Warm werden mit Bach

In einer Umfrage hier im Forum unter dem Motto "Ein Komponist für den Rest deines Lebens" haben fast 70% J. S. Bach angegeben. Wow.

Da ich mit Bach'scher Klaviermusik mal so richtig gar nichts anfangen kann
Ich kann mich nicht daran erinnern, J. S. Bach oder überhaupt polyphone Musik jemals gewöhnungsbedürftig gefunden zu haben. Ich war da eigentlich immer zu Hause. In meiner späten Jugend bin ich dann auch noch zum Heavy Metal gekommen, da mir Pop-Musik einfach zu simpel gestrickt war. In Folge sitze ich jetzt zum Üben von Liedbegleitung vor meinem Liederbuch mit 100 populären "Klassikern" von denen ich kaum einen kenne. Naja, im Herbst kommt die elektrische Gitarre... :-D
 
@Frotron

Bach ist genial, aber die ganze Genialität erschließt sich dem Normalo (Menschen mit durchschnittlich ausgebildetem Musikverstand) eher übers "Selbst-Spielen" als übers Anhören.

Die Einspielungen sind oft in einem Tempo, bei dem man mit dem Durchschnittsohr die vielen kleinen genialen Wendungen kaum herausfiltern kann. :herz:

Einen niedrigschwelligen Zugang bieten m. E. die Sarabanden aus den Suiten (ist eigentlich egal welche, die sind alle cute :love:).
 
@Barratt
Ganz extrem wird es wie ich finde, wenn man Bach im Kontext zu anderen hört. Wenn ich in Leipzig bin schaff ich es normal, in die Motette zu gehen. Beim letzten Mal wurden einige Werke von Zeitgenossen von ihm (gleicher geografischer Raum) gespielt, die ich ehrlich gesagt nicht gekannt habe. Die Stücke waren wirklich nicht schlecht und ich dachte wie schade es eigentlich ist, dass so viele gute Komponisten neben den üblichen Verdächtigen nicht groß bekannt sind, und dabei zähle ich mich schon zu den musikalisch bewanderteren Menschen. Während ich noch darüber nachdachte begann die Bach-Kantate. Es war ein Gefühl, als würde die Sonne aufgehen. Und obwohl die vorigen Stücke wirklich gut waren, wurden sie von Bach gnadenlos überstrahlt.

Tja, was will man machen? Da können wir alle nur froh und dankbar sein, dass wir diese Schönheit erkennen können und sogar spielen dürfen!
 
Tja, was will man machen? Da können wir alle nur froh und dankbar sein, dass wir diese Schönheit erkennen können und sogar spielen dürfen!

Mit wechselnden Instrumentarium. :-)

Baritonsax (H-Moll-Suite und Brandenburgisches Konzert Nr. 2, arrangiert für 10 Holzbläser, erste Cello-Suite)
Sopransax, begleitet von der Orgel
Klavier sowieso, sonst wäre ich hier nicht angemeldet :-)
Tenor im Chor

Grüße
Häretiker
 
Die Partiten, Englische und Französiche Suiten, und vor allem die Goldberg Variationen anhören.

Zurück zu Ursprungsfrage:
Finde die Goldbergvariationen gar nicht gut zum Reinhören. Man hört sich auch bei Beethoven nicht mit der Hammerklaiersonate rein, sondern vielleicht mit der Pathétique, bei Reger nicht mit der Inferrnofantasie, sondern vielleicht z.B. mit der Passacaglia in d-Moll - die Liste ließe sich ewig verlängern. Diese großen Brecher haben zumindest bei mir erfordert, dass ich mich schon intensiver mit der Materie befasst habe, bis ich die mochte.

QUOTE="Frotron, post: 759529, member: 20512"]Aber bei den Werken für Tasteninstrumente hört es bei mir auf. Das (was ich kenne) ist alles so unglaublich mechanisch und konstruiert.[/QUOTE]

Da könnte man gut mit etwas freiem, spielfreudigen, etwas Virtuosem reinfinden. Völlig unverständlich, dass da Leute dann das Wohltemperierte Klavier und solche Sachen vorschlagen. Suiten, Italienisches Konzert oder Partiten sind sicher schon besser.
Noch besser wäre aber meiner Meinung nach etwas wie die Toccata in D-Dur BWV 912.
 
Ich habe meine erste Ernsthafte Begegnung mit Bach gehabt, als ich mit 19 einem Gemischten Chor beitrat, der gerade mit der Einstudierung der Matthäus Passion begann. Es war wie ein "Sesam öffne dich", oder ein "Damaskus". Die Polyphonie dieser Musik, allein schon bei den Chorälen, auf dem Klavier zu Hause zu erproben und sich dann der (möglichen) gelungenen Umsetzung der Mehrstimmigkeit zu erfreuen, hatte wirklich eine Weckfunktion.
Ich erinnere mich noch lebhaft der erstaunten Reaktion meines alten Klavierlehrers, dem ich bei einer zufälligen Begegnung davon erzählte: "Du und Bach? Ach!"
:015:
 
Zuletzt bearbeitet:
"warm werden mit Bach" - muss man das? Werden einem die Bürgerrechte entzogen, wenn man Bachs Musik nicht mag?

Mich kann man mit Barockmusik wegjagen! Ob Purcell, Händel, Albinoni, Bach, Vivaldi, Gluck und wie sie alle heißen: ich mag das Zeug nicht. Mir gehen die vorhersehbaren Harmonien (Septakkordketten, ausweichen in die Subdominante vor der Schlußkadenz, Rumgetue mit verminderten Akkorden, typische Generalbassplänkeleien) einfach nur auf den Keks, ich langweile mich beim Hören und selber spielen von Barockzeugs. Peng. Aus.

Allerdings kann ich "Barockbanause & -verächter" das Zeug spielen (was ich selten tue, nur sehr weniges) und erklären und grausam streng unterrichten. Ich musste WTK lernen, und das war gnadenlos (mir war Liszt oder Chopin viel lieber) und ich hab einiges dabei/daran gelernt.

Trotzdem mag ich das nicht, das meiste gefällt mir nicht - ok, paar Scarlatti Sonaten liebe ich sehr, auch das b-moll Praeludium von Bach ---- das wars aber auch schon.

ABER die musikalische Qualität kann ich - auch wenn mir das meiste nicht gefällt - sehr wohl erkennen, auch darlegen und begründen (private subjektive Geschmacksurteile sind keine Qualitätsureteile!) und obwohl ich 99,8% der Barockmusik unerträglich für mich finde: zum allergrößten in der Musik überhaupt zählt für mich die Aria " mache dich mein Herze rein" aus der Matthäuspassion! Das ist so überirdisch wunderbar, dass es keine Worte zum beschreiben gibt.

Ich mag das allermeiste nicht - aber Bach gehört zum größten und wunderbarsten, was es in der Musik gibt.
 
Ich habe Bach bis vor kurzem eher ungerne gespielt, weil es mir doch irgendwie um einiges schwerer fällt, als Romantik, oder modernere Sachen (damit meine ich Video Game Soundtracks und Pop Zeug... Vermutlich würden mir Stücke aus der Moderne noch schwerer fallen). Aber wenn ich dann mal ein Stück von Bach halbwegs konnte, hat es auch oft ziemlichen Spaß gemacht das zu spielen, der Weg dahin ist mir nur immer etwas schwerer gefallen. Mittlerweile versuche ich mich etwas zu überwinden und wesentlich mehr Stücke von Bach zu lernen, ist zwar mehr Arbeit, aber bringt am Ende auch den meisten Spaß. Vom zuhören her war Bach aber immer einer meiner Lieblingskomponisten, wahrscheinlich habe ich sogar mit größerem Abstand am meisten Bach gehört.
Wenn man es nicht mal wirklich gerne hört, ist das bestimmt etwas schwer damit "warm" zu werden. Ich würde am ehesten die französischen Suiten oder die Partiten (Partitas?) empfehlen, vielleicht auch die englischen Suiten, aber das ist persönlich nicht so mein Fall haha... Die langsamen Stücke der französischen Suiten zeigen eine ganz andere Seite von Bach als das WTK, und die Partiten klingen teilweise erstaunlich modern.
 

Einen Komponisten nicht zu mögen, kann im Einzelfall mit einer Befindlichkeitsstörung erklärt werden. Ich weiß nicht, ob meine Abneigung gegen Rossini in diese Kategorie passt, sei's drum, ich kann damit leben (und Rossini sicher auch) :007:
Öfter aber liest man von Großen, die andere große Künstler nicht nur geringschätzten, sondern sogar verhöhnten. So nannte Richard Wagner Johannes Brahms abfällig einen Bänkelsänger.
Es gibt sicher noch mehr Beispiele dieser Art, was dann Bewunderer beider Meister verunsichert. (hat)
Auffällig ist, dass Joh. Seb. Bach allen nach ihm berühmt gewordenen (vielleicht zeitweise von einigen Söhnen abgesehen) ein Vorbild und eine Richtschnur war.
Drum kann man sich getrost auch als von ihm begeisterter Laie bester Gesellschaft erfreuen.
 
Einen Komponisten nicht zu mögen, kann im Einzelfall mit einer Befindlichkeitsstörung erklärt werden.

Kann, nicht muss. Oder aber die Befindlichkeitsstörung "Ich mag die Musik Anton Weberns nicht" ist halt weit verbreitet.

Wenn ich die Wahl hätte: Konzertabend mit Mozart oder Webern, dann würde ich ohne zu zögern Webern wählen. Ich kann nämlich mit Mozart nicht so recht etwas anfangen. Gilt allgemein für die Wiener Klassik. Ist einfach nicht meine Klangwelt.

Grüße
Häretiker
 
Auf Deutsch machen auch Verlage mehr Sinn.:007:
 
einfach nur auf den Keks, ich langweile mich beim Hören und selber spielen von Barockzeugs.
Ja, der Text könnte für mich treffender nicht sein. Es fehlt einfach die unberechenbare Komponente, die z. Bsp. Beethoven aber hat.

Bach ist aber so derart geschrieben, dass wenn es einen beim Spielen rauswirft, die ganze Stimmung kaputt ist. Und man hört jeden Fehler, auf grausame Weise wird alles offenbart. Das wären dann die didaktischen Vorteile die Bach hat.
 

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