altes englisches Oberdämpferklavier

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igelskalar

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Hallo zusammen,

meine Gattin erwarb' mal vor einigen Jahren ein altes englisches, geradsaitiges Oberdämpferklavier, das sich nun in unserem Familienbesitz befindet. Leider ist es sehr verstimmt und im Diskant laufen auch Hämmer nicht mehr korrekt zurück. Ich finde aber aktuell im Raum Köln-Bonn noch nicht einmal einen Klavierbaumeister der auch nur bereit wäre, es sich bezüglich der nötigen Restaurations- oder Reparaturaufwände anzusehen. Sobald ich auch nur die Worte englisch und Oberdämpfer zusammen in einem Satz erwähne, gehen überall die Rolladen herunter. In der Zwischenzeit wäre ich ja sogar bereit mit einer Menge Fingerspitzengefühl und handwerklichem Geschick selbst zu Werke zu gehen um zumindest zu versuchen ein paar Dinge in Ordnung zu bringen.
Eine Entsorgung und der Kauf eines hochwertigen IBach oder Blüthner Klaviers aus der gleichen Zeit kommt für mich eigentlich nicht in Frage obwohl erst kürzlich ein IBach-Klavier für nur 140 EUR bei ebay den Besitzer gewechselt hatte.
Vielleicht ist aber jemand hier im Forum bereit, mir ein paar Tipps zum Zustand und den weiteren Chancen des Klaviers zu geben, wenn ich später ein paar Photos dazu hier herein setze?

Viele Grüße

Sascha
 
Soll ich mal drüberschauen?
 
Hier mal eine kleine Auswahl an Bildern...
 

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Diese englischen Oberdämpfer-Klaviere waren auch schon zum Zeitpunkt der Herstellung nicht besonders hochwertig. Nun hast du hier ein Klavier, was sehr abgespielt ist. Das kann man an den wenigen Bildern schon erkennen. Wenn jemand daran Arbeiten ausführen soll, bei denen man vorher weiß, dass ein bestimmtes Ergebnis die Folge sein soll, so müsste man hier sehr tiefgreifend reparieren. Der Restaurationsaufwand ist bei einem solchen Klavier nicht geringer als bei einem besser konstruierten Klavier aus derselben Zeit. Der Unterschied ist aber, dass ein Blüthner oder Ibach aus dieser Zeit nach der Restauration ein brauchbares Musikinstrument ist, was bei diesem Klavier nicht der Fall sein wird. Sicherlich kann man versuchen, das Klavier zu stimmen. Jedoch muss man damit rechnen, dass die verrosteten Saiten reißen, die Wirbel nicht mehr genug Gegenkraft im Holz haben. Dass die Hämmer nicht zurück kommen, lässt sich vielleicht mit ein paar Tropfen Protek und/oder Reinigung der Tastenstifte beheben. Aber ernsthaft: das Klavier ist und bleibt mit allen diesen kleinen Maßnahmen trotzdem nur ein vollkommen unbrauchbares Musikinstrument. Eine wirkliche Restauration ist nicht zu empfehlen, weil das Ergebnis nicht überzeugen wird und es trotzdem viel Geld kostet.
 
@jensen1 Danke für die Antwort, aber was konkret macht es denn zu einem solch "unbrauchbaren Musikinstrument"? Ich möchte nicht Deine Aussage in Zweifel ziehen, sondern es geht mir vielmehr um konkrete Erläuterungen, die zu meinem Verständnis beitragen helfen. Vielleicht auch, um mich zumindest ein wenig selbst daran zu wagen.
Über Oberdämpfer gibt es im Internet ja viele zahlreiche Meinungen und die meisten davon sind tatsächlich negativ besetzt, obwohl es auch Stimmen gibt, die dem Oberdämpfer einen weicheren Klang attestieren. Natürlich ist auch aus heutiger Sicht die Form des Gradsaiters völlig überholt und aus der Mode.
Aber mit welchen Problemen habe ich denn darüber hinaus zu rechnen? Wenn ich keine deutlichen Resonanzbodenrisse sehe, kann ich davon ausgehen, dass es keine gibt? Und für nicht mehr haltende Wirbel, soweit konnte ich mich auch schon informieren, gibt es ja die Möglichkeit voluminösere Wirbel einzusetzen, eine Art Hülsen zu verwenden oder sogar als letzte Möglichkeit eine Art Kleber einzusetzen.
Lustigerweise konnte ich auch bislang nicht und auf keine Weise herausfinden, von welchem Hersteller denn konkret dieses Klavier stammt. Denn selbst an der genannten Adresse befand sich im 19.-Jahrhundert wohl keine Klavierwerkstatt oder gar ein Hersteller. Ich befürchte also, dass es sich sogar um eine Art OEM-Klavier handelt.
Ich bin aber trotz alledem nicht bereit, das Klavier, das in meiner Sicht auch ein hübsches Möbelstück darstellt, nach meinem Geschmack hübscher als alle modernen und schlichten Modelle, entsorgen zu lassen, weil es nicht mehr richtig funktioniert oder eben nie richtig funktionieren konnte.
Wie auch immer, wirklich besten Dank für Deine Antwort!

Viele Grüße

Sascha
 
Wenn Du lange genug suchst findet sich bestimmt ein zwielichtiger selbsternannter Klavierstimmer der Dir für eine unbrauchbare Reparatur Geld abknöpft ...
 
Wenn Du lange genug suchst findet sich bestimmt ein zwielichtiger selbsternannter Klavierstimmer der Dir für eine unbrauchbare Reparatur Geld abknöpft ...
Aber darum geht es mir doch gar nicht und das möchte ich selbstverständlich möglichst auch vermeiden. Wie oben geschrieben, möchte ich dieses eigentlich hübsche Möbelstück ungern entsorgen, auch aus sentimentalen Gründen. Und wenn alle Stricke reißen und ich auch selbst nicht mehr daran weiter komme, bleibt es halt schlicht als Möbelstück an Ort und Stelle und dient nur dem dekorativen Zweck.
Ich denke, ich wende mich dem Klavier als Hobbyklavier zu und schaue, was ich soweit feinfühlig gängig und gangbar gemacht bekomme. Zum Stimmen wollte ich versuchen, den frei verfügbaren und als OpenSource veröffentlichten Entropy Piano Tuner zu verwenden.
 
@igelskalar:

aber was konkret macht es denn zu einem solch "unbrauchbaren Musikinstrument"?

Die Bauform ist eine Zwischenstufe. Ich kenne viele solcher Klaviere, habe sie gestimmt und auch daran Kleinreparaturen gemacht. Klanglich habe ich nie eins gefunden, was befriedigend war. Kurzer Sustain, schlechter Bass (zu kurze Saiten), miserable Dämpfung.

Über Oberdämpfer gibt es im Internet ja viele zahlreiche Meinungen und die meisten davon sind tatsächlich negativ besetzt,

Ich habe übrigens nichts gegen Oberdämpfer. Ich kenne schöne Oberdämpfer z.B. von Blüthner, Ibach und Steingraeber. Bei solchen Instrumenten lohnt eine Reparatur insofern, als dass danach klangschöne und nutzbare Instrumente heraus kommen, wenn es auch bei der Dämpfung bauart bedingte Einschränkungen gibt.


Das hat weniger etwas mit Mode zu tun als vielmehr Weiterentwicklung und Verbesserung.

Wenn ich keine deutlichen Resonanzbodenrisse sehe, kann ich davon ausgehen, dass es keine gibt?

Was nicht gleichzusetzen ist mit: Der Resonanzboden ist intakt. Bei einem solchen Klavier besteht zu fast 100% Gewissheit, dass der Boden keine Spannung mehr hat. Du kannst ja mal Aufnahmen einstellen, ich bin ziemlich sicher dass das Klavier kaum Sustain haben wird.

gibt es ja die Möglichkeit voluminösere Wirbel einzusetzen,

Das nützt nur sehr bedingt etwas. Wenn der Stimmstock geschwächt ist, sind auch die neuen Wirbel nach kurzer Zeit wieder locker. Bei diesem Klavier sieht man, dass schonmal jemand die Wirbel tiefer geschlagen hat. Die Ringe liegen fast auf der Stimmstockverblendung auf. Ich würde davon ausgehen, dass es nicht mehr stimmbar ist.


Dazu müsstest du erstmal alle Wirbel entfernen und die Stimmstockverblendung abschrauben. Mit den alten Saiten wirst du nicht weit kommen. Du ziehst dann also einen neuen Satz Saiten auf einen alten und geschwächten Resonanzboden auf. Das Klavier würde sich dann zwar wieder stimmen lassen, es würde aber weder gut klingen, noch gut spielen. An der Mechanik wäre eine Menge zu machen, die Hammerköpfe sind auch durchgespielt. Das sieht man an den Bildern, es ist kaum noch Filz drauf.

Ich bin aber trotz alledem nicht bereit, das Klavier, das in meiner Sicht auch ein hübsches Möbelstück darstellt, nach meinem Geschmack hübscher als alle modernen und schlichten Modelle, entsorgen zu lassen, weil es nicht mehr richtig funktioniert oder eben nie richtig funktionieren konnte.

Das ist ja auch dein gutes Recht! Meine Antwort mag dir nicht sonderlich gefallen, aber ich bin für klare Worte. Ich habe dir einen guten Rat gegeben, um finanziellen Schaden von dir abzuwenden! Außerdem wollte ich auch zeigen, warum deine Anfrage bei den Profis auf Ablehnung stößt. Es wissen alle, dass daraus nichts Gutes werden kann.

Wenn du dich hobbymäßig mit dem Klavier beschäftigen möchtest, kannst du sicher etwas dabei lernen. Jedoch ist auch hierbei zu bedenken, dass die Lernkurve erstmal flach ist und du eine Menge Zeit und Geld reinstecken musst. Das Ergebnis ist ungewiss und wenn du Musik machen möchtest, so hast du dann auf viele Monate oder gar Jahre kein nutzbares Instrument zur Verfügung. Viele in Videos gezeigte Arbeiten sehen ganz einfach aus, erfordern aber viel Erfahrung und Geduld, sowie auch Zeit.
 
Wenn du dich hobbymäßig mit dem Klavier beschäftigen möchtest, kannst du sicher etwas dabei lernen. Jedoch ist auch hierbei zu bedenken, dass die Lernkurve erstmal flach ist und du eine Menge Zeit und Geld reinstecken musst. Das Ergebnis ist ungewiss und wenn du Musik machen möchtest, so hast du dann auf viele Monate oder gar Jahre kein nutzbares Instrument zur Verfügung. Viele in Videos gezeigte Arbeiten sehen ganz einfach aus, erfordern aber viel Erfahrung und Geduld, sowie auch Zeit.
Zunächst nochmal besten Dank für die ausführliche Antwort. Es ist ja nicht selbstverständlich, sich mit den verschrobenen Problemen anderer Leute auseinander zu setzen. Daher gefällt mir eher auch jede qualifizierte Antwort, die ich dazu bekomme. Und klare Worte sind doch besser, als leeres Gerede.
Ich werde auch in meiner Beschäftigung mit dem Klavier mit Sicherheit nicht über einen bestimmten Punkt hinaus gehen. Ich werde also ganz bestimmt nicht alle Seiten neu aufziehen oder den Aufwand betreiben und den Resonanzboden versuchen zu reparieren, obwohl ich in meiner Heimatstadt eine auf altem Stand vollständige kleine Schreinerwerkstatt zur Verfügung habe. Aber den Resonanzboden fachgerecht auszukeilen, erneut glatt zu hobeln und wieder vernünftig zu versiegeln überstiege wohl meine Fachkenntnis und die der entsprechenden Schritte. Wie sollte ich vor allen Dingen an entsprechende Keile aus anderen Resonanzböden kommen? ;-)
Ich werde mich also maximal damit beschäftigen die Mechanik wieder gängig zu bekommen und schauen, ob ich den Saiten noch halbwegs sinnvolle Klänge entlocken kann. Eine Saite, die mir dabei reißt kann ich mit Sicherheit auch noch gegen eine neue ersetzen, aber dann hört es aber auch schon auf. Ich werde vermutlich noch nicht einmal die Stimmstockverblendung vollständig demontieren können, weil ich die dicken Schlitzschrauben wohl nur mit einem Schlagschrauber oder vergleichbaren Geräten zum Erhöhen des Drehmoments gelöst bekommen werde.

Viele Grüße

Sascha
 

Was du ja schon mal probieren kannst: stimmen. Das mit kostenlosen Apps sollte zumindest schon mal besser klingen als vorher. Aber Vorsicht: auf keinen Fall auf 440 Hz stimmen. Erst mal messen, wo es momentan steht und davon abhängig stimmen. Dann siehst du auch, ob die Wirbel zu leichtgängig sind oder evtl. doch noch halten.
 
Ich scheitere leider gerade schon an so einfachen Fragen, wie z.B. der, einen passenden Stimmhammer zu bekommen. Häufig steht die Größe überhaupt nicht im Shop explizit dabei und der kürzlich bestellte K + M Hammer drehte völlig frei und war gefühlt viel zu groß. Ich suche aber noch nach meinem Messschieber/Schieblehre, um die Stimmwirbel mal korrekt ausmessen zu können.

Die Feststellung von @jensen1 trifft wohl völlig zu, weil sich manche Wirbel tatsächlich etwas plattgeklopft anfühlen, als hätte ihnen mal jemand mit einem Schlosserhammer ein paar Schläge verpasst. Und manche Seiten liegen eher als andere fast auf dem Stimmstockblech auf.

Welches Protek besorge ich mir denn sinnvollerweise? Das gibt es ja in der Variante CLP zur Reinigung, Pflege und Schmierung, sowie als MPL ausschließlich zur Schmierung wohl auch hauptsächlich in Dosen in einer Art pastösen Masse?

Viele Grüße

Sascha
 
Ich finde übrigens aktuell auch keine Informationen oder Beschreibungen zu den Kräfteverhältnissen in einem Klavier. Nach meinem Verständnis wird doch die Zugkraft der Saiten ausschließlich über den Gußrahmen und den darauf aufgesetzten Stimmstock abgefangen, oder? Das heißt doch auch im Umkehrschluß für mich, daß die Wölbung des Resonanzbodens nicht von den Saiten herausgezogen wird oder die Saitenspannung grundsätzlich die Spannung des Resonanzbodens beeinflusst. Ich müsste also im Zweifel irrerweise - weil auch ziemlich hoher Aufwand - den Stimmstock austauschen oder im alten Stimmstock die Wirbel befestigt bekommen. Dazu kommen aber selbstverständlich die Aussagen von @jensen1 zu tragen.
Wie bewerte ich eigentlich sinnvollerweise den Zustand des Resonanzbodens? Muss ich dafür unbedingt die Verkleidung der Rückwand entfernen, oder reich im Zweifel auch ein Blick durch den Rahmen hindurch nach hinten?

Viele Grüße

Sascha
 
Der Zustand des Resonanzbodens ist bei diesem Klavier komplett nebensächlich ...
 
Wenn es v.a. um die Optik geht, könnte man evtl. auch ein modernes Klavier in das bestehende Gehäuse einbauen (lassen). Ist nur eine Idee, ich habe keine Erfahrung damit.
 

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