Das Klavierkonzert der Zukunft

Ich denk mal, dass durch Paul Potts niemand zur Klassik überwechselt.
Allein schon weil Paul Potts ein falsches Bild von der Klassik gibt, da er sein Liedchen ziemlich falsch singt (als Arie will ich seine Interpretation eh nicht bezeichnen)

Naja, aber lieber junge Liebhaber von 0815-Klassik als von gar keiner Klassik.

oli
 
Naja ich glaub die meisten kennen halt nur bischen bach und mozart und das reicht ihnen, um klassik abzulehnen, ich glaube zu den romantischen komponisten würde der zugang leichter fallen.

Ich denke/vermute, die leichteren, eingängigeren und daher bekannteren Klassik-Stücke bieten eher einen Zugang. Mit Speck fängt man Mäuse. Wenn jemand erst mal auf den Geschmack gekommen ist, ergibt sich der Rest. Besser mit leichteren Sachen ködern als überfordern.
Mich erinnert das an meine Jugend: im Musikunterricht an der Schule war das eher zum Abgewöhnen und vermittelte alles, bloß keinen Spaß oder Interesse.

Ich denke mal, dass der Musikunterricht an normalen Schulen sogar dazu beiträgt, dass die klassische Musik noch unbeliebter wird.

Und da müsste man eben schon in der Schule einen besseren Zugang ermöglichen. Mir hat das, was wir in der Schule so an klassischer Musik gehört haben, auch nicht gefallen, aber da kann man hingeführt werden, wenn man erst mal Stücke hört die schön und leicht zugänglich sind wie Tschaikowsky' 1. Klavierkonzert oder so.

Ich fände es sowieso viel besser, wenn die Hauptaufgabe des Musik-Unterrichts ( LK natürlich ausgenommen) darin bestände, Jugendlichen klassische Musik nahezubringen.
Stattdessen wird versucht, den Schülern ein minimales Areal an Musikthearie/-und Geschichte beizubringen. Aber was bringt es, wenn die dann lernen, wie eine Sonatenhauptsatz-Form aufgebaut ist, aber nicht eine einzige Sonate zu schätzen gelernt bzw. überhaupt richtig angehört haben?

Worauf ich hinaus will: Der Musikverin in Wien öffnet bei Generalproben seine Tore gerne für Schulklassen. Mein erstes Schulklassenkonzert war eine Orchesteraufführung mit Werken von Anton Webern. Wie soll ein Schüler Zugang zum klassischen Konzert bekommen, wenn sein erstes (Pflicht-)Konzert im Konzertsaal von atonaler Musik handelt?? Niemandem hat das Konzert gefallen, mir selbst auch nicht. Nach dem Konzert hatte ich es als "Schreckensmusik" parodiert. Noch dazu wurde die Vorstellung gerne (wiederholt) vom Dirigenten unterbrochen, was es dem Zuhörer noch schwerer machte, dem pseudo-existenen musikalischen Fluss zu folgen.
Nächstes Jahr war dagegen erholsam: Sinfonien von Brahms als Balsam für die Ohren.
 
Nächstes Jahr war dagegen erholsam: Sinfonien von Brahms als Balsam für die Ohren.

Einmal pro Jahr ist einfach zu wenig! Popmusik verfolgt einen praktisch jeden Tag, im Radio, Fernsehen, Supermarkt und auch live. Am besten legt man solche Veranstaltungen noch auf Zeiten, wo die Kinder am liebsten World of Warcraft oder Counterstrike spielen, dann hört in ein paar Generationen kaum noch jemand Musik der klassischen Art, denn wer sollte zukünftig die Filmmusiken komponieren, die gelegentlich noch die Jugend erreicht?

Wenn die Berichte in den Medien halbwegs in der Nähe der Wahrheit sind, ist es vor allem um den Schulunterricht sehr schlecht bestellt. Wenn Musik als kurioses Nebenthema abgehandelt wird und dort noch - wie anscheinend auch immer öfters im Klavierunterricht - darauf eingegangen wird, daß die "Kids" lieber was modernes wollen, wo soll dann das allgemeine Interesse herkommen? Von den anderen Kindern bestimmt nicht, von den Eltern auch immer weniger und die Medien hatte ich ja schon erwähnt.

Und fragt bitte nicht, woher mein Interesse stammt, ich weiß es nämlich nicht. Schulunterricht war okay aber den fand ich interessant, weil ich eh schon an Musik interessiert war. Das Elternhaus war es auch nicht und Freunde schon garnicht. Wer weiß, vielleicht sind manche Interessen auch angeboren?
 
...Nur weil ein "einigermassen" talentierter Pianist namens "Bang bang" erfolg damit hat, rennen dem gleich ein paar millionen kiddies nach und wollen das auch können ( nicht, dass das schlecht ist, im gegenteil ) Dennoch ist das alles Mediensache, würde Herr Lang lang nicht im fernsehen auftreten, würde sich kein Schwein für den interessieren.

Das mußte ich nochmal aufgreifen. Wenn man sich über sowas erfolgreich aufregt und es damit unterbindet, gibt es wieder eine Möglichkeit weniger, neue Klassikfans zu finden. Und im Gegensatz zu Richard Clayderman präsentiert Lang Lang ja tatsächlich klassische Musik.
 
Nachdem ich nun alle 13 Seiten dieses Threads gelesen habe bin ich nun so frei euch meine Sicht der Dinge zu erläutern. Ich bin übrigens absoluter Klavieranfänger und habe zuvor noch kein Instrument gespielt. Ich bin 24 Jahre alt und kann mit der Klassik bisher nur bedingt was anfangen (Nur damit ihr ungfähr einschätzen könnt aus welcher "Ecke" dieser Kommentar kommt)

...
warum sollte ein (junger) Mensch überhaupt in ein „Klassik“ Konzert gehen (was immer das ist)?
...

Aus dem gleichen Grund weshalb er auch zu anderen Konzerten geht.
Wieso geht jemand zu einem Konzert? Weil er die Musik oder zumindest die Musikrichtung bereits kennt und sie mag. Er möchte mehr von der Musik erfahren und Gleichgesinnte treffen. Er möchte die Band auch mal "Live" hören weil sie da vielleicht nicht so perfekt und steril klingt wie auf der CD.

Daraus schließe ich: Bevor jemand auf ein Klassikkonzert geht muss er bereits Berührungspunkte mit dieser Musikrichtung gehabt haben und diese zumindest mal als interessant empfunden haben.

Und ich denke da liegt das Hauptproblem. Jeden Tag werden wir mit Musik konfrontiert aber wann ist das mal klassische Musik?
Filmmusik stellt vermutlich noch am ehesten einen Berührungspunkt für die Masse dar der zumindest in die "klassische Richtung" geht.


Darüberhinaus werden viele von der Klassik überfordert. Zumindest geht es mir so, ich bin nunmal "Musik-Bildungstechnisch" nicht auf einem ausreichend hohem Niveau um sie zu verstehen. Und deshalb habe ich sie zuersteinmal als uninteressant um nicht zu sagen als langweilig abgetan.

Vielmehr kann ich mich für einfacher aufgebaute Stück begeistern die somit auch einfacher zu verstehen und zu begreifen sind. Ja mir gefällt Yann Tiersen, Ballade pour Adeline, Für Elise usw. als auch Pop/Rockmusik wie z.B. "Nothing Else Matters als Piano-Solo.

Nun nehme ich seit einem halben Jahr Klavierunterricht. 80-90% von Yann Tiersen ist wohl noch immer zu schwer für mich dennoch ist mir bereits aufgefallen das diese Stück meist recht simpel aufgebaut sind. Und nach mehrmaligem hören relativ schnell den Reiz verlieren. Daher habe ich begonnen mich umzusehen was der "Markt" eigentlich noch so zu bieten hat.

Auf einmal konnte ich mich für eine Etüde von Chopin begeistern, ich entdeckte Fazil Says Interpretation von einem Stück Mozarts (YouTube). Ich möchte behaupten mein musikalischer Horizont ist im Moment im Begriff sich zu erweitern. Aber so spannend das alles für mich ist, dieser Prozess geht langsam von statten.
Es motiviert mich übrigens auch weiter zu lernen vielleicht kann ich dann irgendwann ja mal wirklich was von Chopin oder Mozart selbst spielen :)

Und warum geschieht dies alles? Weil ich angefangen habe ein Instrument zu erlernen und mich dadurch eben auch mit der Materie beschäftige. Ich denke das ist auch der einfachste Weg um zur Klassik zu finden, eben selbst ein Instrument zu erlernen.

Vermutlich ist kaum möglich ein Klassikkonzert so zu gestalten, dass es einem "Klassik-Fremden" spontan gut gefällt.

Deshalb ist es bestimmt kein Fehler zukünftig auch weiterhin Ananasamerikaner anzubieten. Und das Program mit einfacheren und bekannten Stücken zu ergänzen damit "Klassikeinsteiger" wie ich auch eine Chance bekommen.

Mit freundlichem Gruß,
Chris

PS: Wenn ihr einem Grundschüler den Spaß am Lesen nahebringen wollt konfrontiert ihr ihn doch auch nicht gleich mit Goethes Faust ;-)
 
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Huch, da wird ja noch geschrieben ...

Hallo Chris,

es freut mich, dass Du Dich da durch gewühlt hast und vor allem, dass Du Stellung beziehst als jemand, der "nicht aus dem Inneren" der Klassik kommt.
Ich war ja auf der Suche, "wie muss ein Konzertabend gestaltet sein, damit er Außenstehende anspricht"?

Zu meinem Stammpublikum gehören immer Leute, die mit Klassik absolut nichts am Hut haben - meine Schüler/innen nämlich. Die haben zum Teil die Karriere über die Hauptschule, die zweijährige Berufsfachsschule zum beruflichen Gymnasium hinter sich. Da ist fast nirgendwo was mit Musik. :mad:

Dazu hatte der Aspekt bist jetzt gefehlt: spiele in jedem Programm auch was leicht Fassliches! - Werde ich künftig tun! :p

Vielen Dank und viel Erfolg beim eigenen Tasten!

Walter
 
Dazu hatte der Aspekt bist jetzt gefehlt: spiele in jedem Programm auch was leicht Fassliches! - Werde ich künftig tun! :p

Das finde ich ganz besonders in diesem Falle wichtig und richtig!

Man muß die Menschen da abholen, wo sie sind.

Dann erreicht man sie, dann kann man zumindest einige animieren, sich auf neue Wege zu begeben.
 
Chris, dein Beitrag war überaus interessant! Viele von uns haben möglicherweise einen ähnlichen Prozeß durchgemacht, aber das liegt schon so lange zurück, daß wir uns daran garnicht mehr richtig erinnern. Aber die eine oder andere Erinnerung ist mir beim Lesen deines Beitrags zurückgekommen.

Ganz wichtig finde ich auch deine Aussage, daß man natürlich in Konzerte geht, weil man die Musik oder den Interpreten schon kennt und es mal "richtig" hören will. Obwohl das eine völlig offensichtliche Tatsache ist (mal abgesehen von den Leuten, die aus rein gesellschaftlichen Gründen zu Konzerten gehen), ist bisher niemand hier darauf gekommen :D

Die Schlußfolgerung daraus haben Chris und ich ja auch schon gezogen: Klassische Musik ist nicht so präsent wie Pop- und Filmmusik und daher nicht so erfolgreich.

Noch was zu einigen Ideen für das Konzert der Zukunft:

Ich mache Musik, weil ich von ihr begeistert bin und weitergeben möchte, wie sie mich bewegt. Wenn mich ein Stück anspricht, möchte ich anderen die Möglichkeit geben, das gleiche zu erleben und es ihnen leichter machen als mir, indem ich es vorspiele (sei es als CD oder selbst gespielt oder wie auch immer). Deswegen halte ich überhaupt nichts davon, Konzerte pädagogisch zu gestalten. Sicherlich ist es lustig für Kinder, als Pauken, Trompeten oder Oboen herumzulaufen aber die Begeisterung gilt dann diesem Spiel und nicht wirklich der Musik. Da wäre es schon interessanter, die Motive eines Stückes auf die Kinder verteilen, die diese als Tanz, Körper- oder Gesichtsausdruck darstellen. Tänze könnte man auch einfach tanzen lassen.

Eine kurze Anmoderation der Musik finde ich nicht schlecht aber das meiste, was aus der Idee heraus erzwungen wird, die Musik dem Publikum näher zu bringen (das ja eigentlich schon mehr oder weniger freiwillig erschienen ist), habe ich bislang als Laberei, unfreiwillige Komik oder einfach erzwungen empfunden. Man sollte gerade in Konzerten wirklich davon absehen, Dinge zu tun, die man nicht richtig kann!

Für mich ist und bleibt das Hauptqualitätsmerkmal für jedes vergangene und zukünftige Konzert eine ehrliche und offene Präsentation, die mich mitreißt und träumen läßt. Ob ich dabei die Musik so verstehe, wie sie tatsächlich gemeint ist, ist mir dabei relativ egal. Ehrlich gesagt glaube ich, daß dieses auch einer der Hauptgründe dafür war, Musik überhaupt zu erfinden.
 
Als ich am vorigen Sonntag ein Konzert besucht habe, kam mir dieser alte schöne Thread spontan in Erinnerung.
Denn: Vieles von dem, was ich dort gesehen und gehört habe, halte ich für vorbildlich, wenn es darum geht, einen interessanten Abend auch für diejenigen zu gestalten, die nicht jeden Tag Klassik hören.
Ich fasse mal kurz zusammen:
  • Das Konzert stand unter dem Motto "Von ewiger Liebe" - es ging um die Künstlerfreundschaft zwischen Clara Schumann und Johannes Brahms.
  • Musiker: Ein Pianist, eine Sängerin, eine Geigerin (die nach der Pause zur Bratsche wechselte).
  • Auf dem Programm u.a. ein Klavierstück von Clara, Lieder von Brahms (u.a. nach Gedichten von Felix Schumann, Claras jüngstem Sohn, Patenkind von Brahms), das "Regenlied" und die "Regenlied-Sonate".
  • Wechselnde Besetzung: Klavier solo; Violine & Klavier; Gesang & Klavier; Gesang & Bratsche & Klavier.
  • Kurze Zwischentexte, verlesen von der Sängerin (Ganz wichtig: hohe rezitatorische Qualität! ;)) (Es handelte sich übrigens um diese Dame: http://www.corneliasander.de/) Zitiert wurde aus Briefen von Johannes und Clara.
  • Gut ausgewählte Zugabe im Charakter eines Wiener Ständchens.:cool:
Alles in allem eines der gelungensten Konzerte, die ich in letzter Zeit besucht habe.:cool:
 
Hört euch doch mal die Sendung "Pasticcio" an:

Täglich um 8.15 Uhr (auch über Webradio).

Dort geht es zwar nicht nur um Klaviermusik, aber die Art und Weise, wie dort die Programme zusammengestellt werden - nämlich nach Kriterien, die unterschiedlichste Mischungen erlauben (Klassik iwS von Renaissance bis Wiener Schule, Avantgarde, Neue Musik, Jazz, Pop, Volksmusik) - könnte doch sicher auch auf die Gestaltung von Klavierabenden angewendet werden (kommt der Idee von Mottoabenden - wie zuvor beschrieben - eigentlich recht nahe)
 
. Warum nicht mal in lockerer Kleidung (bitte passend zum Alter!)

Diese Aussage hätte ich dann gerne mal im Detail diskuttiert.

Ich gestehe das ich in meinem Leben bei weitaus mehr Rockkonzerten gewesen bin als bei Konzerte mit klassischer Musik oder auch Pianokonzerte. Wenn ich aber in ein klassisches Konzert (Orchester, Klavier...) gehe dann will ich genau diese Auseinandersetzung mit der Musik und nicht mit nem Plastikbecher voll schalem Bier in der Hand aus der drittletzten Reihe stehen und hinter mir brüllt der DSDS-Ausschuss in meine Ohren.

Vielleicht wie gestern auf ARTE "Folle Journée Nantes 2010" den Chopin Tag. Piano im Einkaufszentrum mit Hintergrundinformationen zu Chopin, seinem Werk, die Einflüsse, Musikgeschichte sowie wundervoller Musik - so könnte ich mir das gut Vorstellen.

Gruß, Peter
 
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Ich finde überhaupt nicht, dass man Konzerte, an welchen Klassik gespielt wird, auch nur anzeitweise modernisiert werden sollten. Es ist bereits ein Erlebniss in sich, wenn man der Musik live zuhören kann. Da muss man nichts ändern, denn Hauptpunkt ist eben die Musik. Und man muss nicht versuchen sie jemandem näher zu bringen, der normaleweise nur Techno oder Rap hört. Denn auch diese werden Live-Konzert mögen, denn man kann nicht da nicht anders, man wird einfach von Musik her überweltigt. Man sollte ihnen einfach die Musikstücke anbieten, die auch sie ansprechend finden würden. Und es gibt genug von diesen. Trotzdem glaube ich nicht, dass diese Leute danach, auch wenn sie es gemocht haben, nochmal kommen, denn auch wenn ich finde, dass es auch manche gute Rap-Künstler gibt, würde ich trotzdem nicht zum ihren Konzerten kommen, denn man sie doch nicht so stark, sodass man dafür viel Zeit aufwenden würde. Es macht also kaum Sinn die Konzerte auf diejenige zu richten, die sowieso niemals regelmäßig zu diesen gehen würden und nicht viel mehr durch diese Änderung gewinnen würden.
 

Ich bin fast komplett deiner Meinung, nur bestehen ja leider viele Überlegungen zur "Verbesserung" der Darbietung und denen muß man entgegenwirken, notfalls auch mit Augenwischerei.

Ich habe übrigens neulich ein Experiment im Lager eines Schiffsausrüsters gemacht, wo die Leute normalerweise den ganzen Tag lang den üblichen Einheitsbrei aus dem Radio hören und zu hause vielleicht etwas wählerischer sind. Klassik hört aber praktisch keiner. Dort habe ich das dritte Klavierkonzert von Rachmaninoff (mit Horowitz) abgespielt und damit ungefähr fünf Leute beschallt. Beschwerden gab es nicht, zwei haben gefragt, was für Musik das sei und einer davon war begeistert. Mehr kann man wohl kaum erwarten, es ist einfach eine Frage der Möglichkeiten und des Interesses, ob sich jemand für Klassik interessiert.

PS: Hintergrundinformationen zu Konzerten sollten meiner Meinung nach ihrem Namen gerecht bleiben und damit im Hintergrund. Ein Konzert ist für mich kein Bildungsseminar sondern Unterhaltung, ganz egal, ob es sich dabei um klassische Musik oder etwas anderes handelt.
 
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Ich habe übrigens neulich ein Experiment im Lager eines Schiffsausrüsters gemacht, wo die Leute normalerweise den ganzen Tag lang den üblichen Einheitsbrei aus dem Radio hören und zu hause vielleicht etwas wählerischer sind. Klassik hört aber praktisch keiner. Dort habe ich das dritte Klavierkonzert von Rachmaninoff (mit Horowitz) abgespielt und damit ungefähr fünf Leute beschallt. Beschwerden gab es nicht, zwei haben gefragt, was für Musik das sei und einer davon war begeistert. Mehr kann man wohl kaum erwarten, es ist einfach eine Frage der Möglichkeiten und des Interesses, ob sich jemand für Klassik interessiert.

Interessant, so ein Versuch. Mich würde interessieren, wie die Reaktionen wären, wenn man etwas abspielt, was ein bisschen leichter zu erfassen ist als ausgerechnet Rachmaninovs "Elefantenkonzert". Zum Beispiel die Fünfte von Beethoven. Oder die "Große C-Dur" von Schubert.

Ich sage das deshalb, weil ich mich erinnere, dass ich damals eine ganze Weile gebraucht habe, bis ich das 3. Klavierkonzert von Rachmaninov "begriffen" habe und entsprechend schätzen konnte.

Vielleicht machst du den Versuch nochmal mit Beethoven... (?). Ich meine, nur so als Vorschlag.

Grüße von
Fips
 
versucht man doch tatsächlich klassische musik (naja, besser gesagt, das was davon noch übrig ist) an die pop-gewöhnte gesellschaft ranzubringen... absolut geschmacklos
 
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Vielleicht machst du den Versuch nochmal mit Beethoven... (?). Ich meine, nur so als Vorschlag.

Wozu? 20% der Zuhörer waren begeistert, weitere 20% interessiert und 60% fühlten sich immerhin nicht gestört. Dafür, daß es sich um unfreiwillige Zuhörer handelte, ist das doch ein Bombenerfolg!

Ehrlich gesagt halte ich diese Einteilung in leicht und schwer verständliche Musik für absoluten Schwachsinn. Musik läßt sich leichter oder schwerer spielen und erklären aber verstehen läßt sie sich immer auf irgendeine Weise - wenn auch nicht immer auf Anhieb perfekt. Und wenn ich jemandem den Geschwindigkeitsrausch von Formel-I Rennen demonstrieren wollte, würde ich ihm auch keine Go-Carts zur Eingewöhnung zeigen (hier wäre Tempo das Äquivalent zur Verständlichkeit). Ok, möglicherweise ist diese Einteilung kein Schwachsinn sondern eher Überheblichkeit...

Etwas anders ist es bei Musik, die die üblichen Pfade verläßt, denn die erfordert eher einiges an Erfahrung, manchmal sogar dafür, daß man sie überhaupt als Musik empfindet (z.B. Papiermusik, die nur aus Rascheln besteht). Aber grundsätzlich halte ich trotzdem jede Musik für verständlich, vorausgesetzt, der Hörer hat auch den Willen, sie zu verstehen - und das gilt auch für Werke von Stockhausen und Ligeti.

Für eine neue Konzertkultur könnte man sich höchstens überlegen, zum einen etwas weniger elitär aufzutreten - klassische Musik kann genauso "geil rüberkommen" wie Popmusik - und zum anderen pädagogische Ziele zugunsten der eigenen Begeisterung zurückzuschrauben. Und für ALLE Konzerte könnte man die Preisgestaltung etwas moderater vornehmen.
 
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Ich denke, dass mehr Leute in klassische Konzerte gehen würden, wenn

1. mehr als nur der Gehörssinn angesprochen würde, d.h. wenn das Konzert ein "Gesamterlebnis" wäre, z.B. mit Lichtinstallationen oder ähnlichem.
2. die Konzerte etwas kürzer wären (ich war gestern in einem 2-stündigen Vorspielabend und nach 40 Minuten hätte es mir eigentlich gereicht)
3. das Marketing besser wäre (d.h. mehr Plakate an der Straße, Flyer, etc., nicht nur eine Zeile im Philharmonieblatt)
4. die Locations für die Konzerte unkonventioneller wären (warum nicht eine Klassik-Experience in einer alten Fabrikhalle?).
5. in einem Konzert Highlights mehrerer Stilrichtungen vorgetragen würden.

Chopinfan (die gerne Pop und Rock und Jazz und Klassik hört)
 

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