Wir alle betreiben: "Kunst"... ;)

Ich würde unser ambitioniertes Amateurklavierspiel eher als Kunsthandwerk bezeichnen... es gehört dazu eine große Portion Können (das kann man erlernen) und dazu noch das Bedürfnis, die geschriebenen Noten des Komponisten (der für mich der wahre Künstler ist... denn er hat was erschaffen) in einen "schönen" Klang zu verwandeln.
"Kunst" erschafft Neues, eröffnet andere Perspektiven... und Kunst hat überhaupt gar nichts mit "können" zu tun. Kreativität kann sich auch ohne perfektes Handwerk entfalten.
Ein Komponist kann fantastische neue Musik schreiben, absolut neue Klangwelten erfinden... ohne auch nur einen Ton auf einem Instrument wirklich selbst spielen zu können. Derjenige, der diese "Kunst" dann aber in die Hand nimmt, die Noten lernt und gleichzeitig die motorischen Fähigkeiten mitbringt, diese auch auf dem Instrument umzusetzen... der ist kein Künstler, sondern (Kunst)-Handwerker... ausser man nimmt die 2. Definition aus dem Duden mit zum Künstlerbegriff hinzu.
LG Georg
 
Lieber Georg,

Du hast mich nachdenklich gemacht... da würde ich Dir nämlich zustimmen:

"Kunst" erschafft Neues, eröffnet andere Perspektiven

Ich finde auch, daß wirkliche Kunst, und große Kunstwerke, etwas Neues und irgendwo auch Einzigartiges zeigen... auf höchstem Niveau. Demnach wäre eine herausragende Komposition "Kunst" - ein Pianist, der diese angemessen aufführt, im Grunde eher ein "künstlerisch" begabter "Handwerker".

Ich bin mir allerdings sicher, daß chiarina jetzt widersprechen würde, und vielleicht besser geeignete Worte dafür finden würde, als ich. Sie hat immer betont, was für eine wichtige und auch anspruchsvolle Aufgabe die Erarbeitung einer guten Interpretation ist, wieviel es in einer Komposition zu "entdecken" gibt.

Eine Sache fällt mir noch ein: bei den Kompositionen, mit denen ich mich sehr lange beschäftigt habe, passiert es schonmal, daß ich geringfügig abweiche von den Noten, weil ich meine, da und dort könnte man eine "Kleinigkeit" besser machen, da und dort eine nette "Idee" mit hineinbringen, oder ähnliches.

Vielleicht sahen selbst die Komponisten, die Urheber der Partituren, nicht alles in ihren Notentexten, was es dort zu entdecken gibt...? Komponisten arbeiteten (vermute ich) ja nicht zeitlebens an ihren Kompositionen, sondern machten die irgendwann mal fertig, und nahmen sich dann die nächste vor. Trotzdem sind viele Kompositionen natürlich sehr sehr gute Arbeiten, und die Komponisten verstanden ihr Handwerk.

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Was die Künstlerfrage angeht: da komme ich selbst zu keinem endgültigem "Schluß"... außer dem schon erwähnten Fakt, daß ein Pianist oder Klavierspieler eben sehr wohl sich künstlerisch betätigt - weil die Musik selbst zu den Künsten gehört.

Ich bin aber geneigt zu sagen: wenn ein Pianist grandioses geleistet hat, wie etwa Horowitz, dann wird auch er zum Künstler.

Mit dem Begriff "Handwerker" (s.o.) werde ich zwar nicht ganz warm. Das ist doch etwas anderes, per definitionem; aber ein besserer fällt mir gerade auch nicht ein.

Viele Grüße ;)
 
Ich finde auch, daß wirkliche Kunst, und große Kunstwerke, etwas Neues und irgendwo auch Einzigartiges zeigen... auf höchstem Niveau. Demnach wäre eine herausragende Komposition "Kunst" - ein Pianist, der diese angemessen aufführt, im Grunde eher ein "künstlerisch" begabter "Handwerker".
das ist völlig richtig

der Komponist, Dichter, Maler ist der Künstler (meinetwegen auch der "Kunstschaffende") - der Dirigent, Schauspieler etc. ist lediglich im besten Fall ein befähigter Interpret. Dass man letzteren auch als "Künstler" bezeichnet, ist ein wenig irreführend...
 
Ein Klavierspieler ist also

im besten Fall ein befähigter Interpret.

Ich möchte noch mal an dieser Stelle vor dem Begriff "Interpretation" warnen. In einem Satz: ein Konzertpianist schafft eine Interpretation eines Stückes. Ein Hobbyspieler macht eine Einspielung, Aufnahme, oder wie auch immer man es nennen will - aber im Regelfall keine "Interpretation". Außer, er zeigt echtes Konzertpianistenniveau... und was das heißt...
 
Hehe genau, ich habe mir in langen Jahren das Wursteln zur Kunst gemacht. :)
 
...ist das nicht diese Kunst mit Wiener Würstchen, ähnlich, wie man es auf Jahrmärkten mit schlangenförmigen Luftballons, die zu Hasen und ähnlichem Viehzeug verknotet werden, hin und wieder sieht? :D

LOL, @ Figuren :cool:

Luftballonfiguren-G3.jpg


:D

http://luftballonkünstler-ballonkünstler.de/wp-content/uploads/2011/08/Luftballonfigur-Kleiner-Onkel-300x267.jpg

LG, O.!
 
Man könnte jetzt auch noch auf Joseph Beuys und seine "soziale Plastik" zurückkommen, wenn man ein wenig provokativer an das Thema herangehen wollte. ;)

Ansonsten stimme ich hier der Ansicht von rolf zu, dass der eigentliche Künstler bei Musik immer der Komponist ist und der Begriff "Künstler" für den musizierenden Interpreten ein wenig irreführend ist. Wenn ich jemandem z.B. den "Zauberberg" vorlese, dann bleibt der Künstler in diesem Fall doch schließlich auch immer noch Thomas Mann und ich werde allein durch das Vorlesen dieses Werks noch nicht zum Künstler. Egal ob ich überragend gut vorlese oder grottenschlecht.

Es sei denn, wir beziehen oben genannten Joseph Beuys mit ein. In diesem Fall werde ich auch zum Künstler, wenn ich einen toten Hasen auf den Schoß nehme und ihm am Flügel sitzend erkläre, wie ich jetzt gleich eine Beethoven-Sonate spielen würde, während mein Publikum nur von außen durch die Fenster in den Konzertsaal reinschauen darf...
(Wer die Aktion nicht kennt: wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt)
 

Das ist Kunstwursteln! :D:D
pic_index_05.jpg
 
da kommt mir gerade Lang Lang in den Sinn:D

Wer weiß, was der gerade macht... vielleicht schläft der gerade, oder übt, oder ißt gerade irgendwas... oder entsorgt gerade in sitzender Position Verdauungsprodukte.

Ich bin mir ziemlich sicher: auch Prominente wie Brad Pitt oder Angelina Jolie haben ihre regelmäßigen diesbezüglichen "Sitzungen" ;)

Da sind (und waren) Künstler und Berühmtheiten keinen Deut anders als unsereins :D
 
Ansonsten stimme ich hier der Ansicht von rolf zu, dass der eigentliche Künstler bei Musik immer der Komponist ist und der Begriff "Künstler" für den musizierenden Interpreten ein wenig irreführend ist. Wenn ich jemandem z.B. den "Zauberberg" vorlese, dann bleibt der Künstler in diesem Fall doch schließlich auch immer noch Thomas Mann und ich werde allein durch das Vorlesen dieses Werks noch nicht zum Künstler. Egal ob ich überragend gut vorlese oder grottenschlecht.
das wird mir immer ein Geheimnis bleiben, warum der allgemeine Sprachgebrauch dem Interpreten von Musik (Dirigenten, Solisten) und dem Theaterinterpreten (Schauspieler, heuer auch Regisseur) das Ettikett "Künstler" anklebt, hingegen der Interpret von Literatur (z.B. ein Literaturwissenschaftler) und Malerei (Kunsthistoriker) für seine Interpretation bestenfalls als "Wissenschaftler" gewürdigt wird -- interpretieren (deuten, erklären, verständlich machen9 tun alle irgendein Kunstwerk...

merkwürdig: offenbar ist irgendein XY, der die Appassionata nur gut spielt, "Künstler", hingegen ist Bachtin, der die Struktur des polyphonen Romans bei Dostojewski im frühen 20. Jh. (erst!!...) entdeckte, lediglich Literaturwissenschaftler --- sonderlich oft schaffen es die musikalischen "Interpretierkünstler" nun nicht gerade, völlig neue Perspektiven an einen vorliegenden musikalischen Kunstwerk zu entdecken... (...ja ok, Horowitz, Rubinstein am Klavier, aber dann?...)
 
das wird mir immer ein Geheimnis bleiben, warum der allgemeine Sprachgebrauch dem Interpreten von Musik (Dirigenten, Solisten) und dem Theaterinterpreten (Schauspieler, heuer auch Regisseur) das Ettikett "Künstler" anklebt, hingegen der Interpret von Literatur (z.B. ein Literaturwissenschaftler) und Malerei (Kunsthistoriker) für seine Interpretation bestenfalls als "Wissenschaftler" gewürdigt wird -- interpretieren (deuten, erklären, verständlich machen9 tun alle irgendein Kunstwerk...

merkwürdig: offenbar ist irgendein XY, der die Appassionata nur gut spielt, "Künstler", hingegen ist Bachtin, der die Struktur des polyphonen Romans bei Dostojewski im frühen 20. Jh. (erst!!...) entdeckte, lediglich Literaturwissenschaftler --- sonderlich oft schaffen es die musikalischen "Interpretierkünstler" nun nicht gerade, völlig neue Perspektiven an einen vorliegenden musikalischen Kunstwerk zu entdecken... (...ja ok, Horowitz, Rubinstein am Klavier, aber dann?...)

Entschuldige die fetten Hervorhebungen. Aber das klingt jetzt ein wenig so, als sei ein Wissenschaftler "minderwertiger" (ich setzte bewusst Anführungszeichen) als ein Künstler. Dem würde ich deutlich widersprechen. Was aber nicht heißen soll, dass im Umkehrschluss Künstler "minderwertiger" als Wissenschaftler wären. Es handelt sich einfach um zwei grundverschiedene Dinge.

Die Verwunderung über den seltsamen Sprachgebrauch, die du ansprichst, teile ich aber vollständig!
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Aber das klingt jetzt ein wenig so, als sei ein Wissenschaftler "minderwertiger" (ich setzte bewusst Anführungszeichen) als ein Künstler.
darum geht es nicht - vielmehr verräterisch ist, dass das "interpretieren" etwas willkürlich mal als künstlerisch, mal als eben nichtkünstlerisch eingeordnet wird ;):):)
insofern besteht der Witz solcher aus dem 19. Jh. stammender Einteilungen darin, dass die verifizierbare wissenschaftliche Interpretation im wertenden Bereich des "Künstlerischen" hinter der nicht so sehr verifizierbaren praktischen Interpretation der Schauspieler und Musiker gleichsam etwas zurücktritt.
 
darum geht es nicht - vielmehr verräterisch ist, dass das "interpretieren" etwas willkürlich mal als künstlerisch, mal als eben nichtkünstlerisch eingeordnet wird ;):):)
insofern besteht der Witz solcher aus dem 19. Jh. stammender Einteilungen darin, dass die verifizierbare wissenschaftliche Interpretation im wertenden Bereich des "Künstlerischen" hinter der nicht so sehr verifizierbaren praktischen Interpretation der Schauspieler und Musiker gleichsam etwas zurücktritt.
Diese Einteilung in Wissenschaftler und Künstler liegt wohl aber auch ein Stück weit im unterschiedlichen Charakter der vier genannten Kunstformen begründet. Ein Gemälde (bzw. Skulptur) sowie ein literarisches Werk sind an sich schon als Kunstwerk dadurch präsent, dass sie einfach existieren. Soll heißen allein durch Betrachten bzw. Lesen ist das Kunstwerk so erlebbar, wie es vom entsprechenden Künstler (also dem Maler bzw. Schriftsteller) gedacht ist.

Bei Musik- und Theaterstücken ist das etwas anders. Freilich kann man auch einfach die Partitur des Musikstücks bzw. das Drama/Libretto/Komödie/... des Bühnenwerks lesen. Wer aber nur das tut und dann darüber schreibt/redet, wird ebenfalls als Musik- bzw. Theaterwissenschaftler bezeichnet werden.

Derjenige, der die Partitur dann tatsächlich auf dem Instrument spielt bzw. als Schauspieler die Theaterrolle auf der Bühne spielt, der tut aber etwas ganz anderes. Er dient als "Medium" zwischen dem Kunstwerk und dem Rezipienten. Solch ein Medium ist bei Malerei bzw. Literatur nicht nötig, da das "Publikum" dort direkt selbst wie oben beschrieben durch "Hinschauen" bereits das Kunstwerk wahrnehmen kann.

Somit ist es durchaus berechtigt, einen Unterschied zwischen den "Künstlern" (Schauspieler bzw. Musiker) und den "Wissenschaftlern" (Kunsthistoriker, Literaturwissenschaftler, Musikwissenschaftler, Theaterwissenschaftler, ...) zu ziehen.

Was aber nichtsdestotrotz bleibt, ist die unglückliche Wortwahl, den Musiker bzw. Schauspieler dann als Künstler zu bezeichnen. Denn so wie beim Gemälde bzw. Prosatext der eigentliche Künstler nach wie vor der Maler bzw. Autor bleibt, so bleibt der eigentliche Künstler beim Theaterstück bzw. Musikstück ebenfalls nach wie vor der Autor bzw. Komponist. Und eben gerade nicht der Schauspieler bzw. interpretierende Musiker.

Aber all das ist eigentlich so logisch, dass es eigentlich sinnlos ist, das hier so ausführlich zu beschreiben, oder?
 
Aber all das ist eigentlich so logisch, dass es eigentlich sinnlos ist, das hier so ausführlich zu beschreiben, oder?
da hast du völlig recht, wie auch im gesamten Beitrag -- aber es kann nicht schaden, das, was eigentlich bekannt sein sollte, dennoch zu benennen: denn der Gebrauch von "Künstler" und "künstlerisch" ist weit inflationärer als seinerzeit die italienische Lire :):):)
 

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