auch noch "Mutti". ...muss wohl was sexisitsches gewesen sein

Das hat auch in meinen Augen nicht mit Drill zu tun.
Evtl. sollte man erst mal "Drill" definieren, um weiter darüber zu urteilen.
Für mich ist Drill nichts weiter als das Anerziehen von Disziplin mit den Hilfsmitteln der Belehrung, Hörigkeit, Regelmäßigkeit (um 6 biste zu Hause, um 8 im Bett, Zähne putzen (sonst bekommste Löcher, verstehste!?), pünktlich zur Schule gehen, Klavier üben, drei Runden laufen, Aufstehen, Zimmer aufräumen...). Drill, wie ich ihn verstehe, wird von Kindern in Sportvereinen in der Regel als positive Erfahrung erlebt. Ich habe das in meiner Schulzeit (und im Sportverein sowieso auch noch vereinzelt erfahren dürfen. Gerade diese strengen Lehrer, die Disziplin vor allem Anderen eingefordert haben, waren aller Schüler (wirklich aller) Lieblingslehrer.

Guter Drill hat eine gute Disziplin und Selbstdisziplin als Ergebnis, ohne dabei die Kreativität oder Individualität zu beeinträchtigen.
 
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Bonsoir

ihr wisst ja ich komme aus dem französischen Bereich und wollte unbedingt wissen was " Mutti " bedeutet. So wie mir dies schien ein böses Wort.
Im Elsass nennt man eine Kuhn mit Kalb Muoddi und in Deutschland Menschen- Mutter mit Kind Mutti.Ist doch süss beide geben Milch

Cordialement

Destenay
 

so kompliziert sind derartige Verniedlichungsformen nicht: Vater - Vati, Mutter - Mutti :):) auch Mama - Mami kommt vor
aber das elsässische Muoddi klingt interessant, müsste aus dem alemannischen Dialekt kommen
 
diversae sunt varietates (et delectant) - sed una ex originibus est Lingua Latina. ;)

Pater - Patter - Vatter - Vadder - ( (Lord) Vader) - Vati *ggg* - Pops (unglaublich schrecklich)

Mater - Mother - Mutter - Muddi - Mommy (wie schrecklich *gg*) - Muttchen *gg*

LG, Olli ;)
 
Ich muss hier Fine in Schutz nehmen. Das wird bei uns auch eher als verletzend oder herablassend wahrgenommen, wenn es nicht das eigene Kind sagt. Da schleicht sich sozusagen irgendwer ins Privatleben ein, dem es nicht zusteht, denn Mutti ist ein Intimwort, dass nur dem Kind gegenüber seiner Mutter zusteht.

Analog würde man den Ehegatten der Arbeitskollegin auch nicht als Schatzerl bezeichnen. "Sag Deinem Schatzerl, dass er Dich abholen soll nach der Arbeit." Das ist vielleicht zwischen zwei Freunden erlaubt, aber nicht im Großraumbüro. :D Wir würden sagen: Sag Deinem Mann... oder sag Deiner Frau... usw.

Vielleicht ist das jetzt besser verstanden, denn Peter kam nicht mehr mit...

LG
Michael
 
Ich fände es schön wenn wir von den Albernheiten wieder auf´s Thema zurück kommen. Es geht um Drill in der Bildung, und ich finde, dass ist interessant genug. Gerade die Ansichten und Erfahrungen der hier doch reichlich vertretenen Pädagogen als auch die eigenen (jeder war mal Kind, Schüler...) interessiert mich sehr.
 
Es geht um Drill in der Bildung, und ich finde, dass ist interessant genug.
wenn man sich ernstlich für etwas interessiert, dann scheut man auch keine Mühe (denn man bekommt auf dieser Welt nicht alles geschenkt) - in diesem Fall benötigt es keinen "Drill": wer wirklich will, der hat auch die dazu nötige Eigeninitiative. Und so kommt es vor, wenn auch nicht epidemisch häufig, dass Kinder und Jugendliche ohne peitschende Eltern und Trainer Klavier oder Violine üben --- das bedarf, wo es stattfindet, eigentlich keines Kommentars
...trotzdem, mir unerfindlich, wird auch für solche Fälle gerne Drill unterstellt - das werde ich nie begreifen.
Wo genügend Eigeninitiative da ist, da benötigt es kein anschubsen.

Und damit stellt sich eine andere Frage: wo wird denn überhaupt gedrillt???
 
Wo genügend Eigeninitiative da ist, da benötigt es kein anschubsen.
Gewagte Behauptung. Da Du schon das Beispiel der Violine genannt hast: Da gibt es so einige Übungen, die wirklich stinklangweilig sind (Bogenführung, Fingerkraft, Vibrato, Lagenspiel...), gerade für ein Kind, aber ohne die geht es nicht. Dafür wirklich immer genügend Eigeninitiative aufzubringen...ich denke, genau auf so etwas muss man eben erst gedrillt werden, darauf, eine Disziplin dafür zu entwickeln.
Gleiches sehe ich in der Schulbildung: Nicht jedes Kind interessiert sich für jedes Fach. Trotzdem wird es darauf gedrillt, sich damit zu beschäftigen. Und das aber meiner Meinung nach oft nicht genügend konsequent (mal gesamtgesellschaftlich gesehen).
 

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