Wie kann ich mir das vorstellen?

K

Kamil

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Hallo liebe Foren-Mitglieder :)

ich habe gerade ein kleines Problem mit meiner Vorstellungskraft und auch wenn ich jetzt schon weiß, dass es mir schwer fallen wird dieses Problem schriftlich zu verbalisieren, so hoffe ich dennoch auf eure Hilfe:

Es geht um Chopin. Ich habe letztens versucht mir einen komponierenden Chopin vorzustellen und bin an die Grenzen meiner Fantasie gestoßen. Mein Problem: in vielen seiner Werke dominieren ja einige wirklich fantastische, schnelle Läufe, aber was meint ihr, wie diese zu Stande gekommen sind? Hatte Chopin diese Figuren ad tempo fertig im Kopf und brauchte sie bloß runterzuschreiben oder hat er sich eine Lauffigur langsam angeschaut, diese dann schnell fortsetzend auf dem Klavier vorgespielt und entschieden: passt! Ich frage deshalb, weil ich gerade bei Chopin das Gefühl habe, dass die Läufe einen völlig anderen Charakter haben, wenn man sie nicht im Originaltempo spielt, aber wie es der Mann geschafft hat, solche Läufe runterzubrechen und auf Papier zu bringen, will mir nicht in den Kopf gehen (klar, ich bin nun mal auch kein Genuis). Falls mein Dilemma irgendwie klar geworden ist, hätte ich gerne dazu eure Gedanken. Falls nicht, versuche ich das weiter zu auszuführen.

Und eine letzte Frage: meint ihr, sobald er seinen Meisterwerken diese Struktur gegeben und sie auf Papier gebracht hat, dass er sie auch direkt runterspielen konnte? Es fällt mir einfach unglaublich schwer mir vorzustellen, dass man beispielsweise seine Etüden mal eben so vom Blatt spielen könnte - selbst als der Komponist.

Gruß Kamil
 
Wieso hätte er es spielen können müssen? Er musste es sich nur vorstellen können. Vielleicht konnte er es sofort spielen, aber das ist keine notwendige Bedingung.
Guck dir mal eine Orchesterpartitur von Strauss an, da ist manchmal die ganze Seite schwarz, alle Beteiligten spielen hochvirtuos! Und er hatte natürlich beim Komponieren kein Orchester im Raum, welches ihm alles im Originaltempo vom Blatt vorgespielt hat, damit er wusste, wie es klingt.
 
Dass dies keine Bedingung sein muss, ist mir natürlich klar, ich hatte mich eben nur gefragt, OB er es konnte. Vielleicht gibt es ja irgendwelche alten Dokumente, die in dieser Hinsicht Hinweise auf seine pianistischen Fähigkeiten geben.
 
Dass dies keine Bedingung sein muss, ist mir natürlich klar, ich hatte mich eben nur gefragt, OB er es konnte. Vielleicht gibt es ja irgendwelche alten Dokumente, die in dieser Hinsicht Hinweise auf seine pianistischen Fähigkeiten geben.
Chopin konnte aus dem Stegreif virtuos improvisieren, das zumindest ist oft genug bezeugt; etliche seiner Spielfiguren spiegeln seine persönlichen pianistischen Vorlieben, und so sind auch viele davon am Klavier entstanden und erst dann am Schreibtisch verfeinert und fixiert worden. Denkt man an seine Aussage, dass er vor Konzerten nur Bach spiele, da er seine eigenen Werke nicht übe, wird das verständlich -- kurzum: der konnte enorm Klavierspielen.
Nebenbei ist von Beethoven überliefert, dass in seiner frühen und mittleren Zeit seine Improvisationen / freien Fantasien am Klavier im Schwierigkeitsgrad seine Kompositionen übertroffen hätten - mit anderen Worten: der konnte auf dem technischen Niveau seiner Waldsteinsonate frei drauflosspielen.
Dergleichen ist kein Wunder, denn solche wie Beethoven, Chopin, Liszt waren exzellente Pianisten.
 
Daß Chopin von der Improvisation herkommt, merkt man insbesondere an den Stellen, wo so "11tolen" oder "35tolen" vorkommen (es gab ja hier im Forum auch schon Fragen, wie so was "rhythmisch einzuteilen" und zu üben sei) - das sind nämlich einfach frei improvisierte, drauflosgespielte Figuren, wie sie ganz ähnlich auch jeder Jazz- oder Barpianist einstreuen würde, und Chopin hat sich bei der Notation einfach für eine annähernd zutreffende Version entschieden.

LG,
Hasenbein
 

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