Wie weiß man, was man wie spielen soll?

mos

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Ich übe ja gerade Bach's Menuet in G-Dur. Bei den Noten stehen keinerlei Ausdrucksmerkmale dabei. Also wann ich Piano oder Forte etc. spiele, ob ich Staccato oder Legato spielen soll etc. Welches Tempo überhaupt das beste für das Stück ist.

Ich merke oft, dass ich zu schnell anfange, dass sich das an manchen Stellen aber dann nicht anhört. Gibt es da irgendeine "Tempoempfehlung" für?

Ist das jedem frei überlassen oder gibt es da rigendwelche Regeln? Bin da ein bisschen überfragt im Moment:confused:.
 
Hallo, mos,

das Thema müsste schon ein paarmal behandelt worden sein, z.B. in dem Thread:

https://www.clavio.de/forum/klavierspielen-klavierueben/3806-j-s-bach-und-das-tempo.html

Suche einfach ein bisschen herum, immerhin gibt es Stoff von 3 Jahren zu lesen. Lohnt sich, auch mal wieder die alten Sachen auszugraben, was aber nicht heißt, dass hier keiner mehr Empfehlungen geben darf. :cool:

Viel Spaß weiterhin bei Deinem "Klavierprojekt"!

Klavirus
 
Hi mos,

wenn man noch keine Vorstellung von einem Stück hat, ist es hilfreich sich möglichst viele Interpretationen von anderen anzuhören.

Du wirst schnell merken, dass du bestimmte Interpretationen magst und andere nicht (das ist mir zu schnell/langsam, laut/leise, hart/weich). Daraus bildet sich dann deine eigene Vorstellung/Interpretation wie du das Stück spielen willst.

Und dann geht die Arbeit los, du musst deine innere Vorstellung zur Ausführung bringen. Bei diesem Prozess verändert sich übrigens meistens wieder deine Wunschvorstellung. Es ist ein Prozess des ständigen Anpassens des Gespielten mit der Vorstellung.

Gruß
 
Ist das jedem frei überlassen oder gibt es da rigendwelche Regeln? Bin da ein bisschen überfragt im Moment:confused:.

Sehr interessante Frage! Einmal ist es die grundsätzliche Frage, wie frei der Pianist in seiner Interpretation ist bzw. wie streng die Anweisungen in den Noten zu beachten sind

Dann ist es eine Frage des Stils.

Dann ist es auch aktuellen Moden unterworfen.

Eine sehr lebhafte Diskussion zu diesen Aspekten gab es bereits hier
 
hallo,
es gibt da einen alten "Hinweis" aus dem 19. Jh.: wenn nichts zum Tempo dasteht, dann so, wie man die Melodie laut singen wüde.
halte ich für eine sehr schöne Idee.
Gruß, Rolf
 
hallo,
es gibt da einen alten "Hinweis" aus dem 19. Jh.: wenn nichts zum Tempo dasteht, dann so, wie man die Melodie laut singen wüde.
halte ich für eine sehr schöne Idee.
Gruß, Rolf

Ich finde das grundsätzlich auch eine gute Idee.
Nur hat man halt zu Wagners Zeiten ganz anders gesungen als zu Bachs Zeiten. Nehme ich jedenfalls stark an.
 
Ich merke oft, dass ich zu schnell anfange, dass sich das an manchen Stellen aber dann nicht anhört. Gibt es da irgendeine "Tempoempfehlung" für?
In diesem Fall sollte man das Tempo dieser Stelle anpassen. Aber nur, wenn die Stelle eben rein musikalisch nicht schneller gespielt werden sollte, nicht wenn du es technisch einfach nicht kannst :)

In Bachs D-Dur Präludium WTK II bspw. fange ich immer in einem relativ hohem Tempo an, aber an einer Stelle gefällt es mir einfach nicht. Da sind triolische 16-tel im Bass und die klingen dann furchtbar gehetzt und unklar. Deshalb passe ich mein Tempo dieser Stelle an, sodass das ganze Stück langsamer wird.

lg marcus
 
Super, schon mal vielen Dank für die Antworten.

Es geht ja nicht nur um das Tempo. Wie weiß ich, wann man am besten die Noten bindet und wann nicht.

Ich wollte mir auch schon Beispielstücke anhören. Leider war meine Suche zu diesem Stück nicht gerade sehr erfolgreich. Bei Youtube sind einige Videos drin, aber leider nicht so mein Ding.

Bei iTunes finde ich keine Klaviereinspielung. Da sind es dann meistens Orchestereinspielungen. Schätze das Stück ist einfach zu "simpel" für richtige Klavierspieler :D.

Die Regel mit dem Singen gefällt mir.

Ich werde dann mal ein bisschen in den tiefen Schubladen des Forums wühlen. Das mit der Suche ist nicht immer so einfach. Wenn man das richtige Schlagwort hat, geht es, wenn nicht, wird es schwierig.

Macht ihr eigentlich manchmal auch Blödsinn mit den Stücken, also z. B. einen Reagge draus oder "verjazzen"?
 
Hi Mos,

ich finde bei Barocksachen non-legato schön. Beim Menuett stelle ich mir einen alten Schmachtfetzen mit Kostümierten und Geschminkten vor ... tänzerisch und schon was Gewicht auf der eins, damit auch die Männer beim Tanzen wissen, wohin es geht :-)

Prost,
Wahnfried
 
Hallo, mos,

ich bin grade beim You-Tube-Surfen auf eine Version Deines Menuetts gestoßen, die Du dir vll. mal anhören solltest. Das Pedal finde ich zwar überflüssig, ansonsten ist die Gestaltung aber doch anregend, oder?...

Klavirus
 

Ich übe ja gerade Bach's Menuet in G-Dur. Bei den Noten stehen keinerlei Ausdrucksmerkmale dabei. Also wann ich Piano oder Forte etc. spiele, ob ich Staccato oder Legato spielen soll etc. Welches Tempo überhaupt das beste für das Stück ist.

Bach hat kein Klavier gespielt :-) Ein Cembalo erlaubt einfach nur wenig Ausdrucksmerkmale, da die Saiten von einem Dorn angerissen werden, folglich hat Bach da auch nichts notiert. Das auch kein Pedal am Cembalo gibt, aber auch keine Dämpfung ist Pedaleinsatz eben auch Ansichtssache :-)

Ich würd versuchen es möglichst gleichmäßig durchzuspielen - ist ja ein Tanzstück; und kein Staccato zu spielen.
 
@Klavirus, hast du evtl. den Link von YouTube?;)
 
hallo mos,

da siehst du mal, wie verschieden die geschmäcker sind:
ich finde bei Barocksachen non-legato schön.
Ich würd versuchen [...] kein Staccato zu spielen.
mein lehrer gibt mir in einem solchen falle einen haufen literatur über die aufführungspraxis der damaligen zeit zum lesen, führt mir vor, was man alles anstellen kann - und überlässt dann die entscheidung mir. allerdings fordert er von mir, dass ich alle spiel- und darstellungsmöglichkeiten gleichermassen sicher beherrsche, weil ich erst dann frei in meiner entscheidung sei. (recht hat er, ist aber manchmal arg mühsam. :()

in dem sinne: es gelten in solchen fällen nicht die kategorien richtig und falsch, sondern nur überzeugend/stimmig und (irgendwie das Gegenteil davon).

lg
a.

ps: für diejenigen, die es interessiert: ein literaturtip - nicht nur für's bach-spiel

Molsen, Uli (1947-): Die Geschichte des Klavierspiels in historischen Zitaten von den Anfängen des Hammerklaviers bis Brahms. Balingen (Molsen) 2/1983. 192 Seiten. ISBN 3-9800685-0-1.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Bach hat kein Klavier gespielt :-) Ein Cembalo erlaubt einfach nur wenig Ausdrucksmerkmale, da die Saiten von einem Dorn angerissen werden, folglich hat Bach da auch nichts notiert. Das auch kein Pedal am Cembalo gibt, aber auch keine Dämpfung ist Pedaleinsatz eben auch Ansichtssache :-)

Ich würd versuchen es möglichst gleichmäßig durchzuspielen - ist ja ein Tanzstück; und kein Staccato zu spielen.

Bachs Lieblingstasteninstrument neben der Orgel war das Clavichord. Ein Clavichord hat ein sehr großes Dynamikspektrum. Dass Bach keine dynamischen Spielanweisungen wie forte oder piano in die meisten seiner Stücke für Tasteninstrumente schrieb, hing nicht daran, dass die Instrumente keine Dynamik hergaben (auch beim Cembalo kann man z.B. durch Manualwechsel Stufendynamik erreichen), sondern daran, dass es zu seiner Zeit noch nicht üblich war, sowas in die Noten zu schreiben. Die Vortragsangaben sind erst später immer weiter verfeinert worden.

Es lohnt sich, Bücher über die historische Aufführungspraxis zu lesen, z.B. C.P.E. Bach "Versuch über die wahre Art, das Klavier zu spielen". Vielleicht findet man ja Gefallen daran, differenziert zu artikulieren, statt mit Dauerlegato zu spielen (d.h. weder Staccato noch Dauerlegato, sondern Tondauer entsprechend der Notenlänge / Taktschwerpunkte zu wählen).
 
Hallo Mos,

Betrachte die Seite Noten für das Menuett wie ein Kapitel aus einem Buch. Die Noten sind die Buchstaben und durch das sinnvolle Zusammenfügen der Buchstaben werden daraus Wörter und Sätze, das sind dann die „melodischen Bögen“. Wenn du unterschiedliche Leute bittest dir das Kapitel vorzulesen werden mache langweilig klingen und die „vorlese Begabten“ werden dich fesseln, sie betonen die Wörter sinnvoll, erzeugen eine Atmosphäre durch heben und senken der Stimme (Piano oder Forte) passend zum vorgetragenen Text.

Sehr hilfreich finde ich es auch sich vorzustellen wie ein Sänger die Melodie singen würde, selber einmal die Melodie singen oder wenigstens summen und probieren wie und in welchem Tempo es schön klingt.

Wenn du einfach versuchst DEIN Menuett daraus zu machen, dein Charakter und deine Fantasie hineinbringst, sowie die Grundsätze der Musikepoche beachtest aus der das Menuett stammt ist das sicherlich die beste Voraussetzung das dir und deinen Zuhörern das Menuett gefällt. Das Tempo muss zur Stimmung passen die du mit dem Stück erzeugen möchtest, ein Menuett ist ein (Volks)tanz also sollte es nicht gehetzt klingen.

Mit diesem Grundansatz bin ich an all meine bisherigen Stücke rangegangen und aktuelle bei Bachs Inventionen hilft mir das sehr.

Gruß Bernd
 
Hallo mos,

ich hatte diese Frage auch an meinen KL gestellt, in diesem Falle für WTK1 Preludium in C-Dur. Sein Vorschlag war: je weiter der aktuelle Akkord hinsichtlich Spannung von der Tonika entfernt ist, desto zurückhaltender wird gespielt. Bei der Auflösung auf die Tonika oder einen entsprechenden Dur-Akkord wieder "nach vorne gehen".

Passte in diesem Fall recht gut. Wie weit das beim Menuett passt, müsste man ausprobieren.

Rainer
 
@Mindenblues: Ich lass mich gern belehren :-) Echt interessant, ich dachte Clavichorde würden die Saiten wie Cembalos anreißen :-)
 

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