Tonhöhengedächtnis

  • Ersteller des Themas Hans Borjes
  • Erstellungsdatum

Hans Borjes

Hans Borjes

Clavio-Förderer
Dabei seit
18. Mai 2008
Beiträge
459
Reaktionen
1
Dimo hat mich gerad angeregt, mal einen neuen Faden aufzumachen, weil wir über das Tonhöhengedächtnis sprachen.

Dazu ein paar Gedanken und Beobachtungen. Mit meiner KL hab ich neulich mal ausführlich über meine Umstellungsschwierigkeiten zwischen meinem und ihrem Flügel gesprochen. Sie fragte darauf, ob ich vielleicht ein absolutes Gehör habe. Bis jetzt: unklar.

Es folgte eine kleine Internetrecherche zu dem Thema, und es scheint mir, daß da noch viel unklar bzw. widersprüchlich ist. Mein Eindruck ist, das Tonhöhengedächtnis muß erlernt werden und es gibt genetische Dispositionen, die das begünstigen. Weiter sieht es für mich so aus, als gäbe es keine scharfe Trennlinie zwischen dem Erkennen von Intervallen und Tonhöhen. Beide Fähigkeiten müssen anscheinend trainiert werden, so daß ich annehme, es gibt graduelle Ausprägungen von absolutem und relativen Gehör. Oder gibt es doch ein klares Entweder-Oder?

Folgende Beobachtungen: mein Flügel wurde in der letzten Woche gestimmt. Dann hatte ich kurzzeitig das gleiche Erlebnis wie sonst auf dem Unterrichtsinstrument. Ich bin an einer Stelle rausgeflogen, weil ich den Eindruck hatte, falsch zu spielen. Dabei waren es die richtigen Tasten. Es hat sich einfach "nur" die Stimmung geändert.

Dann habe ich mir die letzte Seite von der Mozart Fantasie d-moll erarbeitet. In Takt 98-100 ist eine Stelle, die ich besonders schön finde, einfach klanglich wunderbar. Das habe ich dann meiner KL mal in den Noten gezeigt (gespielt haben wir das Stück neulich nicht) und eine Ähnlichkeit zu anderen Stellen im gleichen Stück festgestellt. Darauf schmunzelte sie, ich warf nochmal einen Blick in die Noten und schaute ungläubig. Tatsächlich, es ist das Motiv aus Takt 55-57, das sich dort transponiert wiederholt. Das ist mir zunächst völlig entgangen. Dabei ist es nur eine Oktave tiefer!

Diese Beobachtungen ergänzen sich irgendwie mit ein paar Experimenten, die ich dann gemacht habe. Singen kann ich überhaupt nicht, hab aber trotzdem mal versucht, den Anfang von zwei Stücken, die ich gut intus habe, zu singen/summen. Dann habe ich den Anfang gespielt und ich finde, die Tonhöhe paßt ganz gut.

Bei den langen Läufen in der Fantasie, aufwärts wie abwärts, ist mir, nachdem ich es einmal genau nach Notentext ertastet habe, immer genau klar, wo der letzte Ton des Laufs ist. Klar ist mir nur nicht, ob das ein relatives Phänomen ist (hallo Harmonielehre...) oder ich mir die Tonhöhe des letzten Tons im Lauf gemerkt habe. Weiß darüber jemand mehr?

Weitere Experimente in dieser Richtung interessieren mich.

Gruß, Hans
 
Hi Hans,

mit dem Theam absolutes/relatives Gehör hatte ich mich auch schon beschäftigt.

Das relative Gehör hat wohl jeder. Das ist eine physikalische Eigenschaft des Gehörs. Es muss aber bzgl. Erkennen von Intervallen selbtverständlich trainiert werden.

Das absolute Gehör kann wohl auch trainiert werden. Ich hatte mal so einen Kurs angefangen, ist aber für jemanden, der nicht schon entsprechend ausgebildet ist, sehr Zeit aufwendig. Ich hatte dann aufgehört, weil man benötigt es als Hobby Pianist nicht wirklich. Es ist sinnvoller die Zeit zum Verbessern seiner spielerischen und musikalischen Fähigkeiten zu nutzen.

Im allseitsgeliebten Online Chang steht glaub ich auch was darüber.

Aber dein absolutes Gehör kannst du doch mit der KL ganz einfach testen: Sie soll eine Taste spielen und du musst den Ton bestimmen, natürlich ohne dass du die Taste siehst. Wenn die Erkennungsrate sehr hoch ist, siehts gut aus. ;-)

Gruß
 
Das absolute Gehör kann wohl auch trainiert werden. Ich hatte mal so einen Kurs angefangen, ist aber für jemanden, der nicht schon entsprechend ausgebildet ist, sehr Zeit aufwendig. Ich hatte dann aufgehört, weil man benötigt es als Hobby Pianist nicht wirklich. Es ist sinnvoller die Zeit zum Verbessern seiner spielerischen und musikalischen Fähigkeiten zu nutzen.

Zum Verbessern der musikalischen Fähigkeiten gehört jedoch immer auch Gehörbildung dazu. Kurse, die einem ein absolutes Gehör erziehen, sind meiner Meinung nach nur Zeit raubend und werden nie zu einem absoluten Gehör führen können. Das ist schlichtweg nicht möglich. Diese Kurse arbeiten mit einer Methodik, die sehr fraglich ist und nicht bei jedem zu einem positiven Ergebnis führen kann. Das Verbessern seines relativen Gehörs sollte viel mehr in den Vordergrund gestellt werden, statt versuchen sich ein pseudo-absolutes Gehör zu erziehen. Konzentrieren wir uns auf das, was uns anatomisch geschenkt wurde. Ein Taubstummer wird kaum zum Sänger werden können - leider, auch trotz Übung und Zeit raubenden Kursen.

Sie fragte darauf, ob ich vielleicht ein absolutes Gehör habe. Bis jetzt: unklar.

Bitte Deine Lehrerin, dies herauszufinden. Schwierig ist es für sie nicht, für uns allzu mehr das zu beurteilen. Informiere dich, was man unter einem absoluten Gehör versteht. Die Meinungen darüber sind sehr unterschiedlich. Lehrbücher unterscheiden ein aktives und passives absolutes Hören. Ich kenne aber nur Personen, die ein definitorisches aktives absolutes Gehör haben, zu diesen gehörst du nicht, da du einen Notentext nicht ohne Referenzton (geht es denn mithilfe einer Stimmgabel?) mit deiner Stimme in Musik umwandeln kannst. Klar, singen kann man lernen... Ich kenne aber persönlich nur Leute, die wenn sie morgens aufstehen (ja, habe ich getestet =D) und man ihnen sagt: sing ein fis' (bzw. einen Ton aus einem beliebigen Notentext), dies auch können. Mit Absolut-Hörern verbinde ich die Fähigkeit eines perfekten Vom-Blatt-Singens hinsichtlich Ton-Höhe ohne Zuhilfenahme eines Referenztons.

Ich gehöre zu der Gattung Menschen, die erkennen könnten, dass der Ton die die Person gesungen hat kein fis' war. Ich könnte aber nicht sagen, ob es denn nun ein g' oder ein anderer Ton war (eventuell auch nur 1/4 Ton höher?), der da gesungen wurde. Jeder Ton hört sich anders an - klar. Man fühlt jedoch bei jedem Ton, bei jeder Tonart, aber auch bei jeder Stimmung etwas anderes. Es ist schwer, dass in Worte zu fassen. In Lehrbüchern wird immer wieder etwas von einer Ton-Farb-Synästhesie gesagt. Töne hätten Farben. Einige Kurse zum Thema (Pseudo-)Absolutes Gehör fangen da auch an: "Erfahren Sie die einzelnen Klänge der Töne, Unterschiede im Klang zwischen Tonarten etc.".
Ich habe aber kein absolutes Gehör. Vielmehr ist es ein Entwicklungsprozess der Gewöhnung an ein bestimmes "tonales System". Ein Lied, dass ich verinnerlicht habe und es damit in einer bestimmten Tonart verinnerlicht habe, klingt transponiert völlig anders. Relativ noch gleich, jedoch sind, wie soll ich sagen, die Dinge die man beim Hören erfühlt anders. Es klingt einfach anders und man kann nicht sagen warum. Genauso ist es bei verschiedenen Stimmungen.

Du hast dich an den Klang deines Flügels gewöhnt. Du fühlst die Klänge deines Flügels. Bist du nun an einem anderen Instrument, das einen anderen Charakter hat, fühlen sich die Klänge anders an. Kleines Experiment: Hör dir bis zum Erbrechen (Ja...!) ein Orchesterwerk an, das mit einer Stimmung von 440 Hz eingespielt wurde (wenn man soetwas heutzutage überhaupt noch irgendwo findet?) und hör dir dann eine Aufnahme mit einer niedriegen oder höheren Stimmung an. Dir wird ein Unterschied auffallen, du wirst nicht definieren können, was für ein Unterschied es ist. Das Stück wird für dich einen anderen Charakter haben, auch wenn es immer noch den gleichen Charakter hat.

Es ist Gewöhnungssache - ein absolutes Gehör kann man sich jedoch nicht angewöhnen.

Ich kenne jemanden, der sich auf Grundlage der Pavlov-Methode ein Pseudo-Absolutes Gehör erzogen hat: Etwa ein Jahr lang hat er sich eine Stimmgabel mit immer der gleich Handbewegung an den Kopf geführt und den Ton angesungen. Nun kann er, wenn er nur seine Hand mit dieser speziellen Bewegung an den Kopf führt, den Kammerton 440 Hz (der er so immer von der Stimmgabel abgenommen hat) singen. Er kann sich diesen Ton aber davor nicht vorstellen. Ein Absolut-Hörer kann sich diesen Ton davor vorstellen und ihn auch singen. Manche Relativ-Hörer, die viel Gehörbildung machten, können schon leichte "Verstimmungen" des Tons hören, können jedoch ohne einen Referenzton nicht genau sagen, um wieviel der Ton "daneben lag". Das ist einfach ein Phänomen des "Dran-Gewöhnens": Man weiß in etwa, wie ein bestimmter Ton klingt, da man ihn tausende Male gehört hat...

Über diese Phänomene von Absoluten Gehör zu sprechen ist schwierig, viele vertreten ihre eigene Meinung und zudem ist nichts wissenschaftlich fundiert.

Eine kleine Frage zum Schluss von mir [wenn es zu Off-Topic ist, bitte nicht lang drüber diskutieren, sondern wer da mehr weiß, einfach ne PM schicken ;)]: Wo es doch früher keine DIN-Norm für den Kammerton gab (gehen wir mal in die Klassik...) soll es trotzdem Personen gegeben haben, die ein absolutes Gehör besaßen (ja, oh wunder...!!^^). Nehmen wir an, ein Herr Mozart war Absolut-Hörer und war auf die Stimmung von 415 Hz (?!) ein "Absolut-Hörer", wenn er nun nach Italien reiste und dort die Orchester auf 392 Hz gestimmt waren, hätte alles für ihn anders, vielleicht sogar "schrecklich", klingen müssen. Ist dann nicht die Festsetzen des Kammertons auf 440 Hz (auch wenn sie willkürlich war) gut, und ist es dann nicht schlecht und problematisch für viele absolut-hörenden Musiker, wenn nun bzw. schon seit der Festsetzung des Kammertons auf 440 Hz jedes Orchester seinen eigenen Kammerton hat (bei mir in der Gegend hat z.B. das Rundfunk-Sinfonieorchester ne Stimmung von 442 Hz und das höchste Orchester, das Staatstheater, wiederum die höchste Stimmung von allen Orchestern). Herr Mozart hätte dann doch in Italien eine andere Tonhöhe gehört, und genauso auch bei allen Orchestern bei uns?

Oder liegt da bei mir ein kleiner Denkfehler?
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
@ Tinte:
Ich kann deine Thesen hinsichtlich des "Gewöhnens" an Töne bzw. Stimmungen (von Instrumenten oder bezüglich Musikstücken) bestätigen. Ich habe leider kein absolutes Gehör, dafür ein relatives, mit dem ich sehr zufrieden bin. Seit ein paar Jahren habe ich mir aber den Referenzton des c' gemerkt, den ich aus dem Stegreif meist relativ genau treffe. Je länger ich wach bin, desto besser treffe ich, unabhängig davon, ob ich an dem Tag schon Klavier gespielt habe oder nicht, meist, wenn auch nicht ausschließlich, liege ich weniger als einen Halbton daneben. Mit einer Bewegung zum Kopf hat das aber nichts zu tun, und es ist für mich auch das gleiche, ob ich den Ton singe oder mir ihn nur vorstelle. Aber vielleicht ist es das, was die ganzen Kurse antrainieren wollen, einen Referenzton? Schließlich kann man sich davon jeden beliebigen Ton ableiten, und theoretisch auch irgendwelche Leute beeindrucken. Obwohl da ein Halbton mehr oder weniger manchmal nicht eindeutig zu unterscheiden ist :D
Mir fällt es auch auf, wenn ein historisches Instrument tiefer gestimmt ist. Wobei man da natürlich etwas voreingenommen ist, weil das bei historischen Instrumenten (oder pseudo-historischen) häufiger vorkommt als bei normalen ;)
Was man aber wohl nur sehr schwer lernen kann, wenn überhaupt, ist das schnelle zuordnen von Tönen bzw. das zuordnen im Stück, wenn man von anderen Tönen beeinflussst wird.

Der Unterschied ist wohl: echte Absoluthörer "wissen", welcher Ton es ist, so wie ich weiß, dass rot so aussieht, wie rot eben aussieht, ohne dass ich gelb daneben brauche, um zu wissen, dass gelb nicht rot ist. Wenn ich ein c höre, weiß ich auf Anhieb gar nichts, sondern muss rational kurz nachdenken, dass der Ton viel zu tief ist, um ein g zu sein.
Dieses instinkthafte "Wissen ohne zu denken", was alle gesunden Menschen bei Farben und manche Menschen bei Tönen haben, gibt es auch noch in anderen Bereichen, wenn auch nur sehr selten. Einzelne Kopfrechen-Genies können zehn- oder zwanzigstellige Zahlen in Sekunden multiplizieren, dividieren, quadrieren, daraus die Wurzel ziehen, ohne wirklich zu rechnen. Ich habe mal eine Reportage gesehen, in dem ein solcher Savant berichtete, er sehe die Zahlen als Formen im Kopf, die sich bei Rechnungen zu neuen Formen, den Ergebniszahlen, ergänzten.

Das Absoluthören hat mMn übrigens nicht unbedingt was mit dem Singen zu tun. Es gibt sicher auch nicht-Musiker, die das können, die treten dann bei Wetten dass...? auf und hören an der Tonhöhe, die ein Motor erzeugt, die Drehzahl heraus.
Und unter den Musikern gibt es wohl solche, die es mehr stört, wenn die Stimmung sich verändert (wenn der Chor sinkt...), andere stört es weniger.
Vielleicht ist das auch Gewöhnungssache?
 
Der Unterschied ist wohl: echte Absoluthörer "wissen", welcher Ton es ist, so wie ich weiß, dass rot so aussieht, wie rot eben aussieht, ohne dass ich gelb daneben brauche, um zu wissen, dass gelb nicht rot ist.
(...)Das Absoluthören hat mMn übrigens nicht unbedingt was mit dem Singen zu tun.
(...)Und unter den Musikern gibt es wohl solche, die es mehr stört, wenn die Stimmung sich verändert (wenn der Chor sinkt...), andere stört es weniger.
Vielleicht ist das auch Gewöhnungssache?
Ich habe ein absolutes Gehör und kann das obige nur bestätigen. Wenn ich einen Ton höre, dann weiß ich einfach welcher Ton das ist. Die einzelnen Töne zu benennen und zu notieren war für mich noch nie ein Problem, Probleme in der Gehörbildung hatte ich nur mit dem Benennen des Notierten. D.h. egal wie kompliziert ein Akkord war, die Töne waren bei mir immer richtig, oft habe ich diese allerdings ohne es zu wissen enharmonisch verwechselt und konnte dann den Akkord nicht bestimmen.
Ich kann alles problemlos ohne Referenzton vom Blatt singen, habe allerdings als Kind sehr schlecht gesungen. Ich habe damals innerlich den richtigen Ton gehört, konnte ihn aber nicht gleich treffen und war dann entsprechend frustriert.
Probleme bereitet mir mein Gehör manchmal beim Orchesterspielen, wenn in historischer Stimmung gespielt werden soll. Dass ich da trotzdem sehr sauber spiele liegt lediglich an der jahrelangen Übung und der sehr sicheren Technik. Auf einem fremden Instrument würde das Spielen in historischer Stimmung eine Blamage werden.
 
Ein Lied, dass ich verinnerlicht habe und es damit in einer bestimmten Tonart verinnerlicht habe, klingt transponiert völlig anders. Relativ noch gleich, jedoch sind, wie soll ich sagen, die Dinge die man beim Hören erfühlt anders.

Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Besitzer von Digitalpianos haben die Möglichkeit, interessante Transpositionsexperimente zu machen. Denn fast jedes Digitalpiano hat eine Transpositionsfunktion. Ich habe es mit einer Chopin-Etüde ausprobiert: Sobald ich auch nur einen Halbton nach oben oder unten transponiert hatte, war das gesamte Stück plötzlich wie verwandelt. Es war mir auf einmal ganz fremd und ich habe es "neu" gehört. Da war ein gewisses Unbehagen dabei, aber auch Spannung und Spiellust. :rolleyes:

Eine andere Erfahrung, die ich gemacht habe, war, dass das Singen im Chor meine Fähigkeit, einen Ton mit etwas Konzentration spontan relativ gut zu treffen, gefördert hat. Das deutet darauf hin, dass Singen für das Training des relativen Gehörs gut geeignet ist. Ist irgendwie auch klar, denn die Stimme ist das körpernächste Instrument, das es gibt. Wenn man nun ständig aus Noten singt, dann entsteht eine Verbindung zwischen den Noten und einer Art "Körpergedächtnis" oder "Stimmgedächtnis". Man lernt, die Töne besser zu fühlen und trifft sie deshalb ohne Hilfsmittel auch besser.

Übrigens ist die genannte Fähigkeit wieder zurückgegangen, seit ich nicht mehr im Chor singe... :(

Grüße von
Fips
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Dann sollte man aber sehr einfach feststellen können, ob jemand das absolute Gehör hat. Einfach ein Lied vom Blatt singen lassen, wobei man eine andere Tonart vorgibt als notiert: der nicht-absolut-Hörer kanns, der Absoluthörer kanns nicht
 
Der war gut, Haydnspasz ;-) das ist vermutlich eine idiotensichere Methode ^^
 
Es folgte eine kleine Internetrecherche zu dem Thema, und es scheint mir, daß da noch viel unklar bzw. widersprüchlich ist. Mein Eindruck ist, das Tonhöhengedächtnis muß erlernt werden und es gibt genetische Dispositionen, die das begünstigen. Weiter sieht es für mich so aus, als gäbe es keine scharfe Trennlinie zwischen dem Erkennen von Intervallen und Tonhöhen. Beide Fähigkeiten müssen anscheinend trainiert werden, so daß ich annehme, es gibt graduelle Ausprägungen von absolutem und relativen Gehör. Oder gibt es doch ein klares Entweder-Oder?
Meine Meinung dazu: Wie bei vielen anderen angeborenen Fähigkeiten des Gehirns, gibt es auch hier graduelle Ausprägungen. Der eine kann das eine "auf Anhieb" besser, dafür das andere weniger gut. Beim nächsten Menschen ist es vielleicht genau umgekehrt... Jedes Gehirn ist ein bissl anders...
Bei den langen Läufen in der Fantasie, aufwärts wie abwärts, ist mir, nachdem ich es einmal genau nach Notentext ertastet habe, immer genau klar, wo der letzte Ton des Laufs ist. Klar ist mir nur nicht, ob das ein relatives Phänomen ist (hallo Harmonielehre...) oder ich mir die Tonhöhe des letzten Tons im Lauf gemerkt habe. Weiß darüber jemand mehr?
Ich denke, beides spielt eine Rolle. Wenn Du Dir die Tonhöhe gut merken kannst, ist das eine Strategie, die Dir beim Lernen helfen wird. Jeder Mensch verwendet unterschiedliche Strategien. Dabei ist es oft nützlich, die eigenen Stärken einzusetzen (man kommt dadurch schneller voran), aber auch, die eigenen "Schwächen" ein bissl zu trainieren... (weil man dadurch ein "breiteres" Spektrum von Möglichkeiten hat). Neben dem "Hören" gilt das natürlich auch für andere Bereiche. Bei mir zum Beispiel ist eine Schwäche das Auswendigspiel, eine Stärke hingegen das Blattspiel.
Nehmen wir an, ein Herr Mozart war Absolut-Hörer und war auf die Stimmung von 415 Hz (?!) ein "Absolut-Hörer", wenn er nun nach Italien reiste und dort die Orchester auf 392 Hz gestimmt waren, hätte alles für ihn anders, vielleicht sogar "schrecklich", klingen müssen. Ist dann nicht die Festsetzen des Kammertons auf 440 Hz (auch wenn sie willkürlich war) gut, und ist es dann nicht schlecht und problematisch für viele absolut-hörenden Musiker, wenn nun bzw. schon seit der Festsetzung des Kammertons auf 440 Hz jedes Orchester seinen eigenen Kammerton hat (bei mir in der Gegend hat z.B. das Rundfunk-Sinfonieorchester ne Stimmung von 442 Hz und das höchste Orchester, das Staatstheater, wiederum die höchste Stimmung von allen Orchestern). Herr Mozart hätte dann doch in Italien eine andere Tonhöhe gehört, und genauso auch bei allen Orchestern bei uns?
Ja, ich denke auch, dass dies ist ein Problem bei vielen Absolut-Hörern ist. Mich als Absoluthörer stört es oft sehr, wenn Barockstücke statt in D-Dur für mich wie Des-Dur klingen, denn Des-Dur hat für mich eine ganz andere Klangfarbe.:rolleyes: Mit der Zeit kann ich mich aber ein wenig daran "gewöhnen". Noch problematischer ist es, wenn ich im Chor singe, und der Chor nach 20 Takten einen Halbton tiefer gesackt ist. Ich versuche dann meist blitzschnell, mir vorzustellen, dass das Stück einen Halbton tiefer notiert ist (d.h. ich transponiere im Kopf), damit ich in der Lage bin, die Töne noch zu treffen....
Oder ich versuche, mein Absolutgehör einfach "auszublenden" bzw. "abzuschalten", "nicht dran zu denken" (was einiges an Energie kostet...:rolleyes:).
Wie Mozart, der ja anscheinend auch Absoluthörer war, damals damit umgegangen ist, würde mich auch interessieren...

Der Unterschied ist wohl: echte Absoluthörer "wissen", welcher Ton es ist, so wie ich weiß, dass rot so aussieht, wie rot eben aussieht, ohne dass ich gelb daneben brauche, um zu wissen, dass gelb nicht rot ist. Wenn ich ein c höre, weiß ich auf Anhieb gar nichts, sondern muss rational kurz nachdenken, dass der Ton viel zu tief ist, um ein g zu sein.
Dieses instinkthafte "Wissen ohne zu denken", was alle gesunden Menschen bei Farben und manche Menschen bei Tönen haben,(...)
Diese Beschreibung/Definition finde ich sehr passend und nützlich. Bei mir ist es auch so, dass ich gar nicht über den Ton nachdenken muss, sondern ich weiß es "automatisch". Wobei ich bei einzelnen Tönen auch schon mal danebengelegen habe (aber nie mehr als ein Halbton), bei Dreiklängen aus Tonarten dagegen nicht...
und hören an der Tonhöhe, die ein Motor erzeugt, die Drehzahl heraus.
Ja. Das entsprechende Kapitel in "Musicophilia (Der einarmige Pianist)" ist übertitelt mit "Papa blows his nose in G":D
In dem Kapitel stehen auch einige interessante Erkenntnisse. Zum Beispiel, dass Absoluthören bei vielen Säuglingen zu finden ist, aber sich im Laufe des Wachstums zurückbildet. Bei Kindern, die früh musikalische Ausbildung erhalten, bleibt es dann eher bestehen als bei anderen.
Weiterhin ist das absolute Gehör bei Menschen, die mit "tonalen" Sprachen aufwachsen (z. B. Chinesisch) häufiger als bei Menschen mit nicht-tonalen Sprachen (Deutsch, Englisch).
Dann sollte man aber sehr einfach feststellen können, ob jemand das absolute Gehör hat. Einfach ein Lied vom Blatt singen lassen, wobei man eine andere Tonart vorgibt als notiert: der nicht-absolut-Hörer kanns, der Absoluthörer kanns nicht
Das würde ich so nicht sagen. Ich z. B. entwickele dann Strategien, um dieses Problem zu umgehen (siehe oben) :cool:
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Dann habe ich mir die letzte Seite von der Mozart Fantasie d-moll erarbeitet. In Takt 98-100 ist eine Stelle, die ich besonders schön finde, einfach klanglich wunderbar. Das habe ich dann meiner KL mal in den Noten gezeigt (gespielt haben wir das Stück neulich nicht) und eine Ähnlichkeit zu anderen Stellen im gleichen Stück festgestellt. Darauf schmunzelte sie, ich warf nochmal einen Blick in die Noten und schaute ungläubig. Tatsächlich, es ist das Motiv aus Takt 55-57, das sich dort transponiert wiederholt. Das ist mir zunächst völlig entgangen. Dabei ist es nur eine Oktave tiefer!
Das finde ich ja jetzt wirklich bedenklich. In Takt 87-89 taucht das Motiv ja nochmal auf. Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Das ist in meiner Notenausgabe eine Zeile höher und einen Taktstrich nach links versetzt. Ich hätte es also auch sehen können. So auf Anhieb eindeutig gehört habe ich es jedenfalls nicht. :shock:
 
Hihi, Chorsingen ist echt eine Herausforderungen. Was machst du, wenn es mehr als ein Halbton wid, Dimo? Ich versuche es manchmal mit doppel-b , ansonsten muss ich halt wirklich transponieren...aber wehe, das Stueck ist modern und mir noch unbekannt. Brr! Mein Gehoerbildungsdozent hat mir geraten, diese Problematik zu umgehen, indem ich lerne, eine moeglichst grosze Zahl verschiedener Schluessel fluessig zu lesen. Hab aber noch nicht angefangen. Mein Halbbruder, auch Absoluthoerer, schwoert darauf, sich das transponieren anzueigenen, indem man bach WTK in allen Tonarten rauf und runter spielt (so ein Angber ^^)
 

Mich als Absoluthörer stört es oft sehr, wenn Barockstücke statt in D-Dur für mich wie Des-Dur klingen, denn Des-Dur hat für mich eine ganz andere Klangfarbe.:rolleyes: Mit der Zeit kann ich mich aber ein wenig daran "gewöhnen". Noch problematischer ist es, wenn ich im Chor singe, und der Chor nach 20 Takten einen Halbton tiefer gesackt ist. Ich versuche dann meist blitzschnell, mir vorzustellen, dass das Stück einen Halbton tiefer notiert ist (d.h. ich transponiere im Kopf), damit ich in der Lage bin, die Töne noch zu treffen....
Oder ich versuche, mein Absolutgehör einfach "auszublenden" bzw. "abzuschalten", "nicht dran zu denken" (was einiges an Energie kostet...:rolleyes:).
Ich hab meistens die Assoziation, dass es eine Errungenschaft ist, absolut zu hören. Und dass mir quasi etwas "fehlt", weil ich es nicht kann. Aber wenn ich das hier so lese, dann kriege ich den Eindruck, dass es ein regelrechter Segen sein kann, nicht absolut zu hören. ;)

Weiterhin ist das absolute Gehör bei Menschen, die mit "tonalen" Sprachen aufwachsen (z. B. Chinesisch) häufiger als bei Menschen mit nicht-tonalen Sprachen (Deutsch, Englisch).

Äh, da steh ich jetzt auf der Leitung. Was sind tonale Sprachen?

Grüße von
Fips
 
Hi,

nochmal was von mir zum absoluten Gehör:

Es hat für das praktische Klavierspielen wenig Relevanz.

(Das sag ich, weil ich's nicht habe. ;-) Obwohl ich mir da nicht ganz sicher bin, weil ich auch schon ein paar Tests mit mir gemacht habe. ;-) )

In der Praxis sind folgende Eigenschaften für das Tonhöhen-Gehör wichtig (es gibt auch noch das wichtigere Gehör für dynamische Klanggestaltung und Qualität (Sound)):

  1. Ein Intervall erkennen (gleichzeitig und nacheinander gespielt)
  2. Akkorde (auch in Umkehrungen, anderen Lagen) mit ihren Optionstönen (Moll, Dur, +-7, +-9, +-13) erkennen
  3. Geschlecht (heisst das so?) der Grundtonart eines Musikstückes erkennen
  4. Die Skalen des diatonischen Systems ab einem beliebigen Ton spielen/erkennen können.
  5. Erkennen dass ein gespielter Ton in einem Stück nicht zur Tonart/Modulation passt (falsch ist)

All das geht hervorragend auch ohne absolutem Gehör!

Gruß
 
Hihi, Chorsingen ist echt eine Herausforderungen. Was machst du, wenn es mehr als ein Halbton wid, Dimo?
Ja, je mehr es wird, um so schwieriger... die doppel-b Methode klappt bei mir nicht so gut (ich löse auch sonst beim Spielen doppel-b's meistens automatisch in die "gängigere" Note auf, also z. B. heses zu a);). Die Notenschlüssel-Methode deines Lehrers verwende ich hingegen gern und oft (da ich ja auch Cello spiele, kann ich die 4 dort verwendeten Schlüssel ja sowieso schon flüssig lesen):cool:
Die WTK-Methode klingt interessant, aber sehr aufwändig...:p

Zum Thema Absoluthören habe ich übrigens noch diesen alten Thread aufgestöbert - insbesondere die Beträge von Toccata finde ich interessant:
https://www.clavio.de/forum/umfragen/1384-absolutes-oder-relatives-gehoer.html
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Welche Vorteile hat man als Absoluthörer?

Mir geht es ähnlich wie TiNte oder Stilblüte, dass ich ein Relativhörer bin, aber wahrscheinlich nicht so gut wie ihr beiden.

Bei mir ist es so, dass ich verschiedene Stücke im Kopf habe: für a-moll ist es die a-moll Invention Nr. 13 von Bach, F-Dur die 8. Invention usw.

Wenn ich viel Zeit habe, und einen bestimmten Referenzton haben möchte, denke ich an z.B. o.g. Stücke und versuche, ob das A von Invention 13 mit dem F von Invention 8 eine gesunde große Terz auseinander sind. Wenn ich mich intern auf eine Tonhöhe festgelegt habe, kann ich dann bei der Kontrolle am Klavier gut und gerne einen Halbton daneben liegen, seufz :rolleyes:
Habe manchmal den Eindruck, als ob es eine Rolle spielt, ob ich das morgens oder abends teste, oder ausgeruht bin oder nicht.

Weiterhin frage ich mich, ob man Absoluthörer wie Dimo und andere bewundern oder bedauern sollte. Bis jetzt lese ich nämlich immer nur von handfesten Problemen, die Absoluthörer bekommen, z.B. beim Chorsingen und obligatorischem Absinken im Laufe der Strophen.

Dann frage ich mal provokatorisch, welchen Vorteil hat man denn als Absoluthörer? Bezogen auf Klavierspielen, bezogen auf Musikhören, bezogen auf andere Musikinstrumente wie Cello usw.?
 
Hi Mindenblues,
Dann frage ich mal provokatorisch, welchen Vorteil hat man denn als Absoluthörer? Bezogen auf Klavierspielen, bezogen auf Musikhören, bezogen auf andere Musikinstrumente wie Cello usw.?

bezogen aufs Klavierspiel hat man keinenVorteil. Siehe mein Post weiter oben:

https://www.clavio.de/forum/105256-post14.html

Ausserdem ist das Klavier ein Instument, wo man nicht intonieren muss. (ein Glück für mich ;-) )

Gruß
 
Doch, man hat Vorteile!
Man kann z.B. Ton- bzw. Tastenbezogen voraushören.
Wenn ich einen langsamen Satz spiele, und meine Finger wissen nicht mehr, wohin, mein Melodiegedächtnis aber schon, muss ich nicht relativ ausrechnen, welchen Ton mein Kopf gerade hört, sondern ich könnte direkt die Taste spielen.
Allgemein ist das absolute Gehört für das Auswendigspielen sicher kein Schaden...
Außerdem kann man wohl besser vom Blatt "hören", und somit möglicherweise auch Spielen.
 
Stimmt, sind gewichtige Argumente, Stilblüte!

Mir ist es bei einem Auswendigstück schon passiert, dass mir partout die Tonart nicht mehr eingefallen ist, und ich nicht den Anfangston wußte. :oops:
Nach mehrfachem Rumstochern kam es dann, und danach lief es. :floet:

Das mit dem vom Blatt "hören" jedoch ist etwas - so hoffe ich, und lasse mir auch die Illusion nicht nehmen - dass es auch als ordinärer Relativhörer mit der Zeit besser werden kann, ebenso was die Intervalle-finden beim Auswendigspiel angeht (Ton im Kopf zu richtiger Taste). Aber kann mir sehr gut vorstellen, dass Absoluthörer es da viel, viel einfacher haben.
 
Dann frage ich mal provokatorisch, welchen Vorteil hat man denn als Absoluthörer? Bezogen auf Klavierspielen, bezogen auf Musikhören, bezogen auf andere Musikinstrumente wie Cello usw.?
Vorteile gibt's einige:
  • Voraushören des gewünschten Tons. Das hilft beim Lernen von neuen Stücken, sei es am Klavier, am Cello oder beim Singen.
  • Stücke wiedererkennen oder besser "erraten". Wenn ich weiß, Brahms hat Sinfonien in C-Dur, D-Dur und F-Dur geschrieben, kann ich sofort herausfinden, welche im Radio gerade gespielt wird, ohne dass ich das Stück genau (wieder)erkennen müßte.
  • Ton vorgeben beim spontanen Chorsingen ohne Instrument oder Stimmgabel. :D
Insgesamt ist das absolute Gehör also sowohl Fluch als auch Segen. Und ich stimme zu, dass andere Qualitäten eine höhere Bedeutung fürs Musizieren haben: Zum Beispiel gutes Relativgehör; musikalischer Geschmack; Rhythmusgefühl; Disziplin, ... :floet: ;)
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

Zurück
Top Bottom