Üben im Flow

Und mit keinem Wort habe ich Dich aufgefordert, hier nicht mehr mitzumachen!!

Das stimmt, und ich gestehe ein, dass ich da aufgebraust bin. Tut mir leid, Rolf. Keks? Kaffee? Bier? (Konterbier?)

@ topic:

Als ich gestern abend an der Orgel saß und "Lobe den Herren, den mächtigen König" von Johann Gottfried Walther übte, musste ich an diesen Faden denken. Dies Choralpräludium, welches ich seit nunmehr 13 Jahren immer mal wieder "aufwärme", hat gewisse Stellen, die mir seit jeher schlecht in den Fingern liegen. Nun ist es an unserer neu renovierten Orgel ein Leichtes, in Begeisterung zu verfallen, angesichts der herrlichen 16' Posaune, die dem c.f. im Pedal gerecht wird. Insofern habe ich einfach eine Weile lang vor mich hingespielt und genossen.

Und *ZACK*! Jedesmal, wenn ich aus dem konzentriert-bewusst-arbeitenden Zustand in einen gewissen Flow kam, hauten mich diese alten Problemstellen raus. Das wurde durch's "loopen" nicht besser - im Gegenteil.

Also bin ich nach alter Methode drangegangen - was mir immer zunächst keinen großen Spaß macht - auf Arbeitstempo heruntergeschraubt, Hände ohne Pedal, jeweils nur eine Hand mit Pedal, beide Hände mit Pedal, Übestelle allmählich in ihren Kontext eingebettet, Tempo variiert, etc. etc. - und nur auf diese Weise bin ich weitergekommen.

Mir hat diese Episode gezeigt, dass es für mich eher kontraproduktiv ist, schon sehr früh im Übevorgang in den Flow zu kommen.

Wohlgemerkt,
1) dass ich kein Profi bin, und
2) dass das Beispiel die Orgel, nicht das Klavier betrifft... Aber ich wollte es trotzdem mal mitteilen - weil es gerade hier hereinpasste.

Ciao,
Mark
 
A) Das eine Extreme ist, man übt solange, um alles "vorab sicherzustellen" und kommt vor lauter "Sicherstellen" gar nicht mehr dazu, in einen völlig gelösten, hochkonzentrierten Spielmodus zu gelangen.

woraus schließt Du, dass A) nicht zu gelöstem hochkonzentrierten Spielmodus gelangt? Genau das - die Akribie im Sicherstellen der verlässlichen technisch-musikalischen Grundlage - ist überhaupt erst die Basis von professionellem Musizieren (und das auf jedem Instrument, besonders intensiv auf den solistischen).


ich habe Zweifel daran, dass eine mit Fehlern versehene Endlosschleife Fehler peu a peu hinwegsickern lässt - wahrscheinlicher bei dieser Vorgehensweise ist, dass sich durch das endlos wiederholen Fehler einprägen.


Lieber Mindenblues,

ich habe beim Lesen deiner Beiträge das Gefühl, dass es dir vor allem darum geht, mehr Genuss, Leichtigkeit und Spielfreude in den Übungsablauf zu bringen. Liege ich damit falsch? Mal ganz abgesehen vom Begriff des "Flow": könnte es vielleicht sein, dass das Üben bei dir bisher so ablief, dass erst die "langweilige, nervige" Sicherstellung kommt und wenn man dann endlich die Grundlagen hat, kann man mit Genuss etc. spielen?

Könnte dann nicht die Frage, abgesehen vom Flow, sein: "Wie kann ich die sog. Sicherstellung mit Genuss bzw. dem von dir erwünschten Zustand/Gefühl verbinden? Ist das nicht eventuell die viel wichtigere Frage?

Rolf hat es auch erwähnt und ich kann ihm nur vollkommen zustimmen, dass schon das erste Üben eines Musikstücks ein Genuss und ein "Aufhorchen" sein sollte. Wie wunderbar, wenn man staunend durch fremde Klanglandschaften wandert! Ich kann nur sagen, dass bei mir von Anfang an dieses Gefühl vorhanden ist. Langsam übern ist für mich ein Genuss, kleine Teile, einzelne Stimmen zu hören ist herrlich! Da ich das in einem körperlich gelösten Zustand mache, fühle ich mich rundum wohl dabei. Ich denke da gar nicht an "Sicherstellung", das passiert automatisch! Von Anfang an steht die Musik im Vordergrund. Oder wenigstens der Klang.

Könnte es nicht sein, dass du gerade das vermisst?

Wie Rolf bin ich auch der Meinung, dass Endlos-Schleifen (s.o.) völlig unwirksam sind, um Fehlern zu begegnen. Was nützt das schönste Gefühl, wenn hinter nichts Gutes bei rauskommt? Fehler prägen sich ein, deshalb übe ich so, dass ich sie von vornherein vermeide. Etwas anderes ist es, wenn ich mir als Ziel setzte, dass Stück komplett (langsam oder im Tempo) durchzuspielen. Dann nehme ich vielleicht Fehler wahr, sie interessieren mich aber nicht, weil ich mich auf den musikalischen Ablauf etc. konzentriere. Anschließend kann ich fehlerhafte Stellen gesondert üben.

Liege ich ganz falsch?

Liebe Grüße

chiarina
 

Ich finde, Du liegst nicht falsch :)

herzliche Grüße,
Rolf


_________________________
(allerdings ist einschränkend zu bemerken, dass meine Ich-Botschaft nur eine von sehr vielen ist, sodass ihre Relevanz enorm gering ist - das gilt auch für den Fall, dass zwei verschiedene Ichs inhaltlich dieselbe Botschaft mitteilen)
 
Chiarina: Rolf hat es auch erwähnt und ich kann ihm nur vollkommen zustimmen, dass schon das erste Üben eines Musikstücks ein Genuss und ein "Aufhorchen" sein sollte. Wie wunderbar, wenn man staunend durch fremde Klanglandschaften wandert! Ich kann nur sagen, dass bei mir von Anfang an dieses Gefühl vorhanden ist. Langsam übern ist für mich ein Genuss, kleine Teile, einzelne Stimmen zu hören ist herrlich! Da ich das in einem körperlich gelösten Zustand mache, fühle ich mich rundum wohl dabei. Ich denke da gar nicht an "Sicherstellung", das passiert automatisch! Von Anfang an steht die Musik im Vordergrund. Oder wenigstens der Klang.
Chiarina, das hast Du aber schön geschrieben :kuss:. Diesen Zeilen gehen mir durch und durch.
 
ich habe beim Lesen deiner Beiträge das Gefühl, dass es dir vor allem darum geht, mehr Genuss, Leichtigkeit und Spielfreude in den Übungsablauf zu bringen. Liege ich damit falsch? Mal ganz abgesehen vom Begriff des "Flow": könnte es vielleicht sein, dass das Üben bei dir bisher so ablief, dass erst die "langweilige, nervige" Sicherstellung kommt und wenn man dann endlich die Grundlagen hat, kann man mit Genuss etc. spielen?

Also ich bin schon ein Genußmensch, auch und gerade was Klavier- oder Orgelspiel angeht. Da kommt kein "langweiliges nerviges Sicherstellen" auf, das kann ich versichern. Ich bin in der beneidenswerten Lage, dass ich Klavier und Orgel spiele, weil es mir Spaß macht, ich finanziell nicht davon abhängig bin, weil es nicht mein Broterwerb ist, aber trotzdem Geld dafür bekomme. Wenn ich Rückmeldungen bzgl. meiner Spielweise bekomme (z.B. bzgl. Chopin-g-moll-Ballade-Video oder Orgel-Bach-Fantasie-Video), dann ist oftmals dabei, das es ziemlich mühelos und locker aussieht. Liegt eben vielleicht auch an meiner Übeherangehensweise.

Also, der angesprochene Artikel spricht mir von daher aus der Seele, weil er eine Übemethode anspricht, der ich sowieso nahestehe. :)

Jedesmal, wenn ich aus dem konzentriert-bewusst-arbeitenden Zustand in einen gewissen Flow kam, hauten mich diese alten Problemstellen raus. Das wurde durch's "loopen" nicht besser - im Gegenteil.

Ich glaube, ein Mißverständnis ist, das Flow ein Zustand wäre, in dem man nicht konzentriert bei der Sache sei. Das ganze Gegenteil ist aber der Fall.
Wobei ich zustimme, es ist ein Problem, wenn man Fehler durch Wiederholungen etabliert statt beseitigt. Aber es gibt ja z.B. das Prinzip der rotierenden Aufmerksamkeit dabei, z.B. beim nächsten Loop sich auf eine bestimmte Sache zu konzentrieren zwecks Verbesserung, beim nächsten Loop auf was anderes, solange bis es richtig "rund" läuft.

Aber ich glaube auch, der eine kommt mit jener, der andere mit einer anderen Übemethode besser klar, beim Klavierspiel und -üben gibt es neben bewährten etablierten allgemeingültigen Methoden eben auch individuelle Unterschiede.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Also ich bin schon ein Genußmensch, auch und gerade was Klavier- oder Orgelspiel angeht. Da kommt kein "langweiliges nerviges Sicherstellen" auf, das kann ich versichern.................dann ist oftmals dabei, das es ziemlich mühelos und locker aussieht. Liegt eben vielleicht auch an meiner Übeherangehensweise.
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Also, der angesprochene Artikel spricht mir von daher aus der Seele, weil er eine Übemethode anspricht, der ich sowieso nahestehe. :)

Lieber Mindenblues,

ah, dann habe ich dich missverstanden. :) :) :)

Ich hoffe auch, es kam nicht als Kritik rüber! Jedenfalls passt für dich der Artikel ja dann einfach perfekt! Übrigens gibt es vom VdM (Verband deutscher Musikschulen) auch immer eine Fortbildung, die da heißt "Üben im Flow". Da kann man vielleicht auch als Nicht-Profi mitmachen. Wenn man will.

Liebe Grüße

chiarina
 
Ich glaube, ein Mißverständnis ist, das Flow ein Zustand wäre, in dem man nicht konzentriert bei der Sache sei.

Ich glaube, dass jeder im Flow-Link gelesen hat, dass da sehr viel Konzentration im Spiel ist ;) - also kann ich hier an kein Mißverständnis glauben :)

(was ich aber nicht glaube, und schon oft genug mitgeteilt habe, ist, dass der Begriff Flow eine bahnbrechende Neuigkeit sei)
 
Ich möchte nochmal diesen Beitrag aus dem Erkenntnisfaden zeigen, weil ich glaube, dass er zum Thema

"Flow"

passt.

Es herrscht ja allgemeine Übereinstimmung darüber, dass das Klavierspielen bei "echten Pianisten" leicht (sogar manchmal einfach), locker, unangestrengt, selbstverständlich, natürlich (...und ähnliche Vokabeln) aussieht.
Das ist wohl deshalb der Fall, weil es genau dies auch tatsächlich ist.

Ich will nicht behaupten, dass sämtliche Klavierliteratur völlig anstrengunslos gespielt werden kann (vom Gegenteil zeugen gewisse schwitzende, ja tatsächlich schweißtriefende Pianisten, die z.B. Liszt-Etüden spielen ;)),
aber das ist dann wohl ähnlich wie Sport anzusehen.

Genau genommen führt man beim Klavierspielen Bewegungen aus, die nicht komplizierter sind als Bewegungen des Alltags - man bewegt einfach die oberen Extremitäten in besonderer Weise. Das schwierige ist, diese Weise zu finden, und das klappt offenbar nur über das Ausschlussverfahren. Man führt also viele unnütze, anstrengende Bewegungen aus, bis man die für sich funktionierende gefunden hat.

Anstrengend beim Klavierspielen ist ja hauptsächlich das Anspannen von Muskeln, welches widerum zum Großteil das Klavierspielen behindert. Das führt zu Unsicherheit, welche man erstmal automatisch durch noch mehr Spannung zu kompensieren versucht. Man obliegt dem Irrtum, dass mehr Kraft mehr Erfolg bringt.

Es ist aber halt furchtbar schwierig und ungewohnt, solche Spannung wegzulassen, da man das sonst nie tun muss. Und etwas sein lassen einfach schwieriger ist, als etwas zu tun.
Was übrig bliebe, wäre entspanntes, selbstverständliches, unangestrengtes Klavierspiel - also ist das anstrengende das, was man gar nicht braucht.

-- Ich gebe zu, dass das etwas banal und schwarz-weiß-malerisch ausgedrückt ist, aber so ganz unwahr ists auch nicht ;)
 

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