Ja, die meisten Künstler haben keinen blassen Schimmer vom Marketing. Wir wundern uns z.B., dass uns noch nicht 1 Pianist angefragt hat, ob wir für ihn Werbung machen können. Ich bin da wirklich fassungslos.
Vielleicht liegt es daran, dass angehende Pianisten fürchten, es könnte Geld kosten. Vielleicht solltet Ihr Marketing machen und einen Service anbieten der erfolgsorientiert honoriert wird. (Prozentsatz von den Konzerteinnahmen) Vielleicht ist bisher einfach niemand auf die Idee gekommen, Ihr könntet Agentur Aufgaben übernehmen.
Das Gute daran ist: Wenn jemand sich darum kümmert hat er beste Chancen sich deutlich von der Konkurrenz abzusetzen.
Das stimmt und ich fürchte, das wird immer so bleiben.
Wer auch die "Klaviatur" des Marketing beherrscht, auch das erfordert Wissen und Übung, und sich
darum kümmert wird wesentlich bessere Erfolgsaussichten haben.
Ich bin auch der Auffassung, dass man sein Publikum, seine Fans finden muss. Und es gibt dazu einen interessanten Artikel, der besagt, dass man nur 1.000 wahre Fans braucht, um gut davon leben zu können.
Hier der Artikel:
http://www.kk.org/thetechnium/archives/2008/03/1000_true_fans.php
In der Realität sieht es aber bei den meisten so aus, dass sie das Künstler sein mit einem Leben an oder unter der Armutsgrenze bezahlen.
Das liegt daran, dass es in der Praxis doch nicht so einfach ist, wie es mit "amerikanischem Optimismus" leicht zu formulieren ist.
Zunächst stellt sich die Frage, was muss ich tun, um wirklich zu diesen 1000 Fans zu kommen.
Wenn man vom
Paretoprinzip ausgeht, was meiner Erfahrung nach durchaus zutrifft, werden nur 20% meiner Fans 200 Meilen reisen um mich zu hören oder mein
neu aufgelegtes Box-Set in der hochauflösenden Super Deluxe Version kaufen.
Um 1000 "True Fans" zu finden brauche ich also per 80-zu-20-Regel 5000 Fans, die gelegentlich meine Konzerte besuchen und hin und wieder etwas kaufen. Um diese 5000 zu erreichen sind wahrscheinlich mindestens 25000 nötig, die wenigstens einmal etwas von mir kaufen. Daraus kann man wiederum berechnen wie viele potentielle Kunden man durch Werbung ansprechen muss, um diese 25000 wenigstens einmal in den Laden zu bekommen.
Ich denke schon, dass das prinzipiell möglich ist, aber man muss die Quantitäten richtig einschätzen, d.h. man braucht einen langen Atem und darf nicht nach dem 3. Konzert vor 20 "Fans" (Freunde und Bekannte") aufgeben. Allerdings stellt sich häufig das Problem, dass man auch in der Aufbauphase irgendwie den Lebensunterhalt verdienen muss, es sei denn, der Papa springt ein.
Eine wichtige Voraussetzung, die in dem Artikel nicht besprochen wurde heißt:
Bedarf
Um Claudius' Anglergleichnis aufzugreifen: Ich muss einen Teich finden, wo am besten noch niemand angelt und (Letzteres wird oft übersehen) wo tatsächlich Fische drin sind, sonst kann ich angeln bis ich schwarz werde - unser Fisherman kann das bestimmt bestätigen. ;)
Es ist also notwendig irgendetwas anzubieten, was ein potentieller Kunde brauchen kann oder wenigstens haben möchte. Sicher läßt sich "Bedarf" auch durch Werbung "kreieren", im Fernsehen kann man täglich beobachten, wie Millionen verbraten werden, um Bedarf für Nutzloses zu wecken. Dem Musikstudenten stehen solche Werbebudgets in aller Regel nicht zur Verfügung.
Wenn man sich also die 197. Einspielung der Chopinballaden vorgenommen hat, muss man sich darüber klar werden, dass man in direkter Konkurrenz zur Weltelite steht und deshalb der Bedarf sehr wahrscheinlich gedeckt ist, außer, man läßt sich irgend etwas ganz besonderes einfallen - z.B. für die Damen ein wirklich ganz, ganz supertolles Kleid. ;)
Erfolgversprechender wäre da bestimmt, die Einspielung Wagners Albumsonate As-Dur.
- im besten Sinne "unpianistisch", aber bis heute noch nicht wirklich angemessen aufgenommen --- dabei ist das Stück weder schwierig, noch musikalisch schlecht...
Jetzt könnte man einwenden, die kennt doch keiner. Richtig, aber warum liest man auf jedem zweiten Werbefaltblatt "Jetzt neu"?
"Neues" läßt sich leichter vermarkten, das kann man schön sehen, wenn man eine Pressemitteilung an ein Lokalblatt schickt. Wenn da nichts "Neues" oder "Außergewöhnliches" angeboten wird, gehts sofort in den Mülleimer.
Noch ein Vorteil: Man ist uneingeschränkter Meister, bis ein besserer kommt, spätestens dann sollte die Erstauflage verkauft sein. ;)
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Zum Schluss: Das alles nützt nichts, wenn man nicht erstklassig spielt. Die Luft ist dünn im Olymp der Konzertpianisten. (So ähnlich hat Rolf mal geschrieben.)
Unseren Klavierstudenten würde ich raten: Konzentriert Euch zunächst mal vollständig auf die Ausbildung und macht Euch nicht zuviel Sorgen um die Zukunft. Die Grundlagen des Marketing lernt man leichter als Klavierspielen.
Noch eine gute Nachricht: Niemand muss verhungern, selbst ich habe es geschafft, manchmal auf abenteuerlichen Wegen, meine Familie und mich zu ernähren.