Üben und Interpretation

  • Ersteller des Themas philomela
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Hallo und vielen Dank für die interessante und anregende Diskussion.

Offenbar ist nicht nur 'Anfängerniveau' ein undefinierter Begriff, sondern auch 'Interpretation'.

Ich sehe sie (die Interpretation) nicht als Heiligtum, das erst Werken ab einer bestimmten Schöpfungshöhe zuteil werden kann. Und dies auch erst nach einer intensiven theoretischen Auseinandersetzung mit dem Werk.

Für mich fängt Interpretation tatsächlich da an, wo ich etwas von meiner Persönlichkeit (meiner Seele, meinem Gefühl) in das Werk einfließen lasse. Und ich befürchte fast, dass sich das gar nicht vermeiden lässt (auch schon bei Anfängerstücken aus Band 1).
Natürlich innerhalb der vom Komponisten (und nicht vom Verleger) gesetzten Grenzen und Möglichkeiten. Aber auch hier gibt es einen gewissen Spielraum und es haben ja, vor allem frühere Komponisten, nicht alle jede Kleinigkeit ausformuliert.

Doch, und ich finde, sogar "Summ, summ, summ" gibt eine gewisse Möglichkeit der Interpretation. Das können schon meine Kindergartenkinder, wenn ich sie bitte, dieses Lied mal traurig und mal fröhlich zu singen. Hier scheint mein Interpretationsbegriff von dem in der Klassik üblichen abzuweichen.

'Musikalisch arbeiten', liebe chiarina, das fordert mein (Gesangs-)Lehrer auch, ebenfalls von Beginn an. Er legt dabei Wert auf auswendiges Vortragen, das immer aus dem Gefühl, aus der Musikalität entstehen soll. Abweichungen vom Notentext werden dabei eher toleriert als ein gefühlsarmer und damit langweiliger und unberührender Vortrag. Ob einem das gelingt, hat weniger mit der kognitiven Auseinandersetzung zu tun als mit der Fähigkeit, Gefühle zur Musik entstehen zu lassen und diese dann auch zu transportieren. Aber vielleicht kann man nicht so ohne weiteres eine Parallele herstellen zwischen Gesang und Klavierspiel.

Ich fühle jedenfalls auch schon bei Anfängerstücken was und ich arbeite daran, dieses Gefühl in mein Klavierspiel zu übertragen.

Herzliche Grüße
philomela


Liebe philomela,

ich bin die allerletzte, die etwas gegen Gefühle beim Musikhören und -machen hätte :p ! Tatsächlich empfinde ich bereits etwas bei einem einzigen Ton :p . Ich komme mir hier ein bisschen so vor, als wäre ich ein eiskalter Roboter, der mit seinem Hirn eine Interpretation konstruiert. :p

Gefühle zeigen uns doch auch, welchen Klang wir für eine Stelle, einen Ton, ein Stück wollen. Sie sollen sich gar nicht vermeiden lassen. Wenn du ein Stück vorträgst, mit deiner Stimme ( Klavierspiel hat übrigens mit Gesang immens viel zu tun - "Singen auf dem Klavier"....) oder auf dem Klavier, wird das Stück immer mit deiner Ausdruckskraft, mit deinen Gefühlen und deinen Klangvorstellungen verbunden sein. Natürlich wird das Stück dann zu "deinem Stück"! Für eine Interpretation reicht es aber für mich nicht, nur sein Gefühl einfließen zu lassen, da muss noch sehr viel mehr dazu kommen ( s.o.). Aber es sei dir unbenommen, das anders zu definieren.

Ich spiele tatsächlich ziemlich emotional Klavier. Das habe ich früher auch getan. Ich für mich habe aber erst jetzt allmählich das Gefühl, einer Interpretation nahe zu kommen. Denn dazu ( s. auch pennackens post) bedarf es für mich eines möglichst tiefgreifendes Verständnisses, was von den Gefühlen, die diese Musik bei mir erzeugt, absolut nicht zu trennen ist. Ich zitiere der Einfachheit aus einem anderen Faden (Stückchen2), in dem ich Folgendes gepostet habe:

"Wenn ich als Interpret an einer Komposition arbeite, versuche ich, die Konstruktion des Stücks in allen Einzelheiten zu verstehen und klar darzustellen. Das geht nur durch Beleuchtung, Analyse, Hören und Fühlen. So schaffe ich ein Klangbild, das im günstigsten Fall wie eine schimmernde Klangkathedrale die Entwicklung des Stückes in sich schlüssig erzählt. Dann wird die Schönheit einer Komposition, also ihr Ausdruck, offenbar. Je klarer ich die Phrasen in ihrer klanglichen Entwicklung strukturiere, um so mehr Ausdruck bekommt das Stück."

Wieso ich jetzt noch mal meinen Senf dazu gegeben habe, liegt daran, dass ich meine Art der Herangehensweise an ein Stück auf gar keinen Fall als gefühlsarm verstanden wissen möchte.

Liebe Grüße

chiarina
 
Liebe chiarina,

ich denke schon, dass wir das gleiche meinen, was gefühlvolles Spiel anlangt. Und wir haben untschiedliche Definitionen von Interpretation, wobei meine sicher weniger fundiert und recherchiert ist, sondern aus meinem momentanen Verhältnis zur Musik kommt.

Inhaltlich bin ich überhaupt noch gar nicht so weit wie du in die Tiefen und die Fülle (und Größe ...) der Musik eingestiegen, weil ich auch gesanglich Späteinsteigerin bin (wenn auch keine Anfängerin mehr). Darum wollte ich dieses Interpretationsthema auch auf Anfängerniveau 'herunterfahren', weshalb ich diesen Thread hier eröffnete.

Nein, ich habe auch nicht ernsthaft angezweifelt, dass du emotionale Musik machst, aber dennoch kam für mich der Kopf-Teil überproportional hoch rüber und ich wollte es genauer wissen. Tut mir leid, falls es dich genervt hat. Einen Großteil meiner Gesangsausbildung habe ich nämlich damit zugebracht, die Gefühle zulassen und ausdrücken zu lernen. Und entsprechend wichtig ist dieses Thema für mich.

Ich weiß auch, dass es Pianisten (und Begleiter) gibt, die tatsächlich ein möglichst perfektes (im Sinn von mechanisch-notentextwiedergebendes) Spiel anstreben. Und auch die haben den Anspruch, wirklich zu musizieren. Eben darum finde ich diese Diskussion hier so spannend. Auch die Auseinandersetzung mit dem Musikempfinden und Musikalitätsverständinis anderer Menschen gehört für mich zu einem möglichst umfassenden Verständnis der Musik.

Liebe Grüße
philomela
 

ich glaube nicht, daß irgendjemand einen anderen bisher genervt hat. Bei mir leuchten jedenfalls viele Aspekte, der praktischen, und der begrifflichen, Erfassung des Dämons Interpretation ;) vor dem geistigen Auge auf.

Die Interpretation ist ein Wertbegriff. Auch Rolf erwähnte das mal - ein Begriff, der eigentlich erst ab Konzertebene eine (mögliche) Wichtigkeit und Daseinsberechtigung bekommt. Mangels Alternativen, können wir ihn gerne im Anfängerkontext gebrauchen - "Spielweise" wäre für mich auch nicht unpassend. Eine sich natürlich ergebende Spielweise eines Stückes kann wohl nur selten eine "Interpretation" sein - und allenfalls wohl nur unter großen Zufälligkeiten eine gelungene Interpretation abgeben.

Ich meinte, ein ungefähres Bild davon zu haben, was I. bedeutet. Rolfs wirklich wenige Worte in seinem Post - und ein Schleier des Geheimnisses liegt für mich plötzlich wieder über diesem Begriff. Er sagt, was es nicht ist - dadurch verstehe ich noch viel weniger, was es ist, wie man eine I. erreicht, oder gar am Instrument reproduzierbar realisiert. Ich will es auch gar nicht wissen - vielleicht lieber selbst erforschen versuchen...

Chiarina sagt sinnbildlich, daß sie Jahre der praktischen Erfahrung (ge)braucht (hat), um zu beginnen, sich diesem Begriff überhaupt gefühlsmäßig anzunähern -
und z.B. ich selbst will diesen Begriff durch einige Stunden logisches Nachdenken für mich (er)klären? - wenn das man nicht in die H. geht...

Interpretation - eine Kopf- oder Gefühlssache? Ich bin Theoretiker - ich stelle mir vor, Intuition, musikalische Erfahrung, vielleicht auch Hintergrundwissen, und das gute alte try-and-error - können einem helfen, zu einer gelungenen I. zu kommen. Und weiter weiß ich nicht ;).

...sachte... noch lange nicht[/I] "interpretiert", wird sich vielleicht doch eines Tages durchsetzen!

=> Rolf, Du wirst doch nicht der Windmühlen-Phobie verfallen... ;)

((*) eine Windmühle: etwas, gegen das man sich des öfteren ankämpfend wiederfindet)

Wieso ich jetzt noch mal meinen Senf dazu gegeben habe, liegt daran, dass ich meine Art der Herangehensweise an ein Stück auf gar keinen Fall als gefühlsarm verstanden wissen möchte.

=> "Nachschub nicht stoppen, bitte!" ;)

(Bill Murray, "Und täglich grüßt das Murmeltier ('Groundhog day', Film)", auf die Frage der Kellnerin:"Noch Kaffee..?")
 
und ein Schleier des Geheimnisses liegt für mich plötzlich wieder über diesem Begriff

NewOldies Interpretationsschwäche

Am Ende meiner Probezeit in einem großen Industrieunternehmen wurde ich zum Vorgesetzten meines Chefs beordert, um meine Festeinstellung zu besiegeln.
Er residierte hoch über den Dächern der Produktion.

Sein riesenhaftes Büro wurde von einem nicht minder riesigem Schreibtisch dominiert.
Beim Eintreten in sein Reich fiel mir auf, dass sich hinter seinem Schreibtisch früher ein Gemälde befunden haben musste.
Anstelle eines qualmende Fabrikschlote zeigenden Bildes befand sich aber nur ein kahler Fleck an der Wand, in dessen Mitte sich die Tapete bereits unschön verfärbt hatte.

Es begann das übliche Machtspiel.
Während ich auf dem unbequememen Stuhl vor dem Schreibtisch Platz genommen hatte, studierte er Akten, ohne mich weiter zu beachten.
Das gab mir Gelegenheit den Schaden an der Wand genauer zu betrachten. Eindeutig ein Wasserschaden, ein unregelmäßiger Fleck mit ausgefransten bräunlichen Rändern, an denen sich bereits schwarze Pilzspuren zeigten.

In mir begann es zu arbeiten. Immerhin sollte ich als Betriebingenieur tätig werden und könnte mich von meiner flexiblen Seite zeigen, indem ich mich auch gleich um Baumängel kümmerte.

Insofern platzte es sofort aus mir heraus, als er seine Akten beiseite legte in Notiz von mir nahm.
"Das ist ja ein übler Wasserschaden, wie lange ist der denn schon dort?"

Er starrte mich an. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können.
Mir war klar, dass ich irgend einen wunden Punkt in seinem Leben berührt haben musste.
Das weitere Gespräch verlief kühl und fünf Minuten später stand ich wieder draußen im Vorzimmer.

Ich erkundigte mich bei seiner Sekretärin nach dem Fleck an der Wand und sie sagte: " Um Gottes Willen, erwähnen Sie das NIEMALS, seine Frau ist Künstlerin und das ist eines ihrer Werke."

Ich wurde trotzdem eingestellt.:D

Lieber Gruß, NewOldie
 
@NewOldie: Super Geschichte! :)

Ich glaube kaum, dass Dir eine so ehrliche Interpretation gelungen wäre, wenn Du vorher die Hintergründe erforscht hättest.

Grüße
Thomas
 
Tut mir leid, falls es dich genervt hat. Einen Großteil meiner Gesangsausbildung habe ich nämlich damit zugebracht, die Gefühle zulassen und ausdrücken zu lernen. Und entsprechend wichtig ist dieses Thema für mich.

Ich weiß auch, dass es Pianisten (und Begleiter) gibt, die tatsächlich ein möglichst perfektes (im Sinn von mechanisch-notentextwiedergebendes) Spiel anstreben. Und auch die haben den Anspruch, wirklich zu musizieren. Eben darum finde ich diese Diskussion hier so spannend. Auch die Auseinandersetzung mit dem Musikempfinden und Musikalitätsverständinis anderer Menschen gehört für mich zu einem möglichst umfassenden Verständnis der Musik.

Liebe Grüße
philomela

Liebe philomela,

vielen Dank für deinen netten post!!! Ich verstehe dich, glaube ich, jetzt viel besser!

So wie ich dich verstehe, brauchst du im Moment auch einfach etwas ganz anderes als das, was ich beschrieben habe. Du hast ja schon sehr schön mitgeteilt, was für dich wichtig ist. Bleib weiter auf deinem Weg - so entwickelt sich jeder auf seine Weise weiter, was ja gerade das Schöne ist! Du hast auch gar nicht genervt, im Gegenteil ist jetzt einiges klarer geworden.

Ich freue mich, dass Musik so viel für dich bedeutet und da sind wir uns wohl alle einig. Wieso in diesem Anfängerthread halt auch weiterführende Dinge angesprochen wurden, liegt am Thema und der offensichtlich unterschiedlichen Definition des "Interpretierens".

Ach so, eins noch: wer mechanisch einen Notentext wiedergeben will, dem empfehle ich einen Schreibmaschinenkurs :D ! Ist viel billiger! :D

Weiter so viel Spaß mit deiner Musik!!!

Liebe Grüße

chiarina

P.S.: New Oldie, du bist der Größste :D !
 
@chiarina

Danke
f040.gif
 
Mir ist diese Diskussion zu verschwurbelt - und auch sehr anmaßend!

Formuliere ich es einmal ganz prosaisch: In dem Augenblick, wenn ich mit Bewußtsein und Überlegung musiziere, interpretiere und deute ich die Angaben (oder auch Nicht-Angaben) des Komponisten. Ich selber bestimme in dem Augenblick nämlich, wie laut ein Forte und wie leise "piano" ist. Das alles natürlich im Rahmen meiner bescheidenen pianistischen Fähigkeiten und meiner musikalischen Erfahrung. Aber etwas anderes tun alle hier anwesenden Pianisten letztlich auch nicht. (Allenfalls, dass sie schneller mit dem Stück fertig sind.)

ojot
 
Mir ist diese Diskussion zu verschwurbelt - und auch sehr anmaßend!
anmaßend ist bestenfalls die Einbildung, dass man "interpretiere", wenn man halbwegs die dynamischen Anweisungen zu realisieren trachtet... und diese Einbildung findet man häufig.

Das Staunen hebt meist dann an, wenn man mit der Tatsache konfrontiert wird, dass "interpretieren" erst jenseits der plausiblen und gekonnten (daran hapert´s meist!) Realisierung des Notentextes anfängt.

Nun mag man dazu "Buhuhu" sagen und auch "bäh das ist ja vielleicht erst in den höheren Semestern der MuHo so" --- tja: Pech, so isses halt. Wer in einen Interpretationskurs (Meisterkurs) kommt, der kriegt dort keine Fingersätzchen gezeigt: der muss das mechanische Zeug und den Notentext drauf haben und darstellen können. Und den immensen Unterschied kann man beim Vergleich von Laien- und Profiaufnahme von den leichtesten bis zu den schwersten Stücken hören, heutzutage null Problem.

...ich werde nie begreifen, warum man sich unterhalb des Musikhochschulniveaus nicht einfach damit begnügt (und darüber freut!), so schön wie individuell möglich zu spielen und das als Ansporn, Motivation verwendet...
 

...ich werde nie begreifen, warum man sich unterhalb des Musikhochschulniveaus nicht einfach damit begnügt (und darüber freut!), so schön wie individuell möglich zu spielen und das als Ansporn, Motivation verwendet...
einen guten Morgen rolf,
Ist denn das schöne Spielen eines 'Anfängers', der in der Musik aufgeht und das in dem Moment das Wichtigste für ihn ist, nicht auch schon Interpretation?
Gruß
Toni
 
einen guten Morgen, Agraffentoni,
ist denn das mit Liebe und Bemühen gemalte Aquarell der VHS-Malkurslerin ein Picasso oder Monet?
 
einen guten Morgen, Agraffentoni,
ist denn das mit Liebe und Bemühen gemalte Aquarell der VHS-Malkurslerin ein Picasso oder Monet?
Hallo rolf,
kann man das so vergleichen?
Das Gemalte der VHS-Malerin ist doch wohl eher eine 'Kreation', während das Spielen einer Komposition, wie es hier wohl gedacht ist, immer auch ein 'Nachschöpfen' darstellt?
Müßte man dann das Malen nicht mit Komponieren oder Improvisation vergleichen?... (siehe wanja:confused:)
Grüße
Toni
 
NewOldies Interpretationsschwäche

Am Ende meiner Probezeit in einem großen Industrieunternehmen wurde ich zum Vorgesetzten meines Chefs beordert, um meine Festeinstellung zu besiegeln.
Er residierte hoch über den Dächern der Produktion.

Sein riesenhaftes Büro wurde von einem nicht minder riesigem Schreibtisch dominiert.
Beim Eintreten in sein Reich fiel mir auf, dass sich hinter seinem Schreibtisch früher ein Gemälde befunden haben musste.
Anstelle eines qualmende Fabrikschlote zeigenden Bildes befand sich aber nur ein kahler Fleck an der Wand, in dessen Mitte sich die Tapete bereits unschön verfärbt hatte.

Es begann das übliche Machtspiel.
Während ich auf dem unbequememen Stuhl vor dem Schreibtisch Platz genommen hatte, studierte er Akten, ohne mich weiter zu beachten.
Das gab mir Gelegenheit den Schaden an der Wand genauer zu betrachten. Eindeutig ein Wasserschaden, ein unregelmäßiger Fleck mit ausgefransten bräunlichen Rändern, an denen sich bereits schwarze Pilzspuren zeigten.

In mir begann es zu arbeiten. Immerhin sollte ich als Betriebingenieur tätig werden und könnte mich von meiner flexiblen Seite zeigen, indem ich mich auch gleich um Baumängel kümmerte.

Insofern platzte es sofort aus mir heraus, als er seine Akten beiseite legte in Notiz von mir nahm.
"Das ist ja ein übler Wasserschaden, wie lange ist der denn schon dort?"

Er starrte mich an. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können.
Mir war klar, dass ich irgend einen wunden Punkt in seinem Leben berührt haben musste.
Das weitere Gespräch verlief kühl und fünf Minuten später stand ich wieder draußen im Vorzimmer.

Ich erkundigte mich bei seiner Sekretärin nach dem Fleck an der Wand und sie sagte: " Um Gottes Willen, erwähnen Sie das NIEMALS, seine Frau ist Künstlerin und das ist eines ihrer Werke."

Ich wurde trotzdem eingestellt.:D

Lieber Gruß, NewOldie


um das Kunstwerk verstehen zu können hätte ich folgendes wissen müssen:


Die Firma wurde in den euphorischen 1870-er Jahren als Familienbesitz gegründet und wuchs bis zum ersten Weltkrieg rasant.
Die nachfolgenden Generationen lenkten das Familien-Unternehmen mit durch die Nachkriegszeiten und in den 1960-er Jahren expandierte die Firma vom Stammsitz heraus in den Weltmarkt.
Dem letzten Familienerbe, der als zukünftiger Direktor im Direktorenzimmer residieren sollte, der Mühsal überdrüssig, verkaufte die Firma Mitte der 1970-er an einen Chemie-Giganten.

Das Ziel des neuen Besitzers war es, Konkurrenz zu beseitigen und entsandte einen Geschäftsführer.
Dessen Masterplan war die Vernichtung des Unternehmens, durch Auslagerung unwirtschaftlicher und gefährlicher Produktionsabläufe.

Der neue Geschäftsführer, dessen Frau Bildhauerin war, entrümpelte das Direktionsbüro, hängte das imposante Gemälde, welches den Industriekomplex vor dem ersten Weltkrieg zeigte ab, und ließ seine Frau den kahlen Fleck an der Wand künstlerisch umgestalten.
Dieses Kraftobjekt hinter dem Rücken ihres Gatten, sollte ihn an seine Aufgabe als Terminator ermahnen.

Insofern war meine Deutung als Verfallserscheinung formal nicht falsch, traf aber nicht den wahren Kern.

Das ist für mich, die Essenz, die ich aus der Lebenslektion mitnehme:
Eine gute Interpretation kann nur mit vielen Fakten gelingen, vieles andere bleibt Deutung.

Ich verließ die Firma rechtzeitig nach zwei Jahren, mein Chef wickelte binnen Jahresfrist die Produktion ab und ging in Rente.
Der Geschäftsführer wurde gefeuert, weil er am Ende nicht diskret genug gearbeitet hatte.

Das an die Vergänglichkeit mahnende Kunstwerk ist dem Abrissbagger zum Opfer gefallen.

Lieber Gruß, NewOldie
 
anmaßend ist bestenfalls die Einbildung, dass man "interpretiere", wenn man halbwegs die dynamischen Anweisungen zu realisieren trachtet... und diese Einbildung findet man häufig.

Das Staunen hebt meist dann an, wenn man mit der Tatsache konfrontiert wird, dass "interpretieren" erst jenseits der plausiblen und gekonnten (daran hapert´s meist!) Realisierung des Notentextes anfängt.

Nun mag man dazu "Buhuhu" sagen und auch "bäh das ist ja vielleicht erst in den höheren Semestern der MuHo so" --- tja: Pech, so isses halt. Wer in einen Interpretationskurs (Meisterkurs) kommt, der kriegt dort keine Fingersätzchen gezeigt: der muss das mechanische Zeug und den Notentext drauf haben und darstellen können. Und den immensen Unterschied kann man beim Vergleich von Laien- und Profiaufnahme von den leichtesten bis zu den schwersten Stücken hören, heutzutage null Problem.

...ich werde nie begreifen, warum man sich unterhalb des Musikhochschulniveaus nicht einfach damit begnügt (und darüber freut!), so schön wie individuell möglich zu spielen und das als Ansporn, Motivation verwendet...

Ich kann ja verstehen, daß Du da differenzierst, Rolf.

Aber ab wann ist für Dich genau die Grenze? Ich verstehe das ehrlich nicht.

Woran machst Du fest, ob ein Schüler / Student entweder nur "den Notentext plausibel und gekonnt wiedergibt" oder ihn "interpretiert"?

Und es müßte dann ja auch den Fall geben, daß ein Student ein Stück so unzureichend spielt, daß der Prof. zu ihm sagen müßte: "Sie interpretieren nicht!"

Ist es so, daß man eines Tages feststellt (oder vom Prof. gesagt bekommt): "Jetzt habe ich gerade interpretiert"? So wie man als Zen-Schüler die Erleuchtung erfährt?

Im übrigen kommt es in guten Meisterkursen sehr wohl vor, daß auch über Fingersätze gesprochen wird, nur mal so am Rande.

Ich habe schon Meisterkurse angeguckt, und wenn man Dozent und Student verglich, dann war es oft genug so, daß man beim Studenten sehr wohl merkte, daß körperlich-technische Faktoren das Spiel beeinflußten... es war keineswegs immer so, daß eigentlich alles klar war und nur noch über die Interpretationsfeinheiten gesprochen werden mußte! Gerade gute Dozenten sehen dies klar und merken, daß der Student körperlich-technisch-mental noch gar nicht frei genug ist, um über verschiedene Interpretationsmöglichkeiten zu entscheiden! Und wie oft habe ich schon diese manieriert spielenden asiatischen Girls gesehen mit ihren künstlichen, unlockeren, eingeübten Bewegungen - das ist für mich dann, wenn ich Dir folge, Rolf, auch nicht "Interpretation", da sie ja nur innerhalb der engen Grenzen ihrer Angewohnheiten gestalten können!

...ich werde nie begreifen, warum man als Hochschul-Angehörige immer sooo viel Wert darauf legt, sein Üben als "Arbeiten" zu bezeichnen und seine Gestaltung des Stücks als "Interpretation", also als etwas, was sich grundlegend von Spielweisen der "Plebs" unterscheidet - mir scheint da doch auch eine gehörige Portion Wichtigtuerei am Start...

LG,
Hasenbein
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
(1)
Und es müßte dann ja auch den Fall geben, daß ein Student ein Stück so unzureichend spielt, daß der Prof. zu ihm sagen müßte: "Sie interpretieren nicht!"
(2)
Ist es so, daß man eines Tages feststellt (oder vom Prof. gesagt bekommt): "Jetzt habe ich gerade interpretiert"? So wie man als Zen-Schüler die Erleuchtung erfährt?
(3)
Im übrigen kommt es in guten Meisterkursen sehr wohl vor, daß auch über Fingersätze gesprochen wird, nur mal so am Rande.

:D (1) da fallen noch ganz andere Formulierungen... und da fallen immer wieder welche durch (die geschaffte Aufnahmeprüfung ist kein Garant, das Studium mit Auszeichnung abzuschließen)

(2) das wäre schön, denn dann würde man lediglich Erleuchtungsparktiken üben - aber dieses Fach gibt es bedauerlicherweise im Instrumentalstudium noch nicht :D

(3) natürlich kommt es vor, dass sowas besprochen wird, aber für einen Interpretationskurs ist das nicht die Regel - es gibt im Studium entsprechende Kurse über Technik


Ein Siebtklässler kann einen Aufsatz über ein Poe-Gedicht schreiben. Ein Abiturient auch. Ein Student kann darüber eine Seminararbeit schreiben. Auch eine Magisterarbeit. Und auch eine Promotion über ein und das selbe Gedicht ist möglich. Der Siebtklässleraufsatz wird aber wohl nur in extrem seltenen Fällen summa cum laude zum Doktorhut führen :D
Angenommen, der Siebtklässler hat nach weiteren drei Schuljahren keinen Bock mehr, sondern geht in Lehre und ergreift einen Beruf. Etliche Jahre später liest er, dass einer seiner Klassenkameraden aus der Siebten ein Doktor geworden ist, mit einer entsprechenden Arbeit über das Poe-Gedicht sagt dann: "ja sowas aber auch, das hab ich doch schon in der siebten auch gemacht, was soll das Getue denn? Die spinnen und sind anmaßend."

...den Göttern sei Dank, dass es die schutzwallartige Einrichtung von Aufnahmeprüfungen bzw. andernorts Studienvoraussetzungen (z.B. Abitur) gibt... denn bei den meisten Anfängern (2-4 Jahre Unterricht) ist das, was sie können, nicht dasselbe, wie wenn dieses Pensum von einem Klavierstudenten gespielt wird: und an dieser Stelle passt Dein geflügeltes, wenn auch wie Nuri nachgewisen hat nicht von Dir stammendes Wort peng. aus. Palaver nutzt nicht:D
 
@ Rolf:
...ich werde nie begreifen, warum man sich unterhalb des Musikhochschulniveaus nicht einfach damit begnügt (und darüber freut!), so schön wie individuell möglich zu spielen und das als Ansporn, Motivation verwendet...

So ist es! Und – um Mißverständnissen vorzubeugen – auf diesem Niveau bewege ich mich, mit Vergnügen.

Es gibt aber noch einen anderen Gebrauch von „Interpretation“, nämlich, wenn etwas unklar ist oder nicht verstanden wird: „... also, ich verstehe das mal so“ – wobei das „so“ alles mögliche sein kann. Wird hier wohl etwas verwechselt?

LG

Pennacken
 
:D (1)



ein Siebtklässler kann einen Aufsatz über ein Poe-Gedicht schreiben. Ein Abiturient auch. Ein Student kann darüber eine Seminararbeit schreiben. Auch eine Magisterarbeit. Und auch eine Promotion über ein und das selbe Gedicht ist möglich. Der Siebtklässleraufsatz wird aber wohl nur in extrem seltenen Fällen summa cum laude zum Doktorhut führen :D [/I]:D

Hallo Rolf,

Ist das nicht eher ein Beispiel dafür, wie gut oder vor allem auch wie schlecht und ungelungen eine Interpretation sein kann?
Der Siebtklässler interpretiert das Poe-Gedicht in seinem Aufsatz ungenügend um dafür einen Doktorhut zu erhalten, das ist unzweifelhaft.
Aber dennoch wird sich in seinem Aufsatz doch mehr finden als eine reine Inhaltsangabe des Gedichtes, oder siehst du das anders?

Ich denke es ist eine (zum Teil auch fatale) Eigenart der Menschen ständig alles, was um sie herum geschieht, zu interpretieren.
Kennst du das Lied von den Ärzten "Lass die Leute reden"?
Hier die Lyrics.
Das macht für mich einen Großteil des Menschen aus, sie sehen etwas, verstehen es nicht - glauben es aber zu verstehen (!), und deuten etwas hinein.
Für mein (bisheriges) Verständis ist es eine Frage der Qualität der Interpretation, keine Existenzfrage der Interpretation.

Viele Grüße,
Manha
 
Für mein (bisheriges) Verständis ist es eine Frage der Qualität der Interpretation, keine Existenzfrage der Interpretation.

eingebürgert im praktischen Umgang mit Musik hat sich allerdings, den Begriff Interpretation erst ab einer recht hohen Qualität zu verwenden - das ist auch ganz vernünftig, denn sonst müssten künftige Publikationen zu diesem Thema Legionen unzulänglicher Youtube-Filmchen berücksichtigen...
 

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