Wie improvisiert man Jazz?

Das Video von Johannes Wallbaum hab ich mir angehört. Finde ich klanglich sehr hübsch.

Ein Fan von Oscar Peterson bin ich auch.
Frage mich allerdings, ob das in den Faden reingehört.
 
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Ich finde schon, dass es in diesen Faden gehört. Man nirgendwo mehr zum Thema Improvisation lernen, als von guten Musikern. Immer wieder hören, versuchen nach zu spielen, versuchen heraus zu bekommen, wie und warum er das macht.

Ich bin der Meinung viel Jazz hören, ist das aller Wichtigste. Es nützt nichts, wenn man die Theorie perfekt kann, aber die Seele und das Herz fehlt. Improvisation besteht viel aus Intuition und Gefühl.

Es ist ein bisschen wie Kochen. Gib einem ein Rezept und die Zutaten, das heißt noch lange nicht, dass es schmeckt. Wenn jemand ein Händchen dafür hat, wird das einfachste Gericht zu einem Erlebnis.
 
Jazz sollte man am Anfang nicht allzu fest theoretisieren. Die Bücher von Marke Levine sind perfekt. Quasi die gute, einfache amerikanische Jazz-Schule. Man lernt genau die Kadenzen, die auch tatsächlich immer und immer wieder im Jazz gespielt werden. Man lernt auch, dass Jazz sehr modular ist und meistens die Akkordqualität einfach so wechselt, um die Tonalität zu sprengen.

Es geht wenig auf das klassische Theorie-Blabla ein und versucht den Grundstein einfach und plastisch zu skizzieren. Ein Jazzmusiker interessiert sich nicht für Tonikaparallelen, Subdominanten etc. und dergleichen. Für ihn ist alles irgendwie II-V-I und die unzähligen Substitutionen die man daraus bilden kann. Cool-Jazz und modaler Jazz gehen da sogar noch einen Schritt weiter und werfen dann Kadenzen im herkömmlichen Sinn ganz über Board.

Natürlich kannst du auch kalssische Ansätze mit Jazz mischen. Gab es unzählige Experimente, die bewiesen haben, dass Bach durchaus auch in Jazz funktioniert und umgekehrt. Da letztenendes Jazz auch sehr stark vom Quintfall geprägt ist.

II-V-I ist halt einfach die Progression, mit der man am meisten machen kann. Gerade Dominanten kann man im Jazz auf unzählige Arten spielen. Sind auch fast die jazzigsten Akkorde. Diverese Jazz-Akkorde wurden aber auch schon von den Impressionisten und Romantikern gespielt. Eigentlich harmonisch gesehen nichts neues!
 
Ich finde schon, dass es in diesen Faden gehört. Man nirgendwo mehr zum Thema Improvisation lernen, als von guten Musikern. Immer wieder hören, versuchen nach zu spielen, versuchen heraus zu bekommen, wie und warum er das macht.
Das ist meiner Meinung nach nur ein Aspekt, wenn auch ein wichtiger. Mindestens genausowichtig ist aber der Mut zum Experiment. Gerade bei Leuten, die schon Klavier spielen können, habe ich die Erfahrung gemacht, dass der Schritt zum freien Spiel gewisse Hemmungen mit sich bringt. Aber nur, in dem man ständig übt, "irgendwas" zu spielen, am besten ohne nachzudenken, bekommt man ein Gefühl dafür, welcher Ton in welchem Kontext wie klingt. Das ist am Anfang schwierig und wird fürchterlich klingen. :D Aber nur so lässt sich zusammen mit den gelernten Licks eine individuelle Impro aufbauen. Man möchte doch nicht nur Klischees abspulen, oder? Außerdem hat man so viel mehr noch die Möglichkeit, auf seine Mitspieler und das Publikum zu reagieren.

Ein weiterer Punkt ist das Formgefühl. Eine gewisse Umstellung erfordert auch die Tatsache, dass man zwar etwas scheinbar willkürliches spielt, sich aber ständig bewusst sein muss, wo im Stück man ist, und vor allem auch den Spannungsbogen einer Impro danach bildet.
 
Aber nur, in dem man ständig übt, "irgendwas" zu spielen, am besten ohne nachzudenken.......
Schon klar, dass man während des Spielens nicht jeden Ton seziert. Geübt wird im Jazz aber immer im vollsten (theoretischen) Bewusstsein, was man tut.
Du kannst natürlich in Dm7-G7-Cj solange auf den weissen Tasten experimentieren, bis Du das Gefühl hast, es klingt nach was, oder Du überlegst Dir vorher, wieso dorisch nach IIm7, mixolydisch nach V7 und ionisch nach Ij klingt.
 
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Finde die Kirchentonleitern auch enorm wichtig! Weil jede eine eigenständige Klangfärbung hat. Ist eine wichtige Tatsache, die man einfach lernen muss. Ich steh auf die dunkeln Färbungen wie lokrisch und die Mollfärbungen. Aber auch dorisch finde ich enorm cool.

Was ich gemeint habe, dass man am Anfang den Gesamtkontext sehen sollte. Sich gleich in die Theorie zu begeben und akribisch einzelne Modulationen mit komplizierten Synonymen zu beschreiben, finde ich unpraktisch.

Was ich am Jazz grundlegend anders finde, dass man sehr stark in Qualitäten denkt. Sprich in Akkordqualitäten oder in Modis. Das bringt mir fast am meisten, weil ich so gleich weiss, welches Tonmaterial passt. Auch habe ich angefangen bewusster das Tonmaterial zu sprengen. Es kann durchaus vorkommen, dass ich folgendes spiele:

Dm7 - [G7(sus4) - G7(b9/b13) - G7(b9)] - C6/9

Hier verwendet man alleine über ein und dieselbe Stufe drei verschiedene Färbungen. Die Funktion ist aber immer die selbe. Die Alterationen wandern immer schön wieder in die Diatonik. Für meine Ohren viel Alterationen, die chromatisch wieder in die Diatonik wandern. Das siehst du aber in deinem Leadsheet nicht! Jetzt fummelt sich halt jeder seine eine eignene Färbungen zusammen. Es ist zwar nur ein Aspekt im Ganzen, aber für mich ein sehr wichtiger! Klangfärbunden und Modis musst du schnell kennen lernen, weil du mit Ihnen Stimmungen und Emotionen musikalisch formulierst. Nehmen wir an, jemand will von dir eine Ballade die romantisch klingen soll. Dann musst du wissen, welche Akkorde und Modis romantisch klingen. Aber leider kannst du das Rad nicht mehr neu erfinden. ;-) zumindest was die Harmonik angeht. Die Interpretation kann man immer neu erfinden.

Selbst wenn du dir als Konzept nimmst, atonal zu spielen, hast du ein Konzept, was sich auch schon jemand ausgedacht hat. :-)
 
Finde die Kirchentonleitern auch enorm wichtig! Weil jede eine eigenständige Klangfärbung hat. Ist eine wichtige Tatsache, die man einfach lernen muss. Ich steh auf die dunkeln Färbungen wie lokrisch und die Mollfärbungen. Aber auch dorisch finde ich enorm cool.

Was ich gemeint habe, dass man am Anfang den Gesamtkontext sehen sollte. Sich gleich in die Theorie zu begeben und akribisch einzelne Modulationen mit komplizierten Synonymen zu beschreiben, finde ich unpraktisch.
Stimme ich voll zu. Die Erweiterung Kadenz in C zeigt, dass die Möglichkeiten nicht auf die weißen Tasten beschränkt sind.

Mitunter gerät man auch in Spielsituationen, wo man nach Gehör und Gefühl reagieren muss, da immer eine volle theoretische Analyse im Hinterkopf zu haben ist sicher schwierig. ;) Genauso sind die Kirchentonleitern nicht alles. Je nachdem, in welchen Stilen man sich bewegt, sind alteriert, HTGT, Bebop-Scales, usw. ebenfalls wichtige Helferlein.
 
Mindestens genausowichtig ist aber der Mut zum Experiment. Gerade bei Leuten, die schon Klavier spielen können, habe ich die Erfahrung gemacht, dass der Schritt zum freien Spiel gewisse Hemmungen mit sich bringt. Aber nur, in dem man ständig übt, "irgendwas" zu spielen, am besten ohne nachzudenken, bekommt man ein Gefühl dafür, welcher Ton in welchem Kontext wie klingt.

Geübt wird im Jazz aber immer im vollsten (theoretischen) Bewusstsein, was man tut.

Jay, irgendwas spielen ist nicht die Lösung. Da versucht man den leichtesten (und schlechtesten) Weg zu gehen. Ich wollte es auch nochmal betonen, weil viele einfach glauben, dass das die Grundform des Improvisierens im Jazz ist.

Jazz ist schwer, genauso, wie viele klassische Stücke schwer sind. Einfach irgendwas spielen, bloß, weil man sich nicht anstrengen will, bringt einen nicht viel weiter. (Ich schiebe selber einen schweren Stein vor mich her. Und er ist noch ziemlich schwer.)

In einem Stück spiele ich aber nicht irgendwas.

[Falls ein erfahrener Spieler sagen möchte, dass Jazz nicht schwer ist, so soll er es mitteilen...:rolleyes: ...ich lasse mich gerne belehren und korrigieren.]
 
... weil viele einfach glauben, dass das die Grundform des Improvisierens im Jazz ist.
Nee, so wollte ich das nicht verstanden haben. Ich hab mich vielleicht missverständlich ausgedrückt, wir reden glaube ich aneinander vorbei: "Irgendwas" zu spielen soll nicht bedeuten, willkürlichen Blödsinn zu veranstalten. Und schon gar nicht aus dem Grund, weil es einfacher wäre. Ich möchte keinesfalls die Notwendigkeit einer theoretischen Grundlage bestreiten. :shock:

Ich meinte vielmehr eher das Spielen nach Gehör, z.B. in einem Jam, wo dein Mitspieler irgendeinen Vamp anfängt ohne dir zu sagen, was er spielt. Für diejenigen, die nicht über ein absolutes Gehör verfügen, dürfte es schwierig sein, ohne mitzuspielen die Akkorde vorauszusagen und basierend darauf über entsprechende Skalen nachzudenken, bevor sie mit dem Spielen beginnen. ;) Was also machen? Ganz langsam mit einzelnen Tönen zum Groove und zu den Harmonien finden und so immer mehr in den Jam finden. Das muss geübt werden! Ich habe einfach die Erfahrung gemacht, dass mitunter Pianisten, die durchaus über solide Theoriekenntnisse und gute Technik verfügen, der Mut zum Experiment fehlt. Wer immer nur nach festen Schemen und vorher ausgemachten Strukturen spielt, verpasst doch einen ganz wichtigen Teil des Jazz. :)
 

kann schon sein, finde ich aber lustig. Aneinander vorbeireden macht es spannender... für mich zumindest;)

Ich meinte vielmehr eher das Spielen nach Gehör [...] dürfte es schwierig sein, ohne mitzuspielen die Akkorde vorauszusagen und basierend darauf über entsprechende Skalen nachzudenken, bevor sie mit dem Spielen beginnen. ;)

Wenn du versuchst, dich einzufügen, fügt sich ja das was du spielst in das, was du schon verstehst. Du wirst dich schwer in Akkorde und Skalen einfinden, wenn du sie nicht kennst, oder noch nie gespielt hast.

Experimentiert wird immer in einem Kontext, um Erfahrungen zu sammeln. Aber ohne Kontext experimentieren fällt in irgendwas.
 

Wenn du versuchst, dich einzufügen, fügt sich ja das was du spielst in das, was du schon verstehst. Du wirst dich schwer in Akkorde und Skalen einfinden, wenn du sie nicht kennst, oder noch nie gespielt hast.
Wieso nicht? Jemand, der nach Gehör improvisieren kann, wird auch zu einer x-beliebigen japanischen Pentatonik eine Lösung finden, obwohl er noch nie was davon gehört hat und deren Ursprung nicht kennt. Der Tonvorrat wird beim Spielen und Hören erarbeitet. Perfektioniert wird das Ganze natürlich, indem man sich darüber Gedanken macht, was das gerade eben war und warum es funktioniert hat. ;) Die Kausalität hat aber in diesem Fall die Theorie am Schluss.

Ich möchte nur ungern dahin kommen, Theorie und Spielen getrennt voneinander zu betrachten, weil das wirklich sinnlos wäre. Mir lag lediglich daran darauf hinzweisen, dass die Theorie nicht immer vor dem Ton bemüht werden kann, sondern es auch Situationen gibt, in denen der Zusammenhang andersherum ist. Als Improvisator :D im Jazz ist es meiner Meinung nach sehr wichtig, beide Wege zu beherrschen. Ich fände es schade, wenn diese Materie an der Verwendung des Wortes "irgendwas" zerschellt, obwohl meine Wortwahl durchaus Absicht war, denn das ist genau das Wort, das du in solchen Situation hörst: Theoretisch gebildete Pianisten sitzen ratlos da, während die tradtionell eher praktisch veranlagten Gitarristen losdudeln, und auf Nachfragen ("Was spielst du da?") kommt dann die Antwort: "Egal, spiel halt irgendwas...".

Edit: Und selbst ohne den Kontext des Mitspielers finde ich freies Experimentieren wichtig. Es ist beim Üben genauso ein Weg, sich über Spiel und Gehör neuen Skalen und Kadenzen zu nähern. Wenn man an etwas hängen geblieben ist, was dem eigenen Ohr interessant erscheint, und die Struktur etwas gefestigt hat, wird sich hinterher mit Hilfe der Theorie auch eine schlüssige Erklärung finden lassen. Du kannst einem Kind hundert Mal erklären, dass Brennnesseln weh tun und man sich davon lieber fernhält, und es wird die elterliche Belehrung meistens wieder vergessen. Aber wenn sich der Junior bei der Erkundung seiner Umwelt einmal mit nacktem Hintern hineingesetzt hat, wird der Eindruck ein Leben lang bleiben.
 
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Du kannst einem Kind hundert Mal erklären, dass Brennnesseln weh tun und man sich davon lieber fernhält, und es wird die elterliche Belehrung meistens wieder vergessen. Aber wenn sich der Junior bei der Erkundung seiner Umwelt einmal mit nacktem Hintern hineingesetzt hat, wird der Eindruck ein Leben lang bleiben.

anzumerken wäre, dass sich die Junioren dieser Welt nicht allüberall mit nacktem Hintern herumzubewegen pflegen... :D

aber freilich hast Du recht: Erfahrungen muss man machen - und man sollte aus ihnen ein paar Lehren ziehen, sonst sind sie nutzlos.
 

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