Ich glaube, das Problem liegt darin, dass den meisten Leuten im Publikum nicht bewusst ist, was der Unterschied zwischen einem Fernseher und einer Konzertbühne ist. Beide Male setzt man sich davor und es kommt Musik raus. Dass sich die hirnlose Stereoanlage nicht konzentrieren muss und man nebenher Lärm machen kann, ist jedem bewusst, dass das aber für einen lebendigen Musiker genau andersrum ist, zu dieser logischen Umkehrschlussfolgerung reicht es bei den meisten nicht mehr.
Eigentlich kann man dies als Kompliment auffassen - der Musiker wirkt so sicher und stohisch, als könne ihn nichts aus der Ruhe bringen. Dem ist aber natürlich nicht so.
Da man sich aber vermutlich kaum vorstellen kann, wie es sich anfühlt, auf der Bühne zu musizieren, wenn man nicht mal ein Instrument spielen kann und sich das Wirken vor anderer Augen auf ein "Haut rein, meine Freunde" am alljährlichen Geburtstag beschränkt, ist es kein Wunder, wenn mancher keine Rücksicht walten lässt. Dazu kommt, dass nicht jeder so konzentriert zuhört sich manche nur berieseln lassen und auch nicht alle gewisse Spannungsmomente überhaupt bemerken und gar denken, in stillen Pausen stört das Husten weniger.
Weiterhin freut sich der gemeine Konzertbesucher (im doppelten Sinne? :D ) doch, wenn andere ihn bemerken, was bisweilen in einen Wettbewerb ausartet, der da heißt: Wer klatscht als erstes und ruft Bravo, so dass alle anderen ihn hören bevor sie anfangen zu klatschen?
Warum also nicht auch ein -- Husten und im Programm blättern ist normal, das dürfen die anderen ruhig mitkriegen.
Letztlich glaubt mancher vielleicht, zwischen Musiker und Publikum befände sich nicht nur eine räumliche und eigenschaftliche, sondern auch eine akustische Trennung, die verhindert, dass der Musiker Geräusche von "außen" hört, nur weil er nicht körperlich darauf reagiert.
Bei meinem letzten Klavierabend habe ich extra dem Veranstalter vorher eingebläut, dass die Presse während meines Spielens bitte keine Fotos machen soll. Was höre ich aus der ersten Reihe während einer ausholenden Steigerung zum Höhepunkt des Stückes - lautes Klicken einer Kamera. Leider konnte ich meine Augen gerade nicht von den Tasten lösen, um böse nach rechts zu gucken...grrrrrr...
Und vor einem Jahr spielte ich in einem Vorlesungsraum, in dem der Eingang dummerweise fast direkt auf der Bühne ist. Da kam doch (trotz Verbotsschild!) jemand während des Spielens herein, stellte sich erstmal eine Weile neben den
flügel, überlegte, wo er sich jetzt hinsetzt, lief dann auf der Bühne vor dem Flügel vorbei und platzierte sich im Publikum. Auf meinen späteren Hinweis, dass das möglicherweise weniger angebracht war, reagierte der Herr irritiert und nicht sehr verständnisvoll.
Ich werde demnächst mal den Nokia-Walzer von Hamelin üben und spontan durch das Stück ersetzen, was ich spiele, während gerade mal wieder ein Handy klingelt. Das dumme ist nur, sowas muss man sich dann erstmal trauen........