Verfallsdatum?

zu spät, fips... morgen wird`s schon neubeseitet...
die ganze akkustische anlage ist aber intakt... kein riß im resoboden, stimmstock gesund... alles ok... außer die mechanik... die ist komplett abgespiellt... gehört alles gemacht... ist aber auch schon am guten weg. :p
 
Habe kürzlich einen 190er Blüthner von 1894 ohne Aliquot probiert, der auch komplett und liebevoll überholt war. Das war einer der faszinierendsten Flügel, die ich je gespielt habe. So einen cremigen und präsenten Ton mit soviel Bassvolumen aus der kurzen Länge hatte bislang kein zweiter.

Viele Grüße

Michael.


Hallo dermb/Michael,

was du beschreibst, kommt mir sehr bekannt vor - allerdings mit einem etwas anderen Erfahrungswert, der dich vielleicht verblüfft. Nach meiner Erfahrung sind die 190er von Blüthner, mindestens ab ca. 1890 bis ca. 1920er Jahre, irgendwie alle so. Wenn man die richtig mit Liebe ausarbeitet, kommt da ein Klang raus, der unentrinnbar den Eindruck erweckt: es gibt sehr wohl andere Instrumente, und die darf es auch geben, weil die Geschmäcker verschieden sind. Aber bessere als diese Blüthner 190...? - Nun gut, die mag es für extreme Ansprüche auch geben. Aber als normal sterblicher klangbegeisterter Mensch hat man erstmal keine Fragen mehr, angesichts dieser Instrumente. Der Blüthner-190 aus den Jahrzehnten um die Jahrhundertwende (vom 19. zum 20. Jh.) zählt m. E. zu den besonders gelungenen und ausgewogenen und charakterstarken, also insgesamt überzeugenden Flügelklangkonzepten.

Allerdings mit einer gewissen Nebenwirkung - wo Licht ist, ist auch Schatten. Bei Blüthner hat man offensichtlich auf größtmögliche Klanglänge aus kompakter Gesamtlänge gesetzt. Eigentlich müsste der 190er etwa 200 bis 210 cm lang sein (dem entspricht auch der Bassklang, den du erwähntest). Dann wäre er nämlich auch mechanisch optimal. Doch die Mechanik beim damaligen Blüthner-190, und genau so sogar beim 210er, war knapp und kurz bemessen.

Wenn man heute solch ein Exemplar mit Normalmechanik bekommt, dann ist man noch recht gut bedient. Mit den Tastenhebeln, die deutlich kürzer sind als z. B. bei zeitgenössischen Ibach-Flügeln, kann man dennoch prima leben, sogar professionell.
Dumm wird es allerdings mit der sehr häufigen Blüthner Patent-Mechanik. Wegen ihrer anderen Konstruktion sind bei ihr die Tastenhebel anders konstruiert, und die Länge der vorderen Tastenhebel ist noch kürzer und demgemäß wirklich knapp. Die Patentmechanik ist eigentlich klasse (aber nur bei kluger Einrichtung), aber kurze Tastenvorderhebel sind was für Kleinklaviere. Und nicht für konzerttaugliche Flügel.

Nicht zuletzt deshalb wird sich die Patent-Mechanik auch irgendwann überlebt haben. Bislang kenne ich lediglich einen Flügel, bei dem die Blüthner-Patentmechanik mit langen Tastenhebeln zusammenwirkte. Die spontan erlebbare Spielart war schon ein erstaunliches Aha-Erlebnis... aber dieser Flügel war nicht von Blüthner selbst gebaut. Sondern von einem schlauen Leipziger Lizenznehmer (Carl Lerpée, kennt wohl kaum jemand), der diese Mechanik in eine Ibach-ähnliche Flügelkonstruktion eingebaut hatte.

Die drei Bilder zeigen
a) die Blüthner-190-Normalmechanik (Tastenlänge akzeptabel)
b) die Blüthner-190-Patentmechanik (Tastenvorderhebel sehr kurz)
c) Tasten des zeitgenössischen Ibach-200 aus anderem Blickwinkel, aber auch so als deutlich länger als bei Blüthner-190-Normalmechanik erkennbar

Gruß
Martin
PianoCandle


... und aus Krach wird Klang
 

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Hallo Martin,

danke für die ausführliche Erläuterung und die Bilder. Diese akustische Konzeption erklärt das Bassvolumen. In der Tat hatte ich das Gefühl, dass die Mechanik (für mich) am Anfang schwieriger zu kontrollieren war als bei manch anderem Flügel, aber man kann sich durchaus daran gewöhnen, d.h. sollte einen Hobby-Pianisten nicht von einem Kauf abhalten (=> an den TO). In den nächsten Wochen werde ich mir davon motiviert auch mal die 210 und 230 aus dieser Bauperiode ansehen.

Eine verrückte Unternehmung wäre übrigens noch, eine ganz moderne Mechanik einzupflanzen. Rein aus dem Bauch heraus (und ohne Abmessungen und sonstige Faktoren in Erwägung zu ziehen) kann ich mir einen Frankenstein-Blüthner mit Kawai Millenium 3 Mechanik und etwas leichteren Hämmern als original verbaut vorstellen, der bei entsprechendem Repertoire von Haydn bis Liszt geht wie die Feuerwehr ("Pleyel goes Capt. Smoky"?) ;-) Das hätte aber mit respektvollem Substanzerhalt nichts mehr zu tun, und geht nun völlig am Thread vorbei, mein Pardon hierfür.

Viele Grüße

Michael
 
Hallo PianoCandle,
herzlichen Dank für deine anschaulichen Ausführungen. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann geht es darum, durch eine "kürzere" Mechanik bzw. letztlich durch einen kürzeren vorderen Tastenhebel die klingende Saite zu verlängern?
Hm, das stimmt mich schon nachdenklich. Gestern hatte ich das zweifelhafte Vergnügen einen nicht sehr liebevoll, aber dafür hochglänzenden 1894 Blüthner 190er mit Patentmechanik zu probieren. Mein spontaner Eindruck war, dass ich kein sehr direktes Gefühl der Klangkontrolle habe. Woran das lag, kann ich nicht sagen. Im Zweifel an mir :D, aber nachdem ich nun deine Ausführungen zu den Hebelverhältnissen gelesen habe, naja, bin ich eben schon verunsichert.
Wäre es denn ratsam auf eine "normale" Mechanik wert zu legen? Bzw. gibt es diese überhaupt oder sind das nachträgliche Umbauten, die letztlich auch den Klang beeinträchtigen, weil ja dann die Saite wieder sozusagen kürzer würde.
Entschuldige meine laienhaften Vorstellungen, aber auf der Suche nach dem Flügel meines Lebens bin ich ganz sorgfältig und besorgt.

LG, Sesam
 
Hallo Sesam,

Ein andere Mechanik ändert nichts an der Anschlagslinie. Die ist vorgegeben vom Hersteller. Man müsste schon die ganze Spiellade verlängern und die guckt dann vorne raus - also wenn man den Tastendeckel schließt, schlägt er auf die Tastenmitte.:D

Grundsätzlich will ich noch mal näher beleuchten, was Martin gesagt hat. Erstens hat ein Flügel dieses Kalibers u.U. einen außergewöhnlichen Klang für seine Größe (also größer als vergleichbare Instrumente) und die Mechanik scheint durch ihre kürzeren Tasten Nachteile zu haben wie in Bildern erklärt.

Diese Nachteile sind jedoch gewollt bzw. in Kauf genommen worden bei der Konstruktion. Bei der Konstruktion einer Weltfirma, die bis heute eine Weltfirma geblieben ist. Sogar wegen dieser Flügel mit Patentmechanik. Also so schlecht kann das nicht sein. Ein solcher Flügel ist natürlich nicht das Instrument des Konzertpianisten, der in großen Sälen spielt. Dass die Tastenlänge die eines Kleinklaviers ist, stimmt nur bei manchen Kleinklavier-Modellen, es gibt noch kürzere. Ein Kleinklavier hat bei kurzen Tasten vor allem eine gedrungenere Mechanik. Das macht das Spielgefühl wirklich noch um Welten anders.

Daher finde ich die Aussage von Martin zwar stimmig aber eher verwirrend, denn sie impliziert das Spielgefühl eines Kleinklaviers - was überhaupt nicht hin kommt. Wenn so eine Blüthner Patentmechanik gut eingestellt ist, spielt sie hervorragend und man kommt damit wunderbar zurecht. Leider ist sie das selten, weil viele meinen, man muss sie so einstellen wie eine Repetitionsmechanik neueren Ursprungs. Ich kenne gute Hobbypianisten und Klavierlehrer, die auf genau dieser Flügelmechanik spielen und darauf schwören.

LG
Michael
 
Wäre es denn ratsam auf eine "normale" Mechanik wert zu legen?

Es wäre ratsam, einem Instrument, was man evtl. kaufen möchte, ohne allzu große Vorurteile und Erwartungen entgegen zu treten, auch wenn das schwer ist. Am besten ist es, die Augen zu schließen und sich von dem Gedanken zu lösen, dass man auf einem Blüthner spielt, oder einem Steinway, oder Bechstein, oder was auch immer, oder das ein bestimmter Mechaniktyp verbaut ist. Das ist im Grunde die einzige Chance, dem Hören und Fühlen einen größeren Raum einzuräumen als dem Sehen (was ich sehe, das erwarte ich, weil damit bestimmte Assoziationen verbunden sind).

Es würde mich nicht wundern, wenn du den Unterschied zwischen Patent-Mechanik und normaler Mechanik gar nicht merken würdest. Die Unterschiede sind sehr gering.

Blüthner war mal eine sehr verbreitete und geschätzte Marke auch bei professionellen Spielern und es ist als gegeben anzusehen, dass ausgezeichnete Pianisten auf Flügeln mit Patentmechanik gelernt und gespielt haben. Man kann auch darüber spekulieren, dass einige Tondokumente aus der Anfangszeit der Schallaufzeichnung mit Blüthner-Flügeln mit Patentmechanik entstanden sind. Die Mechanik ist hier nicht der limitierende Faktor.

Bzw. gibt es diese überhaupt oder sind das nachträgliche Umbauten,

Die genauen Jahreszahlen kenne ich nicht. Es gibt Blüthner mit normaler Mechanik von vor 1900, und es gibt auch (eine Menge) Blüthner mit Patentmechanik nach 1900. Die Anzahl der verbauten normalen Mechaniken vor 1900 ist geringer als bei der Patentmechanik. Nach etwa 1920 ist die Patentmechanik seltener. In dem kleinen 180er Modell (mit 85 Tasten) ist sie damals noch häufig verbaut worden. Dieser Flügel ist aber insgesamt wenig beeindruckend. In den neuen Modellen (kleiner 160er Ende der 1920/ Anfang 1930er) gibt es nur noch die moderne Mechanik. Beide Mechaniken sind also zumindest eine Zeit lang parallel verbaut worden. Dies zeigt, dass es auch eine Nachfrage nach der Patentmechanik gegeben hat. Dieser Mechaniktyp hat - neben den Nachteilen - auch einige Vorteile: er ist sehr einfach aufgebaut, daher sehr robust und fast unkaputtbar. Er hat weniger bewegliche Teile, weniger Reibung, weniger Einstellmöglichkeiten. Die Regulierung bleibt länger bestehen.

Was Umbauten angeht: wenn man es gut machen wollte, müsste man wohl eine neue Tastatur mit Rahmen anfertigen. Ich habe mal einen Blüthner gestimmt, der eine neue Mechanik (Umbau von Patent auf modern unter Beibehaltung der alten Tastatur) erhalten hatte. Dieser Flügel hatte eine sehr schlechte Spielart und hat mich nicht überzeugt. Dann lieber die Patentmechanik ordentlich reparieren und im Flügel lassen. Das funktioniert.
 
Hallo zusammen,

Vielen lieben Dank für eure aufschlussreichen Beschreibungen und Kommentare. Das ist in der "Auseinandersetzungs-Phase", in der ich mich gerade befinde ganz, ganz hilfreich!

Ein andere Mechanik ändert nichts an der Anschlagslinie. Die ist vorgegeben vom Hersteller. Man müsste schon die ganze Spiellade verlängern und die guckt dann vorne raus - also wenn man den Tastendeckel schließt, schlägt er auf die Tastenmitte.

Gut, das klingt überzeugend :D

Bei der Konstruktion einer Weltfirma, die bis heute eine Weltfirma geblieben ist. Sogar wegen dieser Flügel mit Patentmechanik. Also so schlecht kann das nicht sein.

Daher rührt ja meine Verunsicherung, weil ich mir gar nicht vorstellen kann, dass diese Form der Mechanik größere Nachteile hat, ohne dem Ruf einer so renommierten Firma nachhaltig zu schaden. Und immerhin wurde diese Blüthner Mechanik ja nicht nur in ein paar expermimentellen Jährchen verbaut...

Ein solcher Flügel ist natürlich nicht das Instrument des Konzertpianisten, der in großen Sälen spielt.

Vielleicht habe ich ihn gerade deshalb auserkoren ;)


Daher finde ich die Aussage von Martin zwar stimmig aber eher verwirrend, denn sie impliziert das Spielgefühl eines Kleinklaviers - was überhaupt nicht hin kommt.

Das wollt` ich hören!!



Es wäre ratsam, einem Instrument, was man evtl. kaufen möchte, ohne allzu große Vorurteile und Erwartungen entgegen zu treten, auch wenn das schwer ist.

Ja du hast völlig recht! Ich wurde nur etwas zappelig, weil ich eben vorgestern einen restaurierten (ziemlich lieblos, aber sehr aufgehübscht) Blüthner aus dem Jahr 1894 mit Patentmechanik Probe gespielt habe. Da bin ich in den Tasten herumgeschwommen und es war mit jedem Ton eine Überraschung, wann und wie der Klang folgt. Dieses Instrument hatte ich ausgewählt, um für den kommenden Mittwoch eine Referenz zu haben. Am Mittwoch werde ich ein unrestauriertes, wohl sehr gehegtes Instrument mit Patent und Aliquot besuchen. Die Idee war, den Unterschied zwischen Neuteile-Restauration und Originalzustand besser abschätzen zu können, um mich eben am dem Originalzustand umso mehr zu erfreuen. Blöd eben nur, dass ich von der offensichtlich sehr schlecht eingestellten Mechanik wirklich geschockt war und für den Moment glaubte, das läge grundsätzlich an der Patentmechanik.

Es würde mich nicht wundern, wenn du den Unterschied zwischen Patent-Mechanik und normaler Mechanik gar nicht merken würdest. Die Unterschiede sind sehr gering.

Trotz meines Laienstatus würde ich dir hier trotzdem widersprechen. Zwar mag es sein, dass der explizite Unterschied zwischen "normal" und "Patent" gering ist (bei jeweils optimaler Einstellung), aber aus meiner zwar sehr geringen Erfahrung darf ich sagen, dass kein Spielgefühl eines Klaviers/Flügels dem anderen gleicht. Und die Unterschiede merke sogar ich, das geht so weit, dass ich bei subjektiv empfundener "Fehlfunktion" richtig wütend werde und mir das Spielen überhaupt keinen Spaß macht :evil: Einen guten, routinierten Spieler oder gar Pianisten irritiert das bestimmt viel weniger, aber mich, die ich halt noch am Anfang stehe, bringen "komische" Tasten völlig aus dem Konzept.

Blüthner war mal eine sehr verbreitete und geschätzte Marke auch bei professionellen Spielern und es ist als gegeben anzusehen, dass ausgezeichnete Pianisten auf Flügeln mit Patentmechanik gelernt und gespielt haben.

Dann besteht ja noch Hoffnung für mich :cool:

Also herzlichen Dank nochmal für eure Beiträge!
LG, Sesam
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Sesam, mir gefällt auch sehr, was du bzgl. Träumerei an einem alten Flügel geschrieben hast. Mir geht es ähnlich.

Im Grunde gefällt mir normalerweise der Klang eines alten Flügels (aber neuen Hämmern, am besten gleich neuer Mechanik & neuer Saiten, Neuintonation) besser als der eines neuen Flügels vergleichbarer Maße. Alte Flügel klingen oftmals wärmer und weicher als vergleichbare Neuflügel, und das mag ich. Von daher kann ich gar nicht nachvollziehen, warum so viele Leute scharf sind auf irrsinnig hochpreisige Neuflügel, und alte Flügel oftmals für Schnäppchenpreise zu bekommen sind.

Vielleicht täusche ich mich, aber ich habe das Gefühl, dass alte Flügel oftmals einen längeren Sustain haben, und der Ton länger schwingen kann. Und ich habe auch eine eigene Theorie dafür (ohne das je irgendwo verifiziert bekommen zu haben): Kann es sein, dass es beim Resonanzboden eines Flügels genauso zugeht wie bei alten Geigen- und Gitarreninstrumenten, bei denen die Holzalterung sich eher positiv als negativ auswirkt? Irgendwo habe ich gelesen, dass bei altem Holz das Harz durch das Alter (und auch durch häufiges Spielen!) herausbröselt, wodurch das Holz besser und freier schwingen kann, der Ton dadurch voluminöser klingt. Und vielleicht beim Flügel länger nachklingen kann? Warum sollen sich die Holzeigenschaften bei einem Flügel-Resonanzboden nicht ähnlich auswirken wie bei alten Gitarren und Geigen?

Allerdings sehe ich auch als Voraussetzung, dass der Resonanzboden wieder hergerichtet und in Spannung gebracht wird. Genauso wie ein Wäscheseil auch besser schwingt, wenn es richtig straff gespannt ist. Oft hängt der Resonanzboden alter Flügel durch wie ein altes Sofa, ist also konkav statt konvex gewölbt.

Beim Resonanzbodenaufarbeiten meines alten Steinway-Flügels wurde das geschafft, dass er wieder konvex gekrümmt und in Spannung ist, und zwar ohne Änderung an den Resonanzbodenrippen. Ich meine, es ist im Zuge des Ausspanens der Risse im Resonanzboden gleichzeitig wieder in Spannung gebracht worden, weiß aber nix genaueres darüber. Daher irritiert mit sehr, was hier Petz geschrieben hat:

Eine "Wiederherstellung" der Resonanzbodenwölbung kommt aber praktisch dessen Neubau gleich denn die Wölbung bestimmt der Druck den die, vor der Verleimung konvex gehobelten Resobodenrippen auf die "Bretter" ausüben. Wenn die Rippenspannung nachgelassen hat müssen diese erneuert werden um wieder Druck erzeugen zu können. Ein Nachhobeln und Neuverleimen würd vermutlich kaum oder nur kurzzeitig was bringen weil man durch das Nachbearbeiten den Rippenquerschnitt weiter schwächen würde.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hallo PianoCandle,
herzlichen Dank für deine anschaulichen Ausführungen. ... LG, Sesam

Danke für deine Fragen, Sesam... tut mir leid dass ich nicht gleich antworten konnte. War halt mal wieder paar Tage kreuz und quer in der Republik unterwegs.

Wenn ich es richtig verstanden habe, dann geht es darum, durch eine "kürzere" Mechanik bzw. letztlich durch einen kürzeren vorderen Tastenhebel die klingende Saite zu verlängern?

So erscheint es im Effekt, aber die Logik dahinter ist eigentlich anders. Offensichtlich wurde angestrebt, trotz möglichst großer klanglicher Kapazitäten ein kompaktes wohnraumtaugliches Bauformat zu bewahren. Und auch schon damals, wie heute, waren wohl Flügelgrößen deutlich unterhalb von 2 m Länge wesentlich besser zu vermarkten als größere. Nur als Rechenbeispiel: für 5-10 cm längere Tastenvorderhebel müsste die Bautiefe der Mechanik, und damit die Gesamtlänge des Flügels, um ca. 10-20 cm zunehmen. Wie sich das im Markt auswirken würde, ist leicht zu prüfen: 190er Blüthner sind häufig. 210er dagegen sind sehr selten.

Wäre es denn ratsam auf eine "normale" Mechanik wert zu legen? Bzw. gibt es diese überhaupt oder sind das nachträgliche Umbauten, die letztlich auch den Klang beeinträchtigen, weil ja dann die Saite wieder sozusagen kürzer würde.

Ein Blüthner-190 aus der fraglichen Zeit um ca. 1890-1920 ist mit originaler Normalmechanik (gibt es!) unbedingt vorzuziehen. Denn, wie gesagt, das Flügelkonzept ist wirklich wunderbar. Und bei der Normalmechanik-Version ist das Thema der Tastenhebellänge zu vernachlässigen. Ein solcher Flügel ist auf Jahrzehnte hin zukunftssicher und auch stets ggf. (verschleiß-)technisch in aktuellen Stand zu versetzen.
Umbauten von Patent- auf Normalmechanik sind unbedingt zu meiden. Dazu hat jensen1 bereits dankenswerterweise etwas in einer Nebenbemerkung gesagt. Aus eigener Erfahrung möchte ich da mindestens drei Ausrufezeichen anhängen.

Übrigens: Die Tastenhebellänge ist meinerseits kein akademisches, sondern ein sehr konkretes Thema. Seit dem zarten Alter von sechs Jahren, was mittlerweile deutlich über 50 Jahre her ist, hatte ich Unterricht. Meine Lehrerin besaß einen Blüthner-190 Aliquot mit Patentmechanik und ein Rönisch Konzertklavier. Dieses Klavier war exzellent, klang toll und spielte sich wunderbar. Und hatte, wie ich erst sehr viel später zu wissen begann, außergewöhnlich großzügige Tastenhebel. (Bild folgt.) Sämtliche Schüler/innen spielten auf diesem, höchst selten und eher widerwillig setzte sich mal jemand an den Flügel. Nicht wegen dessen Klangs, sondern wegen dieses seltsamen, schwierig dosierbaren, unter den Fingern wegflutschenden Spielgefühls.

Ich will niemanden verwirren, aber sorgfältige Abwägungen erlaube ich mir, im Lobenswerten wie im Überdenkenswerten, gleich ob bei Spitzenprodukten oder bei NoNames oder sogar bei verfemten Bä-Bäs. Ich schätze z. B. viele Blüthner-Instrumente vom Grundkonzept bis in viele Details hinein (incl. einer gut regulierten Patentmechanik) außerordentlich, wie bereits x-fach an unterschiedlichsten Stellen betont. Aber wo es um kritische Anmerkungen geht (wie hier die Tastenhebellänge), ist dem so ein Begriff wie "Weltfirma" allenfalls als Machtwort entgegenzuhalten. Aber ganz gewiss nicht als Argument.

Also - viel Geduld und Spaß weiterhin bei der Suche.

Gruß
Martin
PianoCandle


... Klang braucht Klartext


P.S. Hab gerade fertig geschrieben, da sehe ich, dass die Würfel gefallen sind. Da wünsche ich dir nun große Freude mit deiner Neuerwerbung. Möglicherweise verschiebe ich irgendwann diese meine, nun nicht mehr ganz aktuelle, Äußerung an eine andere Stelle, wo sie besser passt. -m-
 
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Lieber Martin,

vielen Dank für deine nochmals ausführliche Darstellung und kritische Betrachtung der Sachlage. Nun ist es mittlerweile so, dass in meinem Fall die Würfel gefallen sind. Ein Blüthner aus dem Jahr 1887 mit Patent und Aliquot. Ich habe das Instrument gestern gesehen und gespielt. Mi hat es sowohl vom Spielgefühl als auch vom Klang imponiert. Und das, obwohl es sich in originalbelassenem Zustand befindest (oder vielleicht gerade deshalb ;-)).
Ich kann das Argument sehr gut nachvollziehen, dass eine "wegflutschende" Mechanik den ganzen Flügelspaß erheblich einschränken kann. In diesem Instrument hatte ich aber mit dem ersten Ton bereits das Gefühl, dass ich den Klang sehr gut kontrollieren kann. Ich habe mich sozusagen zu Hause gefühlt; an dieser Stelle möchte ich hinzufügen, dass ich in den vergangenen Tagen zig neue und ein paar restaurierte Flügel probiert habe und damit lange nicht so gut klar gekommen bin. Der einzige, der diesbezüglich meinen Erwartungen an neue Flügel erfüllen könnte war ein Fazioli 183. Aus naheliegenden Gründen werde ich aber niemals in den Genuß eines solchen Spielgefühls kommen. Und im direkten Vergleich kann ich mir gut vorstellen, dass bei noch erfolgender Regulation der Blüthner Mechanik durch einen ausgewiesenen Fachmann hierfür, ich nicht weniger glücklich damit werde, als mit einer 69T € Mechanik.
Aber wie gesagt, ich finde es sehr gut und auch wichtig, dass du auf die Risiken einer an sich überkommenen Mechanik hinweist.

LG, Sesam

P.S. Auch ich hab grad erst geseh, dass du deinen Beiträg aktualisiert hast....wurscht!
 
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Bezitzer eines Blüthners

Hallo

Also erstmal sehr interesant die Ausführungen.
So ich bin Besitzer eines Blüthners 1906 mit Patenmechanik.
Ich bin zwar kein Virtuose aber spiele sehr gerne .
Und ich muß Laienhaft sagen das dieses Instrument wirklich sehr weich und
im Bass exelent klingt .Jedenfalls gegenüber meinem Klavier Römhild.
Ich kann allerdings kaum Vergleiche ziehen.
Ein Freund bezitzt noch ein mit Aliqout der klingt noch ein wenig brilianter
meiner Meinung nach.
Aber was mich Interessieren würde wäre wie überprüfe ich ob die Mechanik richtig reguliert wurde.? Kann ich das selber machen? (Maschinenbaumeister)
Oder was würde sowas kosten.
Aber wie gesagt ich bin total begeistert von dem Flügel.

Und wer weiß vieleicht gebe ich ja auchmal ein Konzert mit dem Flügel.

Ist ein wunderbares Instrument.

Nette Grüße Wolfgang
 

hi.

wirklich einfach ist es nicht... die steigerung sollte um die 43mm sein (plus, minus irgendwas, wenn die köpfe abgezogen wurden usw.), die hämmer sollten im baß ca. 3mm in der mittleren lage ca. 2mm und im diskant ca. 1mm vor der seite, bei seeeeehr leichtem nachdruck abnicken. und bei gedrückten taste ca. 15mm unterhalb der seite gefangen werden. wenn das stimmt und durch die ganze mechanik regelmäßig ist sollten auch der vorderdruck und die schwebung passen...
auf deiner stelle würde ich sie nicht selber regulieren. wenn sie sehr aus der regulierung ist und man die klaviatur geradelegen muß usw., hat man zwischen 5 und 15 stunden arbeit... grob gesagt... was eine klaviermacherstunde kostet, mußt selber rausfinden... :cool:

lg
emmanuel

ps. jemmand sollte mich bitte ausbessern, wenn ich was falsch gesagt habe. danke :D
 

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