Bechstein Modell C von 1923

Hallo alle,

zwar kribbelt es mir einerseits schon in den Fingern, die Konstruktion näher zu ergründen, auf der anderen Seite pflichte ich natürlich Toni bei, eine funktionierende Einheit nicht auseinanderzureissen. Deshalb würde ich das Ganze erstmal nur in der Theorie durchkaspern, Hand anlegen wird man dann erst im Zuge einer eventuellen Renovierung.

Im Moment ist der Stand der Forschung wie folgt: die Theorie des Geldzählers, die Gußstrebe hätte beim sich verbiegen den Bolzen am Rasten nach außen gedrückt, scheint sich zu bestätigen. Zwar ist diese Stelle optisch allenfalls endoskopisch erfaßbar, es lässt sich aber eine Aufweitung der Bohrung in Richtung der Zarge ertasten.

Da die Strebe momentan dank der Stützkonstruktion relativ gerade ist, dürfte die Kräfte, welche die Strebe nach außen drücken, noch überschaubar sein (je weiter sich die Strebe durchbiegt, desto ungünstiger werden die Hebelverhältnisse, sprich: um so leichter fällt es den gespannten Saiten, die Strebe weiter durchzubiegen). Es gilt also, ein Verbiegen der Strebe schon im Anfangsstadium zu unterdrücken, was der Konstruktion tadellos gelingt - wobei die auftretenden Kräfte auf die Strebe nicht sehr hoch sein dürften, die lange Zarge ist exakt gerade und lässt auch keine Ausbeulung im Bereich der Stützkonstruktion erkennen.

Daß die erste Renovierung, bei welcher die Konstruktion mutmaßlich eingebaut wurde, 1957, also am mit 34 Jahren noch recht jungen Flügel vorgenommen wurde, lässt schon auf ein ernsthaftes Problem der Gußplatte schliessen, ich denke also, irgendwas wird man da machen müssen.

Nun überlege ich, ob es möglich wäre, den Vierkantbolzen, welcher an dieser Stelle die Gußplatte hält, durch eine geeignete Konstruktion knapp unterhalb des Resonanzbodens abzufangen. Ich denke da an eine solide Führung aus Metall, möglicherweise einen Stahwinkel mit einem aufgeschweißte Rohrstück, welcher am Block (welcher an die Raste geschraubt ist und den Bolzen hält) seitlich verschraubt wird. Der Innendurchmesser des Rohrstücks würde so bemessen sein, daß sich der Vierkant spielfrei darin dreht.

Hier mal die Raste von unten:

raste1.jpg


Die Kraft auf den Bolzen geht aus dieser Perspektive nach links. Der Winkel würde in etwa so aussehen:

winkel.jpg


Alternativ könnte man auch einen neuen Bolzen größeren Durchmessers anfertigen lassen. Der ist ja im jetztigen Zustand darauf ausgelegt, lediglich das Gewicht der Platte an dieser Stelle zu tragen, auftretende Biegekräfte dürften bei der Gestaltung des Bolzens nicht berücksichtigt worden sein.

Das wären aber wie gesagt Maßnahmen, die man erst im Zuge einer Totalrenovierung ergreifen würde.



Viele Grüße,
Martin
 
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Hallo,

hier in Kürze der Eindruck des Klavierstimmers: angesichts der fragwürdigen Konstruktion sowie der allgemeinen Schwäche Bechsteinscher Gußplatten aus dieser Zeit riet er mir (dem allgemeinen Tenor dieses Threads folgend) von einer Renovierung ab, auch um nicht zu riskieren, daß die Platte bei Demontage, Wiedereinbau oder beim Anlegen der Saitenspannung doch noch bricht. Das Ausmaß der Resonanzbodenrisse war auch aus seiner Sicht enorm, aber auch er konnte keinen negativen Einfluß auf den Klang feststellen. Den Klang selbst lobte er wiederholt, und die Stimmung gelang ohne gerissene Saiten (was seine ärgste Befürchtung war). Die Wirbel sind schon recht leichtgängig, allerdings hält er die Stimmung bis jetzt einwandfrei - wobei ich aber mal die nächsten Tage abwarten werde. Inzwischen dürfte sich das Instrument einigermaßen an die 50% Luftfeuchte gewöhnt habe - vielleicht erhöhe ich ja noch auf 55. Die gegenwärtige Stimmung liegt etwas unter 440 Hertz - so passt die Frequenz exakt zu meinem alten Schiedmayer-Harmonium.

Wie schon in meiner Vorstellung erwähnt war mein erster Flügel ein nagelneuer Hyundai für umgerechnet 6.000 Euro - ich wollte unbedingt etwas neues, aber billig. Der hatte einen furchtbaren Klang (Resonanzboden aus Sperrholz - hält ewig, aber klingt nie gut). Nun habe ich für wesentlich weniger Kohle ein Altertümchen mit nicht zu unterschätzenden Trocknungsschäden, welches aber momentan einwandfrei bespielbar ist und grandios klingt. Ich will jetzt gar nicht auf dem Bgriff "Schnäppchen" rumreiten, zumal es auch nicht meine Art ist, ebensolche zu jagen - der geringe Preis war ja eher einer Verkettung glücklicher Umstände zu verdanken. Gewonnen habe ich allerdings die Erkenntnis, daß bei einem niedrigen Budget der Billig-Neukauf nicht unbedingt die bessere Wahl ist (in diesem Fall: ganz im Gegenteil!) Wenn ich auf diese Weise den einen oder anderen Unentschlossenen, der mit einem billigen Asien-Instrument liebäugelt, in Richtung Gebrauchtinstrument biegen kann, wäre mir das eine große Freude!

Ich werde in nächster Zeit mal versuchen, eine Klangprobe anzufertigen und einzustellen, kann aber dauern, da die damit verbundene Technik Neuland für mich ist.

Viele Grüße,
Martin
 
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Hallo Martin,

Ich hatte vor einiger Zeit einen Bechstein C überholt, den ich jetzt vor 2 Tagen mal nachstimmen musste und bei der Gelegenheit aus der "schlimmen" :D Perspektive ein Foto gemacht habe.

Dieser Flügel ist Bj. 1910. Es ist, wie man sieht dieselbe Gussform mit dem gleichen Knick drinnen. Sogar die Tropenverschraubungen am Boden sind an der gleichen Stelle :cool: Also war das ein bewährtes Model, wenn es so lange gebaut wurde. Ein Muster seinesgleichen sozusagen!


Stechbein.jpg



Hier ist übrigens der Thread zu den Arbeiten an den Hämmern..

Ich glaube nun, an Deinem Flügel war bloß ein etwas ängstlicher Klavierbauer dran. OK, man darf ja mit so vielen Tonnen Saitenzug etwas vorsichtig sein. Ich würde daher die Konstruktion jetzt so lassen wie sie ist, und wenn man unbedingt will, kann man sie bei der nächsten Überholung (mit Besaitung) eventuell weg lassen. Keinesfalls jetzt lösen oder verändern, wenn die Saiten unter Spannung sind.

LG
Michael
 
Hi Michael,

lieben Dank für das Foto - das hilft doch enorm weiter! Jetzt kann ich mit der Information "des g'höat so" im Hinterkopf einer möglichen Renovierung wesentlich gelassener entgegensehen.

Da sich bei genauerem Hinsehen auch noch eine zugespachtelte Querbohrung in der Strebe sowie in der benachbarten Strebe befindet, könnte der überängstliche Klavierbauer auch noch mit einer Querverbindung experimentiert haben, wie sie bei den Spreizen von Geradesaitern üblich war. Vielleicht war er sehr alt und kannte das nicht anders (oh Gottogott, die haben die Querverbindungen zwischen den Spreizen vergessen!)

Danke auch für den Hinweis "Tropenverschraubungen" (da hatte ich mich auch schon gewundert, da ein Schraubenkopf mitten im Aufdruck sitzt).

Noch eine Frage zum 1910er C, dem ja offensichtlich das Komplettprogramm zuteil wurde: ist das auf dem sensationell glänzenden Spiegel noch Schellack?

Auch würde mich interessieren, ob bei einer solchen Totalrenovierung Unterschiede im Klang zu vorher bestehen - gibt es da in bestimmten Bereichen Einbußen oder Verbesserungen, bleibt er exakt gleich und kann man das steuern, oder lässt man sich vom Endergebnis überraschen?

Viele Grüße,
Martin
 
Noch eine Frage zum 1910er C, dem ja offensichtlich das Komplettprogramm zuteil wurde: ist das auf dem sensationell glänzenden Spiegel noch Schellack?

Auch würde mich interessieren, ob bei einer solchen Totalrenovierung Unterschiede im Klang zu vorher bestehen - gibt es da in bestimmten Bereichen Einbußen oder Verbesserungen, bleibt er exakt gleich und kann man das steuern, oder lässt man sich vom Endergebnis überraschen?

Viele Grüße,
Martin
Hallo Martin,

Der Flügel war vor der Überholung in einem optisch erbärmlichen Zustand, weswegen eine Restaurierung auf Schellackbasis nicht mit vernünftigen Aufwand möglich war. Erhalten habe ich den Elfenbeinbelag und die Verbundhebeglieder. Die Spielart ist fantastisch! Optisch wäre er mit Schellack natürlich noch edler geworden, aber auch heikler bei der Pflege...

Klanglich zeigte er sich vor der Arbeit unausgeglichen in der Lautstärke und abgeklappert, aber doch Bechsteintypisch. Etwas flacher und weniger tragend als jetzt, vor allem in der Mittellage und Diskant, weil der Bodendruck gelitten hatte. Nachdem man den Druck und die Bodenwölbung wieder herstellt, kann man sich nur vorstellen wie er klingen wird.. aber groß Einfluss mit Klang "steuern" kann man am Ende nur mit den besten Hammerköpfen die erhältlich sind, genauester Arbeit und sauberes Intonieren. Zur konkreten Frage: Es entsteht immer ein Mix aus "Steuern und Überraschen".

LG
Michael
 
Ist da auch der Boden geblichen?
Wer hat den Flügel lackiert?
 
Soweit ich das Foto von der Unterseite des Rastenbalkens sehe , ist am kurzen Querstück nachträglich eine Furnierdikte auf der Unterseite angeleimt worden , sowie der Boden auf einem kurzen Stück ausgespant worden .
In meiner Wiener Wohnung habe ich den gleichen Flügel , Bj. 1941 , stehen , bei diesem gestern den Rahmen genau angesehen : Die Basstrebe ist EBENSO nicht fluchtig ,wenn auch der Knick bei der Bolzenschraube nicht so stark wie bei diesem resp. bei Foto von KLM ist .
Nun meine Theorie zu dieser mehr als ungewöhnlichen Zusatzstrebe ,- auch in Zusammenhang mit der nachträglichen Leimung am Rasten : Durch äussere , sehr starke Einwirkung , wahrscheinlich durch Kriegseinwirkung - Luftdruck - wurde der Flügel bewegt und hat sich der kurze Rastenbalken aus der uspr. Verankerung teils gelöst , beim Zurückversetzen und Leimen wurde die Metallstrebe oben als Sicherung
dazugebaut . "Die Geradesaitentheorie" kann man sicher ausschliessen , so dumm war kein deutscher Klaviermacher im Jahre 1957 . Warum die angeleimte Furniere nicht abgestochen und verschliffen wurde , verstehe ich allerdings nicht !
 
Hallo Kmw,

es ist natürlich schlüssig, daß man bei Vorkriegsware immer mit Kriegsschäden rechnen muss - bei Ebay wechselte kürzlich ein alter Feurich mit einem Einschußloch in der Gußplatte den Besitzer. Was aber wie ein gespänter Riß aussieht, ist der Riß selber - da scheint auf dem Foto das helle Holz durch. Hier mal aus anderer Perspektive:

riss1.jpg


riss2.jpg


Beim aufgeklebten Furnier bin ich etwas ratlos, was du genau meinst. Manchmal täuscht ja der Lichteinfall oder die Perspektive, ich habe nochmal ein paar andere Fotos gemacht:

klotz.jpg


klotz2.jpg


Der aufgeschraubte Klotz ist nur an der Vorderseite abgerundet, zudem reicht die nachlässige Lackierung nur über die untere Rundung. Die Holzaufdopplung oben und unten haben beide Querbalken, scheint auch normal zu sein.

Viele Grüße,
Martin
 
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Die "Furnierdikte" ist offenbar eine opt. Täuschung - wäre auch sehr verwunderlich welche Bedeutung diese hätte . Die vorgschlagene Metallverstärkung unten ist sicher unnötig - Holz - in diesem Falle das Rastenholz aus Föhre plus Buchenklotz ist wesentlich zäher und stärker als Metall !
Hallo Kmw,

es ist natürlich schlüssig, daß man bei Vorkriegsware immer mit Kriegsschäden rechnen muss - bei Ebay wechselte kürzlich ein alter Feurich mit einem Einschußloch in der Gußplatte den Besitzer. Was aber wie ein gespänter Riß aussieht, ist der Riß selber - da scheint auf dem Foto das helle Holz durch. Hier mal aus anderer Perspektive:

riss1.jpg


riss2.jpg


Beim aufgeklebten Furnier bin ich etwas ratlos, was du genau meinst. Manchmal täuscht ja der Lichteinfall oder die Perspektive, ich habe nochmal ein paar andere Fotos gemacht:

klotz.jpg


klotz2.jpg


Der aufgeschraubte Klotz ist nur an der Vorderseite abgerundet, zudem reicht die nachlässige Lackierung nur über die untere Rundung. Die Holzaufdopplung oben und unten haben beide Querbalken, scheint auch normal zu sein.

Viele Grüße,
Martin
 

Huch, endlich mal einer bei mir um die Ecke. Könnte ich mir ja mal anschauen, ob da auch so was verbaut ist.
 
Und da wäre es doch interessant die Gußplatte/Bass-Spreize mit diesem hier:
Antiker Bechstein Flügel, gut erhalten | eBay
zu vergleichen.

Hi Toni,

ich meine, der hätte schon mal zu einem höheren Startpreis dringestanden. Baugleich dürfte die Gußplatte allerdings nicht sein, der Angebotene hat 4 statt 5 Saitenfelder und noch den Fischschwanz.

@Peter: Wenn er um die Ecke steht, könntest du ihn natürlich mal unabhängig von der Spreizenfrage anschauen und dann berichten - vielleicht wäre er für dich oder einen anderern aus dem Forum interessant.

Grüße,
Martin
 
Habe den Verkäufer schon kontaktiert und warte auf Antwort.
 
Termin ist um 16:00 Uhr. Das ist überhaupt mein allererster "Klavier-anguck-Termin". Bin schon ganz gespannt. Vermutlich werde ich wie ´ne Kuh in´s Uhrwerk glotzen. :)
Werde aber Fotos machen...gleich mal Akkus der SLR aufladen.
 
Lass die Finger von diesem Bechstein, der hat noch eine angestemmte Platte, also keinen über das Wirbelfeld gehenden Gussrahmen.
Wenn Du dort bist, dann schließe den Vorderdeckel und schau mal, ob dieser noch voll auf der dem Stimmstock vorgestzten Leiste aufliegt.
Nicht selten ist der Stimmstock und die Leiste davor schon krumm wie einen Banane.
 
Lass die Finger von diesem Bechstein, der hat noch eine angestemmte Platte, also keinen über das Wirbelfeld gehenden Gussrahmen.
Wenn Du dort bist, dann schließe den Vorderdeckel und schau mal, ob dieser noch voll auf der dem Stimmstock vorgestzten Leiste aufliegt.
Nicht selten ist der Stimmstock und die Leiste davor schon krumm wie einen Banane.


Das häßliche an dieser Art Modellen; der Einbau eines neuen Stimmstockes erweist sich als äußerst schwierig, da hier das Gehäuse direkt mit dem Stimmstock verbunden ist.

Viele Grüße

Styx
 
@Stechbein:

Da ja offensichtlich Michael bei dir war - was hat er denn nun zu deinem Bechstein gesagt? Diese Frage habe ich schon in einem anderen Thread gestellt, gehört aber hier hin!
 

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