Was erwarten eure Lehrer (im Amateurbereich) von euch?

Ich möchte gern meinen Umgang mit Frust u.ä. von Schülern anhand einer gestrigen Unterrichtsstunde darstellen:

Eine erwachsene Schülerin, seit 2 Jahren bei mir, vorher Unterricht bei anderen Lehrern, wollte zur Einstimmung auf die Weihnachtszeit gern eine etwas jazzige Bearbeitung eines amerikanischen Weihnachtsliedes spielen, die sie früher schon einmal gespielt hatte.

Sie hat in den zwei Jahren eine sehr schöne Entwicklung gemacht, vor allem in der klanglichen Differenzierung. Sie weiß, wie man an Stücke herangeht und hat in der Vorbereitung zu Hause u.a. die Melodie allein gespielt, die im Gesamten in der rechten Hand (und links) mit Akkorden begleitet wird. Ziel war also, die Melodie klanglich und dynamisch von den begleitenden Akkorden abzusetzen und dazu erst einmal die Melodie separat zu spielen.

Was ihr sonst bei Chopin Nocturnes u.a. gelang, fiel ihr hier schwer. Sie spielte wie zu alten Zeiten, die Melodie sang nicht, sie fand für sich keine Phrasierung, die ihr gefiel. Wir haben daran intensiv gearbeitet, wobei mir auffiel, dass ich tatsächlich wenig "Kritik" im wörtlichen Sinne übe, sondern es vor allem um Verbesserung und Ausprobieren geht. Sie hat gesungen, ich habe vorgespielt, ich habe auf ihrem Arm gespielt, was viel gebracht hat, wir haben über ihre Klangvorstellung geredet, ich habe Metaphern benutzt (groß machen, in den Raum bis in die hinterste Ecke spielen), wir haben Bewegungen perfektioniert, eine Fingerkuppenmassage gemacht zur Intensivierung der Sensibilität u.v.a.. Und es klang schließlich super.

Wir haben allerdings lange Zeit gebraucht und das war ihr sehr bewusst. Am Schluss der Stunde verhielt sie sich ganz anders als sonst, sprach kaum und strahlte viel Frust aus. Während sie einpackte, fragte ich sie: "Du siehst echt frustriert aus?" Und da sagte sie, das wäre sie auch. Sie fühlte sich wie ein Anfänger, es wäre ganz schrecklich, total anfängerhaft etc..

Ich habe ihr zugehört, sie konnte erzählen, wie es ihr geht und hat Verständnis bekommen. Gleichzeitig habe ich ihr erklärt, woran es liegt, dass sie sich so fühlt. Nämlich daran, dass sie dieses Stück schon früher mal gespielt hat und dass damit automatisch die alten Verhaltensweisen, die alte Klangvorstellung wiederkamen. Und dass es deshalb so schwierig war, dies zu verändern - bei einem neuen Stück schleppt man keine Altlasten mit sich herum. Das hat sie erleichtert, denn sie verstand nicht, warum sie sich in dieser Stunde so schwer getan hatte.

Dieses Gespräch hat etwa 2-3 Minuten gedauert. Das war wertvoll investierte Zeit. Sie war immer noch frustriert, aber sie hat die Frustration mit mir geteilt und eine Erklärung bekommen. Das ließ sie ganz anders aus der Stunde gehen, als wenn sie die Frustration allein mit sich hätte ausmachen müssen. Außerdem werde ich in der nächsten Stunde fragen, wie denn die Woche war und die Frustration noch einmal ansprechen.

Das alles kostet sehr wenig Zeit und hat einen großen Effekt. Mit Psychologie hat das nichts zu tun, auch nicht mit Heiteitei. Das gehört vielmehr zur Aufgabe eines Pädagogen. Die Stunde war sehr herausfordernd für sie. Der Lehrer ändert daran nichts, weil er von der Wichtigkeit der Herausforderung überzeugt ist. Er steht aber dem Schüler bei, sie zu bewältigen.

Liebe Grüße

chiarina
 
ein überaus spannender Thread, da er auch zeigt, wie unterschiedlich Menschen mit Kritik umgehen.

im Unterricht merke ich auch anhand dem w i e ist die Kritik meiner Lehrerin, ob ich unruhig , frustriert oder nachdenklich nach Hause gehe. Man darf nicht vergessen, wir alle sind Menschen. Wird sie unruhig, weil ich nicht so schnell umsetzen kann, was sie gern möchte. wenn sie also mürrisch reagiert, nehm ich das eher mit Unwohlsein auf, als wenn sie einfach sagt, was gut war, was anders sein kann. Und an der Stelle bitte ich sie auch, nicht rumzureden, sie versucht dann irgendwas umständlich zu formulieren, um mich n i ch t zu kritisieren, wenn ich meine Sachen vorgespielt habe. Wir lachen eigentlich auch viel zusammen, z.B. wenn sie Metaphern bringt, wie es besser nicht klingen sollte. (Ich vermute, Sie hat halt mehr Kinder als Schüler, weiß nicht, ob man mit denen weicher sein muß. ich will jedenfalls wissen, was ich besser oder anders machen kann. Sonste bräuchte ich sie ja nicht. Wenn ich nicht genug geübt habe, dann weiss ich das selbst, solche Kritik bringt auch nichts. Und so was macht sie auch nicht. )

So eine Sache, die Muck beschreibt, stell ich mir vor , käme bei mir so zustande, ich erarbeite mir ein Stück selbst, über die Ferien meinetwegen, bin fleissig, übe und freue mich über meinen Erfolg, und dann weißt mich die Lehrerin im Unterricht nur auf die Fehler hin. Dann wäre ich enttäuscht und würde die Kritik übermäßig bewerten. Obwohl es objektiv betrachtet anders einzuordnen wäre. Manchmal möchte man auch als Erwachsener dieses Kindheitslob, das hast Du aber toll gemacht. Aber das kann man sich wohl nur selbst verschaffen.
 
Was ich gut an meiner Lehrerin finde, ist, dass sie null darauf eingeht, wenn ich mich selbst niedermache. Und selbst überkritisch bin, damit, was ich alles noch nicht kann. Dazu neigen wir ja auch gern.
 
ich lese gerade die Eingangsfrage: was erwarten Eure Lehrer von Euch.

Das kann ich gar nicht so beantworten, mehr als das, was ich von mir erwarte, könnte ich eh nicht einbringen. Egal, wie hoch ihre Erwartungen wären. Zum Glück möchte sie, dass ihre Schüler Freude am Klavierspielen haben. Ah, doch, was sie erwartet ist, dass wir auch Blattspielen machen, auch wenn ich mich davor drücke.
 
Bereits nach der dritten oder vierten Stunde vor inzwischen 5 Jahren habe ich mit meinem KKL/KOL/KCL vereinbart, daß wir uns nicht mit Wattebäuschchen bewerfen. Dies hat unserer Achtung nicht geschadet, im Gegenteil, es bleibt mehr Zeit für den eigentlichen Unterricht und zwischendurch Teetrinken!
 
Zuletzt bearbeitet:
@trm Wenn das ein KKL ist, warum bist du schon 5 Jahre dort?
 
Ich möchte gern meinen Umgang mit Frust u.ä. von Schülern anhand einer gestrigen Unterrichtsstunde darstellen:

Eine erwachsene Schülerin, seit 2 Jahren bei mir, vorher Unterricht bei anderen Lehrern, wollte zur Einstimmung auf die Weihnachtszeit gern eine etwas jazzige Bearbeitung eines amerikanischen Weihnachtsliedes spielen, die sie früher schon einmal gespielt hatte.

Sie hat in den zwei Jahren eine sehr schöne Entwicklung gemacht, vor allem in der klanglichen Differenzierung. Sie weiß, wie man an Stücke herangeht und hat in der Vorbereitung zu Hause u.a. die Melodie allein gespielt, die im Gesamten in der rechten Hand (und links) mit Akkorden begleitet wird. Ziel war also, die Melodie klanglich und dynamisch von den begleitenden Akkorden abzusetzen und dazu erst einmal die Melodie separat zu spielen.

Was ihr sonst bei Chopin Nocturnes u.a. gelang, fiel ihr hier schwer. Sie spielte wie zu alten Zeiten, die Melodie sang nicht, sie fand für sich keine Phrasierung, die ihr gefiel. Wir haben daran intensiv gearbeitet, wobei mir auffiel, dass ich tatsächlich wenig "Kritik" im wörtlichen Sinne übe, sondern es vor allem um Verbesserung und Ausprobieren geht. Sie hat gesungen, ich habe vorgespielt, ich habe auf ihrem Arm gespielt, was viel gebracht hat, wir haben über ihre Klangvorstellung geredet, ich habe Metaphern benutzt (groß machen, in den Raum bis in die hinterste Ecke spielen), wir haben Bewegungen perfektioniert, eine Fingerkuppenmassage gemacht zur Intensivierung der Sensibilität u.v.a.. Und es klang schließlich super.

Wir haben allerdings lange Zeit gebraucht und das war ihr sehr bewusst. Am Schluss der Stunde verhielt sie sich ganz anders als sonst, sprach kaum und strahlte viel Frust aus. Während sie einpackte, fragte ich sie: "Du siehst echt frustriert aus?" Und da sagte sie, das wäre sie auch. Sie fühlte sich wie ein Anfänger, es wäre ganz schrecklich, total anfängerhaft etc..

Ich habe ihr zugehört, sie konnte erzählen, wie es ihr geht und hat Verständnis bekommen. Gleichzeitig habe ich ihr erklärt, woran es liegt, dass sie sich so fühlt. Nämlich daran, dass sie dieses Stück schon früher mal gespielt hat und dass damit automatisch die alten Verhaltensweisen, die alte Klangvorstellung wiederkamen. Und dass es deshalb so schwierig war, dies zu verändern - bei einem neuen Stück schleppt man keine Altlasten mit sich herum. Das hat sie erleichtert, denn sie verstand nicht, warum sie sich in dieser Stunde so schwer getan hatte.

Dieses Gespräch hat etwa 2-3 Minuten gedauert. Das war wertvoll investierte Zeit. Sie war immer noch frustriert, aber sie hat die Frustration mit mir geteilt und eine Erklärung bekommen. Das ließ sie ganz anders aus der Stunde gehen, als wenn sie die Frustration allein mit sich hätte ausmachen müssen. Außerdem werde ich in der nächsten Stunde fragen, wie denn die Woche war und die Frustration noch einmal ansprechen.

Das alles kostet sehr wenig Zeit und hat einen großen Effekt. Mit Psychologie hat das nichts zu tun, auch nicht mit Heiteitei. Das gehört vielmehr zur Aufgabe eines Pädagogen. Die Stunde war sehr herausfordernd für sie. Der Lehrer ändert daran nichts, weil er von der Wichtigkeit der Herausforderung überzeugt ist. Er steht aber dem Schüler bei, sie zu bewältigen.

Liebe Grüße

chiarina
Das zeigt doch in bezug auf einige Diskussionen hier ganz klar:
Bei manchen Schülenden;-)kann man als Lehrer es noch so superpädagogisch und kritikfrei und wasnochallesblaaablaaa machen, am Ende sind sie doch frustriert, "verletzt" etc. Weil diese Frustration eben NUR mit ihnen zu tun hat, nicht mit dem Lehrer.

Und es kann doch nicht angehen, dass die Unterrichtsbeziehung zwischen Lehrer und Schüler an dem seidenen Faden hängt, dass dann der Lehrer die Frustration mitkriegt (viele Schüler lassen die nun mal erstmal nicht erkennen!) und ein "2-3 minütiges Gespräch" anhängt.

Wie hier schon von anderen gesagt wurde: Der KL ist kein Psychologe.

Es kommt überdies leider ab und zu vor, dass Schüler (und Menschen allgemein) eigentlich Ego-Streicheleinheiten brauchen, also dass irgendwer ihnen mal sagt, dass sie gar nicht so scheiße sind, wie sie sich selber finden. Dazu wird ab und zu auch der KL benutzt. Um solche Dynamiken so weit wie möglich zu unterbinden, sollte meiner Meinung nach der KL von vornherein klar machen, dass es a) im Unterricht um die SACHE geht und nicht darum, dass irgendwer "schlechter" oder "besser" ist und b) dass JEDER sich beim Instrument-Lernen irgendwann mal frustriert oder auch mal plötzlich wieder wie ein Anfänger vorkommt (mit Beispielen aus dem eigenen Leben illustrieren) und dass man da durch muss. Nach Regen kommt Sonne usw. Es ist NICHT!!! Aufgabe des Lehrers, dem Schüler solche Momente zu ersparen!!
 
a) im Unterricht um die SACHE geht und nicht darum, dass irgendwer "schlechter" oder "besser" ist und b) dass JEDER sich beim Instrument-Lernen irgendwann mal frustriert oder auch mal plötzlich wieder wie ein Anfänger vorkommt (mit Beispielen aus dem eigenen Leben illustrieren) und dass man da durch muss. Nach Regen kommt Sonne usw. Es ist NICHT!!! Aufgabe des Lehrers, dem Schüler solche Momente zu ersparen!!

Wenn es so ausgedrückt wird, kann ich dem nur zustimmen. Es ist nur sehr hilfreich, das im passendem Moment ab und zu mal KURZ zu wiederholen. Und: auch in der Kommunikation gilt „Der Ton macht die Musik“. .

Es geht um die Sache, um die Musik (nichtmal nur ums Klavierspielen). Und der Lehrer KANN dem Schüler auch gar nichts ersparen.
Aber dank der richtigen Anleitung und dem Respekt der KL bin zB ich aus der Kategorie „Ausschuß“ immerhin zu einem Tag wie gestern gekommen: 5 Stunden echter Genuß am Flügel.
 
dass es a) im Unterricht um die SACHE geht und nicht darum, dass irgendwer "schlechter" oder "besser" ist und b) dass JEDER sich beim Instrument-Lernen irgendwann mal frustriert oder auch mal plötzlich wieder wie ein Anfänger vorkommt (mit Beispielen aus dem eigenen Leben illustrieren) und dass man da durch muss. Nach Regen kommt Sonne usw. Es ist NICHT!!! Aufgabe des Lehrers, dem Schüler solche Momente zu ersparen!!
Jo Hasenbein, da stimme ich dir ebenfalls zu, chiraina vermutlich auch. Aber du weißt sicher trotzdem ganz genau, was wir meinen. Wenn es deinen Schülern bei dir gutgeht, wirst du garantiert auf ähnliche Weise auf sie eingehen, wie @chiarina es beschrieben hat. Du verwendest (vielleicht) eine andere Wortwahl, oder du drückst es nicht mit einem "2-3-minütigen Gespräch", sondern anders aus. Wenn du der Typ dazu bist, kann schon ein Schulterklopfen oder der ganz spezielle Hasi-Blick fast das Gleiche aussagen.
 

Lieber hasenbein,

ich freue mich, dass du auf meinen Beitrag eingehst!
Bei manchen Schülenden;-)kann man als Lehrer es noch so superpädagogisch und kritikfrei und wasnochallesblaaablaaa machen, am Ende sind sie doch frustriert, "verletzt" etc. Weil diese Frustration eben NUR mit ihnen zu tun hat, nicht mit dem Lehrer.

Nein! Sie hat AUCH ganz klar mit der Sache zu tun. Ich habe nämlich bestimmte Ansprüche an meinen Unterricht und bestehe auf einer sehr intensiven Arbeit an dem, was ich für wichtig halte. Ich hätte, wenn ich wollte, auch mit dem aus meiner Sicht nicht so tollen Klang zufrieden sein können. So schlecht hat es auch nicht geklungen. Aber ich gebe mich damit nicht zufrieden, ich mute meinen Anspruch meinen Schülern zu. Mit allen Folgen, die dazu gehören, hier war es Frust.

Es ist richtig, dass Gefühle generell immer mit der Persönlichkeit jedes Menschen zu tun haben, sie sind immer subjektiv. Hier war meine Schülerin stolz auf ihre bisherige Entwicklung, war damit zufrieden und macht nun die Erfahrung, dass sie sich total schwer tut. Natürlich ist ihr Frust subjektiv, wie soll es anders sein! Das sind Gefühle immer. Haben persönliche Gefühle, die im Unterricht entstehen, dort deiner Meinung nach nicht den geringsten Platz? Ist der Schüler ein Automat, in denen man Wissen reinfüllt oder darf er auch ein Mensch sein mit allen Schwächen und Eigenheiten, die dazu gehören. Und der Lehrer? Ist der auch ein Automat? Darf der Gefühle haben?

Du hast sie doch auch - du bist entsetzt, dich stört es, auf Befindlichkeiten einzugehen im Unterricht u.a.! Auch das ist völlig subjektiv. Der eine ist frustriert, der andere entsetzt ....was ist daran überhaupt schlimm? Ich finde sowas ganz normal und solange im Unterricht vor allem fröhlich gearbeitet wird, ist das doch alles überhaupt kein Problem. Bei meiner Schülerin gab es eine solche Situation überhaupt das erste Mal in zwei Jahren.

Und es kann doch nicht angehen, dass die Unterrichtsbeziehung zwischen Lehrer und Schüler an dem seidenen Faden hängt, dass dann der Lehrer die Frustration mitkriegt (viele Schüler lassen die nun mal erstmal nicht erkennen!) und ein "2-3 minütiges Gespräch" anhängt.
Wie kommst du denn darauf, dass die Unterrichtsbeziehung am seidenen Faden hängt, nur weil die Schülerin frustriert ist? Das nenne ich total verrückt. :014:
Um solche Dynamiken so weit wie möglich zu unterbinden, sollte meiner Meinung nach der KL von vornherein klar machen, dass es a) im Unterricht um die SACHE geht und nicht darum, dass irgendwer "schlechter" oder "besser" ist und b) dass JEDER sich beim Instrument-Lernen irgendwann mal frustriert oder auch mal plötzlich wieder wie ein Anfänger vorkommt (mit Beispielen aus dem eigenen Leben illustrieren) und dass man da durch muss. Nach Regen kommt Sonne usw. Es ist NICHT!!! Aufgabe des Lehrers, dem Schüler solche Momente zu ersparen!!
Natürlich nicht! Ich schrieb doch weiter oben darüber und im vorherigen Beitrag
Die Stunde war sehr herausfordernd für sie. Der Lehrer ändert daran nichts, weil er von der Wichtigkeit der Herausforderung überzeugt ist. Er steht aber dem Schüler bei, sie zu bewältigen.

Das Lustige ist: wenn in diesem Faden solche Dinge thematisiert werden und logischerweise einigen Raum einnehmen, wird offensichtlich gedacht, die Thematik nähme im Unterricht den gleichen Raum ein.

Mir scheint das jedenfalls ein zentrales Missverständnis zu sein. Ich rede hier über Gefühle von Frust oder ähnlichem, von meiner Vorstellung einer Unterrichtsatmosphäre und Lehrer-Schüler-Beziehung. Das nimmt viel Raum ein. Im Unterricht nimmt dies aber sehr wenig Raum ein. Mir ist eine klare Kommunikation sehr wichtig, bei der jeder weiß, woran er ist, bei der nichts im Hintergrund schwelt und den Unterricht eben hintenherum doch negativ beeinflusst. Dann gibt es eben keine Probleme, das Vertrauensverhältnis ist hoch, Konflikte bewegen sich im Promillebereich. Stattdessen können wir uns auf die gemeinsame Arbeit konzentrieren.

Ich brauche meinen Schülern überhaupt nichts klarzumachen - es ist völlig klar, dass es bei mir ums Klavierspielen und Musik geht, deshalb kommen doch alle hierhin. :004: Aber es ist auch klar, dass die Unterrichtsatmosphäre immer von zwei Seiten bestimmt wird.

Ich finde eure Reaktionen immer lustig, weil ich der Überzeugung bin, dass ich einen sehr herausfordernden Unterricht in jeder Beziehung gebe. Stattdessen werde ich der Wattebäuschchenfraktion zugeordnet. Na dann!

1668074978402.png

:musik018::004:

Liebe Grüße

chiarina
 
Also für mich bist Du alles andere als ein Wattebausch. Wer glaubt, Unterrichten sei eine rein faktisch fachliche Angelegenheit, sollte es besser lassen.
Mal wieder ein Schwank aus meinem Leben:
Immer waren Pferde für mich - wahrscheinlich genetisch angelegt - ganz wichtige Wesen. Ich durfte erst spät Reiten lernen, weil meine Mutter gesundheitliche Bedenken hatte. So war ich also schon endpubertär, und wegen meiner musikalischen Ambitionen sehr auf körperliche Unversehrtheit bedacht und deshalb eher eine ängstliche und verkrampfte Reitschülerin. Aber ich wollte es unbedingt lernen.
Damalige Reitlehrer waren oft recht brutal drauf, hatten null Ahnung von Pädagogik und Ängstlichkeit kannten sie schonmal gar nicht, sonst wären sie nie auf´s Pferd geklettert. In einer dieser Reitstunden konnte ich irgendeine von mir geforderte Leistung nicht erbringen, weil ich die Hilfen zu zaghaft gegeben hatte, weil das Schulpferd genau wusste, wie man die Schüler austrickst und ich einfach den erforderlichen Mut nicht aufbrachte. Die Reaktion des Reitlehrers habe ich heute noch im Ohr: "Du bist die größte Flasche des Jahrhunderts!" Natürlich flossen bei mir die Tränen, und wahrscheinlich hatte er sogar recht. Aber helfen tut eine solche Aussage überhaupt nicht. Sie vergrätzt die Menschen, du lernst nichts davon.
Dass ich bis heute bei den Pferden geblieben bin und mittlerweile auch gelegentlich auf Turnieren wunderbare Erlebnisse habe, liegt einzig daran, dass ich es unbedingt wollte. Später fand ich Lehrer, die ihren Job wesentlich besser machten.
Will also sagen: Gerade in unserem Beruf, bei dem es darum geht, in den Schülern die Möglichkeit zu erwecken, Gefühle zu Klang zu machen, müssen wir besonders behutsam sein, und an der richtigen Stelle sehr streng. Ich finde @chiarina, Dein Gespräch absolut ein Muss. Wenn ich merke, ein Schüler verlässt mich mit dunklen Gefühlen, dann spreche ich das auch an. Manchmal ordnen sie den Verlauf der Stunde falsch ein und wenn man Klarheit schafft, dann ist das ein Gewinn für unseren pädagogischen Auftrag und das üben in der kommenden Woche wird besser gelingen.
 
Wunderbar, @Tastatula! :))

Ich hätte da auch noch einen :004: (Clavio-Märchenstunde): ich habe meine Diplomprüfung damals sehr gut abgeschlossen und war nach dem ganzen Examen ziemlich platt. Urlaub wäre nicht verkehrt gewesen. Statt dessen habe ich mich auf die Künstlerische Reifeprüfung gestürzt, die ja auch noch anstand. Ich hatte als Hausaufgabe auf, eine Fuge aus dem WK in einer Woche auswendig zu lernen. Ich habe ohne Witz sieben Stunden am Tag geübt. In der Stunde dann völliges Blackout. Ich habe die gesamte Stunde so schlecht gespielt wie nie jemals zuvor. Ausgerechnet in dieser Stunde hatte meine Professorin aber zwei interessierte Noch-Nicht-Studenten eingeladen. Sie wollte mit mir angeben. Stattdessen bekamen sie und die Aufnahmeprüflinge nur eine am Klavier stotternde, völlig unfähige chiarina zu hören... .

Man kann sich vielleicht nicht, aber vielleicht doch vorstellen, wie entsetzlich peinlich mir das war. Ich schämte mich in Grund und Boden. Also habe ich in der folgenden Woche noch mehr geübt und die ganze g-moll-Ballade von Chopin auswendig und spielen gelernt. In der folgenden Stunde kam ich damit an in der großen Hoffnung, meine Schmach wieder gutmachen zu können. Nun, ich kam an, ich konnte mich nicht mal ans Klavier setzen. Meine Professorin teilte mir nämlich in entsprechendem Tonfall mit: "Ulrike, ich kann dich nicht mehr sehen. Ich brauche Pause von dir, ich werde dich nun drei Wochen nicht unterrichten. Tschüss!"

Eine Chance, etwas darauf zu erwidern, bekam ich nicht. Ich ging also im wahrsten Sinne des Wortes von dannen. Tja, dann habe ich überhaupt nicht mehr geübt. In drei Wochen ging ich wieder hin, spielte die Ballade vor, erntete eine Lobeshymne nach der anderen. Das Ergebnis von alledem: mein Respekt vor dieser Professorin sank ins Bodenlose. Ich empfand tatsächlich tiefste Verachtung und mein Vertrauen floss dahin. Na ja, ich habe dann überhaupt nicht mehr geübt, habe dafür sehr viel Kammermusik gemacht und war 14 Stunden am Tag beschäftigt, nur nicht mit meinem Soloprogramm. Das hatte natürlich Folgen und ich bin dann zur Musikhochschule Detmold gewechselt, habe also noch einmal eine Aufnahmeprüfung und dort dann meine Künstlerische Reifeprüfung gemacht.

So kann's kommen! :004: Und das alles weiß die liebe Dame überhaupt nicht, weil wir nie darüber geredet haben. Heute würde ich natürlich anders reagieren und das Gespräch suchen. Denn das Runterschlucken (müssen) hat Auswirkungen. C'est la vie! :026: :003:

Liebe Grüße

chiarina
 
Zuletzt bearbeitet:
"Du bist die größte Flasche des Jahrhunderts!" Natürlich flossen bei mir die Tränen, und wahrscheinlich hatte er sogar recht.
Ich würde eher sagen, er hatte unrecht. Ein Reitlehrer, der nur eine einzige verkrampfte Schülerin hatte - und das noch auf alle Reitlehrerinnen und - lehrer aus 100 Jahren generalisiert? Nun ja.
Analog dazu müsste die Antwort ja heißen: "Und Sie sind die größte pädagogische Flasche des Jahrhunderts!" :003: (Was vermutlich auch nicht stimmte.)
 
und ich einfach den erforderlichen Mut nicht aufbrachte. Die Reaktion des Reitlehrers habe ich heute noch im Ohr
Sei froh dass du nichts gemacht hast wo du dir nicht sicher warst. Bei mir setzt in solchen Situationen (trotz entsprechendem Bauchgefühl) der „blinde Gehorsam“ ein. Ich hatte einen neuen Springtrainer der weder mich noch mein Pferd kannte. Hatte Stunde mit Technikübungen/ taktstangen vor und nach dem Sprung. Hatte als er dann auf 1,20 gebaut hat nach einem Sprung das Gefühl „aufhören! Jetzt!“. Sollte dann alles nochmal machen und ich meinte „ich glaub es reicht“. Er hat mich angebrüllt dass „er hier der Trainer sei und wenn ich ihm nicht vertraue, dann könne ich es bleiben lassen“. Bin daraufhin nochmal angeritten. Mein Pferd bekam vorm 2. Sprung Stress und ist viel zu früh abgesprungen, wir haben uns überschlagen und sie ist mir ins Kreuz gesprungen. Ich hab 2 Jahre gebraucht wieder zurück ins Turnierreiten zu finden. Ich hatte Panik vor einer Stange die am Boden lag und hab mir den Mut und das Vertrauen mühsam zurück erarbeiten müssen.

Blinder Gehorsam ist nicht die beste Option hab ich daraus gelernt. Hinterfragen lohnt sich. Nein sagen auch.
 

Ähnliche Themen


Zurück
Top Bottom