Übeprobleme bei Totalanfänger

  • Ersteller des Themas Ralph_hh
  • Erstellungsdatum

Eine (nicht unbedingt representative) Beobachtung / Erfahrung aus meinem Bekanntenkreis (betrifft Erwachsene wie Kinder): Wer auf einem Keyboard mit dem Klavierspielen anfängt, ist nach kurzer Zeit frustriert über die „Ärmlichkeit“ in der Klanggestaltung - und streicht die Segel („das war‘s dann“) oder schafft sich ein Klavier an (mit dem Bedauern „das Keyboard war rausgeschmissenes Geld“).

Als „Experimentier“-Instrument ist eine „Schweineorgel“ allerdings nicht zu verachten, und sei es, um auszuprobieren, wie sich eine Bach-Fuge im André-Rieu-Sound anhört. Es soll ja Keyboards geben, wo man mit verschiedenen historischen Stimmungen experimentieren kann. Aber das ist ein anderes Thema.

cb
 
Ich sehe da ehrlich gesagt auch keinen Nachteil drin, wenn man die 'Welt des Musizierens' zuerst mit einem Keyboard erobert.
Natürlich ist das dann kein Klavierspiel, aber warum sollte es schädlich sein, wenn man mehrere Instrumente (gleichzeitig) beherrscht?
Als Kind hatte ich mal Geigenunterricht (angeblich war ich ein Naturtalent), aber das Instrument an sich, und der Sound, haben mir nicht zugesagt und deshalb wurde der Unterricht schnell wieder abgebrochen.
Danach lag der Fokus auf Keyboards und Synthesizer, obwohl mir die Pianowelt auch sehr zugesagt hätte, aber irgendwie war mir die ganze Geschichte zu ernst und anspruchsvoll.
Die Keyboardzeit war so zwischen '86 und 1999.
Vor zwanzig Jahren ging es dann weiter mit einem Einsteiger-Digitalpiano, um mich mal an Klaviermusik heran zu tasten. Hier muss ich sagen, dass mich eher die schlechte Technik des Pianos ausgebremst hatte, als die Fähigkeiten des Keyboardspiels.
Im Gegenteil, sogar der 'Handelsschule - Schreibmaschinen - Kurs' waren sehr förderlich (Linke Hand unabhängig von der rechten Hand).
Jetzt, mit dem neuen Piano (auch Digital, aber tausendmal bessere Technik) macht das ganze richtig Spaß und hat mich innerhalb der letzten anderthalb Jahren wesentlich weiter gebracht, als die zwanzig Jahre davor.
 
Ich glaub, ich muss noch mal drauf hinweisen, das Kind hat ein Keyboard bekommen und es ist absolut nicht Ziel des ganzen, den Jungen darauf nun Klavier lernen zu lassen. Dass das nicht geht, hab ich der Mutter gleich am Anfang gesagt. War ok. Insofern ist es vielleicht unglücklich, das hier in einem Klavier Forum zu diskutieren. :007:

Die Idee der Mutter war, ob der Junge nicht irgendwie davon profieren kann, dass da nebenan jemand sitzt, der Klavier spielt. Liegt ja irgendwie nahe. Dass Anfängerunterricht nun offenbar nichts ist, was man als Spieler mal eben aus dem Ärmel schüttelt, ist mit nun inzwischen klar, danke an die Inputs hier dafür. Ich hab das entsprechend mit den Nachbarn besprochen und inzwischen ist man drüber weiterhin auf der Suche nach einem echten Lehrer und offenbar wird es die Musikschule. Das Heft, was da mal mitgegeben wurde, zeigt schon, wie unendlich langsam man sich an das Thema rantasten kann, das überschätzt man als Fortgeschrittener doch deutlich. Ich hab meine Tochter als Maßstab genommen, aber die hat zu dem Zeitpunkt schon Blockflöte gespielt, glaube ich. Und ich selber hab mit dem Klavier angefangen nachdem ich in meiner Jugend lange Querflöte gespielt habe.

Aber eigentlich hatte ich doch nur eine simple Frage gestellt: Ist es für einen Totalanfänger normal, dass man sich keine Melodien merken kann und dementsprechend nicht merkt, wenn man verkehrt spielt. Nun, inzwischen denke ich, dass es daran gar nicht liegt, eher, dass die vielen neuen Dinge auf einmal, Tasten, Noten, Fingertrouble genug sind, dass man nicht auch noch nebenbei auf die richtige Melodie achten kann.
 
Spielen und Lehren sind zwei sehr unterschiedliche Disziplinen. Gerade Fortgeschrittene überschätzen sich gern maßlos und wollen ihr frisch erlerntes Können weitergeben. Dass hier im Forum hauptsächlich über Anschlagsdynamik diskutiert wird, zeigt eigentlich nur, wie schwer das Thema zu fassen ist. Echte Klavierlehrer sind Profis, haben Erfahrung im Unterrichten und das sollte man auch anerkennen. Ich lasse meinen Nachbarn auch nicht mein Auto reparieren, bloß weil der einen Führerschein hat. :)

Zu deiner "simplen" Frage: Natürlich kann ein Totalanfänger sich nicht automatisch Melodien merken. Aber allein diese Frage zeigt schon, wie weit du davon weg bist, Klavierunterricht geben zu können. Wenn es deinen Nachbarn nur darum geht, dass du mit dem Jungen ein bisschen Spaß am Keyboard hast, spricht bestimmt nichts dagegen. Aber wenn wirklich ein Instrument gelernt werden soll, würde ich auf die Profis verweisen. Dem Jungen zuliebe.
 
So noch mal ein Feedback eine Weile später.

Der Nachbarsjunge ist nun inzwischen bei einer echten KL. Ich weiss gar nicht, ob bei einer Musikschule oder privat. Jedenfalls gabs da zum Anfang ein Übebuch, irgendein "Keyboard für Anfänger" oder so und er spielt als erstes noch das Stück, womit wir in unserer 3. und letzten Stunde angefangen haben. Ich glaube bei der KL war er bislang auch 3 oder 4 Mal.

Ich wäre an dieser Stelle mal neugierig, ob es Keyboard Unterricht gibt, der sich fundamental vom Unterricht am Klavier unterscheidet in der Form, dass man wie manche auf der Gitarre nur Akkorde und Begleitung lernt. Ich kenne Gitarristen, die legen eine tolle Performance hin aber können keine Noten lesen, nur Akkorbezeichnungen.

Kleine Anekdote nebenbei. Ich hab ihn dann gefragt, ob er denn da auch auf einem Keyboard spielt oder auf einem Klavier. (Es wurde explizit Keyboard Unterricht gebucht.) Antwort: Bislang spielen sie auf einem Klavier.:009:
Ich habe damals vor drei Jahren Unterricht angefangen, wir waren zu zweit, Klavierunterricht gebucht und in der Stunde beim KL dann auf zwei Keyboards gespielt. Nachdem ich nur noch alleine war und eigentlich schon kündigen wollte sind wir dann, weil ich ja alleine war doch zum Klavier nebenan gewechselt. Soviel zum Thema Unterricht beim Profi.
 
Ich grabe diesen Uralt Thread gerade mal wieder aus, weil ich nachsehen wollte, wie lange das her ist. Der Junge von Nebenan nimmt jetzt seit 1 1/2 Jahren echten Unterricht beim Keyboard Lehrer. Ich sollte gestern mal rüber kommen, weil da ein akutes Problem lauerte, weil der eine Sohn Violine lernt und der andere ihn auf dem Keyboard begleiten sollte, aber das ging nicht. Geige ging ganz gut, er konnte mit mir auf dem Keyboard zusammen das Lied spielen. Also mal den Keyboarder alleine spielen lassen.

Aufgabe: Kinderlied (what shall we do with the drunken sailor), nur die Melodie einstimmig im mäßigen Tempo mit der rechten Hand, die linke hat Pause. Ging nicht. Gar nicht. Noten lesen? Kann er nicht. Auf den Hinweis "das ist ein a, kein g..." zählt er vom c aus ab, bis er beim a gelandet ist. Achtel und Viertel - alles gleich lang. Gefühlt NULL Fortschritt seit dem wir damals mal zusammen angefangen haben.

Liegt natürlich auch schwer am Übepesum, einmal die Woche, keine Ahnung, wie lange dann. Ich würde sage, keine Motivation, kann man sich auch komplett sparen. Jedenfalls hab ich den Eindruck, hätte ich auch nicht schlechter machen können... Hab Mitleid mit Schüler und Lehrer gleichermassen.
 
Ich hätt ja das größte Mitleid mit den Eltern...
Immerhin ist es ihr Geld, was da offensichtlich völlig sinnlos verbrsten wird.
 
Es ist natürlich schwierig, zumal als Laie, Diagnosen zu geben. Allerdings habe ich mich mal über Amusie kundig gemacht im Netz - ganz grob bei Wikipedia und Co. - und was ich hier lese von wegen Junge erkennt nicht, wenn er falsch spielt, das hat mich daran erinnert.

Mein KL hätte wahrscheinlich einen Stuhl nach mir schmeißen müssen (Whiplash gesehen?), damit ich schneller lernte trotz falscher Töne weiterzuspielen. Noch heute werfen sie mich raus. Kann man sich ein bisschen Amusie im Netz bestellen oder reichen gute Ohrstöpsel?
 
Bedeutet Amusie nicht eher die Unfähigkeit, Musik zu fühlen und zu ihr eine emotionale Bindung aufzubauen?
Der hier geschilderte Fall bezieht sich meiner Ansicht nach auf das Unvermögen, sich motorisch auf der Tastatur so zu orientieren, dass die Umsetzung des Gelesenen in ein klangliches Ereignis sicher und automatisiert erfolgt. Das ist jedoch erlernbar, und deshalb hat das beschriebene Problem vermutlich eher etwas mit wenigem und / oder unsysthematischem Üben zu tun.
 

Ich grabe diesen Uralt Thread gerade mal wieder aus, weil ich nachsehen wollte, wie lange das her ist. Der Junge von Nebenan nimmt jetzt seit 1 1/2 Jahren echten Unterricht beim Keyboard Lehrer. Ich sollte gestern mal rüber kommen, weil da ein akutes Problem lauerte, weil der eine Sohn Violine lernt und der andere ihn auf dem Keyboard begleiten sollte, aber das ging nicht. Geige ging ganz gut, er konnte mit mir auf dem Keyboard zusammen das Lied spielen. Also mal den Keyboarder alleine spielen lassen.

Aufgabe: Kinderlied (what shall we do with the drunken sailor), nur die Melodie einstimmig im mäßigen Tempo mit der rechten Hand, die linke hat Pause. Ging nicht. Gar nicht. Noten lesen? Kann er nicht. Auf den Hinweis "das ist ein a, kein g..." zählt er vom c aus ab, bis er beim a gelandet ist. Achtel und Viertel - alles gleich lang. Gefühlt NULL Fortschritt seit dem wir damals mal zusammen angefangen haben.

Liegt natürlich auch schwer am Übepesum, einmal die Woche, keine Ahnung, wie lange dann. Ich würde sage, keine Motivation, kann man sich auch komplett sparen. Jedenfalls hab ich den Eindruck, hätte ich auch nicht schlechter machen können... Hab Mitleid mit Schüler und Lehrer gleichermassen.
Mit Sicherheit ein KKL.

Was hier genau vorliegt und wer von beiden "am meisten schuld ist", kann man natürlich nicht sagen; jedoch sei auf ein. schlimmes Phänomen hingewiesen: dass KKL alles dem Schüler im Unterricht haarklein vormachen und mit ihm alles zusammen einüben ("Spoonfeeding"). So bleibt der Schüler nicht nur sehr unselbständig, sondern lernt auch keine Noten. Nächste Riesensünde: Dem Schüler die Notennamen drüberschreiben lassen (oder ihm erlauben, das selber zu tun) oder über jeden Ton den Fingersatz schreiben. Alles unverantwortlich und Grund für sofortige Kündigung.
 

Zurück
Top Bottom