Nochmal Kabarett: Zweistimmiges von unserem Michael

Verzeih, @Tastenjunkie , dass ich die armen Tuberkelbazillen bemühte, die so schlüpfrig sind. Aber sie sind hervorragend geeignet für einen schwindsüchtigen Klang...und auf den wollte ich hinaus. ;-)
Das hast Du ganz wundervoll ausgedrückt :super:

Ich nehme das zum Anlass, meine seelenlosen Mediziner-Kenntnisse über die Schwindelsucht literarisch zu unterfüttern indem ich mir auf meine alten Tage endlich mal den Zaubererberg von Thomas Manders zu Gemüte ziehe. Danke für die Anregung!
 
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Der Sängerin reicht ihre Charakterstimme, das langweilt mich. Ich will Musik hören: Klangfarben, Dynamik. Nix davon ist da. Dein dezenter Klavierpart hätte ihr viel Möglichkeit dazu gegeben. Die Chance hat sie nicht genutzt.
Ist für mich die Frage, ob der Song das hergibt. So eine Art von "klassik-kultureller" Gestaltung passt eher, wenn ausgeprägt unterschiedlich gestaltete Abschnitte im Song schon angelegt sind bzw. eine entsprechende Geschichte erzählt wird. @Tastenjunkie und die Sängerin haben den Song als Popsong mit jazzigem Einschlag gespielt, was ja auch OK ist. Da heißt es auch mal, nicht zu viel machen, was zu Lasten eines guten Groove gehen könnte. Dazu muss sich etwas einschwingen ohne zu viel Segmentierung des Stückes.
 
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Lieber @Felix Hack , genau das langweilt mich. Hey, wir hab´n nen Groove, das Lied klingt von alleine gut, mehr muss ich nicht machen.
Das stimmt nicht. Nuancierungen in der Stimme sind ebenfalls möglich, ohne dem Groove zu schaden. Im Gegenteil: Je mehr man miteinander schwingt, desto leichter kann man sich dagegen lehnen. Es geht hier nicht um Segmentierung sondern um schlichten Ausdruck.

In diesem Fall hat die Sängerin durchaus das Bedürfnis nach Expressivität, aber sie kann es nicht umsetzen. Der dynamische Umfang der Stimme ist zu klein.
 
Ja, einerseits stimmt das, aber andererseits auch wieder nicht, bzw. Du schaust da aus einer unpassenden Perspektive drauf. Mit Verlaub und bei allem Respekt, da haben wir auch im Jahr 2025 noch eine Diskrepanz in Wahrnehmung und Verständnis von und den Erwartungen an U-Musik aus einer Perspektive wie Deiner.

Ausdruck und Expressivität gehören in jeder Art von Musik zu den Schlüsselkriterien für Qualität. Allerdings funktioniert das im Pop (und auch im Jazz) anders als in der "Klassik", die Hierarchie der Kriterien ist eine andere. Idealerweise finden natürlich Ausdruck, Expressivität, Rhythmik, Groove, Puls, Dynamik, Agogik [wer bietet mehr?] gleichzeitig in Vollendung statt, aber das hört und sieht man in allen Genres nur sehr selten.

Und in allen Derivaten afroamerikanischer Popularmusik hat nun mal der Groove bzw. der Puls allererste Priorität und danach kommt eine ganze Weile nichts. Er soll nicht statisch und steril sein, sondern idealerweise atmen und tanzen, und das ist eine hohe Kunst. Aber besser statisch als wackelig und unpräzise.

Ich habe schon mehrfach bei Musikschulvorspiel en meiner Kinder erlebt, was dabei herauskommt, wenn mit einem E-Musik-Mindset Popmusik spielt. Da haben gestandene Klavierpädagogen mit Konzertexamen und mittel- bzw. ost-eurasischen Namen jugendliche Gesangsschülerinnen bei Popsongs begleitet, und ihren Klavierpart wie eine Liszt-Rhapsodie gestaltet. Das hat nicht nur den Schülern die Schau gestohlen, sondern sie sogar behindert, weil vor lauter Ausdruck kein verlässlicher Beat geliefert werden konnte bzw. wollte (man muss leider letzteres unterstellen). Die Performance war irgendwie für die Katz, weil der Solist sich mangels genrekundiger Begleitung nicht entfalten konnte, und die Pianistin am Thema vorbei gespielt hat.

Einmal sprang die altgediente Blockflöten-Lehrerin am Tamburin ein (auch bei einem Pop-Song). Bei Gott, sie packte ihre gesamte Lebens-Expertise rein, explodierte fast vor Ausdruck und Expressivität. Das Ergebnis war gruselig und auch peinlich.

@Tastatula , nochmal bei allem Respekt: Deine Anmerkungen sind nicht falsch, aber ähnlich ignorant, wie wenn ich nach einer Beethoven-Symphonie auf korrektem Niveau sagen wurde: Ja, das haben die schön gespielt, sehr ausdrucksstark und schwungvoll, aber hey... niemand hat getanzt, mitgesungen, keiner wollte Stühle zertrümmern. Das mit der Intensität muss das Orchester noch üben.

Du bist wahrscheinlich auf sehr hohem Niveau unterwegs, hast Dich aber vermutlich weniger mit Popmusik-typischem Groove beschäftigt geschweige denn ihn praktiziert als ich und auch als meine Sängerin. Ich hatte zwar früh und lange Unterricht, habe jedoch nie eine Musikhochschule von innen gesehen.

Und doch gönne ich mir bei solchen Statements ein professorales Augenrollen.

Du bist die erfolgreiche Rosenzüchterin, die beim Bonsai-Kongress rumposaunt, dass Rosen das reichhaltigere Farbspektrum haben.
 
Ignorant ist das falsche Wort an der Stelle. Dass Groove wichtig ist, habe ich nicht in Frage gestellt.
Und ich gehöre nicht zu den Musikern, die sich nur auf eine Stilrichtung festlegen, ganz im Gegenteil.
Aber Musik, der nur eine Facette reicht, ist unvollständig. Ich rede jetzt nicht von Euch beiden. Bei der Sängerin lag es schlicht an stimmlichen Grenzen.
Und ich bin keine erfolgreiche Rosenzüchterin und wenn ich es wäre, würde ich nicht herumposaunen. Das ist nicht meine Art.
Bei mir bekommnen sie immer Mehltau...
 
Das ist ja das Schöne:

Klassiker mögen keinen Jazz/Rock/Pop. Rockmusiker finden Klassik langweilig. Typen, die beides machen - und auch können! - werden von keiner der beiden Seiten ernstgenommen = "wahrscheinlich zu schlecht für 'ne Sonate und zu dumm, um 'nen simplen Millionseller zu bringen".

So können wir weitermachen.:021:

CW
 
...ich würde das nicht so klischeehaft sehen.

Die beiden Welten sind einfach viel unterschiedlicher als die meisten denken. Deswegen kommentiere ich hier auch nichts zu Einspielungen von ausnotierten Werken, außer wenn ich das Werk gut kenne.

Natürlich ist es beeindruckend und schafft Querverbindungen, wenn ein Friedrich Gulda Jazz spielt oder wenn ein Keith Jarrett Goldberg-Variationen einspielt, aber Guldas Jazz und Jarretts Goldberg-Variationen waren qualitativ nie wirklich relevant, ein Gewinn oder gar neuer Impuls für das Genre. Das gleiche gilt (aus meiner Sicht) z.B. für die Art-Tatum- und Bill-Evans-Transkriptionen von Daniil Trifonov auf dem Album "My American Story – North". Wundervoll und handwerklich oberstes Niveau, kommt aber an die Intensität der Originale oder an andere (jazztypische!) Improvisationen darüber bei weitem nicht ran. So was höre ich mir aus Neugier ein mal an, aber danach wird es völlig uninteressant.
 
Die beiden Welten sind einfach viel unterschiedlicher als die meisten denken.
Das sehe ich genau anders. Die Vokabeln sind hie und da unterschiedlich und ich gebe Dir Recht, dass es klassiksozialisierten Musikern oft schwerfällt, sich auf populare Musik einzustellen, schlicht, weil es an Erfahrung fehlt und andersherum ist auch oft der Fall.
Es gibt übrigens eine tolle CD mit dem Es-dur Konzert für zwei Klaviere und Orchester von Mozart, gespielt von Friedrich Gulda und Chick Corea.
Immer wenn Chick einen Lauf spielt, hüpft mein Herz vor Begeisterung. Er schafft es, einen zarten jazzigen Klang beizumischen, ohne das Werk zu verzerren. Einfach klasse!
Gulda war von Kind an einer meiner liebsten, weil er eben keine Scheu hatte, dieses dumme E-Musik- und U-Musikgeplärre nicht mitzumachen und sein Nerzmantelpublikum schockierte. Das war genau meins.
Es gibt hie wie da Menschen, die die Musik empfinden, ihr nachspüren und es gibt solche, denen die Töne oder der Rhythmus genügen.
zu Mehldau: Grandios, ich höre Chopinartige Musik zerfasert und atemberaubend neu zusammengesetzt. Das ist ein Meister, der keine Grenzen kennt.
Herrrrlisch! Danke für den Post!
 
In diesem Fall hat die Sängerin durchaus das Bedürfnis nach Expressivität
Aber Musik, der nur eine Facette reicht, ist unvollständig.

Liebe @Tastatula beides trifft zu. Deshalb zeichnet sich ein gut gestaltetes Popkonzert ja auch dadurch aus, dass die Songauswahl und die Dramaturgie des Abends es schafft, möglichst vielen musikalischen Facetten gerecht zu werden. Das kann aber nicht Aufgabe des einzelnen Songs sein. Ein Song ist eben nur ein Happen von einem Menü mit der Gänge mehrere:-)
 

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