Was bedeutet Noten lesen ?

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Rubato

Guest
In einigen Diskussionen mit anderen klavierspielenden Menschen habe ich festgestellt, daß das Thema "Noten lesen" sich wohl für jeden etwas anders darstellt. Das interessiert mich, und ich würde deshalb gerne die Meinungen der Forumsteilnehmer hören. Was ich meine:

Was passiert bei Euch "im Gehirn bzw. in den Gedanken" beim Notenlesen während des Spiels ? Beispielhaft einige Möglichkeiten:

- Man erkennt jede einzelne Note oder zumindest die Akkordkonstellationen und greift automatisch die richtigen Tasten, dazu noch die Dynamikangaben etc. und berücksichtigt auch das während des Spiels weitgehend automatisch

- Man erkennt aus den Noten die Klänge, die sich ergeben werden, und spielt diese dann durch Drücken der richtigen Tasten (da man auch gut im Improvisieren ist)

- Man nutzt die Noten nur als Gedankenstütze, da das Spiel sowieso vom Üben automatisiert und fast auswendig geht, d.h. man erkennt aus den Noten (während des Spiels) nur die groben Abläufe ("aha, jetzt jetzt kommt dieser Teil, der mit den 3 Staccato-Vierteln beginnt ...") und spielt die einzelnen Sequenzen dann auswendig.

- etc.

Ich denke, gute "vom-Blatt-Spieler" müssen wohl die erste Variante drauf haben. Bei mir selbst ist es eher die dritte Variante, weil das spielbegleitende Erkennen von Einzelnoten oder Klangverlauf fast nicht funktioniert.

Gruß
Rubato
 
Hi Rubato,

das ist witzig. Ich dachte, mal schauen zu welcher Gruppe ich gehöre, stellte dann aber fest, ich gehöre zu allen dreien.

Eine Mischung aus 1 und 2 ist mein normales Spiel nach Noten, wenn ich sie noch nicht gut kenne oder prima vista.
Allerdings würde ich 1 noch mit folgendem ergänzen:
  • Aufgrund der Tonart (Vorzeichen) ist das dazu passende Tastaturbild (welche Tasten erlaubt sind) sofort unbewusst vorhanden.
  • Bestimmte Notengruppierungen erkenne ich sofort als ganzes und muss sie nicht einzeln lesen (Akkorde, Tonleiterpassagen, häufige Motive, Basstöne, ...)

Aus 2 und dem ständig stattfindenden Vergleich der Klang-Vorstellung mit dem Gespielten, erkenne ich, wenn ich etwas falsch gelesen habe oder die falschen Tasten gespielt habe, da der Klang irgendwie nicht stimmt.

3 ist mein Normalmodus, wenn ich ein Stück schon gut kenne.

Gruß
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
1) Man erkennt jede einzelne Note oder zumindest die Akkordkonstellationen und greift automatisch die richtigen Tasten, dazu noch die Dynamikangaben etc. und berücksichtigt auch das während des Spiels weitgehend automatisch

2) Man erkennt aus den Noten die Klänge, die sich ergeben werden, und spielt diese dann durch Drücken der richtigen Tasten (da man auch gut im Improvisieren ist)

3) Man nutzt die Noten nur als Gedankenstütze, da das Spiel sowieso vom Üben automatisiert und fast auswendig geht, d.h. man erkennt aus den Noten (während des Spiels) nur die groben Abläufe ("aha, jetzt jetzt kommt dieser Teil, der mit den 3 Staccato-Vierteln beginnt ...") und spielt die einzelnen Sequenzen dann auswendig.

Ich unterscheide zwischen Stücken, die ich vom Blatt bzw. nach Noten spiele, weil ich sie nicht auswendig gelernt habe, und solchen Stücken, die ich im Unterricht genauer erarbeite und dann auch von Anfang an auswendig lerne.

a) vom Blatt und selten gespielte Stücke - hierfür nehme ich nur einfach aussehende Literatur: Es trifft eine Mischung aus 1 und 2 zu. Mit Ausnahme der mehrfach-gestrichenen Noten hat sich bei mir die Verbindung Note zu Taste automatisiert. Bei den mehrfach-gestrichenen Noten hilft aber oft Vorgang 2, da ich die Töne bei eingängigen Stücken voraushören kann. Im Improvisieren bin ich allerdings ungeübt. Bei mir unbekannten Stücken funktionieren Gestaltung und automatisches Einsetzen eines günstigen Fingersatz noch nicht.

b) Spiel nach Noten (Stücke, die ich mal auswendig konnte oder sehr oft gespielt habe) - hier trifft Vorgang 3 zu

c) Stücke, die ich im Unterricht erarbeite: Solche Stücke lerne ich auswendig, weil ich mich dann besser auf die Gestaltung konzentrieren kann. Vor dem Auswendiglernen spiele ich die jeweilige Passage nach Noten, was bei schwierigeren Stellen aber nur im ungleichmäßigen Schneckentempo möglich ist.

Ich denke, man muss beim Gebrauch der Noten unterscheiden zwischen Leuten, die bevorzugt auswendig spielen und solchen, die sich mit Noten wohler fühlen. Zusätzlich spielen natürlich auch Vorerfahrung, Theoriekenntnisse und bisher erreichtes spielerisches Können eine große Rolle.
 
[…]
- Man erkennt aus den Noten die Klänge, die sich ergeben werden[…]
Dieser Teil Deiner angebotenen Antworten entspräche dem was ich mir unter Noten lesen können vorstelle, wenn es in Echtzeit passiert.

Derzeit bin ich, mit normalem Lesen verglichen, beim Buchstabieren. :p

Grüße
Thomas

PS: Das Lesen-können ist nicht vom Spielen-können abhängig.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Noten lesen: ohne Instrument beim lesen der Noten alles notierte hören können und begreifen.
Die nächste Stufe wäre, dass man bei diesem hören schon fühlt, wie sich das Gelesen/Gehörte in Bewegungen umsetzt.
 
isso. dazu benötigt man aber SEHR viel erfahrung. woher soll das gehirn (ja, geht nicht anders als von diesem wackelpudding als ein eigenständiges individuum zu sprechen) sonst wissen wie sich das gespielte wohl anfühlen würde.
 
Im Prinzip hat Rolf schon die richtige Erklärung gegeben, wenn ich auch das Empfinden der Bewegungen lieber der Instrumental/Stimmfertigkeit zurechne. Aber ich bin nett und mache einen Unterschied zwischen dem Lesen einer einzelnen Stimme und dem Lesen eines ganzen Stückes - das sind unterschiedliche Niveaus des Könnens. Und da Stücke sehr komplex sein können, kann man das perfekte Notenlesen als Lebensaufgabe ansehen (naja, vielleicht werden einige schneller fertig).

Das mindeste, was man können sollte, besteht darin, die Musik, die in Noten festgehalten ist, nachzuvollziehen; notfalls mit Hilfsmitteln, wie z.B. Musiklexika. Und natürlich sollte ein Musiker auch in der Lage sein, zu erkennen, wie diese Musik auf "seinem" Instrument gespielt werden soll, wenigstens theoretisch.
 

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