Der "richtige" Flügel, die zweihundertvierundsiebzigste

K

kalessin

Guest
Nachdem ich jetzt einige Jahre rein "digital" unterwegs war, haben sich für mich seit einigen Monaten ein paar Möglichkeiten ergeben, gelegentlich auf "richtigen" Instrumenten zu spielen. Und das war natürlich ein Fehler. Derzeit ist ein Umzug geplant, und sagen wir mal so... die neue Wohnung wird wohl "flügelgeeignet" ausgesucht. Ähem. :-D

Nun muss ich natürlich daran gehen, das doch recht große und fast unüberschaubare Feld der Instrumente ein wenig zu ordnen. Ich habe derzeit vorläufig drei Instrumente im Auge, aber vielleicht übersehe ich ja irgendeine offensichtliche Möglichkeit.
  • Kawai GX-2 (ggf. RX-2)
  • W.Hoffmann T 177 (ggf. V 175)
  • Irmler F 175 E
Alle diese Instrumente liegen neu knapp unterhalb bis knapp oberhalb von 20 kEUR, mit der hoffentlichen Möglichkeit, ein junges Gebraucht- oder Ausstellungsinstrument in gutem Zustand zu finden.

Hintergrundüberlegungen:
  1. Ich mag Pianinos nicht. Die Mechaniken sind im Vergleich oft eher schwergängig (was ich als Fehler der Instrumentengattung sehe), der Klang eher hohl und blechern. Mag brutal klingen, aber: bevor ich ein Pianino kaufe, bleibe ich wohl beim guten Digitalpiano.
  2. Ich bin eher Freund eines wärmeren, "weicheren" Tons. Man könnte auch sagen, ich bevorzuge das ziemlich direkte Gegenteil des klassischen "Yamaha-Klangs"; absoluter klanglicher Favorit wäre Blüthner, allerdings unbezahlbar.
  3. Ich bin nicht mit europäischen bzw. deutschen Fabrikaten verheiratet. Allerdings habe ich auf das musikalische Pendant eines Billy-Bücherregals von Ikea auch wieder keine Lust.
  4. Es muss finanzierbar bleiben. Dass es fünfstellig werden wird, ist mir klar, aber es gibt eine deutliche Schmerzgrenze im eher unteren fünfstelligen Bereich.
Aufgrund von Punkt 2 sind bisher Yamahas eigentlich nicht auf der Liste. Außerdem, ernsthaft: irgendwie "jeder" hat ein Yamaha, zumindest gefühlt. Die Instrumente sind gute Arbeitspferde, der Klang sehr verbreitet. Und ich finde sie furchtbar, vielleicht genau deshalb: die Dinger sind das Microsoft Windows der Musikinstrumente. Traditionell sind Yamahas auch eher "brillant" im Klang, ich bin da etwas böser und sage mal frech "metallisch" und "hart", da kann auch der beste Stimmer nicht gegen an intonieren. Gerüchtehalber sollen aber neuere Instrumente dank anderer Hämmer weicher klingen; leider konnte ich das noch nicht aus erster Hand verifizieren.

Auf Kawai- und Hoffmann-Flügeln habe ich schon mehrmals spielen können. Gerade das Spielwerk des Kawai (RX-2) war wohltuend leichtgängig und präzise, und klanglich positioniert sich Kawai ja ganz bewusst anders als Yamaha. Dass die Mechanik "aus Plastik" ist, ist mir bekannt und halte ich sogar für ein großes Plus. Sagen wir mal so: niemand auf dem ganzen Planeten käme heutzutage noch auf die Idee, dass es eine gute Idee wäre, eine komplizierte Mechanik mit sehr vielen beweglichen Einzelteilen ausgerechnet aus Holz zu bauen... also, niemand außer Klavierbauer. ;-)

Es gibt natürlich billigere Möglichkeiten... z.B. kriegt man einen Samick 172 neu für unter 10kEUR. Aber... ähm... nein. :-D Aber vielleicht übersehe ich ja trotzdem noch irgendeine Alternative. Ich werde sowieso in den nächsten Monaten einige Ausflüge zu Händlern im weiteren Umkreis machen müssen... z.B. will ein Irmler erst noch angespielt werden.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Wo werden denn Irmler gebaut....;)
 
Nach Auskunft von Blüthner werden sie in Polen gefertigt, wobei die Endmontage, Einregulierung und Intonation in Leibzig erfolgen sollen. Das war zumindest die Auskunft von Christian Blüthner per Mail dazu.
 
Ich habe vor einigen Wochen neue Irmler Instrumente in Leipzig direkt bei Blüthner gespielt. Lass die Finger davon. Zu W. Hoffmann kann ich nicht viel sagen, aber mit Glück kann man da sehr ordentliche Instrumente finden.

Oh, das überrascht mich jetzt negativ... die Irmlers sollen Detoa-Mechaniken verwenden, was wohl Renner-Klone sind. Gegen moderaten Aufpreis kriegt man wohl auch direkt Renner. Oder meinst du, sie taugen klanglich schon nicht?

Ich spiele hier vor Ort auf einem W.Hoffmann V175. Im besten und schlechtesten Sinn ein unauffälliges Instrument. Die Mechanik funktioniert recht gut, deutlichster Kritikpunkt war bisher das Tastenmaterial mit der haptischen Qualität Marke "billiges 80er-Keyboard". Vermutlich PMMA ("Plexiglas"), ist recht verbreitet sogar wohl bei etwas teureren Instrumenten.
 
Hofmann kenne ich nicht, aber wenn ich die Wahl zwischen Irmler und Kawai G X2 habe, dann ist mein eindeutiger Favorit der KAWAI GX2. Unter den Flügeln, die ich angespielt habe, waren die GX wesentlich besseres die RX. Nach meinen Infos werden Irmler Europe in Polen und Irmler Studio in China gebaut.

Grüße
Zweitflügel
 
Hallo kalessin,

wenn du nicht unbedingt auf ein neues oder fast neues Instrument bestehst, dann könntest du die Angebotspalette enorm erweitern. Gibt es einen Grund, warum du bislang um ältere Gebrauchte einen Bogen machst? Du musst ja nicht gleich im vorletzten Jahrhundert suchen, aber was spricht gegen einen 50-jährigen gut erhaltenen "Marken"-Flügel? Wenn dein Budget bis 20T € reicht, gibst du 10 für den Flügel aus und 10 für die Aufbereitung. Dann sollte da technisch und klanglich alles tippi-toppi sein. So einfach ist das :-)

LG, Sesam
 
Tatsächlich habe ich da schon drüber nachgedacht. Da würde ich aber wohl eher den Weg beschreiten, mit dem örtlichen Klavierbauer meines Vertrauens zu sprechen, was derzeit an "Altinstrumenten" in den regionalen Depots steht (es gibt hier tatsächlich "Großhändler" dafür). Das Risiko bei den deutlich älteren Instrumenten ist natürlich schon etwas höher, z.B. durch Altersrisse im Metallrahmen. Die alten Mechaniken sind dagegen ja wohl recht gut zu überholen, wenn da Teile verschlissen oder verzogen sind.
 
Dass die Mechanik "aus Plastik" ist, ist mir bekannt und halte ich sogar für ein großes Plus. Sagen wir mal so: niemand auf dem ganzen Planeten käme heutzutage noch auf die Idee, dass es eine gute Idee wäre, eine komplizierte Mechanik mit sehr vielen beweglichen Einzelteilen ausgerechnet aus Holz zu bauen... also, niemand außer Klavierbauer. .

und die Klavierbauer glaube ich wissen warum.
Plastik "lebt" von Weichmachern, wie du sicher weißt, sind die nach ein paar Jahren verdunstet, zerbröselt die Mechanik und löst sich auf. Meine Frau hatte so ein Ding ( weiß die Marke jetzt nicht), nach einigen Jahren war es kaputt und wird auch nicht mehr repariert, ist also Sperrmüll.

Die Klavierbauer werden da aber mehr dazu zu sagen haben.
 
Es gibt Plastik, und es gibt Plastik. Kawai verbaut ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol), welches ein Thermoplast ohne Weichmacher ist, in neueren Mechaniken mit Kohlefaser-Verstärkung. Kohlefaser-Komposite sind die Dinger, mit denen neuerding auch Flugzeuge fliegen. ;-)

Zur Geschichte von Kunststoff in Klavieren hatte ich vor einiger Zeit mal einen recht interessanten Artikel im Netz gelesen, und zwar von einem Klavierbauer wenn ich das richtig gesehen hatte. Sein Fazit war, dass er beim besten Willen nichts gegen die Kawai-Mechaniken sagen könne. Ah, hier ist er: http://www.georgekolasis.com/piano-action-parts.html

Kurzfassung: es gab früher tatsächlich mal Probleme mit Kunststoff-Mechaniken, übrigens aber nicht bei Kawai.
Most of the service problems in a piano action come from the expansion and contraction of wood, creating loose flanges and unresponsive touch. The Rippen Piano Co. from the Netherlands used plastic in their actions in the 60's to overcome this problem, but failed to properly test their materials. The plastic parts worked beautifully other than where the plastic fused with metal parts and they literally fell apart within a few years!

Auch Steinway hat schlechte Erfahrungen gemacht, weil sie das Material Kunststoff leichtfertig eingesetzt haben.
Steinway in the 70's decided that the concept was sound and therefore started using Teflon in their bushings to reduce the effects of wearing and fluctuations in humidity. The bushings worked well. What Steinway however, failed to understand was that a composite material lodged in a wood part would soon become loose and then make a "clicking" sound.

Das sind recht naheliegende Gründe für Probleme mit Kunststoff-Mechaniken... die aber nichts mit den Kawai-Mechaniken zu tun haben, und auch nichts mit der grundsätzlichen Frage, ob ein Hightech-Komposit-Kunststoff Holz überlegen ist oder nicht. Das Fazit von Mr. Kolasis ist denn auch ziemlich eindeutig:
In my opinion, carbon fiber actions are here to stay. I also now believe without question, that one day, probably not too far in the distant future, manufacturers will be forced to produce this standard of quality to stay competitive and viable. When international competitions are won on carbon fiber actions, when some of the worlds' finest pianists have become converts to the enhanced responsiveness and longevity of carbon fiber actions it will be time to give credit where credit is due.
 
Kunststoff, Carbon alles hoch gefährliches Zeug. Heute werden Autos, Flugzeuge usw. aus Carbon gebaut, erst vor kurzem wurde festgestellt wie gefährlich dieses Material ist, ähnlich wie Asbest.
 

Kunststoff, Carbon alles hoch gefährliches Zeug. Heute werden Autos, Flugzeuge usw. aus Carbon gebaut, erst vor kurzem wurde festgestellt wie gefährlich dieses Material ist, ähnlich wie Asbest.
Wenn du auf die BW-Studie anspielst, da ging es um Brände und Personengruppen, die ständig mit dem Material unter solchen Bedingungen zu tun haben. Unter großer Hitzeeinwirkung können dann wohl tatsächlich Stäube mit feinsten Kohlefasern entstehen, die theoretisch ähnlich wie Asbest wirken könnten (bisher "weiß" man das noch nicht). Das ist vornehmlich für Feuerwehrleute etc. interessant, und wird es vielleicht für Autofahrer in mittelferner Zukunft, wenn sie ständig in Unfälle mit Bränden verwickelt werden (und CFK das Standardmaterial für Karossen etc. geworden ist).

Dass man bei der spanenden Bearbeitung von Glas- und Kohlefasermaterialien Atemschutz braucht, ist eigentlich schon seit Jahrzehnten bekannter Usus, soo neu ist das Zeug ja nun wirklich nicht mehr. Unter normalen Umständen ist es ziemlich inert und ungefährlich.
 
.[/QUOTE] unter normalen Umständen ist es ziemlich inert und ungefährlich.[/QUOTE]

es wurde schon viel als ungefährlich deklariert :rauchen:
und wenn dieses Zeug mal sein Alter erreicht! wird's dann ins Meer geschmissen? :denken:
 
Tja... Klaviere sind wohl eher Sperrmüll? Und im Vergleich zu der Müllmenge, die der Durchschnittseuropäer jedes Jahr allein in Form von Plastiktüten erzeugt, ist der Plastik-Anteil in einem Kawai-Flügel... aber lassen wir das. Und wenn ich ein gebrauchtes RX-2 kaufe, bewahre ich das doch auf absehbare Zeit vor dem Müll. ;-)
 
.. Ich habe derzeit vorläufig drei Instrumente im Auge...
  • Kawai GX-2 (ggf. RX-2)
  • W.Hoffmann T 177 (ggf. V 175)
  • Irmler F 175 E

Die hätte ich eher nicht auf dem Schirm gehabt. Allenfalls der Kawai könnte noch interessant sein. Diese Auswahl ist wohl eher theoretisch gefallen, stimmt's? Wenn man ein günstiges, nicht ganz offensichtlich chinesisches, vermeintlich hochwertigeres, ziemlich neues und noch dazu recht kleines Flügelchen ergoogelt, dann landet man
vermutlich bei Irmler und Co.
Wie gesagt, hier nehme ich den Kawai mal raus, schon alleine weil er etwas größer ist.
Würde man sich durch die Klavierhäuser spielen, dann sähe die Auswahl sicher völlig anders aus.
Ich glaube auch nicht, dass die genannten Fügel, die ja doch ziemlich kurz geraten sind, klanglich einem grossen, hochwertigen Klavier ernsthaft gefährlich werden können. Du darfst nicht nur mit Mittelklasse-Kleinklavieren vergleichen. Ich habe z.B. ein 130er Schwechten, das meinem Bechsteinflügel, der auch nur ein M mit 180 cm ist echt in die Parade fährt, je nach Literatur sogar authentischer klingt.
Klar gibt der Preis viel vor und die Stellfläche auch. Für dich sehe ich als Alternativen eher hochwertige Klaviere oder vielleicht etwas ältere gebrauchte Flügel der großen Marken. Rein klanglich liegst Du dann mutmaßlich besser.

LG
Bechsteinfreund
 
Für dich sehe ich als Alternativen eher hochwertige Klaviere oder vielleicht etwas ältere Gebrauchte der großen Marken. Rein klanglich liegst Du dann mutmaßlich besser.

Ich mag das Spielgefühl auf einem Klavier nicht, und sei es ein Konzertklavier mit 1,50m Höhe, das preislich dann übrigens in ähnlichen Größenordnungen liegt wie ein kleiner Flügel. Und dass ein Pianino selbst mit 1,50m Höhe besser klingen soll als ein 1,75m-Flügel, sehe ich so auf Anhieb nicht, im Gegenteil. Davon unabhängig bleibt die vollständig andere Mechanik im Klavier gegenüber dem Flügel, die ich nicht will.

Davon abgesehen ist nur der Irmler bisher theoretisch, weil ich davon noch keinen anspielen konnte. Da hat aber Wutz eine recht glaubhafte Einschätzung zu abgegeben, womit der "polnische Blüthner" vermutlich aus dem Rennen ist (wenngleich ich trotzdem noch mal schauen werde, ob ich eins irgendwo anspielen kann). Und ja, es ist nicht ganz einfach, wenn die Parameter "kein Billig-Asiate" und "kein Yamaha" beinhalten. ;-)

Ich hätte vielleicht erwähnen sollen, dass ich ein Samick 172 letztens aus der Nähe betrachten konnte und bereits haptisch so abgestoßen war, dass sich meine Vorurteile zu billigen Asia-Geräten gefestigt haben. Was nichts mit Asia-Geräten als solchen zu tun hat, sonst hätte ich Kawai nicht auf der Liste. Auch von dem Hoffmann 175 bin ich bisher, von der Plexiglas-Tastatur abgesehen, recht angetan... und die Male, auf denen ich jüngst auf einem Kawai RX-2 spielen konnte, war ich ebenfalls recht beeindruckt sowohl von Klang als auch Spielbarkeit.

Derzeit tendiere ich tatsächlich bei "(fast-)neu" zu Kawai, sowohl was die Mechanik angeht als auch den Klang, der meinen Vorstellungen recht nahe kommt. Ansonsten kommt tatsächlich noch ein deutlich älteres Gerät der "großen Marken" in Frage, ja. Übrigens ist nicht jeder Blüthner 2 Meter lang, im Gegenteil hat man da selbst im großem Wohnzimmer schnell Schwierigkeiten. ;-)
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hast Du mal ein richtig gutes Klavier angespielt? Der Resonanzboden eines grossen Klaviers ist übrigens mindestens so gross, wie der eines Stutzflügels. Die Mechanik ist natürlich anders, aber es gibt viele Flügel und Klaviere mit schlechter Mechanik und viele mit guter. Von den Semikonzertern aufwärts von Steinway, Bechstein und anderen lass lieber die Finger...dann verfeuerst Du Deinen Irmler im Kamin...

LG
Bechsteinfreund
 
Ich übrigens bevorzuge auch einen Flügel, wenn ich mich entscheiden müsste, die Spielbarkeit und Dynamik ist in der Regel schon besser, aber wenn's sehr neu sein soll und der Kostenrahmen feststeht, dann finde ich schon, dass man -wenn Klang das Kriterium ist- auch gute Klaviere abspielen sollte, klar zahlst du dann genauso viel, aber klanglich hast Du dann oftmals mehr.

LG
Bechsteinfreund
 
Zuletzt bearbeitet:
...und warum reitest du auf dem Irmler herum? Das einzige Instrument aus der Liste, das es relativ sicher nicht wird? Und ja, natürlich, ich vergleiche ein Steinway-Klavier für 30.000+ Euro mit der preiswerten Bechstein-Schiene. Äpfel, Birnen. Die Frage ist nicht: will ich Klavier oder Flügel, die Frage ist beantwortet. Die Frage ist und war ausschließlich: was für sinnvolle, bezahlbare Möglichkeiten habe ich. Egal, lass' gut sein.
 
Mein Favorit wäre daher:
Lieber Flügel, dann halt älter und gebraucht. Da gibt's irre viele echte Tauminstrumente.

LG
Bechsteinfreund
 

Zurück
Top Bottom