Doppeltaktweise intermittierend üben?

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HbMuth

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Takte 1 und 2 – wenn man die kann, weiter zu Takten 2 und 3, dann 3 und 4 usw. Oder absteigend nach Schwierigkeitsgrad innerhalb einer Phrase oder Periode oder eines Teils. Wenn also im ersten Teil einer Sonate Takte 11 und 12 technisch am schwierigsten sind, zuerst die üben, bis sie nicht mehr so schwer sind, dann die Takte 10 und 11 und dann 12 und 13 (diesen Dreierturnus mehrmals wiederholt), dann 9 und 10, 8 und 9, dann wieder 10 und 11, dann 8 bis 13 versuchen durchzuspielen. Erst wenn das Durchspielen klappt, und zwar mehrmals in Folge und auch am nächsten Tag auf Anhieb gelingt, nimmt man sich die Takte davor oder die danach vor, je nachdem welche schwieriger sind.

Sinnvoller Tipp von mir und vor allem für mich? Oder anders gefragt:
Ist der Tipp zu banal, bringen das einem alle vernünftigen Klavierlehrer bei, nur ich muss selber darauf kommen? Aber meiner sagt ja auch, dass er umfangreiche und komplexe Stücke seinen Schülern schnippselweise in absteigender Schwierigkeit geordneten Phrasen aufs Pult legt. Warum nicht auch bei mir?
Mir sind es bei meinem aktuellen Übungsstück, der Mondscheinsonate, zu viele Noten. Bin zu stark versucht, den Übefokus zu schnell abzuwechseln. Wenn die Übetechnik sinnvoll ist, werde ich mir zwei Papiere und Büroklammern nehmen, um z.Z. nicht zu übende Passagen abzudecken

Warum überlappend? Ich habe nämlich gemerkt, dass wenn ich 1 und 2 übe und dann 3 und 4, zwischen 2 und 3 eine Umorientierungspause entsteht. Das Gehirn wechselt sozusagen die Diskette. Klick – schnarr – sirr.

Ein Schelm, der denkt, ich prokrastiniere hier gerade nur ums eigentliche Üben herum, indem ich über effektives Üben nachdenke. Dennoch hoffe ich, wir alle können beim Thema bleiben, unabhängig davon.
 
Ich denke ständig über die beste Methode nach, das zu tun, was ich tun würde, wenn ich etwas täte.

So klappt 's auch mit der Mondscheinsonate.

CW
 
Das von dir beschriebene Vorgehen kommt mir sehr technikfixiert vor und erscheint mir als Übemethode zu pauschal. Klar kann man mal so an ein Stück herangehen, aber grundsätzlich sollte man immer in musikalischen Zusammenhängen üben. Also z.B. schichtweise Melodie, Akkorde, Bass - je nach dem, wie die Struktur des jeweiligen Stücks aufgebaut ist.
 
Wenn dies eine von mehreren Vorgehensweisen ist, die du parallel oder abwechselnd verfolgst, kann sie nützlich sein. Jedenfalls besser, als immer wieder von Vorne anzufangen und beim ersten Ton wieder von vorne...
Statt glatte Takte für deine Methode herzunehmen, kannst du auch in Harmonien und / oder melodischen / motivischen Strukturen denken. Oder auch gerade nicht - und mitten in der Phrase einen neuen "Übeabschnitt" beginnen, damit du eben keinen "Diskettenwechsel" mehr hast.
 
@cwtoons: Ja, dann klappts auch mit der Mondscheinsonate. Theoretisch zumindest. Praktisch nur, wenn man die vielen, und vor allem gute Gedanken auch geschafft hat umzusetzen. Heute habe ich immerhin erst ne Stunde geübt, mit meiner Doppeltaktstrategie, und ja, die Takte 12 und 13 kommen langsam in den Fingern an, und ich habe nun kein schlechtes Gewissen, mich zum Ausklang des Abends noch mal kurz hier einzuloggen.

@Demian: Die Doppeltakteinheiten kann man ja gut schichtweise üben. Erscheint mir geeigneter als umgekehrt erst die Melodie des ganzen Stücks, dann die Mittelstimmen, dann den Bass, dann Melodie und Mittelstimmen, dann den Bass dazu.

Technikfixierung, ja, dazu stehe ich. Ich bin eben ein Nerd, mit Gefühlen hab ich es nicht so. Und nein, es besteht keine Gefahr, dass ich je klingen werde wie ein Roboter, da wird mir die Motorik beizeiten schon einen Strich durch die Rechnung machen. Ob ich die Unregelmäßigkeiten dann als künstlerische Freiheit, als "Gefühl" verkaufen kann, steht auf einem anderen Blatt.

@Stilblüte: Wenn melodische Phrasen mehr als einen Takt umfassen, was sie oft tun, dann lassen sie sich ja gut in Doppeltakten üben. Wenn eine Einheit ein Phrasenanfang/Phrasenende enthält, sollte auf der gedachten oder auch pianistischen Abgrenzung natürlich mehr Augenmerk liegen. Wenn Takte x und y verschiedenen Phrasen angehören, wird man Takte x-1 und x als Phrase üben und y und y+1 auch, nur ist hier eben die Herausforderung, dass man etwaige abgrenzende Mittel auch in x+y weiterlernt und das da nicht wieder zerschleift.
Wobei in meinem Fall Artikulation und Dynamik noch nicht die Priorität haben, ganz ehrlich, meine Finger sind schlimmer als ein Sack Flöhe.
Und eigentlich laber ich mal wieder viel zu schlau daher verglichen mit dem Maß meiner echten Kompetenz. Ich hoffe, ich habe trotzdem klar gemacht, was ich meine. (Auf Kurpfälzisch der jüngeren Unterschicht: Weisch wasch'sch mein?)
 
Und eigentlich laber ich mal wieder viel zu schlau daher verglichen mit dem Maß meiner echten Kompetenz. Ich hoffe, ich habe trotzdem klar gemacht, was ich meine. (Auf Kurpfälzisch der jüngeren Unterschicht: Weisch wasch'sch mein?)
Gut beobachtet :-)
Ein Vorschlag: nimm nicht partout abgezählte Takte als Übeeinheiten. Manchmal passiert so viel in einem einzigen Takt, dass man ihn in sinnvolle Übeabschnitte unterteilen kann, manchmal sind mehr als nur 2 Takte harmlos genug, dass da nichts eigens zu üben ist. Und ohnehin ist ein Taktstrich nur selten eine abschließende Grenze: wähle deine Übe-Abschnitte so, dass jeder in eine musikalisch sinnvolle Zielnote führt.

"technisch interessiert" ist prima für schwierige Stellen! Bei solchen nützen Takte als Einheiten beinahe nie. Für schwierige Stellen gibt es zwei Übeweisen, die sich bewährt haben:
a) "überdrehen" in eine Station
b) "rückwärts additiv" trainieren

Bei a) ändert man die Notenwerte auf krasse Weise und spielt tatsächlich beim üben viel schneller als im Original erforderlich (!!) Stell dir die banale Tonfolge cdefgfedc als 16tel vor - aha, 8 Töne plus Zielton. Die Übung: sehr lange Fermate auf c, g und c; die Töne dazwischen aber mindestens als 32stel rasen! Also c-------------defg------------fedc---------- (es ist trivial, 2, 3 oder 4 blitzschnelle Töne zu spielen! Aber 12, 16 oder noch viel mehr nur schnelle Töne hintereinander können überfordernde sein - also teilt man die Passage in problemlose, automatisch "geraste" kleinere Einheiten: peu a peu kann man dann die Fermaten (Stoppstationen) verkürzen oder auch mehr rasante Töne zwischen den Stationen üben. Damit kann man restlos jede glitzernde Passage knacken und sie wird: leicht)
Literaturbeispiel: P.P. Werner "neue Klavierdidaktik" am Beispiel einer unangenehmen Stelle in Chopins 3. Scherzo

b) eignet sich für fiese beidhändige Akkord- und Oktavpassagen, auch für unangenehme komplexe Stellen und für Folgen von Sprüngen. Einfaches Beispiel: beide Hände sollen schnell 5 Akkorde spielen. Geübt wird erst nur Akk4-Akk5, so lange, bis es blind schnell klappt. Dann 3-4-5. Dann 2-3-4-5 jetzt sollte das Prinzip klar sein.
Literaturbeispiel: nochmals das Buch von Werner, diesmal am Beispiel der Oktavenstelle in Chopins Fantasie.

Natürlich sind diese Übemuster nicht allein der virtuosen Literatur vorbehalten!! Kurzum: das kann man überall, wo es hakt, einsetzen.

Es gibt noch viel mehr altbewährte Übungsmuster! (man findet kompakte Kompendien bei Liszt, Brahms, Busoni, Cortot - diese sind allerdings kommentarlos*) und darum für Laien leider nicht automatisch verständlich)

Zitat von Vitaly Margulis:
Es gibt keine schwierigen Stellen. Sie alle setzen sich aus einfachen Elementen zusammen.
absolut richtig! ...aber die einfachen Elemente muss man erst mal erkennen (!!) Die Übungsweisen a) und b) funktionieren so: sie machen einfache Elemente klar.

Gerne wird über schnelle Tonleitern gejammert... auch dafür gibt es Übungsweisen, die klar machen, dass rasante Skalen eigentlich unproblematisch sind (die zu beschreiben ist mir aber zu aufwändig, evtl ein andermal)

Aber: die bewährtesten Übungsweisen nützen nichts, wenn keine fundierte Basis vorhanden ist. Fundierte Basis? staccato, legato, lockeres Handgelenk, freie Armführung, saubere Akkorde, klangliche Differenzierung, Pedalgebrauch etc.

Ohne diese Grundlagen gibts nur elendes Gemurkse. Darum mein Rat: erstmal diese Grundlagen sicher erwerben.

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*) selbst die Grundbegriffe von Cortot sollten Hobbyspieler nicht ohne versierte Lehrkraft konsultieren... ist leider so!
 
Zuletzt bearbeitet:
Super, lieber @rolf. Darf ich Deinen Beitrag kopieren und in meinem Ordner "gesammelte Weisheiten, kompakt dargestellt" abspeichern?

Grund: Man weiß das ja alles irgendwie, hat es beim passenden Anlass schon oft gezeigt bekommen. Aber so kondensiert liegt es einem meistens doch nicht vor.
 
Dass diese Übestrategie der überlappenden Doppeltakte je nach Stück die ein oder andere Abwandlung verdient, geht mir leicht ein. In dulci jubilo etwa hat fast durchgehend auftaktige Motive, da würde eine strikte Anwendung nach Schema F nach hinten losgehen.

Ist es doch aber nicht so, dass, wer nur phrasenweise übt, wie hier mehrheitlich empfohlen, sich gerade diese Umorientierungspausen antrainiert? Oder ist es dann halt nur weniger schlimm, wie ja eben auch in der Rhetorik Pausen das Salz in der Suppe sind?
 
Ist es doch aber nicht so, dass, wer nur phrasenweise übt, wie hier mehrheitlich empfohlen, sich gerade diese

Das ist wie im täglichen Leben, wenn wir einen schwierigen Weg zum ersten Mal gehen, bleiben wir an jeder Biegung stehen um zu sehen, wie es weitergeht. Beim 10. Mal gehen wir schon deutlich flüssiger, auch wenn es noch immer Überraschungen geben mag!
 

Hallo @rolf ,

herzlichen Dank für die ausführlichen Hilfestellungen und Tips, die du hier seit Jahren postest. Ich lese schon länger mit und habe (hoffentlich) einiges mitnehmen können. Für mich und viele andere sind solche Beiträge ungemein wertvoll.

So, das war die Bezahlung :bomb:, nun zur Frage:

Methode b), rückwärts additiv trainieren, kann ich sofort nachvollziehen. Ich habe das ausprobiert und freue mich, wie gut es klappt. Das werden die täglichen Rolfminuten. Ich rolfiere sozusagen. (Ist von Werner, ok, aber wernern klingt doch bescheuert)

Bei Methode a) allerdings, dem "Überdrehen" in eine Station, ist der Groschen noch nicht gefallen. Das Trainieren der zu rasenden Abschnitte setzt doch voraus, daß man die Tasten bereits absolut sicher trifft, nicht wahr? Sonst würde man ja lauter Fehler zusammenrasen. Geht es bei dieser Methode also weniger um neue, noch ungelernte Passagen, sondern darum, bereits bewältigte, aber halt noch träge / holpernde / zu wenig glitzernde Passagen aufzupolieren? Oder ist sie vornehmlich für Läufe gedacht in der Art, wie du sie geschildert hast, Skalenwerk usw., um selbiges zu verflüssigen?

Ich würde mich freuen, wenn du das noch ein wenig erläutern könntest.

Danke und gute Nacht,
Felix
 
@Datenvegetarier sowohl rückwärts additiv als auch Stationen stammen nicht von Werner, er nennt sie auch bewährte Übungsweisen, sondern sind viel älter. (bei Cortot, Feinberg, Goldenweiser, Busoni, Liszt u.a. werden sie erwähnt bzw verwendet)
Für die Stationen muss natürlich der Notentext und der Fingersatz klar sein: was man noch nicht kennt, das kann man auch nicht üben. Also erst kennenlernen (Notentext, Fingersatz, Dynamik, Agogik, Phrasierung etc) und dann, wenn sich eine Stelle längere Zeit nicht spielen lassen will weil sie sich als widerspenstig erweist, dann entscheiden ob rückwärts, Stationen oder schichtweise Reduktion*) nötig sind.
Die Stationen dienen dem automatisierten von Bewegungsgruppen für hohes Tempo, man erreicht dieses mit ihnen eher und sicherer als durch allmähliches steigern. Der "Trick" dabei ist eigentlich trivial: drei oder vier sehr schnelle Töne überfordern nicht, schafft man ohne nachzudenken.
_______
*) für sehr komplexe Stellen hilfreich
 
Besten Dank, auch für die historische Information. Ich werde das an ein paar borstigen Läufen im guten Mozart probieren. Ich glaube, daß ich das intuitiv (sprich: ahnungslos) schon manchmal so gehandhabt habe.
 

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