Wolferl und seine Geige

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Hacon

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Es gibt da ja die nette Geschichte, dass in Mozarts Kindheit einmal Herr Schachter und Herr Wentzel zu Wolfgangs Vater zum Musizieren kamen und der kleine Mozart, der zum damaligen Zeitpunkt wohl 7 Jahre alt war, unbedingt die zweite Geige spielen wollte. Leopold Mozart zögerte, weil sein Sohn nie zuvor Geige gespielt hatte, aber dann durfte Wolferl doch. Nun heißt es, dass der kleine Mozart dann aber gleich beim ersten Mal Geige spielen so gut spielte, dass dem erfahrenen Vizekapellmeister die Tränen in die Augen kamen.

Soweit die Geschichte. Meine Frage: Weiß jemand genaueres darüber? Gibt es vielleicht zuverlässige Quällen? Und kann diese Begebenheit überhaupt realistisch sein? Ich kann mir nicht vorstellen, wie so etwas möglich sein soll.
Ich möchte auch gar nicht wissen, wie grauenvoll es sich anhören würde, wenn ich einfach so mit der Geige drauf los spielen würde.
 
Die Geschichte habe ich auch schon gehört. Vorstellen kann ich mir sowas aber eigentlich eher nicht.

Dennoch gibt es einen kleinen Unterschied zu uns Normalsterblichen, der das etwas begünstigt haben könnte: Mozart hatte sehr oft die Gelegenheit, andere auf der Geige spielen zu sehen und bereits sehr viel Erfahrung am Klavier.
Kinder lernen doch angeblich sehr schnell durch Imitation. Wenn man einem Kind auf dem Klavier ein Stück vorspielt (natürlich aber erstmal was leichtes), dann wird es vielleicht auch nur durch das Hinsehen dieses Stück gleich beim ersten Versuch spielen können.
Allerdings natürlich nicht so perfekt, wie der kleine Mozart angeblich auf der Geige spielen konnte.
 
Die Anekdote stammt ursprünglich von Friedrich Schlichtegroll: "Johannes Chrysostomus Wolfgang Gottlieb Mozart" (1793). Wer sie glauben will, der mag es tun, ich habe da meine Bedenken ...
 
Wichtig ist auch zu bedenken, dass der technische Standard auf der Geige (Paganini gab's noch nicht) noch äußerst niedrig war. Moderne Bogentechnik war völlig fremd und man spielte meist in einfachen Lagen.
Wer damals "Profi" war, würde heute von jedem talentierten 14 Jährigen in den Schatten gestellt werden.
 
Ich glaube daran. Solche "Wunder" gibt es auch heute noch überall.
 
Mit dem absoluten Gehör in der Hinterhand und ein wenig Rumprobieren kann ich mir schon vorstellen, dass sich der junge Wolferl recht schnell zurechtgefunden hat.

@rappy: Interessant, mit Geigentechnik vergangener Zeiten kenne ich mich ja mal so gar nicht aus. Wusste gar nicht, dass da die technischen Standards noch so niedrig waren.
 
Wichtig ist auch zu bedenken, dass der technische Standard auf der Geige (Paganini gab's noch nicht) noch äußerst niedrig war. Moderne Bogentechnik war völlig fremd und man spielte meist in einfachen Lagen.
Wer damals "Profi" war, würde heute von jedem talentierten 14 Jährigen in den Schatten gestellt werden.
Das ist wirklich interessant. Dann dürfte es ja auch im Vergleich zu deren Klavierkompositionen gar nicht so schwer sein, die Geigenkompositionen von Mozart, Bach oder Vivaldi zu spielen?
 
Natürlich kann man am Wahrheitsgehalt dieser Anekdote zweifeln.

Ich halte die erzählte Leistung vom Wolferl für gar nicht mal so unwahrscheinlich (möglicherweise auf Fakten beruhend, aber etwas ausgeschmückt).

Der Schwierigkeitsgrad einer zweiten Geigenstimme von ganz einfachen Stücken um 1760 (z.B. frühklassische Menuette) ist nicht hoch.

Und Mozart hat musikalisch noch ganz andere Leistungen vollbracht...(frühe Kompositionen usw.)

Die Frage gehört aber eigentlich eher ins Violinforum...
 
Schwierigkeitsgrad des Stückes, was er so tränenrührig gespielt haben soll hin oder her, vielleicht war noch etwas Zwiebelsaft auf dem Bogen oder sein Vater hatte zuviel Laudanum intus. Ich glaube die Geschichte jedenfalls nicht. Aber vielleicht hatte Wolfgang ja schon vorher heimlich geübt?
 
Das ist wirklich interessant. Dann dürfte es ja auch im Vergleich zu deren Klavierkompositionen gar nicht so schwer sein, die Geigenkompositionen von Mozart, Bach oder Vivaldi zu spielen?

Doch.
Barock ist sowieso sehr schwer zu spielen, da man damals andere Geigen hatte (u. a. mit flachem Steg und anderem Bogen), sodass sich mit modernen Geigen einige neue technische Hürden ergeben (z. B. kompliziertes Akkordspiel).
Zudem misst die Kritik immer an den heutigen Referenzaufnahmen und der Perfektionsanspruch wurde bis ins Unermessliche hochgeschraubt. Auf dem Klavier ist es genauso. Ich wage zu behaupten, dass sich Pianisten im 18. Jahrhundert um ganz andere Probleme gekümmert hat als die, die Starpianisten von heute meinen, wenn sie sagen, Mozart sei von allen am schwierigsten zu spielen.
Meistens sind es die scheinbar einfachen Stücke, die am weitesten Raum nach oben offen lassen. Mozart ist bei Geigern mindestens genauso gefürchtet wie bei Pianisten, wenn nicht sogar noch mehr.
 
Rappy,
dann wäre es doch aber zumindest relativ einfach, scheinbar sehr schwere Stücke Mozarts auf einer Geige der damaligen Bauart zu spielen, wenn man denn die Technik dieser Geige erlernt hat,oder?
 

Hallo,

in jeder Mozart-Biographie ist nachzulesen, dass Wolferl schon ab 4 Jahren Violin-Unterricht bekam. Also wusste er durchaus das Instrument zu handhaben.


Gruß
Klavirus
 
in jeder Mozart-Biographie ist nachzulesen, dass Wolferl schon ab 4 Jahren Violin-Unterricht bekam. Also wusste er durchaus das Instrument zu handhaben.
Wie kommt es dann, dass in jedem Buch über Mozart diese Geschichte erzählt wird und nicht darauf hingewiesen wird, dass er anscheinend bereits mit 4 Violin-Unterricht hatte?
 
Weil sich Anekdoten so schön machen in einer Biographie ("Ach, göttlich, dieses Wunderkind").
 
Um ohne vorherige Übung ein Instrument sofort spielen zu können und obendrein staunenswert gut spielen zu können, genügt wohl keine Hochbegabung, sondern da müßte wenigstens noch ein Pakt mit dem Teufel her. Da es, leider oder zum Glück, den Teufel nicht gibt (auch wenn der Papst die Hölle noch nicht ganz, wohl aber kraft seines Amtes kürzlich immerhin die "Vorhölle" "abgeschafft" hat), ist das also nicht möglich, und gegenteilige Erzählungen sind mystifizierende Anekdoten, die gerne weiter verbreitet werden, weil das Publikum nichts mehr liebt als Wundergeschichten.
Seltsam daran ist, daß man heute durchaus alles wissen darf, was man wissen möchte (daß Mozart bereits als Vierjähriger Unterricht hatte, kann man sogar bei Wikipedia nachlesen), viele aber doch lieber glauben, was sie glauben wollen.
 
Meines Wissens beruht diese schöne Anektode auch mehr darauf, dass der Bengel nicht das erste mal Geige, sondern das erste mal zusammen mit den anderen Musikern gespielt hatte und die Stücke nur vom Zuhören aus vergangenen Proben einfach nachspielte. Er schrie seinen Vater vorher wohl auch wiederholt an "doch, das kann ich!" und ließ ein weiteres Proben nicht zu, bis dieser schließlich nachgab.
Das "Wunder" dabei ist weniger, dass er technisch in der Lage war, als vielmehr das Heraushören und Nachspielen der 2. Geige mit dem Hintergrund, dass sein Vater, der immerhin sein Lehrer war, ihn total unterschätzte.
Leider weiß ich die Quelle nicht mehr, da ich das in einem Buch in einem Lesekaffee gelesen hatte, glaube mich aber erinnern zu können, dass es aus Briefen überliefert ist.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Kann gut sein. Dass meiste stammt ja aus Briefen von Leopold Mozart. Lustig ist auch, dass er Wolfgang in seinen Briefen oder auch allgemein gegenüber anderen Leuten immer um ein Jahr verjüngt hat. Der wollte halt unbedingt das Wunderkind aus seinem Sohnemann herausholen;)
 

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