Bechstein Modell A, 184 cm, Bj. 1907 restaurieren und verkaufen?

Man braucht das Basisinstrument, finanziert 40k vor

Äh, woher kommen jetzt die 40k? Hast Du schon mal einen Flügel komplett aufarbeiten lassen und eine derartige Summe gehört? Wenn ich 40k in einen Flügel stecke, dann ist das grundsätzlich schon mal ein Instrument der Extraklasse, vielleicht ein D - und dann wird der nicht für 40k weggehen, sondern für 60-80, je nachdem wie gut er ist und wieviel Geduld man beim Verkauf hat.

Der besagte Bechstein ist eine andere Hausnummer. Ein seriöser Klavierbauer, der das Teil gut aufarbeitet - und da sind noch viele Variablen drin, wird nicht mehr als 20k für eine solche Reparatur verlangen. Ob der Flügel das überhaupt wert ist, steht auf einem anderen Blatt. Ich zweifle.
 
An dem sind keine weiteren Arbeiten notwendig, er ist wirklich gut und schön, inklusive der noch wunderbar erhaltenen Schellack-Oberfläche.
Das ist die Frage, ob das Bechstein-Centrum das auch so sieht... ;-)

Wenn man will, findet man bei ziemlich jedem Instrument noch etwas, das man verbessern könnte.

Aus dem Kostenvoranschlag des Bechstein-Centrums:
Das Bechstein Centrum hat für eine Komplettsanierung ca. 40.000 Euro angesetzt
 
Aus dem Kostenvoranschlag des Bechstein-Centrums …
Mit Kostenvoranschlägen ist das allerdings so eine Sache: wenn der Handwerker (aus welchen Gründen auch immer) keinen Bock auf den Auftrag hat, kann er dem Kunden sagen. „Nö, keine Lust“, oder aber einen Kostenvoranschlag erstellen, bei dem der Kunde von sich aus sagt: „Nö.“
 
Weide das Teil aus und bau eine Bar rein .... Kühlelemente mit einer Wanne wo Eis drin ist und da stehen dann die Whisky-, Gin-, und Wodkaflaschen. Dazu eine Mini-Stereo Anlage aus der Tschaikowski ertönt (sobald man den Flügel öffnet) ...... das ist hip, der Umbau kostet dich weniger als 2000 Euro und das Ding bringst Du garantiert für 6000 Euro and den Mann (Frau).
 
40.000 Euro für eine Generalüberholung sind schon extrem. Vielleicht ist das Nussbaumfurnier nicht original sondern in den Sechziger Jahren mit Pattex aufgeklebt worden und muss runter bzw. erneuert werden. Und vielleicht hat die Gussplatte einen Riss. Kann man ja angeblich mittlerweile mit speziellen Verfahren reparieren. Auch wohl extrem aufwändig. Aber all das erklärt immer noch nicht die 40.000.
 
Nur um das ganze mal in Perspektive zu setzen:


Laut Website für 45k verkauft, vergleichbares Instrument. Da konnte man bestimmt noch handeln.

Und mir hat ein Steinway-Mitarbeiter gesagt, dass eine Generalüberholung meines 1886er Bs in der Hamburger Fabrik 45k kosten würde. Da wäre dann aber auch alles neu gemacht worden, Boden, Stege, komplette Mechanik, Lackierung, also wäre eigentlich nur noch das Gehäuse übrig geblieben. Wie er dann geklungen hätte, das weiß keiner, schlecht sicherlich nicht, aber sicherlich wäre auch nichts mehr vom Originalcharakter übriggeblieben.

Wenn man schon Geld in solches Instrument investiert, dann kann ein guter Klavierbauer das auch ganz wunderbar hinbekommen, aber 40-45 würde der garantiert nicht aufrufen. Dieser hier: https://www.ebay-kleinanzeigen.de/s-anzeige/steinway-sons-fluegel-b211/2061558583-74-18234 hat 28.000 EUR als VB; da geht sicher noch einiges. Wenn man nicht die 85 Tasten sehen würde, könnte man den von Innen und Außen für ein niegelnagelneues Instrument halten. Das relativiert die 40k schon.

Auch andere Beispiele, die top-pressionell gemacht worden sind, kosten garantiert keine 40k, so wie z.B. dieser B (das Anschauen des Werkstattberichts ist schon sehr lohnend):

 
Nur um das ganze mal in Perspektive zu setzen:


Laut Website für 45k verkauft, vergleichbares Instrument. Da konnte man bestimmt noch handeln.
ziemlich teuer für eine osteuropäische restauration
 
Das macht den Deal aber noch lange nicht gut. Man braucht das Basisinstrument, finanziert 40k vor, muss sich um alles kümmern, den Flügel hin- und hertransportieren, sich um die weitere Vermarktung kümmern, Probespiele ermöglichen, Interessenten beraten, das Instrument vielleicht sogar zum Kunden bringen - und bekommt am Ende vielleicht (!) die 40k zurück, die man reingesteckt hat. Oder auch nicht. Das ist nicht wirtschaftlich, das ist reine Liebhaberei. Sowas macht man für sich selbst, aber nicht vor dem Hintergrund eines möglichen Gewinns.

Ich würde folgendermaßen rechnen: Für 500 Euro ein Instrument kaufen, für maximal 8 TEUR irgendwo restaurieren lassen, es für 25 TEUR mit einer blumigen Beschreibung online anbieten und hoffentlich 22 TEUR dafür bekommen. So bleiben nach Abzug aller Kosten vielleicht ein paar Euro übrig. Bei diesem Preis gibt es natürlich keinen Schellack oder eine aufwändig restaurierte spezielle Mechanik, sondern nur Standardlösungen.



Bei den veranschlagten 40.000 Euro Renovierungskosten ist Bechstein "großzügig". Will heißen, die zahlen mit Sicherheit niemals diesen Preis, sondern stellen diese Mondpreise in Rechnung, genauso wie Bechstein den Flügel auf 2000 runterrechnet. Ich hatte so ein "Angebot" als Originalschreiben vom Bechstein-Zentrum anno 2010 zum Kauf dazu bekommen, als ich ein Modell IV, also 220cm, für 2500 Euro privat erwarb. Damals wurde der Flügel auf 2500 beziffert, und die Renovierung auf 38.000 Euro, also ähnliche Preisgestaltung. Der Verkäufer wollte lieber privat an einen Pianisten oder Liebhaber statt an Bechstein verkaufen.

Bechstein lässt nach meinen Infos auch in Polen /Kalisch renovieren, und zahlt die marktüblichen Preise für eine Restaurierung, sprich irgendwas um die 13.000 /14.000 Euro. Die Rechnung schreiben sie halt dreifach so hoch. Und ja, die Polen können mittlerweile hervorragend restaurieren, wenn man sich nicht grad den billigsten Hansel raussucht.

Mein Blüthner BJ 1893 wurde in Polen 2021 hervorragend restauriert. Die Gehäuselackierung habe ich aus Geldgründen allerdings zurückgestellt. Dort können sie wenigstens noch Gußrahmen schweißen. Das macht bzw. kann hierzulande niemand mehr. Poylester hin oder her ist mir eigentlich relativ wurscht. Da gehts nur um die Optik, die zugegebenermaßen bei Schellack schon sehr schön ist. Muss man sich aber auch leistne können. Es verändert den Klang nur marginal in der Decke. Wichtig sind die Arbeiten am Resonanzboden, Stege, Mechanik.
 
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Bechstein lässt nach meinen Infos auch in Polen /Kalisch renovieren, und zahlt die marktüblichen Preise für eine Restaurierung, sprich irgendwas um die 13.000 /14.000 Euro. Die Rechnung schreiben sie halt dreifach so hoch. Und ja, die Polen können mittlerweile hervorragend restaurieren, wenn man sich nicht grad den billigsten Hansel raussucht.

Deine Infos sind falsch.

Bechstein renoviert in einer eigenen Werkstatt im Werk in Hradec Kralove, nicht in Polen. Und die polnischen Preise für die Restaurierung eines Model IV liegen inzwischen bei sämtlichen Anbietern in Kalisz deutlich über den genannten 13/14k, wenn man es richtig gemacht haben möchte. Und bei Bechstein bekommt man nach dem Kauf auch noch Herstellergarantie.

Quelle: Meinerselbst, der die Werkstatt in Tschechien besucht hat und dessen Model IV in der nächsten Woche nach einer Restaurierung hier in Österreich fertig sein wird. Die war zwar deutlich teurer als in Polen, aber dafür ist noch die originale Mechanik drin, die wirklich generalüberholt wurde, anstatt einfach auf neue Hebeglieder mit Pilote umzusatteln (Pun intended). Ebenso neuer Stimmstock, Stege, Saiten, Hammerköpfe von Abel (nach langer Diskussion nicht nur Neubefilzung) und Schellackpolitur und noch vielen anderen Sachen, die ich in den nächsten zwei Wochen vorstellen werden. Das Intonieren der Hammerköpfe wird mein Spezi übernehmen, der auch meinen Steinway macht und die großen Bechsteins in ganz Wien betreut.

Fazit: Billiger geht immer und vermutlich hätte ich den Originalflügel mit wenig Aufwand für einen Verkauf auch so aufhübschen können, dass die eigentlich massiven Schwächen für eine zeitlang kaschiert worden wären. Ich wollte aber ein Instrument haben, das so nah wie möglich an der Originalsubstanz ist und so gespielt werden kann, wie es ein Pianist auch mit großem Repertoire um die letzte Jahrhundertwende von einem Salonkonzerter der Spitzenklasse erwartet hätte.

Lass doch mal Aufnahmen von Deinem 220er Bechstein hören.
 
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Vielleicht ist das Nussbaumfurnier nicht original sondern in den Sechziger Jahren mit Pattex aufgeklebt worden und muss runter bzw. erneuert werden.

Sowas wurde also gemacht? Ich hab letztes Jahr in einem Hamburger Geschäft einen Bechstein A oder B angespielt, der online auch mit "wurzelholz" angepriesen wurde und nur 8000 Euro kosten sollte. Ich hab ihn mir dann angeschaut, das war ganz grausig, da wurde nichts dran gemacht und es sah auch so aus, als würde sich das Furnier lösen. Und ich fragte mich, ob die bei Bechstein etwa Wurzelholz einfach wie bei so Billig-Presspappenmöbeln aufkleben würden und fragte mich, ob das vllt einfach ein anderer Hersteller sein könnte, der da überklebt wurde, weil ich mir das bei Bechstein nicht vorstellen konnte 🤯
Wieso wurde sowas Bechstein-Instrumenten angetan?😅
 

Du musst jetzt ganz tapfer sein:

 
Aaaah, super interessant, danke dir!
Also ist es gängige Praxis, die "edlen" Hölzer quasi als Außenhaut wie Tapete über die normalen Hölzer zu kleben. Wieder was gelernt 😅
 
Also ist es gängige Praxis, die "edlen" Hölzer quasi als Außenhaut wie Tapete über die normalen Hölzer zu kleben. Wieder was gelernt 😅
Des Deutschen wahnhafte Vorliebe für "massiv" führt zu der Fehleinschätzung, dass "furniert" wertmindernd sei. Das Gegenteil ist der Fall.
Abgesehen vom ökologischen Aspekt (Ausbeute des seltenen Holzes ca. 200fach!) wird es nämlich dadurch erst möglich, Optik und Funktion zu trennen. Ein Maserholz z.B. ließe sich nie zu einem Rim formen, Deckel und Notenpulte würden sich mit der Zeit verwerfen und Massivholzwangen in unseren heutigen Wohnungen irgendwann reissen...
 
Des Deutschen wahnhafte Vorliebe für "massiv" führt zu der Fehleinschätzung, dass "furniert" wertmindernd sei. Das Gegenteil ist der Fall.
Abgesehen vom ökologischen Aspekt (Ausbeute des seltenen Holzes ca. 200fach!) wird es nämlich dadurch erst möglich, Optik und Funktion zu trennen. Ein Maserholz z.B. ließe sich nie zu einem Rim formen, Deckel und Notenpulte würden sich mit der Zeit verwerfen und Massivholzwangen in unseren heutigen Wohnungen irgendwann reissen...
Und außerdem ist das Blindholz-plus-Furnier-drauf-System gängige und bestens bewährte Praxis in der High-End-Möbelschreinerei insgesamt mindestens seit der Barockzeit (anders schaut's aus bei Bauernmöbeln, die sind eben schon massiv und entsprechend grobschlächtig, verzogen usw.).
 

Nun, das habe ich von einem polnischen Klavierbauer, der die Lage eigentlich kennt.. Es hieß Piano Fiks würde für Bechstein restaurieren. Ob das stimmt, weiß der Geier. Von daher steht da Aussage gegen Aussage. Aber wenn Du selbst im Werk warst, glaube ich Dir das natürlich. Die neuen Bechsteins finde ich btw grauenhaft, bis auf den D, da geben sie sich Mühe. Für mich ist die neue Firma Bechstein aus div. Gründen unten durch, aber das nur nebenbei.

Mit Abel bin ich auch durch, da gabs mal Riesenkrach wegen Hammerköpfen. Auch sind die Hammerstiele m.E. nicht so hochwertig wie die von Renner, da die Achsen zuviel Spiel haben. Der Weickert-Filz von Renner ist für mich das Nonplus Ultra, den Aufpreis zahle ich gerne. Am WE nehm ich auf, vielleicht poste ich ja mal was. Der Yamaha C7 ist durch die Weickert-HKs viel besser geworden, federt deutlich mehr, als mit den schneeweißen, megagebleichten Originalen. Die Steinway HKs sind ja ähnlicher Filzbeton. Der Intoneur hats da schwer.

Das Modell IV ist vor 7 Jahren schon verkauft worden, da gibts nun keine Aufnahmen. Bei diesem war der Originalfilz drauf, der erstaunlich gut klang. Damals , also 1895 bleichte man auch nicht die HKs schneeweiß. Mehr Wollwachs, mehr Federung, gefällt mir viel besser.

Die Sache mit den Haarrissen bei Bechstein ist nunmal letztendlich ein Konstruktionsfehler, da es eben doch sehr häufig vorkommt. Das hindert aber noch nichtmal Klaviergeschäfte, solche Instrumente zu verkaufen. Die Stabilität ist gegeben, ist halt ein urdeutsches Phänomen, den Flügel dann für wertlos zu erklären. Früher wurde auch in Deutschland sowas geschweißt beim Neuaufbau. Bei meinem Blüthner wurde auch geschweißt. Und man sieht, man sieht nichts.

 
Die Stabilität ist gegeben, ist halt ein urdeutsches Phänomen, den Flügel dann für wertlos zu erklären. Früher wurde auch in Deutschland sowas geschweißt beim Neuaufbau. Bei meinem Blüthner wurde auch geschweißt. Und man sieht, man sieht nichts.
Wann wurde dein Blüthner geschweißt?

Ich habe damals gelernt, dass sich Grauguss nicht schweißen lässt. Das hat sich anscheinend geändert. Wobei ich nicht weiß, wie zuverlässig oder aufwendig oder teuer das ist. Mein letzter Berufsschulunterricht in Ludwigsburg war 1991. Zu der Zeit dürfte damals also nicht geschweißt worden sein. Deswegen wundert mich deine Aussage, dass "früher" geschweißt wurde.
 

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