Ja, einerseits stimmt das, aber andererseits auch wieder nicht, bzw. Du schaust da aus einer unpassenden Perspektive drauf. Mit Verlaub und bei allem Respekt, da haben wir auch im Jahr 2025 noch eine Diskrepanz in Wahrnehmung und Verständnis von und den Erwartungen an U-Musik aus einer Perspektive wie Deiner.
Ausdruck und Expressivität gehören in jeder Art von Musik zu den Schlüsselkriterien für Qualität. Allerdings funktioniert das im Pop (und auch im Jazz) anders als in der "Klassik", die Hierarchie der Kriterien ist eine andere. Idealerweise finden natürlich Ausdruck, Expressivität, Rhythmik, Groove, Puls, Dynamik, Agogik [wer bietet mehr?] gleichzeitig in Vollendung statt, aber das hört und sieht man in allen Genres nur sehr selten.
Und in allen Derivaten afroamerikanischer Popularmusik hat nun mal der Groove bzw. der Puls allererste Priorität und danach kommt eine ganze Weile nichts. Er soll nicht statisch und steril sein, sondern idealerweise atmen und tanzen, und das ist eine hohe Kunst. Aber besser statisch als wackelig und unpräzise.
Ich habe schon mehrfach bei Musikschulvorspiel en meiner Kinder erlebt, was dabei herauskommt, wenn mit einem E-Musik-Mindset Popmusik spielt. Da haben gestandene Klavierpädagogen mit Konzertexamen und mittel- bzw. ost-eurasischen Namen jugendliche Gesangsschülerinnen bei Popsongs begleitet, und ihren Klavierpart wie eine Liszt-Rhapsodie gestaltet. Das hat nicht nur den Schülern die Schau gestohlen, sondern sie sogar behindert, weil vor lauter Ausdruck kein verlässlicher Beat geliefert werden konnte bzw. wollte (man muss leider letzteres unterstellen). Die Performance war irgendwie für die Katz, weil der Solist sich mangels genrekundiger Begleitung nicht entfalten konnte, und die Pianistin am Thema vorbei gespielt hat.
Einmal sprang die altgediente Blockflöten-Lehrerin am Tamburin ein (auch bei einem Pop-Song). Bei Gott, sie packte ihre gesamte Lebens-Expertise rein, explodierte fast vor Ausdruck und Expressivität. Das Ergebnis war gruselig und auch peinlich.
@Tastatula , nochmal bei allem Respekt: Deine Anmerkungen sind nicht falsch, aber ähnlich ignorant, wie wenn ich nach einer Beethoven-Symphonie auf korrektem Niveau sagen wurde: Ja, das haben die schön gespielt, sehr ausdrucksstark und schwungvoll, aber hey... niemand hat getanzt, mitgesungen, keiner wollte Stühle zertrümmern. Das mit der Intensität muss das Orchester noch üben.
Du bist wahrscheinlich auf sehr hohem Niveau unterwegs, hast Dich aber vermutlich weniger mit Popmusik-typischem Groove beschäftigt geschweige denn ihn praktiziert als ich und auch als meine Sängerin. Ich hatte zwar früh und lange Unterricht, habe jedoch nie eine Musikhochschule von innen gesehen.
Und doch gönne ich mir bei solchen Statements ein professorales Augenrollen.
Du bist die erfolgreiche Rosenzüchterin, die beim Bonsai-Kongress rumposaunt, dass Rosen das reichhaltigere Farbspektrum haben.