Was macht professionelles Klavierspiel aus?

Man muss aber auch sehen, dass es zu vielen der großen Klassiker keine Alternative gibt. Es gibt eben nur einen Chopin, nur einen Schubert. Für eine op. 111 oder eine späten Schubert-Sonate oder eine f-moll-Ballade oder ein Mozart-Konzert fällt mir kein Ersatz ein. Das ist einzigartig und genial.
Wenn es einen gibt, bitte mir schnellstmöglich mitteilen :super:
 
Man muss aber auch sehen, dass es zu vielen der großen Klassiker keine Alternative gibt. Es gibt eben nur einen Chopin, nur einen Schubert. Für eine op. 111 oder eine späten Schubert-Sonate oder eine f-moll-Ballade oder ein Mozart-Konzert fällt mir kein Ersatz ein. Das ist einzigartig und genial.
Wenn es einen gibt, bitte mir schnellstmöglich mitteilen :super:

Hallo Stilblüte,
es gibt auch nur eine MonaLisa, aber trotzdem habe ich nach einem Besuch im Louvre erstmal Lust auf andere Kunstwerke und stelle mich für 10 oder 20 Jahre nicht mehr für die ML an. :-)

Und nach dem hinkenden Vergleich: auch, wenn du natürlich hinsichtlich Genialität der Werke Recht hast: hat derjenige, der sie so gern hört, die nicht eh in seiner Musiksammlung und ist beim Live-Auftritt, wo er sie bestimmt auch schon gehört hat und wo sie nach wie vor oft gespielt werden, nicht eher mal gespannt auf anderes? Bei meinen letzten Besuchen habe ich es genossen, kürzere Stücke von Skryabin und nicht so bekannte und eher untypische Stücke von Liszt zu hören.

LG
BP
 
Ich denke auch, daß viele "Normalverbraucher" den Gehalt und die Schönheit klassischer Klaviermusik nicht erkennen können. Das setzt oft schon eine intensive und langwierige Beschäftigung mit der Klaviermaterie voraus. Die Komplexität ist nicht einfach so zu erfassen und der Genuß ist auch vom Wissen abhängig.
Vor einiger Zeit hörte ich Claire Huanci im Konzert u.a. mit JSB Franz. Suite Nr. 5. Die Musik war betörend schön.
Der. hängt sicher auch mit meiner eigenen Beschäftigung mit diesem Stück zusammen. Viele Feinheiten hätte ich sonst nicht wahnehmen können. Auch die Beschäftigung mit dem sonstigen geschichtlichen und musikalischen Hintergrund erhöht den Hörgenuß.
 
Ja das stimmt selbstverständlich! Deshalb plädiere ich ja für die Halb-Halb-Methode :D bzw. das ist ja das, was viele Pianisten machen. Mischen Bekanntes mit weniger Bekanntem. Das ist schön für sie und für die Zuhörer.
 
Und welche weniger bekannten Werke spielst Du in Deinem nächsten Konzert ?
 
Die Hälfte der Werke auf meiner CD sind entweder unbekanntere Werke von einem bekannten Komponisten oder Werke von Komponisten, die man generell nicht so oft in Konzerten hört. Und die spiele ich auch alle in meinen nächsten Konzerten. Und die andere Hälfte der CD ist "Le tombeau de Couperin". Ich habe die Regel also genau eingehalten :lol:
 
Das Schoene an der Klassik ist, dasz einem die wirklich "klassischen" Stuecke ein Leben lang begleiten. Sie werden mit wiederholtem Hoeren schoener und interessanter. Damit will ich nicht sagen, dasz sie auch manchmal nicht passen, oder man sich nicht daran "abhoeren" koennte, aber sie sind immer wieder interessant.
Das Erstaunliche ist sogar, dasz man jetzt bitte gar keine neue irgendwie "gekuenstelte" Interpretation braucht und haben will. Damit meine ich, dasz man fuer den Genusz jetzt nicht unbedingt irgendeinen radikal neuen Interpretationsansatz braucht, wie etwa "originale Metronomzahlen mit ein Schlag = Hin und Her des Pendels" oder Aehnliches.
Auszerdem sollte jeder Interpret auch fuer die "Erstkonzertbesucher" spielen: Es gibt auch noch Kinder, die Klassik hoeren und kennenlernen wollen. Wenn jetzt keiner mehr Chopinballaden spielte, weil sie schon auf der CD existieren, beraubte diese Leute eines eventuell sehr eindruecklichen Konzerterlebnisses.
Ich finde Programmgestaltung sehr wichtig, die Mischung mit unbekannteren Werken ist eine gute Moeglichkeit.
Jannis
 
Ich verstehe darunter einmal das "von links nach rechts" (also in der Zeitachse wie z.B. ein Melodieverlauf) und "von oben nach unten" wie z.B. den Klang eines Akkords oder mehrerer Töne/Melodien gleichzeitig (Bach).
 
Zuletzt bearbeitet:
In der Musikwissenschaft spricht man von vertikalen und horizontalen Melodieverlauf:

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Dagegen horizontale und vertikale Qualität sag mir nicht viel, denn wie definiert man in der Kunst eine Qualität. Qualität ist ein dehnbarer Begriff und hier schwer anwendbar.
 
Zuletzt bearbeitet:

@mick, steht ja drin ..... hält stimme oder stimmen im horizontalen Bereich .... also keine grosse vertikale Tonänderung.
Kann man auch in der Sprache anwenden: Ein Vortrag ohne Tonsenkungen oder Erhöhungen ist ein horizontaler Vortrag (=Monoton, = langweilig). Bringt man dagegen vertikale Komponenten hinein (Tonvariationen), dann ist der Vortrag viel lebendiger. Dies gilt auch für Harmonien und nicht nur für einzelne Stimme.
So habe ich es wenigstens verstanden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Begrifflich stimmt sicherlich Beides. Wichtig ist jetzt nur, was @Stilblüte meinte.
 
Deshalb plädiere ich ja für die Halb-Halb-Methode :D bzw. das ist ja das, was viele Pianisten machen. Mischen Bekanntes mit weniger Bekanntem. Das ist schön für sie und für die Zuhörer.
Bekannte Werke zu spielen ist freilich alles andere als eine "bequeme" Entscheidung: Dafür gibt es auch viel mehr Studioaufnahmen und Livemitschnitte in herausragender Qualität, an denen man sich messen lassen muss, ob es dem Künstler gefällt oder nicht. Diese Einschätzung trifft der Rezipient und nicht der Künstler. Ist der Rezipient selbst vom Fach, möglicherweise sogar Konkurrent, erhöht sich der Druck auf den Urheber der zur Diskussion gestellten Interpretation. Hat der Rezipient wenig oder gar keine Ahnung, ist er oftmals schneller bei der Hand mit Negativ-Urteilen. Und so zur Gänze auf ihn pfeifen kann der Künstler keineswegs, denn der Rezipient sorgt für das Auskommen des Künstlers, indem er Eintrittskarten oder Aufnahmen erwirbt.

Ich bin davon überzeugt, dass den "Klassikpianisten" diese Hintergründe sehr wohl bewusst sind und sich die Entscheidung, was gespielt wird und was nicht, bestimmt nicht leicht machen. Dazu ist der Einstudierungsprozess zu arbeitsintensiv und aufwändig, wenn podiumstaugliche und konkurrenzfähige Qualität sichergestellt sein soll. Ich unterstelle @hasenbein mit seiner Unterscheidung zwischen dem schöpferisch aktiven "Jazzer" und dem nachschöpferisch aktiven "Klassiker" nicht, dass das jeweilige Genre gleichbedeutend mit einem pauschalen Qualitätsurteil ist, auch wenn es nur selten vorkommt, dass jemand in beiden "Richtungen" gleichermaßen Spitzenleistungen vollbringt.

LG von Rheinkultur
 
Das Erstaunliche ist sogar, dasz man jetzt bitte gar keine neue irgendwie "gekuenstelte" Interpretation braucht und haben will. Damit meine ich, dasz man fuer den Genusz jetzt nicht unbedingt irgendeinen radikal neuen Interpretationsansatz braucht, wie etwa "originale Metronomzahlen mit ein Schlag = Hin und Her des Pendels" oder Aehnliches.
Gerade dieser interpretatorische Ansatz polarisierte nicht nur, sondern löste eine Menge Befremden und vor allem Ablehnung aus. Wer das Rad neu erfinden will, riskiert nun mal, dass viele Leute irritiert reagieren, wenn über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte anderes als Maß aller Dinge angesagt war. Dazu muss man keineswegs Metronomangaben "metrisch lesen" und alles im halben Tempo spielen - schon eine vor hundert Jahren vorgenommene Einspielung auf Grammophonplatte stößt bei Hörern unserer Tage oftmals auf ziemliches Unverständnis, ohne dass dieses allein mit der unzulänglichen Tonqualität zusammenhängt.

Auszerdem sollte jeder Interpret auch fuer die "Erstkonzertbesucher" spielen: Es gibt auch noch Kinder, die Klassik hoeren und kennenlernen wollen. Wenn jetzt keiner mehr Chopinballaden spielte, weil sie schon auf der CD existieren, beraubte diese Leute eines eventuell sehr eindruecklichen Konzerterlebnisses.
Vor allem hat die immer weiter perfektionierte Möglichkeit, mit technischen Mitteln in eine Interpretation einzugreifen, den Abstand zwischen Live-Darbeitung und Studioaufnahme drastisch vergrößert. Eine klanglich idealisierende Mikrophonierung und das Schneiden nacheinander eingespielter "Takes" gibt es im Konzertsaal nicht, dafür fehlt der Eindruck des Einmaligen und Unwiederholbaren auf Studioaufnahmen. Selbst für den Musiksoziologen und sein Arbeitsfeld hat diese Konstellation Auswirkungen. Die Existenz "perfekter" Aufnahmen lässt so manchen vor dem "imperfekten" Live-Musizieren zurückschrecken - bis hin zur Entscheidung, es lieber ganz bleiben zu lassen als sich an einem sowieso unerreichbaren Ideal zu orientieren. Wer sich zu viel vornimmt, möge sein Pensum abschnittweise absolvieren und sich Zwischenziele in Reichweite suchen, lautet die oft zu vernehmende Empfehlung an den "Lernenden". Manche tun es dann auch, aber viele entscheiden sich letztlich dafür, dem Gefühl der Entmutigung nachzugeben und gar nichts mehr zu tun.

Fazit? Auch hier gibt es also zwei Seiten der Medaille.

LG von Rheinkultur
 
3. Vertikale und horizontale Klangqualität
[...]
Zu 3. Klangqualität: Das ist das, was hier oft diskutiert wird. Anschlagskultur, Pedalspiel, Legatospiel, dynamische Abstufung von Akkorden oder Händen und so weiter. Ohne diesen Punkt klingt natürlich alles grob und hässlich. Ich denke aber, dass ein Stück, welches 1) und 2) besitzt und 3) nicht, als angenehmer empfunden wird als eines, das 3) besitzt und die anderen beiden nicht hat.
Sorry, das war wohl nicht klar genug.
Ich verstehe darunter einmal das "von links nach rechts" (also in der Zeitachse wie z.B. ein Melodieverlauf) und "von oben nach unten" wie z.B. den Klang eines Akkords oder mehrerer Töne/Melodien gleichzeitig (Bach).
"Horizontal" meint üblicherweise den Verlauf einer einzelnen Stimme und "vertikal" den Zusammenklang verschiedener Stimmen. Also genau das, was Peter geschrieben hat.
Ich habe mir die Begrifflichkeit "ausgedacht", als ich den Post erstellt habe, aber ihr habt vollkommen Recht. "Klangqualität" ist natürlich auch ein ziemlich schwammiger Begriff.

Horizontale Qualität meint die Qualität, die an den zeitlichen Verlauf des Stückes gebunden ist. Dazu gehören Dinge, die die Form im Kleinen und Großen betreffen (also sowohl des ganzen Stückes als auch kleineren Abschnitten). Struktur, Phrasierung, "Zeitmanagement" wie Ritardandi oder kleinste Verzögerungen, aber auch kantables Spiel etc.

Vertikale Qualität ist die, die die "Schicht" betrachtet, die man in einem einzigen Moment hört, also z.B. die dynamische Abstufung innerhalb eines Akkords.

Man braucht natürlich beides, und je polyphoner die Musik ist, desto höher ist vielleicht der Anspruch daran, weil sich die horizontale Schichtung dann ständig in den Pioritäten ändert, je nachdem, wo z.B. ein Thema auftaucht.

EDIT: Habe gerade gesehen, dass ich "Richtungssinn" extra als Einzelplunkt aufgeführt habe, das überschneidet sich teilweise mit dem, was ich hier als "horizontale Klangqualität" bezeichne. Klangqualität bezog sich also wohl stärker auf den tatsächlichen Klang, also Legatospiel usw. - aber irgendwie hängt ja eh alles zusammen.
 
Hier gibt es wohl zwei verschiedene Begriffe des Professionellen:
(i) einer, der mit Musik/Klavier seinen Lebensunterhalt verdient (auch wenn er Drehorgelmann waere).
(ii) von @Stilblüte : Jemand, der durch ein Studium (in diesem Falle auf klassisches Klavier bezogen) befaehigt wurde durch sein Klavierspiel seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Sie/er also eine Qualitaet des Spieles aufweist, die man allgemein als ausreichend bezeichnet, um damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen, durch eigene Auftritte, Schallplattenaufnahmen, vielleicht auch Korrepetition oder Hauptfachhochschullehrer.

Klavierlehrer an Musikschulen oder staatlichen Schulen fallen nicht unbedingt unter Kategorie (ii), da nicht alle durch ihr Klavierspiel allein das Geld verdienen koennten, der Akzent vielmehr auf der Musikvermittlung liegt. Sie gehoeren also zu den Profis der Kategorie (i). Viele Hochschulprofessoren fuer Hauptfach Klavier gehoeren wohl zur Kategorie (ii), da von Ihnen regelmaeszige Auftritte in oeffentlichen Konzerten geradezu erwartet werden.

@Stilblüte beschreibt also das Klavierspiel, das fuer eine "Konzertkarriere" geeignet ist.
Viele Gruesze,
Jannis
 

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