Die besten Bach-Interpreten

Andras Schiff fand ich jahrelang auch richtig gut für Bach. Aber seit dem Bach-Kurs hat sich meine Wahrnehmung verändert. Ich finde, er klingt manchmal zu behäbig, nicht filigran genug. Wenn man z.B. den ersten Satz der 2. Englischen Suite vergleicht, und zwar gespielt von Schiff, Argerich, Perahia, Gould, Pogorelich, Hewitt und Stadtfeld, dann ragen die letzten vier in aufsteigender Teihenfolge heraus. Bei ihnen ist nichts Biederes, Behäbiges oder Braves, sondern eine Frische und ein kaleidoskopartiges Klangbild, das ich bei den anderen leider vermisse.

Allerdings, wahrscheinlich muss ich das dazu erwähnen, mag ich auch sehr die Minimal Music von Steve Reich. Und seine Resulting Patterns sind es, die ich bei meinen Favoriten auch im Bach-Spiel wiederfinde. Das heißt, dass bei ihnen u.a. latente Zweistimmigkeiten (in Zusammenhang mit einer sehr differenzierten Artikulation) eher hervorgehoben sind als bei anderen.

Um einem möglichen Missverständnis vorzubeugen bzw. um es auszumerzen: Ich finde keinesfalls, dass Bach von den anderen schlecht gespielt wird, sondern es spricht mich einfach nicht (mehr) an.
 
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Um mal einen jüngeren Namen in den Raum zu werfen: Was haltet ihr von David Fray?

Leider meint er wohl, ein Reinkarnation Glenn Goulds zu sein. Zumindest kann ich mir nur so seine Haltung und Mimik erklären. Aber abgesehen davon gehört er, finde ich, zu den interessanteren jüngeren Interpreten.
 
In der Jugend fand ich glaub ich Gould lange am besten, heute zum Teil ist das auch noch so aber damals war es schon eher in der Richtung kreischender weiblicher Teenager bei Beatles-Konzerten... OK, vielleicht war es nicht ganz so extrem. Ich fand einfach toll, dass er, nicht nur bei Bach, vieles anders gemacht hat, als die meisten anderen Pianisten. Dieses Summen hatte auch immer was einzigartiges, was ich immer gerne gehört habe.

Mittlerweile finde ich auch einige andere Interpreten ziemlich toll, besonders Angela Hewitt, sie hört sich auch besonders erfrischend an, dazu mag ich ihr Repertoire generell sehr gerne, weil sie auch sehr viel von Couperin und Rameau spielt. Evgeni Koroliov ist auch einer meiner großen Favouriten! Sonst fällt mir neben Gould niemand ein der die verschiedenen Stimmen so klar abgrenzt, aber er spielt nicht ganz so trocken und auch oft durchaus anders als Gould.

Wenn man jetzt das Klavier mal beiseite nimmt, finde ich auch Masaaki Suzuki ziemlich toll, sowohl sein Cembalospiel, als auch seine Aufnahmen der kompletten Kantaten.

Kennt ihr eigentlich Interpreten die Bach eher romantisch interpretieren, wo es wert ist mal reinzuhören? Ich hätte mal Interesse Interpretationen in der Richtung zu hören, auch wenn die meisten Leute das ja heutzutage nicht so gut finden, meistens.

Ansonsten mochte ich noch die Bach Transkriptionen von Kempff, da habe ich mir sogar mal die Noten gekauft und schon ein wenig "geübt", seine Bach Interpretationen gefallen mir aber eigentlich eher weniger. Von den älteren Haudegen habe ich auch noch nicht so viele Bach Stücke gehört, aber das WTC von Richter ist zumindest wieder klasse (schade dass die Aufnahmequalität da nicht so gut ist).

Nachtrag: Bei Gulda hat mir das WTC auch immer sehr gefallen, aber sonst habe ich leider kaum Bach-Aufnahmen von ihm gehört, außer ein paar Videos wo er auf dem Clavichord gespielt hat, das fand ich auch ziemlich toll (bin auch ein genereller Gulda Fan...)
 
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Kennt ihr eigentlich Interpreten die Bach eher romantisch interpretieren, wo es wert ist mal reinzuhören? Ich hätte mal Interesse Interpretationen in der Richtung zu hören, auch wenn die meisten Leute das ja heutzutage nicht so gut finden, meistens.

Busoni, 1. Präludium & Fuge aus dem WTK.
Klavierspiel ganz besonderer Art.

Manchmal biete ich einen Versuch einer "dem modernen Geschmack angepassten" Version als Zugabe an.

Mengelberg, Matthäus-Passion
eine Art ultima ratio diesbezüglich... darüber hinaus ein Dokument exemplarischen Orchesterdirigats meiner Meinung nach.
 
Ich finde den Bach von Vikingur Olafsson interessant. Er ist noch jung und man kann erwarten, das sein Bach später noch mehr an Reife gewinnen wird. Habe in seine CD‘s mal hineingehört...
 
Ich habe mal den noch jungen Olli Mustonen mit einer Französichen Suite als Konzertbeginn gehört. Ich bekam vom ersten Ton an ganz große Ohren. Im weiteren Verlauf fiel dann sein extrem trockenes Non-legato auf. Ich dachte schon, Glenn Gould wäre wieder auferstanden. Auch seine Körperbewegungen waren nicht gerade sparsam.
Sein Spiel war dann fast immer auch bei anderen Komponisten durch dieses Non-Legato und Staccato geprägt aber natürlich nicht nur dadurch.

Gruß
Manfred
 
Was genau meinst du mit "dem modernen Geschmack angepasst"? Besonders romantischer Ausdruck? Oder gerade das Gegenteil?

Tempoänderungen entschärft oder ganz weggelassen (wobei ich das leichte Accelerando in den 5. Takt hinein für einen Geniestreich halte); der Unterschied zwischen gebunden und getrennt ein bisschen mehr "schwarz auf weiß" (zB im Fugenthema).
 
Ich finde bei Bach das Ganze immer deutlich schwerer zu bewerten als z.B. bei Chopin, was daran liegt, dass sich manche unterschiedlichen Sachen in der Art, wie sie zu spielen sind, sehr unterscheiden und dazu unterschiedlich gut zum modernen Instrument passen.
So finde ich persönlich, dass die Kunst der Fuge oder auch das Wohltemperierte Klavier recht gut zum modernen Instrument passen, die Toccaten BWV 91x dagegen nicht, da fehlt die obertonreiche Brillianz des Cembalos.

Wenn ich jemanden nennen müsste, der mich am meisten überzeugt, wäre das aber wohl Gulda.

Obwohl ich dieses wohlbekannte Stück auch am Cembalo bevorzuge, finde ich diese Aufnahme beispielsweise trotz der lausigen Aufnahmequalität überragend:


View: https://www.youtube.com/watch?v=mJ5IkHlKQrw


Besonders gefällt mir bei Gulda - nicht nur wenn er Bach spielt - seine ich nenne es mal "Mikroagogik". Er ist überragend darin, sehr kurze, kleine, subtile Rubati zu machen, die die Struktur besser erkennbar machen, aber den präzisen, rhythmischen Charakter nicht zerstören.

Schade, dass er nicht auch öffentlich Orgel oder Cembalo gespielt hat. Von ihm BWV 552 aufgenommen in Waltershausen, Altenburg oder Naumburg wäre sicherlich ein Highlight.
 
Ich bin mit Bach noch nicht so bewandert. Schwer zu bewerten finde ich das Bach-Spiel aber auch in jedem Fall, und es ist der Wahnsinn, wie sehr die Interpretationen auseinander gehen. Spannend! War mir zu meinen Hoch-Klavierzeiten damals überhaupt nicht bewusst.
Gulda finde ich auch klasse! (Siehe mein Avatar :lol:) Sein a-moll Prelude aus der Englischen Suite 2 z.B. ist so so schön!!


View: https://www.youtube.com/watch?v=-GCLoP5zzxU


Ich habe von Murray Perahia die Suiten als Gesamtaufnahme, das ist auch eine sehr (!) schöne Aufnahme! Ist neben Gulda sowieso einer meiner liebsten Pianisten.

Gestern war ich auf der Suche nach einer Referenzaufnahme (für mich) der Inventionen, ich spiele gerade zum Einstieg die 8. und bin ein wenig ratlos ob der Interpretation. Dabei kam mir Till Fellner unter...da war ich etwas geschockt, wie der die Töne runter rattert. Für mein Empfinden hart und gar nicht fein. Das hat meinen Geschmack z.B. nicht getroffen. Wie findet ihr Fellner? Und wenn ich schon einmal beim Thema bin: welche Aufnahme der Inventionen ist eure liebste bzw. könnt ihr empfehlen?
 
1. Sviatoslav Richter - Ich bin mit seinem Wohltemperierten Klavier aufgewachsen: Er hat alles, was es braucht; Tiefe, Technik, Gefühl und Originalität
2. Wilhelm Kempff - Für Ihn gilt eigentlich das Gleiche, wie für Richter
3. Friedrich Gulda - Überraschend gut und gesanglich
4. Glenn Gould - Sehr exaltiert und unique, aber sicher spannend.
5. Tatiana Nikolayeva - die russische Seele
Andras Schiff mag ich auch: Er ist für mich der "Softi" unter den Bach Interpreten, praktisch des Gegenteil zu Glenn Gould: sehr weich und barock.

www.besteveralbums.com/thechart.php?c=64289
 

1. Glenn Gould (mit Abstand)

2. Maria Tipo, Gulda, Brendel, Leon Fleischer
3. Vikingur Olafsson
 
Wilhelm Furtwängler:


Bitte keine Diskussion um historische Aufführungspraxis, sondern versuchen, sich auf die immense Musikalität seines Spiels besonders in der großen Kadenz einzulassen trotz der schlechten Tonqualität.
 
Als Zeitdokument sicher interessant, ebenso wie beispielsweise die Passionen mit Mengelberg oder Klemperer. Ich kann es mir aus musealer Neugierde anhören, genießen kann ich es nicht. Aber das gilt für die allermeisten Gould-Aufnahmen ebenso: ich kann seinen rhythmischen Drive und sein geniales Timing bewundern, aber mit Freude anhören? Nein..
 
Beste Bach Interpreten!?
Gould und Tureck auf jeden Fall.
Beim WtC fand ich zu meiner großen Überraschung Vladimir Ashkenazy super!!
Hewitt ist auch sehr gut!
Richter Barenboim und andere Neoromantiker habe ich weniger ästhimiert. Wenn so dann doch lieber das Original Edwin Fischer.
Von Brendel gibt es nicht so viel Bach, aber das geniale BWV 904 spielt er sensationell.
Geheimtipp ist Samuel Feinberg
Auf dem Cembalo immer interessant und zuweilen gut ist Wanda Landowska.
Horowitz spielt die Toccata BWV 911 so, dass man sich mehr Bach von ihm wünschen würde.
 
Erwähnt werden sollte unbedingt der Brasilianer Joao Maria Martins, der aus gesundheitlichen Gründen viel zu früh seine Karriere beenden mußte. Ich habe. Bachs komplette Klavierwerke vor Jahren über ein brasilianisches Label bezogen. Wäre eine Aufgabe für die Trüffelsucher hier zu eruieren, ob es auch eine europäische Quelle gibt.
 

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