Bockige Klavierschüler

M

Manu77

Guest
Ich bin vermutlich kein ganz einfacher Klavierschüler, daher wollte ich mal eure Meinung hören.
Aktuell übe ich unter Anleitung meiner KL einige Stücke, die so auf Henle-Niveau 5-6 sind. Darüber hinaus wird es aktuell noch eng für mich.
Allerdings bin ich etwas besessen von Chopins Op. 10 No. 1.
Meine Lehrerin sagt nun, sie macht die Etüde nicht mit mir, die sei zu schwer. Verstehe ich. Allerdings kann ich die Finger nicht davon lassen.
Vermutlich haben die Unterrichtenden von euch das auch schon oft erlebt. Weigert ihr euch in so einem Fall, dem Schüler überhaupt bei dem Stück zu helfen, weil es noch zu schwer ist oder sagt ihr: "Na gut, ich habe dich gewarnt und halte es nicht für sinnvoll, aber wenn du unbedingt willst, dann zeig mal und ich helfe dir."?
Üben werde ich es so oder so. Ich kenne mich. Habe mir hier auch schon einiges zu der Etüde durchgelesen und kann sie komplett ohne Schmerzen üben. Die Gefahr besteht ja beim falschen Üben dieses Stückes.
Also, wie seht ihr das?

LG Manu

PS: Für die, die sich jetzt wundern: Meine Verkrampfung beim Spielen hat sich inzwischen gebessert. Geholfen hat mir dabei Chopins Op. 10 No. 6, auch ein Stück, das am oberen Limit ist, aber es hilft mir sehr bei der Stabilität/Spannung der linken Hand. Ich kippe jetzt nicht mehr so zum fünften Finger der linken Hand weg und die Verkrampfung löst sich langsam.
 
Ist nicht eher die KL „bockig“, die nicht macht, was Du willst?
;-)

Mir ist es auch passiert, dass ich vor Jahren Schumanns „Mignon“ lernen wollte, aber mein damaliger KL hat sich geweigert mir zu helfen. Ich habe es dann einfach selber versucht und die Noten schnell weggelegt . Er hatte Recht mit seiner Entscheidung und mir wurde klar, warum er sich geweigert hatte. Ein Jahr später bin ich damit erneut an ihn herangetreten und er hat erneut abgelehnt, es mit mir zu erarbeiten. Er kannte ja die Probleme meiner Hände und Finger. Dann habe ich selber damit angefangen und der Grund seiner Verweigerung offenbarte sich mir erneut. Aber diesmal habe ich nicht lockergelassen, weil ich wusste, dass ich es schaffen kann. Nach einigen Wochen konnte ich ihn davon überzeugen, dass ich (und meine Finger) dem Stück gewachsen sind und er hat es – zu meiner großen Freude - in den Unterricht aufgenommen. Gut, dass er meinen Gesichtsausdruck nicht gesehen hat, als er damals gesagt hat:

Auch ein KL kann sich durchaus irren wenn ein Schüler über sich hinauswächst“.
:-D

Aber grundsätzlich sollte man als Schüler nicht bockig sein, wenn ein(e) KL ein Stück ablehnt – sie haben die Erfahrung was geht und was nicht.

Eine Weile später habe ich

weil ich wusste, dass ich es schaffen kann

mit einem viel zu schweren Stück begonnen und es ohne ihn erarbeitet. Aber ich bin ihm dankbar, dass er mir – obwohl das Stück kein Bestandteil des Unterrichts war - trotzdem ab und zu mit Ratschlägen und Tipps geholfen hat.

Man ist also durchaus in der Lage ein zu schweres Stück zu erarbeiten und zu spielen, muss aber damit leben, dass es nicht so klingen wird, wie es sich der Komponist und mancher Zuhörer vorstellen.

Was ich allerdings überhaupt nicht nachvollziehen kann ist das:


Ich frage mich, wie um alles in der Welt jemand auf die Idee kommt mit diesem Problem - verkrampfte Hände/Finger - ein zu schweres Stück zu spielen? Das kann die Probleme – meiner Ansicht nach - doch nur verschlimmern.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ist nicht eher die KL „bockig“, die nicht macht, was Du willst?

;-)
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Was ich allerdings überhaupt nicht nachvollziehen kann ist das:


Ich frage mich, wie um alles in der Welt jemand auf die Idee kommt mit diesem Problem - verkrampfte Hände/Finger - ein zu schweres Stück zu spielen? Das kann die Probleme – meiner Ansicht nach - doch nur verschlimmern.

Hi Marlene, danke für deinen Bericht!
Du hast recht, bockig ist in dem Fall eher sie. ;)
Ich kann das aber nachvollziehen und nehme es ihr auch überhaupt nicht übel, hoffe aber dennoch, dass sie mit dem ein oder anderen Tipp aushilft, den ich nicht hier aus dem Forum ziehen kann.
Verkrampfungsprobleme hatte/habe ich mit der linken Hand. Op. 10 No. 1 hat die Schwierigkeiten in der rechten Hand, sonst hätte ich definitiv nicht damit begonnnen.
Aber wie gesagt, es bessert sich in letzter Zeit, und unter anderem merklich, seit ich Op. 10 No. 6 übe, was für mich auch am oberen Limit ist. Da hat sie aber nichts dagegen und nach der Unterrichtspause kann ich es jetzt zum ersten Mal vorspielen :). Aus meiner Laien-Sicht behaupte ich jetzt einfach, dass man sich mit zu schweren Stücken nicht zwingend etwas verdirbt. Man muss halt mit dem Frust klarkommen, wenn es dann nie so klingen wird, wie man vielleicht hofft.
LG Manu
 
Mich erinnert das an einen unserer Söhne, der partout Haydns Cellokonzert Nr.1 "zu früh" spielen wollte. Er hat sich dann bei seinem Cellolehrer durchgesetzt und die Motivation zum Üben war immens hoch.
Also insofern: Gehe es doch einfach mal an.
 
Als Schüler und Lehrer kann ich dazu Folgendes sagen:
Ich habe, vor allem als ich jünger war, immer wieder "heimlich" Stücke geübt. Meistens habe ich gar nicht erst gefragt, um keine Absage zu bekommen. Oder es war keine Zeit zu fragen, weil ich jetzt sofort beginnen wollte und der nächste Unterricht erst Tage später war. Besonders in Erinnerung ist mir der 3. Satz vom f-moll-Konzert von Chopin, den ich mir nach bestandenem Abi und Aufnahmeprüfung "genehmigt" hatte, obwohl er noch etwas zu schwer für mich war, um wirklich drüberstehen zu können. Allerdings hätte man mir die Hände eingipsen müssen, um mich vom Üben abzuhalten. Vor der "Beichte" hatte ich dann auch etwas Schiss, meine Lehrerin hat aber nett reagiert. Den 2. Satz durfte ich dann auch noch spielen, den 1. haben wir auf etwas später verschoben.

Als KL etwas zu verbieten kann mehrere Gründe haben, die ich kurz aufzählen möchte:
1. Der KL kann das Stück nicht mehr hören (Für Elise) oder hält es für ein "heiliges" Stück, dass man nicht "schlecht" spielen darf (Beethoven op. 111)
2. Der KL hält das Stück für deutlich zu schwer, möchte seinem Schüler Enttäuschung und mögliche Handprobleme ersparen - oder er weiß nicht, wie er die ganzen Defizite unterrichten soll
3. (Hauptgrund für mich) Man kann jedes Stück nur einmal zum ersten Mal üben. Jedes spätere Aufwärmen wird noch bis zu gewissem Grad die Defizite des Anfangs beinhalten, bei Amateuren mehr als bei übeerfahreneren Profis. Wenn jemandem ein Stück sehr wichtig ist, sollte er sich also genau überlegen, wann er es übt. Ich habe mir auch viele Stücke aufgehoben, teilweise bis heute nicht gespielt.

Als KL etwas zu erlauben, auf das die obigen Punkte zutreffen, kann aber auch Gründe haben:
1. Den Schüler in dieser Motivation zu bremsen kann ihm die Lust am Spielen nehmen
2. Wenn man für ein Stück brennt, wächst man ungeahnt über sich hinaus - was den Eifer, die Übezeit, die Weiterentwicklung und das generelle Erlernen des Stückes angeht. So kann ein Anfänger auch schonmal einen Chopinwalzer lernen, wenn er es wirklich unbedingt möchte.

Als KL würde ich darum genau horchen, wie wichtig und dringlich der Wunsch des Schülers ist. Wenn er allzu stark ist, sollte man ihn nicht abhalten, ihn aber über die "Risiken und Nebenwirkungen" und auch mögliche verpasste Chancen (z.B. das Stück später wirlkich gut zu lernen) aufklären.
 
Vielen Dank für deine ausführliche Antwort, liebe Stilblüte!
Diesen Punkt darf man dabei tatsächlich keinesfalls unterschätzen:
2. Wenn man für ein Stück brennt, wächst man ungeahnt über sich hinaus - was den Eifer, die Übezeit, die Weiterentwicklung und das generelle Erlernen des Stückes angeht.

Es handelt sich auch um einen Ausreißer nach oben, ansonsten erarbeite ich mit meiner KL Stücke, die meinem Niveau angemessen sind.
Über die Risiken und Nebenwirkungen fühle ich mich hinreichend aufgeklärt ;-)
 
Vielleicht ist es bei Dir ähnlich wie in meinem Fall: Es gibt Dinge, die sich entgegen jeder Logik entwickeln. Bekannte - oder mein ehemaliger Physiotherapeut - schlagen manchmal die Hände über dem Kopf zusammen, wenn sie hören, was ich mache, um weniger Schmerzen zu haben, z.B. gewisse Dehnübungen im Fitness-Center. Aber es hilft, was ich mache.

Aus meiner Laien-Sicht behaupte ich jetzt einfach, dass man sich mit zu schweren Stücken nicht zwingend etwas verdirbt.

Da stimme ich Dir – aus eigener Erfahrung – zu. Wer über ein gutes Körpergefühl verfügt, der spürt eigentlich, ob ihm etwas schadet. Ich habe wochenlang ein Präludium von Skrjabin mit Schmerzen in rechtem Unterarm und Handgelenk geübt und es meinem KL verschwiegen aus Sorge, er würde es im Unterricht beenden. Klar, Schmerzen sind ein Warnsignal das man nicht unterschätzen sollte. Aber ich wusste, dass ich mir mit diesen Beschwerden nicht schade, habe massiert und weitergespielt, massiert und weitergespielt. Die Beschwerden haben immer mehr nachgelassen. Ich kannte das schon von einem Präludium, das ich zuvor alleine erarbeitet hatte. Ich habe mit meiner Einschätzung Recht behalten - es ist nichts passiert. Bei der Ablehnung eines zu schweren Stückes geht es nicht nur das musikalische Unvermögen sondern auch um die Verantwortung für den Schüler, damit dieser sich nicht verletzt. Ich habe schon das ein oder andere zu schwere Stück weggelegt, weil ich schnell gemerkt habe, dass meine Hände dem nicht gewachsen wären.

Man muss halt mit dem Frust klarkommen, wenn es dann nie so klingen wird, wie man vielleicht hofft.

Frust hatte ich noch nie mit meinem zu schweren Stück, Szymanowskis Präludium, das mich nach wie vor fordert. Da ich eine Klangvorstellung davon habe, wie ich das Stück spielen möchte (falls meine Finger es umsetzen können, das geht mal besser, mal schlechter) übe ich motiviert und mit Freude weiter. Ich bin des Stückes noch nie überdrüssig geworden und liebe es wie am ersten Tag.
:-)

Ich wünsche Dir weiterhin gute Besserung bei Deinen Handproblemen.
 
Ich habe, vor allem als ich jünger war, immer wieder "heimlich" Stücke geübt. Meistens habe ich gar nicht erst gefragt, um keine Absage zu bekommen. Oder es war keine Zeit zu fragen, weil ich jetzt sofort beginnen wollte und der nächste Unterricht erst Tage später war.
Dagegen hätte ich als Lehrkraft nur einen Einwand: Es darf der eigentliche Unterrichtsinhalt deshalb nicht zu kurz kommen. Wozu vereinbare ich mit dem Schüler Details zur häuslichen Arbeit vor der nächsten Unterrichtsstunde, wenn diese dann einfach nicht umgesetzt oder in mangelhafter Qualität abgeliefert werden? In diesem Falle, weil sich der Schüler lieber mit etwas anderem beschäftigt hat.

Aber es ist nicht selten, dass manche sehr begabte Naturen überdurchschnittlich motiviert sind und gerne über den Tellerrand hinausschauen. Bei Dir dürfte das der Fall gewesen sein, zumal Du ja in einem sehr musikalischen Hause groß geworden bist. Sonderwege gehen aber auch Leute, die ganz sicher nicht überdurchschnittlich begabt und motiviert sind, sondern schlicht und ergreifend keinen Bock haben und lieber was anderes klimpern wollen. Dann würde ich mir als Lehrkraft sogar grundsätzlich die Frage stellen, ob ich meinerseits noch Bock auf das weitere Unterrichten solcher "Strategen" habe, die einfach meine Vorgaben ignorieren.

1. Den Schüler in dieser Motivation zu bremsen kann ihm die Lust am Spielen nehmen
An einem drastisch zu schwierigen Projekt scheitern, das demotiviert aber auch gewaltig. Wer sich viel zu viel vornimmt, tut meistens am Ende gar nichts mehr. Die Technik, schwierige Aufgaben in einzelne Lernschritte zu zerlegen und durchdacht an die Arbeit zu gehen, will nämlich erst einmal erlernt sein.

2. Wenn man für ein Stück brennt, wächst man ungeahnt über sich hinaus - was den Eifer, die Übezeit, die Weiterentwicklung und das generelle Erlernen des Stückes angeht.
Auf jeden Fall. Wer auf einer Treppe einzelne Stufen bislang souverän überschritten hat, kann durchaus den Versuch wagen, mal zwei Stufen auf einmal zu nehmen. Aber Dreisprung funktioniert auch nur mit Anlauf und nicht aus dem Stand. Denn Eifer, Übezeit und Entwicklungspotenzial sind nur begrenzt über das bisherige Leistungsmaximum hinaus steigerungsfähig.

Als KL würde ich darum genau horchen, wie wichtig und dringlich der Wunsch des Schülers ist. Wenn er allzu stark ist, sollte man ihn nicht abhalten, ihn aber über die "Risiken und Nebenwirkungen" und auch mögliche verpasste Chancen (z.B. das Stück später wirklich gut zu lernen) aufklären.
Es gibt eine weitere Möglichkeit. Die Lehrkraft kann sich überlegen, ob ein dazwischen geschobenes Stück die Spielfertigkeiten soweit zu steigern vermag, dass das Wunschstück demnächst durchaus zu bewältigen wäre. Die drei nachgelassenen Etüden außerhalb der beiden großen Zyklen op. 10 und 25 dürften bereits machbar sein, wobei ich die Henle-Einstufungen (8/9 für op. 10/1) nicht für gleichbedeutend mit den individuellen Schwierigkeiten beim "eigenhändigen" Einstudieren halte. Man müsste @Manu77 und ihr Spiel kennen, um einschätzen zu können, ob ein Zwischenstück nach op. 10/6 bereits den Weg zu op. 10/1 zu ebnen vermag. Eine weitere Chopin-Etüde dürfte sich dazu nicht eignen, da diese Etüden bestimmte Spielweisen und deren Ausführung trainieren sollen - und eine auf weiträumige Akkordbrechungen in einfacherem Schwierigkeitsgrad angelegte gibt es zumindest von Chopin nicht.

Abschließend scheint mir der Fadentitel sehr irreführend gewählt - es geht vielmehr um Wahl bestimmter Literatur, die aus Expertensicht als nicht geeignet gilt (in diesem Falle (noch) zu schwierig). Nach Lesen der Überschrift hätte ich eher Probleme zwischen einer Lehrkraft und ihren pubertierenden oder verhaltensauffälligen Schülern vermutet, um die es hier gar nicht geht. Bevor die Erstellerin dieses Themas das Gespräch mit ihrer Lehrerin sucht, könnte sie sich überlegen, ob der von mir erwähnte Kompromiss mit vorgeschalteten Alternativstücken die Vorfreude auf das Stück zu erhalten vermag. Dann sind die Chancen sicherlich besser, dieses Vorhaben wirklich zu bewältigen. Gut vorbereitet gelingt der Weg zum Erfolg nun mal besser.

Frohes Schaffen wünscht
mit LG Rheinkultur
 
Abschließend scheint mir der Fadentitel sehr irreführend gewählt - es geht vielmehr um Wahl bestimmter Literatur, die aus Expertensicht als nicht geeignet gilt (in diesem Falle (noch) zu schwierig).

Da hast du natürlich recht. Man könnte den Faden auch noch umbenennen in "Sollen Lehrkräfte Schüler beim Üben zu schwerer Stücke unterstützen?" Oder so ähnlich. Vielleicht hat ja ein Mod einen griffigen Vorschlag.

Ich kann dir kaum widersprechen. Eigentlich ist es Quatsch, was ich da mache. Aber wie Stilblüte schon sagte, wenn man eben Feuer und Flamme für ein Stück ist, fällt es schwer, die Finger davon zu lassen. Ist auch die Ausnahme. Ich verwende noch genug Zeit für die Hauptstücke aus dem Unterricht.

Ein komplexeres Stück dieses Schwierigkeitsgrades würde ich auch nicht anrühren - eine Chopin-Ballade z.B. - da wüsste die KL dann wirklich gar nicht, wo anfangen vor lauter Defiziten.

Bei Op. 10/1 versuche ich mich noch damit anzuspornen, dass es doch eigentlich "nur" sehr flotte rechthändige Dezimen-Arpeggien sind (ok, in forte), bei denen der Arm viel Arbeit abnimmt und das Handgelenk eigentlich mit minimalen Bewegungen auskommt und die Hand-Spannweite auch keine große Rolle spielt. So klingt es gar nicht mehr so schlimm :zunge:

Aber unterm Strich bleibt, dass diese Etüde vortragsreif eigentlich nur von Profi-Musikern gespielt werden kann. Mit den Fortschritten bin ich trotzdem so zufrieden, dass es mir zumindest jetzt noch mehr Lust auf Klavier macht :-)
 
Um dich mal zu motivieren: Mein (musikalisch vorgebildeter) Bruder wollte die Etude auch spielen und hat sie fleißig geübt, da spielte er gerade ein oder zwei Jahre (ca 17 oder 18 war er da). Es kam tatsächlich ein erstaunlich gutes Ergebnis dabei heraus in recht schnellem Tempo. Allerdings hat er den 5. Finger der rechten Hand überlastet und hatte danach eine Zeitlang Probleme. Er hatte auch Klavierunterricht, hat die Etude aber im Alleingang geübt.
 

Was spricht dagegen, wenn Manu die Etüde so uuunbedingt spielen will, sie im Unterricht durchzunehmen?

Denn man kann ja, sofern man sie in angemessen langsamem Tempo spielt, eine Menge daran lernen!
Gefährlich wird es ja nur, wenn man sie zu schnell spielt und sich dadurch evtl. körperliche Schäden zuzieht; aber man kann doch einfach die Etüde sozusagen ein bisschen "umdefinieren", indem man sie langsamer und damit angepasst an den Schüler spielt. Natürlich wird sie auf die Weise nicht vorspielreif, aber was soll's? Der Schüler kann viel über technische Prinzipien, über zweckmäßige Bewegungen, lernen.

Dazu muss natürlich der KL es draufhaben und die richtigen Anweisungen und Tipps zur Technik geben... das ist dann oft das Problem...
 
Eigentlich ist es Quatsch, was ich da mache.
Keineswegs. Und Träume oder Visionen sind nicht verboten. Wenn das Stück heute und morgen noch eindeutig zu schwierig sein sollte, muss das nicht bis in alle Ewigkeit so bleiben.

Solche Überlegungen sind absolut üblich, wenn es um die Wahl des nächsten Stücks geht. Das Stück darf schwieriger sein als das bislang gespielte Repertoire - wie will man sich denn verbessern, wenn der Schwierigkeitsgrad der gestellten Aufgaben stagniert? Massive Überforderung ist allerdings auch fatal aus den genannten Gründen. Steigen die Anforderungen deutlich, sind aber mittelfristig zu bewältigen, empfehlen sich Zwischenziele auf dem Weg zu auf Langfristigkeit angelegten Stationen.

Ein komplexeres Stück dieses Schwierigkeitsgrades würde ich auch nicht anrühren - eine Chopin-Ballade z.B. - da wüsste die KL dann wirklich gar nicht, wo anfangen vor lauter Defiziten.
Zwischen Konzertetüden und anderer schwieriger Literatur gibt es allerdings einen gravierenden Unterschied: Bei ersteren stehen bestimmte technisch-musikalische Übungsaspekte im Vordergrund, da ist der Schwierigkeitsgrad in der Regel durchgängig hoch. Die vier Chopin-Balladen hingegen bestehen aus schwierigeren Abschnitten und Passagen, bei deren Spiel man sich dagegen fast schon wieder erholen kann. Ähnlich ist es bei vielen mehrsätzigen Sonaten und zyklischen Werken - allerdings sollten diese schwierigen Werke erst in Angriff genommen werden, wenn die Stücke im Ganzen machbar sind. Schwere Stellen weglassen und nur den leichteren Rest spielen ist lächerlich - vor einiger Zeit hat das hier mal jemand mit einer wohlbekannten Liszt-Etüde versucht und damit einen beachtlichen Unterhaltungswert produziert... .

LG von Rheinkultur
 
Und wie ist es mit den pianistischen Ambitionen deines Bruders weitergegangen? Hat er die Etüde zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal aufgegriffen?

Etüden sind meist klar strukturiert, ich glaube, das verleitet Amateure, sie als machbar einzustufen. Als Jugendlicher habe ich ein altes Klavier geschenkt bekommen und dann habe ich einfach mal mit der Revolutionsetüde angefangen. Ich hab schnelle Finger, die klingt gut und man kann sie einfach auswendig lernen, dachte ich damals :lol:
Familie und Bekannte waren beeindruckt, KL und hasenbein gab es nicht.
Dann ging es an die 1. Ballade. Nach der Hälfte habe ich aufgegeben. Ging nicht. Das war die Kurzfassung meiner ersten Klavierkarriere.
Als ich dann vor 3 Jahren als Erwachsener mit dem Unterricht angefangen habe, attestierte mir meine KL zwar hohe Musikalität, aber eine äußerst suboptimale Technik. Die wird jetzt mühsam korrigiert.

Diese jugendliche Naivität ist allerdings noch ein bisschen in mir, im Sinne von:
So schwer sehen diesen Etüden doch gar nicht aus. Kannst du die ersten 10 Takte, ist der Rest doch auch kein Problem mehr :party:

Aber das führt vom Thema weg. Ist auf jeden Fall interessant, wie ihr Lehrer (Rheinkultur ist auch Klavierlehrer, oder?) das so seht. Danke dafür!
 
Er hat einige Jahre fast nur Chopin gespielt, darunter op. 10,1, op. 25,1 und 25,12, die 3. Chopinballade, irgendwelche Walzer und Polonaisen, Fantasie-Impromptu. Das ging alles relativ gut, aber eben amateurhaft. Allerdings hat er sich stetig weiterentwickelt und auch technisch verbessert, obwohl er nur kurz Unterricht hatte und der ihm vermutlich auch nur bedingt geholfen hat. Inzwischen hat er auch Beethoven und Liszt gespielt und nun, da gerade das Pedal am Klavier kaputt ist, die Vorzüge von Bach entdeckt.
Dazu muss ich aber sagen: Er hatte vorher 10 Jahre lang Geige gespielt und viel gesungen daher gute Ohren, hohe Musikalität, musikalisch-technisches Verständnis und eine weit entwickelte Motorik. Beim Klavierspielen musste er also hauptsächlich die "Mechanik" lernen. Außerdem hat er über einen längeren Zeitraum sehr viel geübt, mehrere Stunden pro Tag, teilweise mehr als ich.

Inzwischen übt er weniger, weil seine berufliche Richtung auch viel Zeit erfordert und er außerdem wieder mehr Geige spielt. Gestern hat er mir seine erste Fuge vorgespielt, c-moll aus WK I.
 
Was spricht dagegen, wenn Manu die Etüde so uuunbedingt spielen will, sie im Unterricht durchzunehmen?

Denn man kann ja, sofern man sie in angemessen langsamem Tempo spielt, eine Menge daran lernen!
Gefährlich wird es ja nur, wenn man sie zu schnell spielt ...

Das ist auch ein Grund, warum ich es überhaupt wage. Ich finde, die Etüde klingt auch etwas langsamer noch toll. Die 176 wären natürlich ein Traum, aber in der nächsten Zeit definitiv nicht machbar. Die Hoffnung ist, dass sich das klavierkarrierebegleitend auch noch langsam steigern lässt :)
 
Allerdings bin ich etwas besessen von Chopins Op. 10 No. 1.
Meine Lehrerin sagt nun, sie macht die Etüde nicht mit mir, die sei zu schwer. Verstehe ich. Allerdings kann ich die Finger nicht davon lassen.

Wie bereits angemerkt wurde, man kann von dieser Etüde auch viel lernen, wenn man sie etwas langsamer und leiser angeht. Dann ist sie eher nicht mehr "zu schwer", sondern nur noch anspruchsvoll.

Falls Deine KL sich darauf nicht einlässt, fände ich das befremdlich.

Lieber langsamer, aber begleitet erst-lernen, als heimlich und ohne Tipps.
 
Denn man kann ja, sofern man sie in angemessen langsamem Tempo spielt, eine Menge daran lernen!
Durchaus richtig. Aber gerade die schnellen Akkordbrechungen über mehrere Oktaven in der rechten Hand entfalten ihren gattungsspezifischen Trainingseffekt erst ab einer gewissen Mindestgeschwindigkeit. "Langsam" im Sinne von "kontrollierbar" oder "beherrschbar" verstanden - das bringt sicherlich in einem nicht ganz so raschen Tempo bereits einen gewissen Trainingseffekt. Im halben Tempo oder noch langsamer stellt sich dieser allerdings nicht ein.

LG von Rheinkultur
 
Schon deutlich schneller als halbes Tempo, sonst hätte sie für mich auch keinen Reiz mehr. Da ich ohne Metronom spiele, kann ich es nicht genau einschätzen, gehe aber mal davon aus, dass dieser junge Mann ungefähr die Tempo-Vorgabe einhält. And he makes it look so easy :)

View: https://www.youtube.com/watch?v=EsyGQYnvkMc

 
Ist auf jeden Fall interessant, wie ihr Lehrer (Rheinkultur ist auch Klavierlehrer, oder?) das so seht. Danke dafür!
Klavierlehrer bin ich nicht, habe allerdings ein abgeschlossenes Hochschulstudium und bin sehr intensiv als Pianist tätig. Da ich aber viele Chöre leite und sehr viel Musik und Texte schreibe und arrangiere, sind Prioritäten fällig - auch für mich hat der Tag nur vierundzwanzig Stunden.

LG von Rheinkultur
 

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